E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 40/2003/16: Obergericht

Der Beschwerdeführer forderte in einem Schlichtungsgesuch die Beklagte auf, ihm einen bestimmten Betrag zu zahlen. Der Friedensrichter trat jedoch nicht auf die Begehren ein. Der Beschwerdeführer legte daraufhin Beschwerde ein, da er auch weitere Kosten geltend machte. Das Gericht entschied, dass die Schlichtungsbehörde nicht zuständig sei und wies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Die Kosten des Verfahrens werden von der Staatskasse übernommen.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 40/2003/16

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 40/2003/16
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 40/2003/16 vom 23.04.2004 (SH)
Datum:23.04.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Art. 271 ff. OR; Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Parteientschädigung in Verfahren betreffend Miet- und Pachtverhältnisse
Schlagwörter : Kündigung; Anfechtung; Mietzins; Parteien; Parteientschädigung; Einzelrichter; Wortlaut; Mieter; Prozesse; Gültigkeit; Mietverhältnis; Verfahren; Mieterin; Kommentar; Prozessen; Mietverhältnisses; Klägers; Mietzinse; Parteientschädigungen; Beklagten; Unwirksamkeit; Bundesgericht; Entscheid; Amtsbericht; Regel; Erstreckung; Urteil; Obergericht
Rechtsnorm:Art. 258 OR ;Art. 266g OR ;Art. 271 OR ;Art. 271a OR ;Art. 273 OR ;Art. 290b ZPO ;
Referenz BGE:122 III 95; 124 III 321;
Kommentar:
Peter Higi, Zürcher Zürich , Art. 271 OR; Art. 271 OR, 1996
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts Nr. 40/2003/16

Art. 271 ff. OR; Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Parteientschädigung in Verfahren betreffend Mietund Pachtverhältnisse (Entscheid des Obergerichts Nr. 40/2003/16 vom 23. April 2004 i.S. B.)

Veröffentlichung im Amtsbericht vorgesehen.

Nach dem massgeblichen Gesetzeswortlaut ist in der Regel keine Parteientschädigung zuzusprechen, wenn über Klagebegehren betreffend die Anfechtung des Mietzinses, die Anfechtung der Kündigung die Erstreckung des Mietverhältnisses zu entscheiden ist. Diese einschränkende Entschädigungsregelung gilt jedoch nicht, wenn das Gericht über andere mietrechtliche Streitfragen wie die Gültigkeit einer Kündigung zu befinden hat.

Der Einzelrichter des Kantonsgerichts Schaffhausen verpflichtete die Mieterin und Beklagte A. in Gutheissung der Forderungsklage des Vermieters und Klägers B. unter anderem, diesem für eine bestimmte Zeit Mietzinse und Akontoleistungen zu bezahlen; er sprach keine Parteientschädigungen zu. Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Rekurs ans Obergericht; er beantragte insbesondere, die Beklagte zu verpflichten, ihn für das erstinstanzliche Verfahren prozessual zu entschädigen. Das Obergericht hiess den Rekurs teilweise gut.

Aus den Erwägungen:

3.a) Der Einzelrichter hat aufgrund von Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 der Zivilprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 3. September 1951 (ZPO, SHR 273.100) keine Parteientschädigungen zugesprochen. Der Kläger ist der Auffassung, dies stehe in offensichtlichem Widerspruch zum klaren Wortlaut der genannten Bestimmung und sei willkürlich.

Nach Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO wird eine Parteientschädigung in der Regel nicht zugesprochen in Verfahren betreffend Anfechtung des Mietund Pachtzinses, der Kündigung sowie der Erstreckung des Mietund Pachtverhältnisses von Wohnund Geschäftsräumen. Zu prüfen ist damit, ob der Einzelrichter eine Streitsache im Sinn dieser Bestimmung zu beurteilen hatte.

Vorab ist festzustellen, dass es bei den Begehren auf Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung der Beklagten (Antrag 1 des Klägers) beziehungsweise der Gültigkeit dieser Kündigung (Antrag der Beklagten) sowie

bei den beiden Leistungsbegehren auf Zahlung von Mietzins und Schadenersatz (Anträge 2 und 3 des Klägers) weder um die Anfechtung eines Mietzinses noch um eine Erstreckung eines Mietverhältnisses ging. Es fragt sich jedoch, ob der Kläger mit Antrag 1 eine Kündigung der beklagten Mieterin

... angefochten hat, wie der Einzelrichter annimmt, und somit eine Anfechtung der Kündigung i.S.v. Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO zu beurteilen war.

Nach seinem Wortlaut verweist der in Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO enthaltene Begriff Anfechtung ... der Kündigung auf die Vorschriften von Art. 271 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR, SR 220) über die Anfechtbarkeit der Kündigung (vgl. Randtitel zu Art. 271 ff. OR). Dabei fällt Art. 271a OR vorliegend ausser Betracht, da diese Kündigungsschutzbestimmung ausschliesslich Vermieterkündigungen betrifft, hier jedoch die Kündigung der beklagten Mieterin umstritten war (vgl. den Rand-titel zu Art. 271a OR, Peter Higi, Zürcher Kommentar, Zürich 1996, Art. 271a OR N. 4 und N. 6, S. 76). Die speziellen Bestimmungen über den Kündigungsschutz und die Anfechtung beziehen sich nach der Rechtsprechung auf Kündigungen, die abgesehen von Verstössen gegen Treu und Glauben im Sinn von Art. 271 alle gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen erfüllen. Die Anfechtung setzt somit die Gültigkeit der Kündigung voraus. Es ist daher abzugrenzen zwischen der Anfechtbarkeit im Sinne von Art. 271 Abs. 1 OR und der Unwirksamkeit einer Kündigung, die ohne Kündigungsberechtigung ausgesprochen worden ist. So setzt zum Beispiel die Anfechtung einer Kündigung aus wichtigen Gründen zwingend voraus, dass diese wichtigen Gründe bestehen und bei der kündigenden Partei zu einer Unzumutbarkeit bezüglich Fortsetzung des Mietverhältnisses führen (Peter Higi, Zürcher Kommentar, Zürich 1995, Art. 266g OR N. 71, S. 166). In diesem Fall bleibt die Kündigung von Anfang an wirkungslos und das Mietverhältnis unverändert bestehen (OGE vom 30. April 1999 i.S. O., Amtsbericht 1999, E. 2d, S. 95 f.; Higi, im erwähnten Kommentar, Vorbemerkungen zu Art. 266-266o OR N. 49, S. 22; derselbe, Zürcher Kommentar, Zürich 1996, Vorbemerkungen zu Art. 271-273c OR N. 54, S. 20). Die Unterscheidung zwischen nichtigen unwirksamen Kündigungen einerseits sowie gültigen, allenfalls aber i.S.v. Art. 271 OR missbräuchlichen und daher anfechtbaren Kündigungen anderseits trifft auch die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BGE 122 III 95 E. 2d).

Die Anfechtbarkeit und die Unwirksamkeit der Kündigung stehen freilich in engem Zusammenhang: Die Feststellung der Unwirksamkeit Nichtigkeit der Kündigung ist zwar nicht direkt Gegenstand der Anfechtungsklage; die Frage, ob eine Kündigung unwirksam gar nichtig sei, muss gegebenenfalls jedoch vorfrageweise geprüft werden (OGE vom 30. April 1999 i.S. O., Amtsbericht 1999, E. 2d, S. 96). Die missbräuchliche Kündi-

gung ist innerhalb der Frist von Art. 273 OR anzufechten. Wird ihre Missbräuchlichkeit nicht fristgemäss geltend gemacht, ist der Einwand verwirkt. Eine unwirksame nichtige Kündigung kann ebenfalls nach Art. 273 OR angefochten werden. Es besteht hiezu jedoch keine Obliegenheit. Der unbenützte Fristablauf führt nicht zur Wirksamkeit der Kündigung (BGE 122 III 95 E. 2d).

Der Kläger hat in seiner Klagebegründung vor dem Einzelrichter ausgeführt, allein umstritten sei die Frage der Gültigkeit Ungültigkeit der Kündigung sowie die finanziellen Folgen einer wie von der kantonalen Schlichtungsstelle festgestellten Ungültigkeit der Kündigung. Demgegenüber machte die Beklagte geltend, sie sei gemäss Art. 258 Abs. 1 OR zum Rücktritt und gemäss Art. 266g OR zur ausserordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Der Einzelrichter prüfte, ob einer dieser von der Beklagten angeführten Gründe für die Auflösung des Mietverhältnisses erfüllt seien. Er verneinte dies und gelangte zum Schluss, dass das Mietverhältnis erst Ende September 2000 mit der faktischen Beendigung durch den Abschluss eines neuen Mietvertrags durch den Kläger mit einem vom Kläger beigebrachten

- Nachmieter aufgelöst worden sei. Die Frage einer Anfechtung der Kündigung (Art. 271 ff. OR) wurde von den Parteien nicht aufgeworfen und auch vom Einzelrichter nicht beurteilt. Streitig war abgesehen von den finanziellen Folgen - die Wirksamkeit Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.

Daraus folgt, dass der angefochtene Entscheid, wonach keine Prozessentschädigungen zugesprochen wurde, vom Wortlaut von Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO nicht gedeckt ist, weil es im Verfahren vor dem Einzelrichter nicht um eine Anfechtung einer Kündigung nach Art. 271 ff. OR ging. Die Frage der Gültigkeit der Kündigung der Mieterin stellte sich lediglich als Vorfrage bei der Beurteilung der streitigen Mietzinsforderung des Klägers. Dabei fragt es sich freilich, ob nicht Sinn und Zweck von Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO und der Gedanke der Rechtsgleichheit eine extensive Auslegung dieser Bestimmung beziehungsweise deren analoge Anwendung auf weitere Fälle rechtfertigen. Denn mit Blick auf den Gedanken des Schutzes der schwächeren Partei, der Art. 290b ZPO zugrunde liegt, ist ein relevanter Unterschied nicht ohne weiteres zu sehen zwischen Prozessen, in welchen eine Anfechtung einer Kündigung nach Art. 271 ff. OR als Klagebegehren oder die Gültigkeit beziehungsweise Nichtigkeit einer Kündigung (mit Blick auf die Mietzinsforderung) lediglich vorfrageweise zu beurteilen ist. Im einen wie im andern Fall sind grundsätzlich die Mieter als sozial schwächere Partei einzustufen bezüglich ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, was sich bei einem Wohnungswechsel (vgl. Higi, im erwähnten Kommentar, Zürich 1996, Vorbemerkungen zu 271-273 OR N. 50 ff., S. 19), aber auch ganz allgemein beim Prozess um

den Mietzins niederschlägt. Daran ändert der Umstand nichts Entscheidendes, dass im vorliegenden, insoweit nicht typischen Fall die Kündigung der Mieterin (Beklagte) streitig war.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Gesetz indessen in erster Linie aus seinem Wortlaut heraus auszulegen. Ist dieser nicht klar, sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, insbesondere der Gesamtzusammenhang, in den sich die auszulegende Bestimmung einfügt, die Beratungen, die ihrem Erlass vorausgingen, und die Regelungsabsicht, die ihr zugrunde liegt (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts 4P.275/2000 vom 31. Januar 2001, i.S. E., E. 3, S. 4, mit Hinweis auf BGE 124 III 321 E. 2 und 123 III 89 E. 3, je mit Hinweisen). Dabei berücksichtigt das Bundesgericht, ob es sich bei der auszulegenden Bestimmung um eine Vorschrift handelt, bei der sich im Interesse der Rechtssicherheit eine besondere Bindung an den Wortlaut aufdrängt. Letzteres trifft insbesondere für Vorschriften betreffend Prozesskosten zu (erwähntes Urteil des Bundesgerichts vom 31. Januar 2001, E. 3c, S. 7, betreffend Kostenvorschusspflicht im Arbeitsprozess [Auslegung von Art. 124a Ziff. 3 ZPO]). Dies muss entsprechend auch für die hier streitige Frage gelten, ob in mietrechtlichen Prozessen Parteientschädigungen zuzusprechen sind: Eine Partei, welche an einem solchen Prozess teilnimmt, muss sich auf den Wortlaut von Art. 254 ff. und Art. 290b ZPO verlassen können. Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO beschränkt den Ausschluss einer Parteientschädigung auf spezielle, klar umschriebene Streitigkeiten aus dem Mietund Pachtrecht. Der Partei darf daher nicht vom Gericht aufgrund von Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO, dessen Wortlaut mit der Wendung Anfechtung

... der Kündigung unmissverständlich auf die Kündigungsschutzbestimmungen von Art. 271 ff. OR verweist, eine Prozessentschädigung versagt werden, wo es, wie im vorliegenden Fall, um Mietzinsforderungen und Schadenersatz geht. Was Prozesse um Mietzinse anbetrifft, so führt Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO ausschliesslich die Anfechtung an, womit eindeutig die Verfahren gemeint sind, in denen der Mieter aufgrund von Art. 269 ff. OR geltend macht, der Mietzins sei missbräuchlich; ein solcher Fall liegt hier gleichfalls nicht vor. Wäre der Grundsatz von Art. 290b Abs. 2 ZPO, wonach keine Parteientschädigungen zuzusprechen ist, auf alle Prozesse um Mietund Pachtzinse (für Wohnund Geschäftsräume) anwendbar, müsste Ziff. 2 von Abs. 2 weiter gefasst werden (etwa 2. bei Streitigkeiten wegen Mietund Pachtzinsen,

...).

Dem Kläger konnte aus diesen Gründen die beantragte Prozessentschädigung nicht unter Berufung auf Art. 290b Abs. 2 Ziff. 2 ZPO versagt werden.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.