Zusammenfassung des Urteils Nr. 41/2006/3: Obergericht
In dem vorliegenden Fall ging es um sexuelle Handlungen mit Kindern, bei denen der Angeklagte freigesprochen wurde. Die Geschädigte, eine Minderjährige, hatte gegen den Angeklagten geklagt, jedoch wurde aufgrund mangelnden Nachweises des Vorsatzes des Angeklagten kein Schuldspruch gefällt. Die Gerichtskosten wurden auf die Gerichtskasse genommen, und der Angeklagte erhielt eine Entschädigung von CHF 2'000.- für die erstandene Untersuchungshaft. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, unter Vorsitz von Oberrichter Dr. Bussmann, fällte das Urteil.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 41/2006/3 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 21.04.2006 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 131 Abs. 1 und Art. 385 ZPO; § 3 Abs. 1 HV; Art. 34a Abs. 1 und Art. 36 VRG. Auszahlung des Honorars des unentgeltlichen Vertreters; Zwischenrechnung; Rechtsmittel, Kognition |
Schlagwörter : | Kanton; Zwischenrechnung; Kantons; Kantonsgericht; Vertreter; Verfahren; Praxis; Ermessen; Obergericht; Verfahrens; Aufsichtsbeschwerde; Kammer; Rechtsanwalt; Zivilprozess; Ermessens; Amtsbericht; Fälle; Hinweis; Honorars; Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Regel; Prozesses; Zwischenrechnungen; Fällen; Zivilprozessordnung; Hinweisen; Gesetzes; Kantonsgerichts |
Rechtsnorm: | Art. 131 ZPO ;Art. 270a ZPO ;Art. 385 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Marti, Schaffhausen, 2004 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Veröffentlichung im Amtsbericht.
Gegen die Weigerung des Kantonsgerichts, einem unentgeltlichen Vertreter eine Zwischenrechnung zu bezahlen, kann dieser Disziplinarbeschwerde bzw. Aufsichtsbeschwerde ans Obergericht erheben. Dieses greift analog zur neuen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Justizverwaltungsakte - nicht nur bei Willkür, sondern generell bei einer Rechtsverletzung bzw. bei einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung ein (E. 1; Praxisänderung).
Dem unentgeltlichen Vertreter wird die Entschädigung in der Regel erst nach Erledigung des Prozesses bei einer Instanz ausgerichtet. Es steht jedoch im Ermessen des Gerichts, je nach den Umständen des Einzelfalls schon während des Prozesses Akontozahlungen zu leisten bzw. Zwischenrechnungen zu bezahlen.
Der Ermessensspielraum wird nicht überschritten, wenn nur bei klar überjährigen und in absehbarer Zeit nicht zu erledigenden Fällen Zwischenabrechnungen bezahlt werden. Dies gilt auch nicht in einem Fall, in welchem der unentgeltliche Vertreter eine Zwischenrechnung gestellt hat, nachdem der Einzelrichter rund elf Monate nach Eingang des gemeinsamen Scheidungsbegehrens die Sache zur Beurteilung der strittigen Scheidungsfolgen an die Kammer überwiesen hat, und der Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens noch nicht unmittelbar bevorsteht (E. 2).
Die Eheleute A. und B. liessen am 9. Februar 2005 beim Kantonsgericht das gemeinsame Scheidungsbegehren mit Teileinigung anmelden. Am 20. Juni 2005 gewährte der Kammervorsitzende der Ehefrau B. die unentgeltliche Vertretung durch Rechtsanwalt C. Am 15. Dezember 2005 reichte Rechtsanwalt C. dem Kantonsgericht eine Zwischenrechnung ein. Er wies darauf hin, dass der Prozess zur Regelung der Nebenfolgen an die Kammer delegiert und erst im nächsten Jahr fortgesetzt werden dürfte; auch das Obergericht habe in andern Fällen, die mehr als ein Jahr gedauert hätten, die Stellung von jährlichen Zwischenrechnungen gestattet. Am 21. Dezember 2005 teilte das Kantonsgericht Rechtsanwalt C. mit, eine Zwischenabrechnung könne gemäss der kantonsgerichtlichen Praxis nur dann gestellt werden, wenn es sich um
klar überjährige Fälle handle, die auch in absehbarer Zeit nicht zu erledigen seien; da diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könne dem Begehren um Zahlung einer Zwischenrechnung nicht entsprochen werden. Am 16. Januar 2006 überwies der Einzelrichter das Verfahren an die Kammer; er stellte fest, dass beide Parteien den Scheidungswillen hätten, sich aber bezüglich der finanziellen Scheidungsfolgen nicht einig seien. Am 15. Februar 2006 reichte Rechtsanwalt C. dem Kantonsgericht wieder eine Zwischenrechnung ein; er erklärte, da nach der Überweisung des Verfahrens an die Kammer die Voraussetzungen gemäss Schreiben vom 21. Dezember 2005 erfüllt seien, sollte der Bezahlung der Honorarnote nichts im Weg stehen. Das Kantonsgericht teilte Rechtsanwalt C. mit, es rechne damit, dass das Verfahren in absehbarer Zeit erledigt werden könne; deshalb könne dem Begehren um Zahlung der Zwischenrechnung nicht entsprochen werden. Rechtsanwalt C. erhob hierauf Aufsichtsbeschwerde ans Obergericht; er beantragte, das Kantonsgericht anzuweisen, ihm den Betrag gemäss Honorarnote vom 15. Februar 2006 überweisen zu lassen. Das Obergericht wies die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
.- Bei der Frage, ob dem unentgeltlichen Vertreter der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelaufene Teil seines Honorars bereits auszuzahlen sei, geht es um einen Akt der Justizverwaltung. Betroffen ist dabei nur der unentgeltliche Vertreter als solcher, nicht jedoch die von ihm vertretene Partei die Gegenpartei. Entsprechende erstinstanzliche Anordnungen im Zusammenhang mit einem hängigen Zivilprozess kann der unentgeltliche Vertreter nach ständiger Praxis mit der Disziplinarbeschwerde bzw. Aufsichtsbeschwerde im Sinn von Art. 385 ff. der Zivilprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 3. September 1951 (ZPO, SHR 273.100) beim Obergericht anfechten (vgl. OGE vom 24. April 1998 i.S. X., E. 2, Amtsbericht 1998,
S. 112, und vom 20. März 1992 i.S. S., E. 2d, Amtsbericht 1992, S. 85 f., je mit Hinweisen).
Zwar könnte sich heute fragen, ob gegen solche Anordnungen statt dessen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig sei (Art. 34a Abs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 20. September 1971 [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, SHR 172.200]; in Kraft seit 1. September 2004). Diese kommt jedoch nur zum Zug, soweit nicht besondere hier zivilprozessuale - Rechtsmittel zur Verfügung stehen (Dubach/Marti/Spahn, Verfassung des Kantons Schaffhausen, Kommentar, Schaffhausen 2004, S. 67). Von daher bedarf es der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neben der zivilprozessualen Aufsichtsbeschwerde nicht. Immer-
hin darf bei letzterer die gerichtliche Überprüfungsbefugnis nicht übermässig beschränkt werden. Die bisherige Praxis, die bei der Frage des Honorars für die unentgeltliche Vertretung eine Korrektur nur bei offensichtlich willkürlichen Gesetzesverstössen bzw. bei klarer Ermessensüberschreitung zulässt (OGE vom 24. April 1998 i.S. X., E. 2c, Amtsbericht 1998, S. 113, mit Hinweisen; vgl. aber die Kritik an der praxisgemäss auf Willkür beschränkten Kognition bei der Aufsichtsbeschwerde im OGE vom 20. März 1992 i.S. S.,
E. 2d bb, Amtsbericht 1992, S. 85 f.), kann daher nicht aufrechterhalten werden. Eine Korrektur ist wie bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 36 VRG) gegebenenfalls bereits bei einer Rechtsverletzung bzw. bei einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung als solcher vorzunehmen.
Auf die nach dem ablehnenden Brief des Kantonsgerichts fristgemäss erhobene Aufsichtsbeschwerde (Art. 385 Abs. 2 ZPO) ist daher einzutreten.
.- Erscheint die Bestellung eines unentgeltlichen Vertreters nötig, so bestellt das Gericht dem Gesuchsteller auf Kosten des Staates einen Vertreter (Art. 131 Abs. 1 ZPO). Wann der Staat im Rahmen des Verfahrensablaufs den unentgeltlichen Vertreter für dessen Aufwand zu entschädigen habe, ist nicht geregelt (vgl. auch § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Bemessung des Honorars der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vom 16. August 2002 [Honorarverordnung, HV, SHR 173.811]).
Nach ständiger Praxis der Schaffhauser Gerichte wird die Entschädigung in der Regel erst nach Erledigung des Prozesses bei einer Instanz ausgerichtet. Es steht jedoch im Ermessen des Gerichts, in begründeten Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls schon während des Prozesses Akontozahlungen zu leisten bzw. Zwischenrechnungen des unentgeltlichen Vertreters zu bezahlen (vgl. auch etwa die noch weiter gehenden, grundsätzlich auf die rechtskräftige Erledigung des Verfahrens abstellenden Bestimmungen von § 89 Abs. 2 des zürcherischen Gesetzes über den Zivilprozess vom 13. Juni 1976 [LS 271] und dazu Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1997, § 89 N. 2, S. 343, mit Hinweisen; § 131
Abs. 2 des aargauischen Zivilrechtspflegegesetzes vom 18. Dezember 1984 [SAR 221.100] und dazu Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. A., Aarau/Frankfurt am Main/Salzburg 1998,
§ 131 N. 5, S. 323, mit Hinweisen; § 82 Abs. 3 des thurgauischen Gesetzes über die Zivilrechtspflege vom 6. Juli 1988 [RB 271] und dazu Barbara Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, Bern 2000, § 82 N. 12e, S. 174).
Eine klare Regel bzw. konkrete Richtlinien Kriterien bestehen in diesem Zusammenhang nicht. Insbesondere gibt es auch keine gefestigte, gleichsam gewohnheitsrechtliche Praxis und damit keinen generellen An-
spruch darauf, dass dann, wenn ein Verfahren nach einem Jahr noch nicht erledigt ist, eine Zwischenrechnung gestellt werden könnte. Eine ständige solche Praxis kennt auch das Obergericht nicht; sie ergibt sich auch nicht etwa aus dem vom Beschwerdeführer genannten speziellen Einzelfall V. Im übrigen wäre das Kantonsgericht in den bei ihm hängigen Verfahren nicht ohne weiteres an eine diesbezügliche Praxis des Obergerichts gebunden. Das Kantonsgericht überschreitet mit der von ihm genannten Praxis, Zwischenabrechnungen nur bei klar überjährigen und in absehbarer Zeit nicht zu erledigenden Fällen zu bezahlen, seinen Ermessensspielraum jedenfalls nicht.
Der Beschwerdeführer weist noch darauf hin, dass in längeren Strafverfahren Zwischenrechnungen des amtlichen Verteidigers anstandslos bezahlt würden. Konkrete Vergleichsfälle, die zwingend eine Gleichbehandlung verlangen könnten, nennt er jedoch mit. Daher vermag er auch mit diesem nicht substantiierten Hinweis den geltend gemachten Anspruch nicht darzutun.
Im vorliegenden Fall hat der zunächst zuständige Einzelrichter nach Ablauf der gesetzlichen Bedenkzeit (Art. 112 Abs. 2 i.V.m. Art. 111 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907 [ZGB, SR 210]) rund elf Monate nach Eingang des gemeinsamen Scheidungsbegehrens - die Sache zur Beurteilung der strittigen Scheidungsfolgen an die Kammer des Kantonsgerichts überwiesen und dabei einen Schriftenwechsel angeordnet (Art. 270a Abs. 4 ZPO). Bei dieser Konstellation hätte zwar das Kantonsgericht im Rahmen seines Ermessens die strittige Zwischenrechnung wenn und soweit im Hinblick auf die Prozessführung berechtigt wohl durchaus bezahlen können. Es hat jedoch sein Ermessen nicht überschritten, wenn es dies im derzeitigen Zeitpunkt nicht getan hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Abschluss des (erstinstanzlichen) Verfahrens noch nicht unmittelbar bevorstehen mag. Wo genau die Grenze liegt, die bei einer sehr lange dauernden Verfahrensdauer als Ausnahmefall eine Zwischenzahlung geradezu geböte, kann hier offengelassen werden; sie ist angesichts der bei Beschwerdeerhebung rund einjährigen, noch nicht als sehr lange zu bezeichnenden Verfahrensdauer klarerweise noch nicht erreicht.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet; sie ist abzuweisen.
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