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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 50/2018/29: Obergericht

Der Beschuldigte wurde für betrügerische Machenschaften an Billettautomaten und illegale Einreisen in die Schweiz verurteilt. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten, wovon bereits 348 Tage durch Haft erstanden sind. Die Kosten des Gerichtsverfahrens wurden teilweise dem Beschuldigten auferlegt. Die Staatsanwaltschaft unterlag mit ihrer Berufung hinsichtlich des Strafmasses, erreichte jedoch die Verweigerung des teilbedingten Strafvollzugs. Der Beschuldigte zog seine Berufung zurück und erhielt eine leichte Strafreduktion. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich wurde in Bezug auf den Schuldspruch, die Verwendung beschlagnahmter Gelder und Kleinmünzen, zivilrechtliche Ansprüche und die Kosten bestätigt. Das Gericht ordnete an, dass die Kosten des Berufungsverfahrens grösstenteils dem Beschuldigten auferlegt werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 50/2018/29

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 50/2018/29
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 50/2018/29 vom 08.10.2019 (SH)
Datum:08.10.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Verbindungsbusse - Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 Abs. 4 und Art. 50 StGB. Voraussetzungen einer Verbindungsbusse (E. 2.2 und 2.4). Das Gericht hat seine Überlegungen bei der Festsetzung der Busse zu begründen, so dass der Beschuldigte in der Lage ist zu überprüfen, ob alle rechtlich massgebenden Punkte Berücksichtigung gefunden haben (E. 2.3).
Schlagwörter : Verbindungsbusse; Beschuldigte; Busse; Kantonsgericht; Beschuldigten; Übertretung; Freiheitsstrafe; Sanktion; Vergehen; Voraussetzungen; Gericht; Überlegungen; Vollzug; Enkombination; Schnittstellenproblematik; Geldstrafe; Gehör; Recht; Festsetzung; Punkte; Berücksichtigung; Probezeit; Sinne; Landes; Bereich
Rechtsnorm:Art. 106 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 42 StGB ;Art. 50 StGB ;
Referenz BGE:124 IV 134; 134 IV 17; 134 IV 1; 135 IV 188;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 50/2018/29

2019

Verbindungsbusse - Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 42 Abs. 4 und Art. 50 StGB.

Voraussetzungen einer Verbindungsbusse (E. 2.2 und 2.4).

Das Gericht hat seine Überlegungen bei der Festsetzung der Busse zu begründen, so dass der Beschuldigte in der Lage ist zu überprüfen, ob alle rechtlich massgebenden Punkte Berücksichtigung gefunden haben (E. 2.3).

OGE 50/2018/29 vom 8. Oktober 2019 Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

Das Kantonsgericht verurteilte den Beschuldigten wegen mehrfacher sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten. Den Vollzug der Strafe schob es bedingt auf bei einer Probezeit von 2 Jahren. Zusätzlich sprach es eine Verbindungsbusse im Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB von Fr. 8'000.aus. Der Beschuldigte wurde sodann für 5 Jahre des Landes verwiesen. Eine Berufung des Beschuldigten, die sich einzig gegen die Verbindungsbusse richtete, hiess das Obergericht gut.

Aus den Erwägungen
    1. Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Durch diese Strafenkombination wollte der Gesetzgeber im Bereich der Massendelinquenz die Möglichkeit schaffen, eine spürbare Sanktion zu verhängen. Die Bestimmung dient vorab dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der unbedingten Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (BGer 6B_20/2014 vom 14. November 2014 E. 10.3). Sie kann aber allgemein dann angewendet werden, wenn ein Verbrechensoder Vergehenstatbestand eine Übertretung verdrängt. Darüber hinaus erhöht die Strafenkombination ganz allgemein die Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Sie kommt in Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewähren möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung einer zu bezahlenden Geldstrafe Busse einen spürbaren Denkzettel verabreichen will. Die Strafenkombination dient hier spezialpräventiven Zwecken (zum Ganzen BGE 134 IV 1 E. 4.5.1 f. S. 8; 134 IV

      60 E. 7.3.1 S. 74 f.).

      Die in diesem Sinne akzessorische Verbindungsbusse erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täterund tatangemessene Sanktion, wobei die an sich verwirkte Strafe und die damit verbundene Busse in ihrer Summe

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      schuldangemessen sein müssen. Das Hauptgewicht liegt auf der bedingten Strafe, während der unbedingten Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen eine zusätzliche Strafe ermöglichen (BGE 124 IV 134 E. 2c/bb S. 135 f.; BGer 6B_756/2018 vom 15. November 2018). Um dem akzessorischen Charakter der Verbindungsbusse gerecht zu werden, ist die Obergrenze grundsätzlich auf einen Fünftel beziehungsweise 20% festzulegen. Abweichungen von dieser Regel sind im Bereich tiefer Strafen denkbar, um sicherzustellen, dass der Verbindungsbusse nicht eine lediglich symbolische Bedeutung zukommt (BGE 135 IV 188 E. 3.4.4 S. 191).

      Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung wäre eine Praxis, wonach jede bedingte Geldstrafe mit Busse verknüpft wird, gesetzwidrig (BGer 6B_1042/2008 vom

      30. Mai 2009 E. 2.2; vgl. auch Stefan Heimgartner, in: Andreas Donatsch [Hrsg.], StGB/JStG Kommentar, 20. A., Zürich 2018, Art. 42 N. 25, S. 133). Das Gericht muss die für die Strafzumessung und die für die Wahl der Strafart erheblichen Umstände und deren Gewichtung in der Begründung anführen. Es muss die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, sodass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (Art. 50 StGB; BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 20). Diese Begründungspflicht ist Teil des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV.

    2. Das Kantonsgericht begründet nicht, weshalb es die Voraussetzungen für eine Verbindungsbusse als gegeben erachtet. Auch fehlen Ausführungen zur Bemessung der Sanktion, abgesehen vom pauschalen Verweis auf die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten. Selbst wenn der festgesetzten Busse von Fr. 8'000.im Vergleich zur ausgesprochenen Freiheitsstrafe eine klar untergeordnete Bedeutung zukommt, wäre das Kantonsgericht gehalten gewesen, seine Überlegungen, welche es bei der Festsetzung dieser Verbindungsbusse vorgenommen hat, wenigstens in den Grundzügen wiederzugeben. So aber verletzte das Kantonsgericht Art. 50 StGB bzw. das rechtliche Gehör des Beschuldigten, denn dieser war nicht in der Lage zu überprüfen, ob alle rechtlich massgebenden Punkte Berücksichtigung fanden. Seine Rüge ist daher begründet. Die Folgen dieser Gehörsverletzung können vorliegend offenbleiben, da die Verbindungsbusse einer rechtlichen Prüfung ohnehin nicht standhält.

    3. Eine Schnittstellenproblematik besteht vorab bei einer unechten Gesetzeskonkurrenz, wenn ein Übertretungstatbestand durch ein Vergehen konsumiert wird. Mit der Verbindungsbusse soll verhindert werden, dass derjenige, der das Vergehen begeht, nicht besser wegkommt als derjenige, welcher sich lediglich der (konsumierten) Übertretung strafbar macht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, fehlt es doch bereits an einer konsumierten Übertretung.

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Im Weiteren wurde der Beschuldigte zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Unabhängig davon, ob diese Strafe zu vollziehen ist, besteht bei einer derart einschneidenden Sanktion keine Schnittstellenproblematik, namentlich keine, die mit einer Busse von Fr. 8'000.entschärft werden könnte.

In Frage käme einzig eine Verbindungsbusse zu spezialpräventiven Zwecken. Vorliegend bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschuldigten nur unter Aussprechung einer Verbindungsbusse der bedingte Vollzug gewährt werden könnte. Das Kantonsgericht ging zu Recht davon aus, dass beim Beschuldigten Art. 42 Abs. 1 StGB zur Anwendung gelangt. Der Strafaufschub ist demnach die Regel. Das Gericht muss die günstige Legalprognose nicht positiv begründen; es genügt, dass keine Gründe für die Befürchtung bestehen, der Beschuldigte werde sich in Zukunft nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2 S. 5; 134 IV 97 E. 7.3 S. 117). Der Beschuldigte ist Ersttäter und hatte bereits im Urteilszeitpunkt die Schweiz wieder verlassen, wobei eine Landesverweisung von 5 Jahren ausgesprochen worden war. Dass der Beschuldigte darüber hinaus eines spürbaren Denkzettels in Form einer (unbedingten) Busse bedurfte, ist nicht ersichtlich. Davon scheint auch das Kantonsgericht nicht auszugehen, zumal bei der Prognosestellung keinerlei Bedenken angeführt werden und im Übrigen auch die Probezeit mit der minimalen Dauer festgesetzt wurde.

Unter diesen Umständen besteht aber keine Rechtsgrundlage für eine Verbindungsbusse. [ ]

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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