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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils VZ.2004.31: Kantonsgericht

Ein Mann namens X wurde von einer Schlichtungsstelle zu einer Verhandlung geladen, bei der es um die Herausgabe einer Mietzinskaution ging. X erschien nicht zur Verhandlung und erhielt daraufhin eine Ordnungsbusse von 150 CHF. Er legte Beschwerde ein, da er der Meinung war, dass die Schlichtungsstelle keine Zuständigkeit hatte, ihm die Busse aufzuerlegen. Das Kantonsgericht entschied, dass die Ordnungsbusse aufgehoben werden muss, da sie nicht auf Bundesrecht basierte. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle wurde somit für nichtig erklärt.

Urteilsdetails des Kantongerichts VZ.2004.31

Kanton:SG
Fallnummer:VZ.2004.31
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid VZ.2004.31 vom 05.11.2004 (SG)
Datum:05.11.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 274d Abs. 2 i.V.m. 274f Abs. 1 OR, Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 i.V.m. 254 Abs. 1
Schlagwörter : Recht; Ordnungsbusse; Verfahren; Schlichtungsstelle; Kanton; Bundesrecht; Verhandlung; Bundesrechts; Schlichtungsverhandlung; Rechtsverweigerungsbeschwerde; Verfahrens; Rechtsmittel; Anfechtung; =bekl; Fernbleiben; Vorinstanz; Kreisgericht; Kantons; Kognition; Kantonsgericht; Präsidentin; Zivilkammer; Zuständigkeit; ZK-HIGI; Regelung; Überprüfung; öglich
Rechtsnorm:Art. 13 ZPO ;Art. 254 ZPO ;Art. 255 ZPO ;Art. 274d OR ;Art. 274f OR ;
Referenz BGE:117 II 423; 117 II 424; 121 III 268;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts VZ.2004.31

lit. c und 255 Abs. 2 ZPO; Art. 274d Abs. 2 OR, Art. 9 i.V.m. 69 und 81 GerG. Rechtsmittel und Kognition bei Anfechtung einer durch eine Schlichtungsstelle gegen eine Partei ausgesprochenen Ordnungsbusse. Bundesrechtswidrigkeit einer wegen unentschuldigten Ausbleibens von der Schlichtungsverhandlung gestützt auf kantonales Recht verhängten Ordungsbusse (Kantonsgericht, Präsidentin der III. Zivilkammer, 5. November 2004, VZ.2004.31).

Art. 274d Abs. 2 i.V.m. 274f Abs. 1 OR, Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 i.V.m. 254 Abs. 1 lit. c

und 255 Abs. 2 ZPO; Art. 274d Abs. 2 OR, Art. 9 i.V.m. 69 und 81 GerG. Rechtsmittel und Kognition bei Anfechtung einer durch eine Schlichtungsstelle gegen eine Partei ausgesprochenen Ordnungsbusse. Bundesrechtswidrigkeit einer wegen unentschuldigten Ausbleibens von der Schlichtungsverhandlung gestützt auf kantonales Recht verhängten Ordungsbusse (Kantonsgericht, Präsidentin der III. Zivilkammer, 5. November 2004, VZ.2004.31).

I.

  1. Mit Schreiben vom 10. Juni 2004 wurde X. von der Schlichtungsstelle für Mietund Pachtverhältnisse für den 28. Juni 2004 zu einer Schlichtungsverhandlung betreffend ein von seinen ehemaligen Ehepaar A gestelltes Begehren auf Herausgabe einer Mietzinskaution vorgeladen (vi-act. 1=bekl. act. 4).

  2. X. teilte der Schlichtungsstelle am 22. Juni 2004 mit, dass das Ehepaar A keine Mietkaution geleistet habe. Er werde daher nicht an der Verhandlung erscheinen, da es in dieser Sache nichts zu verhandeln gebe. Zu beachten sei auch, dass er im Kanton Aargau wohnhaft sei (vi-act. 2=bekl. act 4).

  3. X. blieb der Schlichtungsverhandlung vom 28. Juni 2004 wie in Aussicht gestellt fern. Die Schlichtungsstelle stellte im Verhandlungsprotokoll fest, dass er unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen sei sowie dass der Fall mangels Einigung unvermittelt bleibe. Ferner auferlegte sie X. für das Fernbleiben von der Verhandlung eine Ordnungsbusse über Fr. 150.-. Gemäss im Verhandlungsprotokoll enthaltener Rechtsmittelbelehrung sollte die Klage beim Kreisgerichtspräsidium offenstehen (vi-act. 3=bekl. act. 6). Gemäss der für die Ordnungsbusse versandten Rechnung vom 5. Juli 2004 soll das Rechtsmittel der Rechtsverweigerungsbeschwerde gegeben sein (vi-act. 5=bekl. act. 7).

  4. Mit Eingabe vom 21. Juli 2004 erhebt X. Rechtsverweigungsbeschwerde und beantragt die Aufhebung der ihm auferlegten Ordnungsbusse (B/1). Die zur Vernehmlassung eingeladene Vorinstanz beantragt in ihrer Stellungnahme vom 26. August 2004 die Abweisung der Beschwerde (B/7). Auf die Einholung einer Stellungnahme der Kläger wurde verzichtet, da sie durch die Ordnungsbusse nicht beschwert sind.

II.

  1. Nach der Praxis des Bundesgerichts müssen die Kantone aufgrund des Verbots, mit ihren Verfahrensregelungen die Durchsetzung des Bundesrechts zu vereiteln, nicht nur für materiellrechtliche, sondern auch für verfahrensrechtliche Ansprüche des Bundesrechts mindestens eine gerichtliche Instanz zur Verfügung stellen, welcher eine umfassende Prüfungsbefugnis zukommt. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle genügt diesen Anforderungen nicht (BGE 121 III 268 f.). Darunter fallen auch Kostenund Entschädigungsfolgen gemäss Art. 274d Abs. 2 OR (BGE 117 II 424 f.). Vor diesem Hintergrund ist erstens zu prüfen, ob im Zusammenhang mit der von der Vorinstanz

    verhängten Ordnungsbusse die Anwendung von Bundesrecht in Frage steht. Soweit dies zu bejahen ist, muss zweitens angesichts der beschränkten richterlichen Überprüfungsbefugnis im Verfahren der Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen Entscheide einer Schlichtungsstelle (Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 i.V.m. 254 Abs. 1 lit. c und Art. 255 Abs. 2 ZPO) beurteilt werden, ob sich daraus Folgen für die Zuständigkeit ergeben.

  2. Nach Art. 274d Abs. 2 OR ist das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde kostenlos. Bei mutwilliger Prozessführung kann jedoch die fehlbare Partei zur Übernahme der Verfahrenskosten und zur Leistung einer Entschädigung an die Gegenpartei verpflichtet werden. Unter mutwilliger Prozessführung kann allenfalls auch das Fernbleiben von der Schlichtungsverhandlung verstanden werden (ZK-HIGI, N 13 zu Art. 274d OR). Es stellt sich damit die Frage, ob die Vorinstanz neben dieser bundesrechtlichen Regelung gestützt auf die kantonalen Bestimmungen von Art. 9 i.V.m. Art. 69 und 81 GerG eine Ordnungsbusse verhängen durfte. Dies muss angesichts der vorerwähnten Praxis des Bundesgerichts von einem mit voller Überprüfungsbefugnis ausgestatteten Gericht beurteilt werden.

  3. Gestützt auf die Vorgaben des Bundesrechts (Art. 274 i.V.m. Art. 274f OR) ist im Kanton St. Gallen bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.sowie im Verfahren auf Erstreckung des Mietverhältnisses und die Anfechtung der Kündigung eines Mietverhältnisses der Kreisgerichtspräsident erstinstanzlich zur gerichtlichen Beurteilung mietrechtlicher Angelegenheiten zuständig (Art. 7 lit. a und c ZPO). In den übrigen Fällen ist gemäss Art. 13 ZPO das Kreisgericht zuständig. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Kantonsgerichts ist gegenüber Schlichtungsstellen gesetzlich auf Rechtsverweigerungsbeschwerden beschränkt (Art. 20 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO).

Eine vollumfängliche Überprüfung der Rechtslage ist nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsweges nur im Rahmen der Zuständigkeiten auf Ebene Kreisgericht möglich. Allerdings erscheint die Durchführung des dort vorgesehenen Zweiparteienverfahrens für den vorliegenden Fall, wo die Gegenpartei nicht betroffen ist und nur das Verhältnis zwischen entscheidender Behörde und durch den Entscheid beschwerter Partei in Frage steht, als ungeeignet. Zugeschnitten auf diese Problemsituation ist jedoch vom Verfahrensablauf her die

Rechtsverweigerungsbeschwerde. Diese findet denn auch in vergleichbaren Streitlagen wie der blossen Anfechtung der Höhe erstinstanzlich auferlegter Gerichtskosten der Kostenbeschwerde des unentgeltlichen Rechtsvertreters gegen die Kürzung des geltend gemachten und vom Staat zu bezahlenden Honorars Anwendung (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, N 1d und 6a zu Art. 254 ZPO).

Die Präsidentin der III. Zivilkammer ist damit zur Beurteilung im Rahmen des Verfahrens der Rechtsverweigerungsbeschwerde zuständig. Die in der st. gallischen Zivilprozessordnung vorgesehene Einschränkung der Kognition kann dabei jedoch aufgrund der Vorgaben des Bundesrechts keine Anwendung finden.

III.

Art. 274d Abs. 2 OR enthält nicht nur eine blosse Ermächtigung an die Kantone, sondern eine abschliessende bundesrechtliche Regelung. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war zusätzlich die Möglichkeit enthalten, neben den Verfahrensund Parteikosten auch eine Busse aufzuerlegen (BGE 117 II 423). Es handelt sich im wesentlichen um einen Akt mit pönalem Charakter. Der Verzicht des Parlaments auf die Möglichkeit der Busse sollte daran nichts ändern, sondern zeigt vielmehr, dass die Kostenauflage als ausreichende Sanktion genügen soll (ZK-HIGI, N 104 zu Art. 274d OR). Erfasst werden soll vorsätzliches, sachlich nicht zu rechtfertigendes prozessuales Fehlverhalten einer Partei (ZK-HIGI, N 107 zu Art. 274d OR). Wie erwähnt kann darunter auch das unentschuldigte Fernbleiben von der Verhandlung fallen. Die abschliessende bundesrechtliche Regelung enthält somit keine Grundlage zur Auferlegung einer Ordnungsbusse.

Indem die Vorinstanz eine Ordnungsbusse wegen unentschuldigten Fernbleibens auferlegte, verletzte sie Art. 274d Abs. 2 OR. Die Sanktion ist daher aufzuheben, ohne dass die inhaltliche Begründung des Beschwerdeführers geprüft werden muss.

Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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