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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 40/2008/65°: Obergericht

Ein Beschuldigter wurde wegen einfacher Körperverletzung, Erpressung, Nötigung, Diebstahl und weiteren Delikten schuldig gesprochen. Er wurde zu 10 Monaten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt. Zwei frühere bedingte Strafen wurden widerrufen und müssen vollzogen werden. Der Beschuldigte ist auch schadenersatzpflichtig und muss eine Genugtuung zahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 3'000.00, und die Verteidigungskosten werden von der Gerichtskasse übernommen. Der Beschuldigte hat die Möglichkeit, gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde einzureichen.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 40/2008/65°

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 40/2008/65°
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 40/2008/65° vom 09.01.2009 (SH)
Datum:09.01.2009
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 138 Abs. 1 und Art. 179 Abs. 1 ZGB; Art. 177, Art. 349 Abs. 2 und Abs. 4, Art. 356 sowie Art. 361 Abs. 1 ZPO. Berücksichtigung veränderter Verhältnisse im eheschutzrichterlichen Verfahren
Schlagwörter : Rekurs; Recht; Rekursverfahren; Verfahren; Rechtskraft; Entscheid; Verfügung; Rekurrent; Obergericht; Anordnung; Noven; Änderungsverfahren; Eheschutzverfahren; Entscheids; Nebeneinkommen; Verhältnisse; Novenrecht; Umstände; Rekurrenten; Eintritt; Praxis; Erlass; Regel; Rekursverfahrens; Gesuch
Rechtsnorm:Art. 138 ZGB ;Art. 177 ZPO ;Art. 179 ZGB ;Art. 291 ZPO ;Art. 349 ZPO ;Art. 355 ZPO ;Art. 356 ZPO ;Art. 361 ZPO ;
Referenz BGE:127 III 480; 133 III 114; 133 III 396;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 40/2008/65°

Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Art. 138 Abs. 1 und Art. 179 Abs. 1 ZGB; Art. 177, Art. 349 Abs. 2 undAbs. 4, Art. 356 sowie Art. 361 Abs. 1 ZPO. Berücksichtigung veränderter Verhältnisse im eheschutzrichterlichen Verfahren (OGE 40/2008/65 vom 9. Januar 2009)

Das eheschutzrichterliche Änderungsverfahren steht grundsätzlich nur zur Verfügung, wenn nach Eintritt der formellen Rechtskraft der ursprünglichen Anordnung eine wesentliche und dauernde Änderung eingetreten ist.

Ein Rekurs gegen die ursprüngliche Anordnung hemmt den Eintritt der formellen Rechtskraft. Daran ändert der Umstand nichts, dass im summarischen Verfahren die Vollstreckbarkeit der angefochtenen Verfügung durch den Rekurs nicht ebenfalls gehemmt wird.

Das bundesrechtliche Novenrecht von Art. 138 Abs. 1 ZGB gilt im Eheschutzverfahren nicht. Nach kantonalem Prozessrecht können aber auch in Eheschutzssachen im Rekursverfahren echte Noven eingebracht werden.

Nach der Praxis ist eine nach Erlass des angefochtenen Entscheids eingetretene Änderung eines Dauersachverhalts in der Regel auch dann im erstinstanzlichen Änderungsverfahren zu beurteilen, wenn ein Rekurs gegen den Entscheid hängig ist. Das gilt jedoch nicht absolut. Ist die Bedeutung des fraglichen Sachverhalts bereits Gegenstand des Rekursverfahrens, so ist diese Frage umfassend - unter Berücksichtigung auch der nachträglichen Änderung mit dem Rekurs gegen die ursprüngliche Anordnung zu beurteilen.

Mit Eheschutzverfügung vom 26. Juni 2008 wurde X. zu Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau verpflichtet. Dagegen rekurrierte er ans Obergericht; er machte unter anderem geltend, sein Nebeneinkommen sei ihm nicht anzurechnen. Sein Gesuch um aufschiebende Wirkung wies der Präsident des Obergerichts am 28. Juli 2008 ab. Während des Rekursverfahrens fiel das Nebeneinkommen von X. dahin. Dieser ersuchte die erstinstanzliche Eheschutzrichterin um Änderung seiner Unterhaltsverpflichtung. Die Eheschutzrichterin trat auf das Gesuch nicht ein. Hiegegen rekurrierte X. ans Obergericht; er beantragte, das Änderungsverfahren weiterzuinstruieren. Das Obergericht wies den Rekurs ab.

Aus den Erwägungen:

2.- Verändern sich die Verhältnisse, so passt der Richter auf Begehren eines Ehegatten die eheschutzricherlichen Massnahmen an hebt sie auf, wenn ihr Grund weggefallen ist (Art. 179 Abs. 1 erster Halbsatz des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907 [ZGB, SR 210]).

  1. Die Einzelrichterin ist auf das Änderungsgesuch nicht eingetreten mit der Begründung, dass das ursprüngliche Verfahren noch beim Obergericht hängig sei (Rekursverfahren Nr. 40/2008/43), dass folglich noch keine formell rechtskräftige eheschutzrichterliche Verfügung vorliege, dessen Änderung beantragt werden könnte, und dass somit auch kein Rechtsschutzinteresse gegeben sei.

    Der Rekurrent räumt zwar ein, dass die Rechtshängigkeit bestehe. Er macht aber geltend, die Rekursinstanz habe bei ihrem Entscheid zu überprüfen, ob nach der Prozesslage, wie sie zur Zeit der Durchführung des ersten Eheschutzverfahrens bzw. der Ausfällung des angefochtenen Entscheids bestanden habe, eine Rechtsverletzung begangen worden sei; in diesem Zeitraum sei der erst Monate später eingetretene - Herabsetzungsgrund noch nicht gegeben gewesen. Im Eheschutzverfahren könnten im Interesse einer raschen Streiterledigung in zweiter Instanz keine neuen Tatsachen, Beweise Rechtsbegehren mehr vorgebracht werden.

  2. Das Änderungsverfahren gemäss Art. 179 ZGB steht grundsätzlich nur zur Verfügung, wenn nach Eintritt der Rechtskraft der ursprünglichen Anordnung eine wesentliche und dauernde Änderung eingetreten ist die tatsächlichen Umstände, die dem ursprünglichen Entscheid zugrunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben (BGE 5P.473/2006 vom 19. Dezember 2006, E. 3 mit Hinweisen). Solange die ursprüngliche Anordnung nicht formell rechtskräftig und die Rechtshängigkeit somit nicht beendet ist (Annette Dolge, Der Zivilprozess im Kanton Schaffhausen im erstinstanzlichen ordentlichen Verfahren, Diss. Zürich 2001, S. 353), ist ein Änderungsverfahren demnach im Grundsatz ausgeschlossen.

    Diese zeitliche Abgrenzung ist zu unterscheiden von der Frage der (beschränkten) materiellen Rechtskraft eines Eheschutzentscheids als Grundlage für die Prüfung, ob eine Anpassung bzw. Änderung der ursprünglichen Anordnung überhaupt möglich sei.

    Gemäss Art. 356 ZPO hemmt der Rekurs die Rechtskraft des ganzen Entscheids, soweit das Bundesrecht nichts anderes bestimmt (Abs. 1). Im summarischen Verfahren worunter auch das Eheschutzverfahren fällt (Art. 291 Abs. 2 ZPO) ist der Vollzug nur gehemmt, wenn der Vorsitzende des Ober-

    gerichts dies verfügt (Abs. 2). Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Obergerichts das Gesuch des Rekurrenten abgewiesen, dem Rekurs gegen die Eheschutzverfügung vom 26. Juni 2008 aufschiebende Wirkung zu gewähren (Verfügung vom 28. Juli 2008 im Rekursverfahren Nr. 40/2008/43). Deren Vollzug wurde somit nicht gehemmt.

    Rechtskraft und Vollstreckbarkeit sind prinzipiell auseinander zuhalten. Die Suspensivwirkung muss nicht zwingend für beide gleich geregelt sein (vgl. Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979,

    S. 486, Fn. 39). Vom Gesetzeswortlaut her gilt daher die fehlende aufschiebende Wirkung für den Vollzug gemäss Art. 356 Abs. 2 ZPO nicht auch für die generelle Hemmung der Rechtskraft gemäss Art. 356 Abs. 1 ZPO. Die Hemmung der formellen Rechtskraft entspricht denn auch im Grundsatz dem Wesen eines ordentlichen Rechtsmittels mit umfassender Überprüfungsbefugnis (vgl. Art. 355 ZPO). Der Rekurrent räumt im Übrigen selber ein, dass im vorliegenden Fall die Sache an sich noch rechtshängig sei.

  3. Der Rekurrent beruft sich darauf, dass im Eheschutzverfahren nach gefestigter Bundesgerichtspraxis in zweiter kantonaler Instanz keine neuen Tatsachen, Beweise Rechtsbegehren mehr vorgebracht werden könnten. Das Obergericht könne daher im Rekursverfahren Nr. 40/2008/43, weil es sich nicht um einen Endentscheid handle, die erst nach Erlass der angefochtenen Verfügung eingetretene Änderung nicht berücksichtigen. Hiefür stehe das Verfahren nach Art. 179 Abs. 1 ZGB zur Verfügung.

    Eheschutzentscheide galten zwar mit Blick auf ihre Anfechtbarkeit nach früherem Bundesprozessrecht nicht als berufungsfähige Endentscheide (BGE 5C.239/2006 vom 16. November 2006, in BGE 133 III 114 ff. nicht veröffentlichte E. 1 mit Hinweisen, unter anderem auf BGE 127 III 480 E. 2c). Nach heutigem Recht sind sie jedoch Endentscheide im Sinn von Art. 90 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110; BGE 133 III 396 E. 4). Aus dieser Unterscheidung lässt sich jedenfalls nichts zugunsten des Rekurrenten ableiten. Soweit dieser damit die beschränkte materielle Rechtskraft eheschutzrichterlicher Anordnungen ansprechen wollte, ist dem entgegenzuhalten, dass für die hier zu prüfende Frage der zeitlichen Abgrenzung die formelle Rechtskraft massgebend ist (oben, lit. b).

    Das Novenrecht von Art. 138 Abs. 1 ZGB als bundesrechtlicher Minimalstandard für das Scheidungsverfahren (vgl. dessen Umsetzung in Art. 177 Abs. 2 und Art. 349 Abs. 4 ZPO) gilt im Eheschutzverfahren in der Tat nicht (BGE 133 III 114 ff.; OGE 40/2008/47 vom 14. November 2008, E. 2a). Das ändert aber nichts daran, dass nach kantonalem Zivilprozessrecht generell

    auch in Eheschutzsachen im Rekursverfahren nachträglich neue Tatsachen

    eingebracht werden können, die im bisherigen ordentlichen Verfahrensablauf nicht geltend gemacht werden konnten (sogenannte echte Noven; Art. 361 Abs. 1 i.V.m. Art. 349 Abs. 2 und Art. 177 Abs. 1 ZPO). Von daher konnte der erst nachträglich eingetretene - Wegfall der entschädigung des Rekurrenten im Rekursverfahren Nr. 40/2008/43 prinzipiell noch berücksichtigt werden. In jenem Verfahren hat denn auch der Rekurrent mit Noveneingabe vom 17. September 2008 ausdrücklich darum ersucht, die Änderung zu berücksichtigen.

  4. Im Rekursverfahren geht es allerdings im Grundsatz speziell darum, den angefochtenen Entscheid auf allfällige Mängel zu überprüfen. Soweit daher im Zusammenhang mit strittigen Unterhaltsleistungen, d.h. einer Dauerverpflichtung, eine wesentliche Änderung der massgeblichen Verhältnisse erst nach Erlass des angefochtenen Entscheids eintritt - der allfällige Anpassungsgrund also nicht auf einem Mangel des angefochtenen Entscheids beruht

    -, ist es nach der Praxis des Obergerichts in der Regel angezeigt, die Auswirkungen der Änderung unter Wahrung des Instanzenzugs im dafür zur Verfügung stehenden erstinstanzlichen Änderungsverfahren beurteilen zu lassen (OGE vom 16. Dezember 1994 i.S. C., E. 3, Amtsbericht 1994, S. 67 f.; be-

    stätigt in letzter Zeit etwa mit OGE 40/2008/39 vom 8. August 2008, E. 1).

    Insoweit kann das allgemeine Novenrecht gegebenenfalls in den Hintergrund treten.

    Diese Regel gilt jedoch nicht schlechthin und absolut. Massgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall stellte das fragliche Nebeneinkommen des Rekurrenten nicht einen Einkommensbestandteil dar, der bis zu seinem Wegfall unbestrittenermassen hätte berücksichtigt werden müssen. Vielmehr stellte der Rekurrent mit seinem Rekurs gegen die Verfügung vom 26. Juni 2008 insbesondere auch den Einbezug dieses Einkommens für die Zeit seiner tätigkeit in Frage. Der Wegfall des Nebeneinkommens erwies sich für ihn im Ergebnis als blosse Verstärkung seiner ursprünglichen Position; sie wirkte sich auf seinen Rekursantrag im Verfahren Nr. 40/2008/43 nicht aus. Umgekehrt hat er auch mit dem Änderungsgesuch grundsätzlich dasselbe Rechtsbegehren gestellt wie im noch hängigen Rekursverfahren.

    War aber die Bedeutung des Nebeneinkommens ohnehin Gegenstand des Rekursverfahrens Nr. 40/2008/43, so war es aus prozessökonomischen Gründen angezeigt, die Frage in jenem Verfahren umfassend zu beurteilen, nicht nur für einen begrenzten Zeitraum. Dementsprechend hat das Obergericht unter den gegebenen Umständen mit Blick auf die Verflechtung der sich konkret stellenden Fragen in diesem Zusammenhang dem allgemeinen Novenrecht den Vorzug gegeben gegenüber der Praxis der Nichtberücksichtigung

    nachträglich geänderter Verhältnisse (heutiger Entscheid im Parallelverfahren Nr. 40/2008/43, E. 2).

  5. Zusammenfassend war die fragliche Änderung im Rekursverfahren Nr. 40/2008/43 zu beurteilen, mit welchem die Rechtshängigkeit der massgeblichen Streitfrage aufrechterhalten worden ist. Die Einzelrichterin ist somit unter den gegebenen Umständen zu Recht auf das separate Änderungsgesuch nicht eingetreten.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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