Zusammenfassung des Urteils VZ.2007.44: Kantonsgericht
Die Klägerin reichte ein Gesuch für einen Vermittlungsvorstand ein, bei dem sie von ihrem Geschäftsführer vertreten wurde. Der Beklagte wurde von seinem Sohn vertreten, was der Klägerin nicht vorher mitgeteilt wurde. Trotzdem schlug der Vermittler vor, die Sache zu besprechen, aber ein Vergleich kam nicht zustande. Die Klägerin reichte keine Klage innerhalb der Frist ein, woraufhin der Beklagte eine Kostenrechnung einreichte. Die Klägerin forderte die Abweisung der Kosten und argumentierte, dass die Vermittlung aufgrund fehlender Vertretung gescheitert sei. Es kam zu einem Streit über die Kosten, der schliesslich zu einer Rechtsverweigerungsbeschwerde führte. Die Vorinstanz entschied zugunsten des Beklagten, da die Vertretung durch den Sohn akzeptiert wurde.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | VZ.2007.44 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | Zivilkammern (inkl. Einzelrichter) |
Datum: | 17.12.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 41 Abs. 2, Art. 141 Abs. 2, Art. 142 ZPO (sGS 961.2). Die Vertretung einer Partei durch einen Familienangehörigen nach Art. 41 Abs. 2 ZPO ist nicht von den Voraussetzungen von Art. 141 Abs. 2 ZPO abhängig. Eine solche Vertretung berechtigt die Gegenpartei im Vermittlungsverfahren auch nicht, sich ebenfalls vertreten zu lassen. Ferner entfällt die Pflicht zur vorgängigen Mitteilung gemäss Art. 142 ZPO (Kantonsgericht St. Gallen, Präsidentin der |
Schlagwörter : | Vermittlung; Recht; Vorinstanz; Beklagten; Vertretung; Vermittlungsvorstand; Vertreter; Vermittler; Rechtsverweigerungsbeschwerde; Kostenentscheid; Entscheid; Parteien; Rechtsberatung; Aufwand; Vermittlungsvorstands; Vollmacht; Leitschein; Stellung; LEUENBERGER/; UFFER-TOBLER; Zivilkammer; Mitteilung; Stellungnahme; Klage; Begehren; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 141 ZPO ;Art. 142 ZPO ;Art. 150 ZPO ;Art. 254 ZPO ;Art. 268 ZPO ;Art. 41 ZPO ; |
Referenz BGE: | 132 III 209; |
Kommentar: | - |
Art. 41 Abs. 2, Art. 141 Abs. 2, Art. 142 ZPO (sGS 961.2). Die Vertretung einer Partei durch einen Familienangehörigen nach Art. 41 Abs. 2 ZPO ist nicht von den Voraussetzungen von Art. 141 Abs. 2 ZPO abhängig. Eine solche Vertretung berechtigt die Gegenpartei im Vermittlungsverfahren auch nicht, sich ebenfalls vertreten zu lassen. Ferner entfällt die Pflicht zur vorgängigen Mitteilung gemäss Art. 142 ZPO (Kantonsgericht St. Gallen, Präsidentin der III. Zivilkammer, 17. Dezember 2007, VZ.2007.44).
Erwägungen
I.
1. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 reichte die Beschwerdeführerin und Klägerin (nachfolgt Klägerin) bei der Vorinstanz ein Gesuch zur Durchführung eines Vermittlungsvorstands ein (vi-act. 13/07, 4). Mit Vorladung vom 8. Februar 2007
wurden die Parteien aufgefordert, zur Vermittlung zu erscheinen (vi-act. 13/07, 3). Am
5. März 2007 fand der Vermittlungsvorstand in der Sache statt (vi-act. 13/07, 1). Die Klägerin wurde von ihrem Gesellschafter und Geschäftsführer A vertreten, der Beklagte von seinem Sohn B. Die Vertretung des Beklagten war der Klägerin zuvor nicht angezeigt worden. B konnte sich anlässlich des Vermittlungsvorstands nicht als Vertreter des Beklagten ausweisen (act. B8, Stellungnahme des Vermittlers vom 10.9.2007, S. 1 unten). Trotzdem schlug der Vermittler vor, die Sache zu besprechen, für den Vergleichsfall hätte die Vollmacht noch nachgereicht werden können (act. B8, unten). Ein Vergleich kam alsdann aber nicht zustande und der Klägerin wurde der Leitschein ausgestellt (vi-act. 13/07, 1).
In der Folge reichte die Klägerin innerhalb der Zweimonatsfrist von Art. 150 Abs. 2 ZPO keine Klage ein.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2007 gelangte der Beklagte an die Vorinstanz und verlangte gestützt auf Art. 268 Abs. 2 ZPO die Verlegung von Fr. 875.60 Parteikosten auf die Klägerin (vi-act. 49/07, 8). Gemäss einer Beilage zu diesem Schreiben setzten sich die geltend gemachten Kosten aus Fr. 645.60 für externe Rechtsberatung, Fr. 200.- Aufwand für die Vermittlung und Fr. 30.- Pauschalspesen (Fahrkosten, Telefon etc.) zusammen.
Mit Stellungnahme vom 19. Juni 2007 (vi-act. 49/07, 5) forderte die Klägerin die vollumfängliche Abweisung dieser Kostenrechnung. Sie brachte vor, der Vermittlungsvorstand sei allein darum gescheitert, weil sich B nicht als Vertreter ausweisen konnte. Auch sei sie entgegen Art. 142 ZPO nicht vorgängig über die Vertretung des Beklagten informiert worden. Bei Kenntnis dieser Tatsache wäre die Klage direkt beim Gericht anhängig gemacht worden. Sie führte weiter aus, der Weg über das Vermittleramt sei nur gewählt worden, weil die Anhängigmachung der Klage eine Versöhnung mit der Partei C [= der Beklagte] voraussetze. Schliesslich führte die Klägerin aus, die Gesamtkostenrechnung entspreche nicht Ziff. 212 GKT und der Beklagte habe den Aufwand für die externe Rechtsberatung nicht belegt.
Die Vorinstanz verlangte sodann von B mit Schreiben vom 25. Juni 2007 (vi-act. 49/07,
4) die umgehende Zustellung einer Rechnungskopie für den geltend gemachten
Aufwand für die externe Rechtsberatung und Details über den Aufwand für die Vermittlung. Nachdem die verlangten Belege bis am 16. Juli 2007 nicht bei der Vorinstanz eingetroffen waren, erliess diese den Kostenentscheid für den Fall 13/07 (viact. 49/07, 3). Die Vorinstanz schloss, die geltend gemachte Umtriebsentschädigung sei angemessen und werde geschützt. Mangels Beleg wurde der geltend gemachte Aufwand für die externe Rechtsberatung nicht geschützt. Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 an die Vorinstanz brachte B seine Überraschung über den ergangenen Kostenentscheid zum Ausdruck und stellte die Honorarnote betreffend der externen Rechtsberatung zu. Diese datiert vom 16. Mai 2007. Gemäss B hatte sich "die Zustellung aus verschiedenen Gründen leider verzögert". Er ersuchte um einen neuen Kostenentscheid unter Berücksichtigung der nun eingereichten Kostennote. Mit Schreiben vom 23. Juli 2007 teilte ihm die Vorinstanz mit, auf das nachträgliche Begehren werde nicht eingetreten (vi-act. 49/07, 1).
Mit einem mit "Beschwerde" bezeichneten Schreiben vom 20. August 2007 gelangte die Klägerin an den Gerichtspräsidenten des Kreisgerichts und verlangte sinngemäss die Aufhebung des Kostenentscheids 49/07 (act. B1). Mit Schreiben vom 21. August 2007 übermittelte dieser das Begehren zur Behandlung als Rechtsverweigerungsbeschwerde im Sinne vom Art. 254 Abs. 1 lit. c ans Kantonsgericht (act. B4).
Die Vorinstanz nahm mit Schreiben vom 10. September 2007 (act. B8), der Beklagte mit Schreiben vom 14. September 2007 (act. B10) Stellung.
Am 14. September 2007 reichte auch der Beklagte Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen den Kostenentscheid 49/07 ein. Diese wurde mit Entscheid von heute abgewiesen (vgl. Verfahren VZ.2007.48-P3).
II.
Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen (Art. 79, 254, 255 ZPO; Art. 82 ff. GerG) ergibt, dass diese erfüllt sind. Auf die
Rechtsverweigerungsbeschwerde ist einzutreten. Zuständig ist die Präsidentin der III. Zivilkammer (Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO).
III.
Mit der Rechtsverweigerungsbeschwerde können einerseits formelle Rechtsverweigerungen gerügt werden (Art. 254 Abs. 1 lit. a ZPO). Darunter fallen Rechtsverweigerungen bzw. -verzögerungen im eigentlichen Sinn, aber auch die Verweigerung des rechtlichen Gehörs sowie überspitzter Formalismus als Rechtsverletzungen im weiteren Sinn. Andererseits kann geltend gemacht werden, eine der in Art. 254 Abs. 1 ZPO bezeichneten Instanzen habe bei der Ausübung ihrer Befugnisse willkürlich gehandelt (Art. 254 Abs. 1 lit. c ZPO). Willkür in der Rechtsanwendung liegt nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Ein Entscheid ist jedoch nur dann aufzuheben, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 131 I 467 E. 3.1
S. 473 f.; 131 I 217 E. 2.1 S. 219; 129 I 49 E. 4 S. 58; 127 I 60 E. 5a S. 70; 124 IV 86 E.
2a S. 88; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 254 N 5b f.).
a) Die Klägerin macht sinngemäss geltend, die Vorinstanz habe durch den Erlass des Kostenentscheids vom 16. Juli 2007 (Auferlegung einer Parteientschädigung von Fr. 230.- und einer Entscheidgebühr von Fr. 100.-) willkürlich gehandelt. Es hätten ihr weder eine Parteientschädigung an den Beklagten noch eine Entscheidgebühr auferlegt werden dürfen, nachdem der Beklagte dem Vermittlungsvorstand ferngeblieben sei und auch kein gehörig bevollmächtigter Vertreter anwesend gewesen sei. Der Beklagte habe es unterlassen, die Klägerin im vornherein gemäss Art. 142 Abs. 1 ZPO über die Vertretung zu informieren. Auch durch den Vermittler sei keine solche
Mitteilung erfolgt. Ohne das persönliche Erscheinen des Beklagten sei eine Versöhnung am Vermittlungsvorstand zum vornherein nicht möglich gewesen.
Die Vorinstanz bringt in ihrer Stellungnahme vor, es sei ihr bekannt gewesen, dass der Beklagte aus alters und gesundheitlichen Gründen nicht am Vorstand habe teilnehmen können. Es sei ihr als nicht von Belang erschienen, dass B keine Vollmacht vorlegen konnte, da die Klägerin in ihrem Begehren um Durchführung einer Vermittlung vom 1. Februar 2007 (vi-act. 13/07, 4) selber erwähnt habe, die seinerzeitige Kaufvereinbarung sei vom Vertreter des Beklagten, B, abgeschlossen worden. Der Leitschein sei gemäss den Rechtsbegehren der Parteien ausgestellt und anderntags der Klägerin zugestellt worden. Diese habe dagegen keinen Einspruch erhoben.
Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe sich mit der Ausstellung des Leitscheins durch die Vorinstanz einverstanden erklärt und keinen neuen Vermittlungstermin verlangt. Damit habe sie die Vermittlung als ordentlich abgehalten akzeptiert. Ferner sei es ihr aus anderen Verfahren bekannt gewesen, dass B den Beklagten vertrete.
Grundsätzlich gilt Art. 41 Abs. 2 ZPO, wonach eine zum persönlichen Erscheinen verpflichtete Partei einen Familienangehörigen als Vertreter abordnen kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, auch im Schlichtungsverfahren. Das gilt insbesondere, wenn die Vertretung bestens informiert ist über die Streitsache (LEUENBERGER/ UFFER-TOBLER, N 2 zu Art. 41 und N 7.a zu Art. 141 ZPO). Nachdem die Klägerin im Schreiben, mit welchem sie die Vermittlung anbegehrte, selber darauf hingewiesen hatte, dass der dem Streit zugrunde liegende Vertrag von Sohn B als Vertreter des Beklagten abgeschlossen worden war, durfte der Vermittler zweifellos von dessen Vertrautheit mit der Streitsache ausgehen. Bei dieser Art von Vertretung bleibt der Charakter des Vermittlungsverfahrens mit dem persönlichen Gespräch zwischen den Parteien im Grunde gewahrt. Diese Vertretung ist daher nicht von der Voraussetzung von Art. 141 Abs. 2 ZPO abhängig gemacht. Sie gibt der Gegenpartei aber auch nicht das Recht, selber nach Art. 141 Abs. 2 lit. d ZPO einen Vertreter
"abzuordnen" (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., N 7.b zu Art. 141 ZPO).
Konnte daher die Klägerin wegen der Tatsache, dass nicht der Beklagte, sondern sein Sohn an der Vermittlung teilnahm, nicht ihrerseits einen Vertreter bestellen, entfiel auch die Pflicht zur vorgängigen Mitteilung gemäss Art. 142 ZPO (zu streng GVP 2001 Nr. 63
a.E.). Dass der Sohn des Beklagten nicht in der Lage war, anlässlich der Vermittlungsvorstands eine schriftliche Vollmacht vorzuweisen, ist belanglos, denn der Beklagte selber hat dessen Handeln akzeptiert, insbesondere auch durch die im Parallelverfahren VZ.2007.48 eingereichte Vollmacht vom 7. November 2007 (im gleichen Sinn: GVP 2001 Nr. 69).
Schliesslich hat der Vermittler die Vertretung des Beklagten durch seinen Sohn akzeptiert. Der Vermittler entscheidet unter Vorbehalt der Rechtsverweigerungsbeschwerde endgültig (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, N 7.c zu Art. 141 ZPO und GVP 2001 Nr. 63). Ob die Vorinstanz den Vermittlungsvorstand vom 5. März 2007 trotz der Abwesenheit des Beklagten hätte durchführen dürfen, kann daher nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. Hätte die Klägerin dieses Vorgehen als willkürlich rügen wollen, hätte sie innert 30 Tagen seit Durchführung des Vermittlungsvorstands beziehungsweise Ausstellung des Leitscheins dagegen eine Rechtsverweigerungsbeschwerde einreichen müssen.
Die Vorinstanz durfte daher dem Beklagten ohne Willkür eine Parteikostenentschädigung zusprechen und eine Entscheidgebühr von Fr. 100.auferlegen.
Die Rechtsverweigerungsbeschwerde wird abgewiesen.
.....
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