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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 50/2002/3: Obergericht

Die Klägerin reichte eine arbeitsrechtliche Klage ein, da sie angab, stundenweise für den Beklagten gearbeitet zu haben, ohne schriftlichen Vertrag. Der Beklagte behauptete, es handele sich um Freiwilligenarbeit und weigerte sich, den geforderten Lohn zu zahlen. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied, dass ein Arbeitsverhältnis vorlag und der Beklagte der Klägerin einen Teil des geforderten Lohns zahlen musste. Der Beklagte legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da er nicht nachweisen konnte, dass die Arbeit unentgeltlich vereinbart wurde. Die Gerichtskosten betrugen CHF 2'527.60.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 50/2002/3

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 50/2002/3
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 50/2002/3 vom 08.08.2002 (SH)
Datum:08.08.2002
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 9 Abs. 4 OHG; Art. 9 und Art. 16 Abs. 1 JStPG; Art. 310 Abs. 2 lit. d und Art. 356 lit. c StPO; Art. 28 Abs. 2 ZGB; Art. 49 OR. Zulässigkeit der Berufung von Zivilklägern im Jugendstrafverfahren; Genugtuung für den freigesprochenen Jugendlichen
Schlagwörter : Opfer; Zivilkläger; Berufung; Genugtuung; Verfahren; Angeklagte; Verfahren; Jugendliche; Jugendlichen; Opferhilfegesetz; Urteil; JStPG; Jugendstrafverfahren; Verhältnisse; Verletzung; Verhältnissen; Eingriff; Kanton; Verfahrens; Jugendstrafrechts; Staats; Zukunft; Zulässigkeit; Zivilklägern
Rechtsnorm:Art. 28 ZGB ;Art. 313 StPO ;Art. 49 OR ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 50/2002/3

Art. 9 Abs. 4 OHG; Art. 9 und Art. 16 Abs. 1 JStPG; Art. 310 Abs. 2 lit. d und Art. 356 lit. c StPO; Art. 28 Abs. 2 ZGB; Art. 49 OR. Zulässigkeit der Berufung von Zivilklägern im Jugendstrafverfahren; Genugtuung für den freigesprochenen Jugendlichen (Urteil des Obergerichts Nr. 50/2002/3 vom 8. August 2002 i.S. G.).

Auf eine Berufung von Zivilklägern im Jugendstrafprozess ist einzutreten, soweit Zivilansprüche nach Opferhilfegesetz zu beurteilen sind (E. 1).

Zusprechung einer Genugtuung an den freigesprochenen Jugendlichen für besonders schwere Verletzung in den persönlichen Verhältnissen auch ohne Eingriff in die persönliche Freiheit (E. 8).

Aus den Erwägungen:

1.- Der Angeklagte G. war im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Delikte noch nicht 18-jährig. Es ist daher zunächst das kantonale Jugendstrafrechtspflegegesetz anwendbar. Soweit dieses keine abweichenden Bestimmungen enthält, gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäss (Art. 9 des Gesetzes über die Jugendstrafrechtspflege vom 22. April 1974 [JStPG, SHR 320.300]). Da die Jugendanwaltschaft ihre Berufung zurückgezogen hat, verbleibt allein noch die Berufung der Zivilkläger, deren Zulässigkeit zunächst zu prüfen ist. Zivilkläger sind nämlich nur insoweit zur Berufung legitimiert, als sie sich bereits bisher am Verfahren beteiligt haben und soweit sich der Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilforderungen auswirken kann (Art. 310 Abs. 2 lit. d der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 [StPO, SHR 320.100]). Da vorliegend Straftaten gegen die körperliche und sexuelle Integrität in Frage stehen, ist zudem auch das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 4. Oktober 1991 (OHG, SR 312.5) zu beachten.

Laut Art. 9 Abs. 4 OHG können jedoch die Kantone für Zivilansprüche im Verfahren gegen Kinder und Jugendliche abweichende Bestimmungen erlassen. Der schon vor Erlass des Opferhilfegesetzes bestehende Art. 16 Abs. 1 JStPG bestimmt, dass der Zivilanspruch des Geschädigten im Jugendstrafverfahren nicht beurteilt wird. Gestützt darauf könnte auf die verbliebene Berufung der Zivilkläger nicht mehr eingetreten werden. Dies unabhängig davon, dass sich das Urteil auch in einem Jugendstrafverfahren auf die Zivil-

ansprüche auswirken kann und die Opfer auch hier ein berechtigtes Interesse an einer zweitinstanzlichen Prüfung der Schuldfrage haben können. Da das Opferhilfegesetz nicht nur eine materielle, sondern auch eine verfahrensrechtliche Besserstellung der Opfer anstrebte, erscheint es deshalb auch unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit als stossend, wenn die als Zivilkläger auftretenden Opfer bei einem Rückzug der Anklagebehörde das Urteil nur dann anfechten könnten, wenn der Angeklagte im Tatzeitpunkt das 18. Altersjahr zurückgelegt hat. Dass der kantonale Gesetzgeber Art. 16 JStPG (und eventuell Art. 310 Abs. 2 lit. d StPO) seinerzeit nicht an das übergeordnete eidgenössische Opferhilfegesetz angepasst hat, darf sich somit nicht zu Ungunsten der Zivilkläger auswirken. Immerhin hatte seinerzeit das Amt für Justiz bei der Anpassung des kantonalen Rechts an das Opferhilfegesetz auf diese Problematik hingewiesen und ausgeführt, der Ausschluss der Zivilklage im Jugendstrafverfahren widerspreche dem Willen des Bundesgesetzgebers, der verschiedene Opferkategorien habe vermeiden wollen (vgl. Vorentwurf vom 9. Dezember 1991). Die Anträge der Zivilkläger zu den sie betreffenden Anklagepunkten sind daher zuzulassen. Nicht antragsberechtigt sind sie hingegen in Bezug auf die ohnehin unstrittigen Betäubungsmitteldelikte und die versuchte Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder. Da die Berufung indes als umfassendes Rechtsmittel die Rechtskraft des ganzen angefochtenen Urteils hemmt, ist formell auch über diese Punkte zu befinden (Art. 313 Abs. 1 und 2 StPO). Auf die im übrigen fristund formgerecht erfolgte Berufung der Zivilkläger ist somit einzutreten (Art. 310 ff. StPO).

...

8.a) Der Angeklagte beantragt für den Fall eines Freispruchs eine Genugtuung von Fr. 5'000.aus der Staatskasse wegen besonders schwerer Verletzung in seinen persönlichen Verhältnissen im Sinne von Art. 356 lit. c StPO. Die schwere Persönlichkeitsverletzung begründete er namentlich mit der Länge des Verfahrens, aber auch mit erheblichen psychischen Beeinträchtigungen durch die Untersuchungshandlungen (polizeiliche Abführung am Arbeitsort gleich zu Beginn der Berufsausbildung, Abbruch des Sozialjahr-Praktikums aufgrund der angeklagten Vorfälle, Verfahrensdauer während der ganzen Lehrzeit und Adoleszenz u.a.). Diese Umstände hätten zu einer schweren Einschränkung seiner Lebensqualität als Heranwachsender, zu grossen Belastungen an der Lehrstelle und damit zu einer Kompromittierung seiner Zukunftschancen geführt. Art und Länge des Strafverfahrens hätten so den eigentlichen Zweck des Jugendstrafrechts, nämlich Erziehung und Wiedereingliederung, gleichsam vereitelt. Von einem raschen und unbürokratischen Verfahren, wie es vom Gesetzgeber aus den erwähnten Gründen gerade bei noch am Anfang des Lebens stehenden Jugendlichen eigent-

lich vorgesehen wäre, könne deshalb keine Rede sein. Die Schwere der Persönlichkeitsverletzung komme im vorliegenden Fall einer ungerechtfertigten Haft gleich.

b) Eine Genugtuung wegen schwerer Verletzungen in den persönlichen Verhältnissen gemäss der strafprozessualen Regelung von Art. 356 lit. c StPO ist auszurichten, falls die Voraussetzungen dazu im Sinne von Art. 49 des Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR, SR 220) und von Art. 28 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210) gegeben sind. Wohl bilden zwangsweise schwere Eingriffe in die persönliche Freiheit wie Haft praxisgemäss den Regelfall für die Zusprechung einer Genugtuung. Doch können durchaus auch andere persönliche Folgen eines Strafverfahrens für den Betroffenen ähnlich schwere Wirkungen haben und rechtfertigen daher im Fall einer Einstellung eines Freispruchs eine Genugtuungsleistung des Staats. Gerade wenn durch ein Verfahren und die in Frage stehenden Straftatbestände der Ruf des Betroffenen erheblich in Mitleidenschaft gezogen und seine persönliche Zukunft dadurch beeinträchtigt worden sein könnte, kann eine Genugtuung auch in Frage kommen, ohne dass der Angeklagte sich je in Haft befand (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. A., Zürich 1997, § 67, N. 1224a, S. 378 f., mit Hinweisen; Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. Juli 1995, in plädoyer 5/95, S. 71). So ist vorliegend ohne weiteres nachvollziehbar, wenn der jugendliche Angeklagte mindestens so schwer wie die angeblichen Opfer bzw. deren Mutter unter dem Strafverfahren zu leiden hatte. Namentlich erhielten auch seine Eltern, bei denen er lebte, und sein Lehrmeister zwangsläufig davon Kenntnis, weshalb es auch bei diesen, gerade im jugendlichen Alter äusserst wichtigen Bezugspersonen wohl zu einem Dauerthema wurde. Hinzu kommt, dass die sehr lange Verfahrensdauer einen Jugendlichen noch weit schwerer belasten kann als einen Erwachsenen. Zu berücksichtigen ist sodann die schwierige und bekanntermassen besonders instabile Entwicklungsund Selbstfindungsphase beim Übergang in die Erwachsenenwelt. Wenn dann noch ein solches Strafverfahren mit den für den persönlichen Ruf und die Zukunftsaussichten besonders schwerwiegenden Vorwürfen von Sexualdelikten gegenüber Kleinkindern hinzutritt, wirkt sich dies in psychischer Hinsicht für jeden Betroffenen, im besonderen Mass aber für einen Jugendlichen umso schwerer aus. Es ist daher im vorliegenden Fall ein schwerer Eingriff in die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten anzunehmen, der durchaus mit Zwangsmassnahmen wie längere Haft gleichzusetzen ist. Hier wie dort wird der Betroffene aus den gewohnten Strukturen herausgerissen, was erhebliche psychische Folgen haben kann. Die Verteidigung verglich den immateriellen Schaden von der Schwere her mit 20 bis 30 Tagen Haft, woraus sie gestützt auf die obergerichtliche Praxis die beantragte

Summe errechnete. Dies erscheint als gerechtfertigt, weshalb dem Angeklagten eine Genugtuung von Fr. 5'000.- aus der Staatskasse zuzusprechen ist (vgl. OGE vom 11. November 1994 i.S. X, Amtsbericht 1994, S. 188 ff.).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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