E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 10/2019/11: Obergericht

Das Gerichtsurteil vom 19. Oktober 2011 betrifft den Fall der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat gegen den Beschuldigten A. Es geht um mehrfache Verstösse gegen das Ausländergesetz. In der Vorinstanz wurde der Angeklagte freigesprochen, jedoch in der zweiten Instanz schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Die Gerichtskosten betrugen 1500 CHF. Das Bundesgericht hob das Urteil teilweise auf und wies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Die Staatsanwaltschaft verlangte eine unbedingte Freiheitsstrafe, während der Angeklagte eine Geldstrafe beantragte.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 10/2019/11

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 10/2019/11
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 10/2019/11 vom 21.01.2020 (SH)
Datum:21.01.2020
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Eheschutz; Kürzung oder Aufhebung von Trennungsunterhalt bei grober Verletzung ehelicher Pflichten durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten - Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3, Art. 159 Abs. 3 und Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Bei der analogen Anwendung von Art. 125 Abs. 3 ZGB im Eheschutzverfahren ist dem Zweck des Trennungsunterhalts während noch bestehender Ehe Rechnung zu tragen (E. 2.4.1). Art. 125 Abs. 3 ZGB steht vor dem Hintergrund des Rechtsmissbrauchsverbots und setzt ein krass ehewidriges Verhalten voraus. Die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs muss als offensichtlich unbillig erscheinen (E. 2.4.2). Eine schwere Straftat im Sinn von Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB ist nicht leichthin anzunehmen und wird nicht schon durch einen dringenden Tatverdacht begründet. Der Eheschutzrichter hat nach Billigkeit zu entscheiden und muss nicht zwingend den Entscheid einer Strafbehörde abwarten (E. 2.4.3 und 2.4.5).
Schlagwörter : Unterhalt; Trennung; Trennungsunterhalt; Berufung; Verhalten; Hintergr; Unterhaltsanspruch; Kantonsgericht; Reduktion; Ehegatte; Basel; Recht; Ehegatten; Billigkeit; Entscheid; Behörde; Versagung; Ansicht; Kommentar; Berufungsbeklagten; Berufungsklägerin; Aufhebung; Verletzung; Pflichten; Eheschutzverfahren; Trennungsunterhalts; Rechnung; Geltendmachung
Rechtsnorm:Art. 125 ZGB ;Art. 159 ZGB ;
Referenz BGE:119 II 314; 127 III 65;
Kommentar:
Büchler, ZGB, Art. 125 ZGB ZG, 2018
Geiser, Rickli, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, Art. 477 ZGB, 2019
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts Nr. 10/2019/11

2020

Eheschutz; Kürzung Aufhebung von Trennungsunterhalt bei grober Verletzung ehelicher Pflichten durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten - Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3, Art. 159 Abs. 3 und Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB.

Bei der analogen Anwendung von Art. 125 Abs. 3 ZGB im Eheschutzverfahren ist dem Zweck des Trennungsunterhalts während noch bestehender Ehe Rechnung zu tragen (E. 2.4.1).

Art. 125 Abs. 3 ZGB steht vor dem Hintergrund des Rechtsmissbrauchsverbots und setzt ein krass ehewidriges Verhalten voraus. Die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs muss als offensichtlich unbillig erscheinen (E. 2.4.2).

Eine schwere Straftat im Sinn von Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB ist nicht leichthin anzunehmen und wird nicht schon durch einen dringenden Tatverdacht begründet. Der Eheschutzrichter hat nach Billigkeit zu entscheiden und muss nicht zwingend den Entscheid einer Strafbehörde abwarten (E. 2.4.3 und 2.4.5).

OGE 10/2019/11/E vom 21. Januar 2020 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

Gegen den Ehemann wird eine Strafuntersuchung wegen häuslicher Gewalt geführt (u.a. wegen Verdachts auf mehrfache Gefährdung des Lebens). Im Zeitpunkt des Eheschutzverfahrens befand er sich in Untersuchungshaft. Das Eheschutzgericht verpflichtete die Ehefrau erstinstanzlich zu (befristeten) Unterhaltszahlungen an den Ehemann. Die hiergegen erhobene Berufung der Ehefrau wies das Obergericht ab, soweit es darauf eintrat.

Aus den Erwägungen
      1. Gestützt auf Art. 125 Abs. 3 ZGB können nacheheliche Unterhaltsansprüche aus Billigkeitsgründen reduziert bzw. gänzlich ausgeschlossen werden. Eine solche ausdrückliche Gesetzesbestimmung fehlt für den Trennungsunterhalt (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Dies schliesst eine (analoge) Anwendung von Art. 125 Abs. 3 ZGB zwar nicht aus, dabei ist aber den Gegebenheiten des Trennungsunterhalts Rechnung zu tragen. Mehr noch als beim nachehelichen Unterhalt steht hier die möglichst rasche und ununterbrochene Gewährleistung des notwendigen Bedarfs im Vordergrund. Im Gegensatz zum nachehelichen Unterhalt besteht die Ehe noch. Der weiteren Entwicklung darf ohne Not nicht vorgegriffen werden. Es geht nicht um eine über die Ehe hinausdauernde Solidarität bzw. familienrechtlich überlagerte Schadenersatzpflicht wie beim nachehelichen Unterhalt, sondern um

        1

        2020

        den während der Ehe von Gesetzes wegen bestehenden Unterhaltsanspruch. Es gilt weiterhin die gegenseitige Treueund Beistandspflicht gemäss Art. 159 Abs. 3 ZGB. Der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten findet seine Grundlage während der ganzen Dauer der Ehe in Art. 163-165 ZGB. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass das Ende der Ehe absehbar ist. Der Trennungsunterhalt umfasst denn auch ausschliesslich die Alimentierung für die laufenden, monatlich wiederkehrenden Verpflichtungen des persönlichen Grundbedarfs (Verbrauchsunterhalt; vgl. zum Ganzen: Rolf Brunner, in: Hausheer/Spycher [Hrsg.], Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. A., Bern 2010, N. 04.03 f., S. 173 ff., mit Verweis auf BGE 119 II 314 E. 4b/aa S. 318).

        Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn das Kantonsgericht zwar auf Art. 125 Abs. 3 ZGB abstützte, dabei aber erwog, an eine Reduktion resp. Versagung von Trennungsunterhalt seien gar höhere Anforderungen zu stellen als beim nachehelichen Unterhalt.

      2. Die Rentenpflicht ist verschuldensunabhängig und darf nur mit grosser Zurückhaltung reduziert gar aufgehoben werden. Stets wird ein krass ehewidriges Verhalten bzw. eine grobe Verletzung ehelicher Pflichten verlangt. Die KannVorschrift von Art. 125 Abs. 3 ZGB wird in der Lehre vor den Hintergrund des Rechtsmissbrauchs gestellt mit der Folge, dass die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches in ungeschmälerter Höhe als stossend (venire contra factum proprium) offensichtlich unbillig erscheinen muss. Es handelt sich um eine Ausnahmebestimmung, die restriktiv anzuwenden ist (BGE 127 III 65 E. 2a S. 66). Eine schwere Straftat im Sinne von Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB wird mithin erst bejaht, wenn ein Ehegatte den Partner (bzw. eine diesem nahe verbundene Person) vorsätzlich schwer verletzte krass täuschte. Ein jähzorniges und aggressives Verhalten genügt noch nicht (Vetterli/Cantieni, in: Büchler/Jakob [Hrsg.], Kurzkommentar ZGB, 2. A., Basel 2018, Art. 125 N. 12, S. 405).

      3. Die Ansicht des Kantonsgerichts, wonach für eine Reduktion eine Versagung von Unterhalt erforderlich ist, dass die Feststellung eines tatbestandsmässigen und widerrechtlichen Verhaltens einer schweren Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde vorliegt, stützt sich auf bedeutende Lehrmeinungen (vgl. Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, Art. 125

        N. 103 ff., S. 285 ff.; Dieter Freiburghaus, in: Breitschmid/Jungo [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Personenund Familienrecht, Partnerschaftsgesetz, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 125 N. 53, S. 444; vgl. auch Schwenzer/Büchler, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Band I, ZGB, 3. A., Bern 2017, Art. 125 N. 125, S. 309, und Gloor/Spycher, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. A., Basel

        2

        2020

        2018, Art. 125 N. 41, S. 999) und ist nicht zu beanstanden, ebenso wenig der Umstand, dass das Gericht die Strafakten nicht beigezogen hat. Das Kantonsgericht hat seinen Entscheid wie erwähnt nach Recht und Billigkeit zu fällen. Wenn es dabei berücksichtigt, dass für den Berufungsbeklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens die Unschuldsvermutung gilt und es zum Ergebnis gelangt, der blosse Tatverdacht vermöge vorliegend noch keine Reduktion bzw. Versagung von Trennungsunterhalt zu begründen, so kommt dies entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin keiner Rechtsverweigerung gleich.

      4. Der Berufungsklägerin ist in der vorliegenden Situation zuzumuten, den unterhaltsberechtigten Berufungsbeklagten während der Trennung vorläufig zu alimentieren. Es widerspricht weder dem Grundsatz von Treu und Glauben, noch ist es offensichtlich unbillig, dem Berufungsbeklagten Unterhaltsbeiträge zuzusprechen, zumal wenn diese wie vorliegend vom Kantonsgericht bis Juli 2021 befristet wurden.

      5. Zu keinem anderen Ergebnis führt die in der Lehre teilweise vertretene Ansicht, wonach der Zivilrichter selbständig über die strafrechtliche Vorfrage entscheiden könne (Bessenich/Rickli, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 6. A., Basel 2019, Art. 477 N. 11, S. 132). Es sind denn auch durchaus Fälle denkbar, in denen dem grundsätzlich unterhaltspflichtigen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, die Feststellung eines tatbestandsmässigen und widerrechtlichen Verhaltens einer schweren Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde abzuwarten, z.B. wenn der Unterhaltsberechtigte von Anfang an geständig ist und folglich sein berechtigtes Interesse, zivilrechtlich nicht vorverurteilt zu werden, in den Hintergrund tritt. Diese Voraussetzungen treffen hier jedoch nicht zu. Hinzu kommt, dass auch eine vorfrageweise Beurteilung erst in Betracht fällt, wenn der Zivilrichter über eine genügende Entscheidungsgrundlage verfügt. Der der Strafuntersuchung zugrunde liegende Lebenssachverhalt war im hier relevanten Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung noch in keiner Weise erstellt. Auch war noch unklar, welche Tatbestände konkret im Raum stehen. Daran vermögen die von der Berufungsklägerin eingereichten Fotos und Videos nichts zu ändern. Unter diesen Umständen hätten die strafrechtlichen Vorwürfe aber auch dann nicht zu einer Reduktion gar Aufhebung der Unterhaltspflicht geführt, wenn die Eheschutzrichterin diese selbst (vorfrageweise) geprüft hätte.

3

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.