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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils RZ.2009.53: Kantonsgericht

Die E-AG war Vermieterin einer Liegenschaft, die von der Familie B/C bewohnt wurde. Nachdem die E-AG Ende 2008 in Konkurs ging, schloss die Konkursmasse im April 2009 einen neuen Mietvertrag mit dem Ehemann der Familie ab. Die Mieter weigerten sich, die Liegenschaft zu räumen, und ein Gerichtsentscheid verpflichtete sie dazu. Ein Rekurs wurde eingereicht, der daraufhin gutgeheissen wurde, da die Ehefrau nicht in die Vertragsänderung eingewilligt hatte. Die Klage auf Räumung der Liegenschaft wurde abgewiesen, da der neue Mietvertrag nichtig war (Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse im Obligationenrecht, 29. Dezember 2009, RZ. 2009.53).

Urteilsdetails des Kantongerichts RZ.2009.53

Kanton:SG
Fallnummer:RZ.2009.53
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid RZ.2009.53 vom 29.12.2009 (SG)
Datum:29.12.2009
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 261 Abs. 1, Art. 266m-o, Art. 267 Abs. 1 OR; Art. 166 Abs. 1, Art. 169 ZGB.
Schlagwörter : Liegenschaft; Quot; Beklagten; Rekurs; Mietverhältnis; Familie; Konkurs; Mietvertrag; Einfamilienhaus; Vertrag; Entscheid; Einzelrichter; Kündigung; Familienwohnung; Auszug; Vermieterin; Konkursmasse; Mieter; Rekurse; F-Treuhand-AG; Rechtskraft; Mietvertrags; Mietzins; Wohnräume; Ehegatte; Rechte
Rechtsnorm:Art. 166 ZGB ;Art. 169 ZGB ;Art. 261 OR ;Art. 266m OR ;Art. 266n OR ;Art. 266o OR ;Art. 267 OR ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts RZ.2009.53

Die E-AG war Vermieterin einer von der Familie B/C bewohnten Liegenschaft. Ende 2008 fiel die E-AG in Konkurs. Im April 2009 schloss ihre Konkursmasse vertreten durch das Konkursamt - über das auf der Liegenschaft befindliche Einfamilienhaus mit dem Ehemann einen neuen Mietvertrag, der auf Ende Oktober 2009 befristet war. Die Mieter verliessen das Einfamilienhaus Ende Oktober 2009 nicht, worauf der Einzelrichter des Kreisgerichts einem Ausweisungsbegehren der Rechtsnachfolgerin der Vermieterin stattgab. Der von den Mietern dagegen erhobene Rekurs wurde gutgeheissen: Gemäss Art. 169 ZGB kann ein Ehegatte die Rechte an Wohnräumen der Familie nur mit ausdrücklicher Zustimmung des andern beschränken, und vorliegend hatte die Ehefrau der auf eine solche Beschränkung hinauslaufenden - Vertragsänderung vom April 2009 nicht zugestimmt, weshalb sie nichtig war (Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse im Obligationenrecht, 29. Dezember 2009, RZ. 2009.53).

Erwägungen

I.

  1. B und C wohnten in der im Eigentum der E-AG befindlichen Liegenschaft an der (bestehend aus 3 Grundstücken mit 6 ½-Zimmer-Einfamilienhaus, Schweinezuchtstall und Wiese im Halte von insgesamt 5'096 m2), als Letztere am 18. November 2008 in Konkurs fiel. In der Folge zog die Familie B/C vorübergehend nach Q und kehrte im Frühjahr 2009 wieder an die alte Adresse zurück. Am 24. April 2009 schloss die vom

    Konkursamt des Kantons St. Gallen vertretene Konkursmasse der E-AG mit B rückwirkend per 1. März 2009 einen bis 31. Oktober 2009 befristeten Mietvertrag betreffend das auf der Liegenschaft befindliche Einfamilienhaus.

    Mit Zuschlag vom 30. September 2009 an der konkursamtlichen Grundstücksteigerung erwarb die Bank A das Eigentum an der Liegenschaft und trat damit von Gesetzes wegen in das bestehende Mietverhältnis ein (Art. 261 Abs. 1 OR).

    B und C weigerten sich, die Liegenschaft Ende Oktober 2009 zu räumen, und halten sich auch heute noch dort auf.

  2. Am 24. November 2009 fällte der Einzelrichter des Kreisgerichts auf Begehren der von der F-Treuhand-AG vertretenen - Bank A, welchem sich B und C widersetzten, folgenden Entscheid:

"1. Die Gesuchsgegner werden verpflichtet, das Einfamilienhaus und den Schweinezuchtstall innert 20 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheids zu verlassen und der Gesuchstellerin ordnungsgemäss zurückzugeben.

  1. Dieser Entscheid ist während vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft direkt

    vollziehbar.

  2. Die Gemeinde X wird beauftragt, auf entsprechendes Begehren der Gesuchstellerin (nach Eintritt der Rechtskraft dieser Verfügung und Ablauf der Auszugsfrist von 20 Tagen) die Räumung der in Ziff. 1 erwähnten Lokalitäten durch unmittelbaren Zwang während längstens vier Monaten ab Rechtskraft des Entscheides zu vollstrecken.

  3. Die Kosten des Verfahrens von Fr. 450.00 werden unter Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 450.00 bei der Gesuchstellerin erhoben und ihr für den ganzen Betrag das Rückgriffsrecht auf die solidarisch haftenden Gesuchsgegner eingeräumt.

  4. Die Gesuchsgegner haben die Gesuchstellerin unter solidarischer Haftbarkeit für

Parteikosten mit Fr. 100.00 zu entschädigen."

3. Mit Eingabe vom 8. Dezember 2009 erhoben die Beklagten gegen den Entscheid vom 24. November 2009 (versandt am 26.11.2009; zugestellt am 30.11.2009) Rekurs beim Einzelrichter des Kantonsgerichts mit dem Antrag, derselbe sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. In ihrer Antwort vom 22. Dezember 2009 trug die Klägerin auf kostenfällige Abweisung des Rekurses an.

Auf die Überlegungen der Vorinstanz und die zur Begründung ihrer Standpunkte gemachten Ausführungen der Parteien wird, soweit notwendig, im Folgenden eingegangen.

II.

  1. Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen ergibt,

    dass diese erfüllt sind (Art. 79, 217 lit. a und 219 Abs. 1 ZPO; Art. 82 Abs. 1 GerG).

    Auf den Rekurs ist einzutreten. Zuständig ist der Einzelrichter für Rekurse im Obligationenrecht (Art. 16 lit. a ZPO und Art. 16 lit. d GO).

  2. Die F-Treuhand-AG war zur Vertretung der Klägerin vor Gericht nicht befugt (Art. 10 ff. AnwG). Darauf hätte sie von der Vorinstanz aufmerksam gemacht werden müssen. Die klägerischen Prozesseingaben vor erster Instanz sind deswegen zwar nicht ungültig (GVP 1959 Nr. 19), im Rechtsmittelverfahren konnte die Treuhänderin jedoch nicht mehr zur Vertretung zugelassen werden (Mitteilung vom 09.12.2009; vgl. dazu auch Art. 37 AnwG).

III.

  1. Die Vorinstanz schützte die Klage auf Räumung der Liegenschaft unter Hinweis auf den vertraglichen Rückgabeanspruch der Vermieterin gemäss Art. 267 Abs. 1 OR, der mit Beendigung des befristeten Mietvertrags vom 24. April 2009, d.h. am 31. Oktober 2009 fällig geworden sei.

  2. Die Beklagten bestreiten den aus dem Mietvertrag vom 24. April 2009 abgeleiteten Rückgabeanspruch der Klägerin. Mit dem Abschluss dieses Mietvertrags, so die Beklagten, sei das bestehende Mietverhältnis betreffend die Liegenschaft faktisch gekündigt worden. Dieser Kündigung hätte, da sich im Mietobjekt die Familienwohnung befinde, C zustimmen müssen, was sie aber nie getan habe. Deshalb sei der neue Vertrag nichtig und der alte gelte nach wie vor.

  3. Die Klägerin bestreitet, dass zwischen den Beklagten und der am 18. November 2008 in Konkurs gefallenen E-AG betreffend die Liegenschaft je ein Mietvertrag bestand. Falls ein solches Mietverhältnis bestanden haben sollte, so die Klägerin weiter, sei es mit dem Auszug der Beklagten aus der Liegenschaft und dem Umzug"ohnehin unzweifelhaft erloschen" und habe das Haus im Übrigen auch "den Charakter als Familienwohnung verloren". Und wenn das Mietverhältnis nicht durch den Umzug beendet worden sei, so wäre es jedenfalls durch den neuen Mietvertrag vom 24. April 2009 "abgelöst" worden; dieser sei nämlich weil im Sinne von Art. 166 Abs. 1 ZGB die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft betreffend auch gültig, wenn ihn lediglich der Ehemann unterzeichnet habe. Schliesslich hätten die Beklagten G von der F-Treuhand-AG ausdrücklich zugesichert, die Liegenschaft zu verlassen diese mit einer anderen finanzierenden Bank kaufen zu wollen.

  4. Dazu fällt was folgt in Betracht:

  1. Die Beklagten berufen sich zum Beweis des behaupteten Mietverhältnisses auf D als Zeugen sowie auf von der Klägerin zu edierende - Hypothekarkontoauszüge, aus denen ersichtlich sei, dass sie ab 2007 von der E-AG geschuldete Zinsund teilweise auch Amortisationszahlungen geleistet hätten, mit welchen sie nebst durch Verrechnung mit Lohnforderungen von D die Mietzinsen von Fr. 900.-/Monat beglichen hätten (Rekurs, 3 Ziff. III/A/2).

    Die Klägerin hält diesen Ausführungen lediglich entgegen, die Beklagten hätten "nach deren Auszug" keinen Mietzins bezahlt und seien insbesondere nicht für den Hypothekarzins aufgekommen (Rekursantwort, 3 III/2). Eine Erklärung dafür aber, unter welchem Titel wenn nicht als Mietzinszahlungen - die vom Beklagten vor dem Auszug geleisteten Hypothekarzinsen erfolgt sein sollten, liefert die Klägerin so wenig wie

    Hypothekarkontoauszüge der E-AG Belege dafür, dass die Zinszahlungen vorher von anderen Personen als vom Beklagten geleistet worden sind.

    Unter diesen Umständen ist als erwiesen anzunehmen, dass das von den Beklagten behauptete Mietverhältnis tatsächlich bestand, als die E-AG am 18. November 2008 in Konkurs fiel; eine Befragung von D ist entbehrlich.

  2. Nicht gefolgt kann der Klägerin sodann, wenn sie meint, mit dem Auszug aus der Liegenschaft sei das Mietverhältnis erloschen das Haus habe den Charakter als Familienwohnung verloren. Das Verlassen des Mietobjektes durch den Mieter beendigt das Vertragsverhältnis selbstverständlich nicht, sowenig wie die Einstellung der Mietzinszahlungen, und weshalb durch den Unterbruch in der Nutzung des Hauses dessen Charakter als Familienwohnung verloren gegangen sein sollte, ist ebenfalls nicht einzusehen.

    Da beim Umzug auch keine Kündigung einvernehmliche Vertragsauflösung erfolgte solches wird selbst von der Klägerin nicht behauptet -, ist festzustellen, dass das Mietverhältnis nach wie vor bestand, als die Familie im Frühjahr 2009 wieder in die Liegenschaft zurückkehrte.

  3. Im Weiteren kann zwar der Auffassung der Beklagten, der Abschluss des Mietvertrags vom 24. April 2009 zwischen der Konkursmasse der E-AG und B komme einer Kündigung durch die bisherige Vermieterin bzw. durch den bisherigen Mieter B gleich, welche mangels separater Eröffnung an die Adresse von C (Art. 266n OR) bzw. mangels ausdrücklicher Zustimmung derselben (Art. 266m OR) gemäss Art. 266o OR nichtig sei (Rekurs, 5 Ziff. III/B/1), nicht beigepflichtet werden, denn als Kündigung im Sinne der genannten Bestimmungen gilt nur die einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung, das Mietverhältnis beenden zu wollen. Andere Handlungen wie z.B. Aufhebungsverträge -, die unmittelbar mittelbar zur Auflösung eines Mietverhältnisses über eine Familienwohnung führen können, fallen nicht darunter, sondern unter Art. 169 ZGB (Peter Higi, Zürcher Kommentar, N 20 zu Art. 266m bis 266n OR mit Hinweisen).

    Auch nach dem klaren Wortlaut von Art. 169 ZGB jedoch kann ein Ehegatte die Rechte an den Wohnräumen der Familie nur mit ausdrücklicher Zustimmung des anderen Ehegatten beschränken. Und auf eine solche - über den blossen, von Art. 166 Abs. 1 ZGB noch gedeckten Abschluss eines Mietvertrags hinausgehende - Beschränkung der Rechte an den Wohnräumen läuft die von B mit der Konkursmasse der E-AG vereinbarte Abänderung des ursprünglich unbefristeten in ein befristetes Mietverhältnisses klarerweise hinaus. Dass C der Vertragsänderung vom 24. April 2009 ausdrücklich - d.h. schriftlich mündlich zugestimmt habe, behauptet die Klägerin aber nicht und ist auch aufgrund der Umstände nicht anzunehmen. Die Vertragsänderung ist daher nichtig (vgl. Ivo Schwander, Basler Kommentar, 3. Aufl.,

    N 22 zu Art. 169 ZGB mit Hinweisen), soweit die Wohnräume der Familie betroffen sind bzw. soweit das "Mietobjekt: Einfamilienhaus 2340" betroffen ist. Die Restliegenschaft war von Vornherein nicht Gegenstand des Abänderungsvertrags (vgl. "Mietvertrag für Einfamilienhaus" vom 24.04.2009; bekl. act. 4); das den Schweinezuchtstall und die Wiese betreffende Mietverhältnis besteht daher gemäss Art. 261 Abs. 1 OR nach wie vor, da auch die an die Eheleute B/C gerichtete Aufforderung der F-Treuhand-AG vom

    23. Oktober 2009, die gesamte Liegenschaft, d.h. alle drei Grundstücke zu räumen (kläg. act. 2), keine rechtswirksame Kündigung darstellt.

  4. Nicht die einer rechtswirksamen einvernehmlichen Vertragsaufhebung entsprechende Bedeutung kommt schliesslich der - nach klägerischer Darstellung von den Beklagten vor dem Rekursverfahren, also unter dem Eindruck des erstinstanzlichen Entscheides, noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gegenüber G abgegebenen - Zusicherung zu, die Liegenschaft zu verlassen diese mit einer anderen finanzierenden Bank kaufen zu wollen (Rekursantwort, 4 Ziff. III/5).

5. Nach dem Gesagten ist das Urteil des Vorderrichters vom 24. November 2009 in

Gutheissung des Rekurses aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

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