Zusammenfassung des Urteils KV-SG 2015/12: Versicherungsgericht
A. hat verspätet eine individuelle Prämienverbilligung für 2015 beantragt, da er die Frist nicht kannte. Die Sozialversicherungsanstalt wies seinen Antrag ab, und auch seine Einsprache wurde abgelehnt. A. reichte daraufhin einen Rekurs ein, argumentierte aber erfolglos, dass er nicht ausreichend informiert worden sei. Das Gericht stellte fest, dass A. die Anmeldefrist nicht eingehalten hat und keine Gründe für eine Wiederherstellung vorlagen. Der Rekurs wurde abgewiesen, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV-SG 2015/12 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 15.12.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 42 Abs. 1 lit. bter und Art. 47 Abs. 1 VRP. Rechtsmittel gegen Einspracheentscheide betreffend Prämienverbilligung ist der Rekurs, der innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu erheben ist. Falsche Rechtsmittelbelehrung durch die Ausgleichskasse der SVA St. Gallen.Art. 11bis Abs. 1 und Abs. 3 EG-KVG. Verwirkung des Anspruchs auf Prämienverbilligung für das Jahr 2015 infolge versäumter Anmeldefrist. Bestehen eines Grundes für die Wiederherstellung der verpassten Frist verneint. (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom |
Schlagwörter : | Prämien; Prämienverbilligung; Recht; Kanton; EG-KVG; Rekurs; Einsprache; Rekurrent; Frist; Anspruch; Anmeldung; Verwirkung; Gallen; SVA-act; Verwaltung; Krankenversicherung; Rechtsmittel; Bundesgesetzgebung; Ausland; Verwaltungsrechtspflege; Rekurrenten; Verfahren; Regierung; Einführungsgesetz; Verwirkungsfrist; Wiederherstellung; Regelung; Rekursgegnerin; Versicherungsgericht; Botschaft |
Rechtsnorm: | Art. 41 ATSG ;Art. 52 ATSG ;Art. 57 ATSG ;Art. 65 KVG ;Art. 97 KVG ; |
Referenz BGE: | 125 V 183; 131 V 202; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
2015/12ParteienA. ,Rekurrent,gegenSozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,Vorinstanz,Gegenstandindividuelle Prämienverbilligung 2015 (verspätete Anmeldung)Sachverhalt
A.
A. wechselte im Februar 2014 seinen Wohnsitz vom Kanton Thurgau in den Kanton St. Gallen (SVA-act. 3-3). Am 22. Mai 2015 meldete er sich zum Bezug einer individuellen Prämienverbilligung für das Jahr 2015 an (SVA-act. 3). Sein Sohn führte im Begleitschreiben zur Anmeldung aus, er habe erst durch Bekannte, die im Kanton
St. Gallen wohnten, anfangs dieser Woche erfahren, dass hier das Formular nicht per Post verschickt werde, sondern jeder Bürger eine Holschuld habe. Daraufhin habe er auf der Homepage der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) nachgeschaut und festgestellt, dass die Frist dafür am 31. März 2015 abgelaufen sei.
Am 19. Mai 2015 habe er bei der Ausgleichskasse der SVA angerufen. Die Sachbearbeiterin habe ihm empfohlen, die Formulare auszufüllen und einzureichen. Intern würde dann entschieden, ob das Gesuch gutgeheissen werde, obwohl die Frist nicht eingehalten worden sei. Die verspätete Einreichung der Anmeldung beruhe auf Unwissenheit (SVA-act. 2).
Die Ausgleichskasse verfügte am 12. Juni 2015 die Abweisung des Gesuchs, da A. die Anmeldung nicht fristgerecht bis 31. März 2015 eingereicht habe (SVA-
act. 4). Dagegen erhob dieser am 8. Juli 2015 Einsprache. Er brachte vor, er und seine Ehegattin hätten sich zu einer medizinisch indizierten Kur im Monat März 2015 im Ausland befunden. Da sie erst wieder im April zurückgekehrt seien, sei es ihnen leider nicht möglich gewesen, die Frist bis zum 31. März 2015 einzuhalten (SVA-act. 5). Die Ausgleichskasse wies die Einsprache am 7. August 2015 ab. Das Vorliegen eines Grundes für die Wiederherstellung der verpassten Anmeldefrist verneinte sie (SVAact. 6).
B.
Gegen den Einspracheentscheid vom 7. August 2015 richtet sich der vorliegende Rekurs vom 12. September 2015. Der Rekurrent beantragt darin dessen Aufhebung und die Zusprache der gesetzlichen Leistungen. Zur Begründung gibt er an, es bestünden seinerseits sprachliche Defizite und in der Vergangenheit habe er die Formulare automatisch zugeschickt bekommen. Er sei nicht hinlänglich über die neue Regelung informiert worden (act. G 1).
Die Rekursgegnerin beantragt in der „Beschwerdeantwort“ vom 15. Oktober 2015 die Abweisung der „Beschwerde“. Sie vertritt den Standpunkt, die Öffentlichkeit sei über die seit 1. Januar 2015 geltende Regelung informiert worden. Es bestehe keine Verpflichtung zur individuellen Orientierung über die Modalitäten des Anspruchs. Ein Grund für eine Wiederherstellung der verpassten Frist liege nicht vor (act. G 6).
Erwägungen
1.
Von Amtes wegen ist die Eintretensvoraussetzung der rechtzeitigen Rechtsmittelerhebung zu prüfen.
Das Rechtsmittel gegen Einspracheentscheide betreffend den Anspruch auf Prämienverbilligung ist gemäss Art. 42 Abs. 1 lit. bter des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1) ein Rekurs an das Versicherungsgericht nach Art. 40 ff. VRP mit einer Rekursfrist von 14 Tagen (Art. 47 Abs. 1 VRP).
Die Eingabe des Rekurrenten gegen den Einspracheentscheid vom 7. August 2015 erfolgte nicht innert der 14-tägigen Rekursfrist (vgl. act. G 1). Daraus erwächst dem Rekurrenten gemäss Art. 47 Abs. 3 VRP allerdings kein Nachteil, enthielt der angefochtene Einspracheentscheid doch eine falsche Rechtsmittelbelehrung („Gegen diesen Einspracheentscheid kann innert 30 Tagen beim Versicherungsgericht [ ] Beschwerde erhoben werden (Art. 16 EG-KVG)“; SVA-act. 6).
Wie sich aus anderen beim Versicherungsgericht hängigen Verfahren ergibt (vgl. etwa KV-SG 2015/8), beruht die falsche Rechtsmittelbelehrung auf einer grundsätzlichen Neubeurteilung der Beschwerdegegnerin hinsichtlich des zutreffenden Rechtsmittels. Im Verfahren KV-SG 2015/10 führte die Rekursgegnerin hierzu aus, das Versicherungsgericht sei „bei der Behandlung von Beschwerden nach Art. 42 lit. bter VRP an die verbindlichen Verfahrensbestimmungen nach Art. 56 ff. ATSG gebunden.
Das Verfahren richtet sich nur insoweit nach kantonalem Verfahrensrecht, als Art. 56
ff. ATSG keine abschliessende Regelung trifft. Dies gilt unabhängig davon, ob das VRP bzw. das Versicherungsgericht die bundesrechtlich vorgesehene Beschwerde im Bereich der Prämienverbilligung als Rekurs bezeichnet nicht. Demnach haben wir zu Recht im Einspracheentscheid eine Beschwerdefrist von 30 Tagen genannt“ (act.
G 8, Rz 1.4, im Verfahren KV-SG 2015/10).
Vorab verkennt die Rekursgegnerin bei ihrem offenbar erst seit dem Jahr 2015 vertretenen Standpunkt, dass das kantonale Sozialversicherungsrecht nicht von Bundesrechts wegen vom ATSG erfasst ist. Dazu gehören u.a. auch diejenigen Bereiche, in denen das Bundesrecht den Kantonen im Rahmen einer vom Bund wahrgenommenen Kompetenz eine Gesetzgebungsbefugnis belässt; dies ist etwa bei den krankenversicherungsrechtlichen Prämienverbilligungen (Art. 65 f. des
Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [KVG; SR 832.10]) der Fall (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2015, Rz 6 und Rz 10 zu Art. 1, mit Hinweis auf BGE 125 V 183 ff.; vgl. auch BGE 131 V 202 und Urteil des Bundesgerichts vom
7. März 2008, 9C_549/2007, E. 2.1), was Art. 1 Abs. 2 lit. c KVG ausdrücklich klarstellt. Die ATSG-Bestimmungen finden daher entgegen der Auffassung der Rekursgegnerin nicht von Bundesrechts wegen Anwendung auf die Materie der Prämienverbilligung.
Mangels Anwendbarkeit des ATSG von Bundesrechts wegen bleibt zu prüfen, ob die ATSG-Bestimmungen für das verwaltungsexterne Rechtsmittelverfahren gestützt auf eine kantonale Bestimmung als (subsidiäres) kantonales Recht zur Anwendung gelangen.
Im gesamten kantonalen Recht existiert keine Norm, die für das verwaltungsexterne Rechtsmittelverfahren betreffend Prämienverbilligung ausdrücklich die Bestimmungen des ATSG für anwendbar erklärt. Eine solche gesetzliche Grundlage hat auch die Rekursgegnerin in der oben erwähnten Stellungnahme nicht ins Feld geführt. In ihrer Begründung machte sie lediglich Ausführungen zu Art. 16 des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung (EGKVG; sGS 331.11).
Unter der Überschrift „Einsprache“ bestimmt Art. 16 EG-KVG in der seit dem
und VI. Nachtrag zum VRP geltenden Fassung für die verwaltungsinterne Rechtspflege, „gegen Verfügungen der Sozialversicherungsanstalt kann innert dreissig Tagen seit Eröffnung schriftlich Einsprache erhoben werden. Im Übrigen werden die Verfahrensbestimmungen der Bundesgesetzgebung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts sachgemäss angewendet“. In der Fussnote zu Art. 16 EGKVG wird Folgendes festgehalten: „Art. 52 des BG über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ ]“. Weil das im kantonalen Verwaltungsverfahren grundsätzlich zu beachtende VRP keine Vorschriften zum Einspracheverfahren enthält, ist für die Regelung des Einspracheverfahrens eine entsprechende Vorschrift für den Bereich der Prämienverbilligung im EG-KVG erforderlich gewesen. Aus den Materialien ergibt sich, dass Art. 16 EG-KVG in der gegenwärtig in Kraft stehenden Fassung allein sowie auch entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung und der Systematik - die Anpassung des kantonalen Einspracheverfahrens bzw. der verwaltungsinternen
Rechtspflege an die Regelung des ATSG-Einspracheverfahrens (insbesondere Art. 52 ATSG) zu Grunde liegt. So sei es im Interesse eines koordinierten und einheitlichen Verfahrens im gesamten Sozialversicherungsrecht geboten, auch für das kantonale Sozialversicherungsrecht - u.a. Prämienverbilligung ein Einspracheverfahren vorzusehen (Botschaft und Entwürfe der Regierung vom 28. Februar 2006 zum V. und
Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 5; zur von der Regierung vorgeschlagenen Änderung von Art. 16 EG-KVG, die Eingang ins Gesetz gefunden hat, siehe S. 40 der genannten Botschaft; für eine ausführliche Auslegung von Art. 16 EG-KVG siehe den Entscheid des Versicherungsgerichts vom 29. Oktober 2015, KV-SG 2014/6, E. 2.4.1 ff.).
Aus den Materialen zum V. und VI. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der kantonale Gesetzgeber die verwaltungsexterne Rechtspflege im Bereich des kantonalen Sozialversicherungsrechts durch die Bestimmungen des ATSG zum Beschwerdeverfahren (Art. 56 ff. ATSG) habe ersetzen wollen. Vielmehr nahm er ausschliesslich Anpassungen des VRP hinsichtlich des Bundessozialversicherungsrechts (Art. 42 Abs. 1 lit. a und Art. 42 Abs. 2 VRP) bzw. betreffend das Anfechtungsobjekt (Art. 42 Abs. 1 lit. abis und c VRP) vor. Der Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 lit. bter VRP blieb unverändert (vgl. Botschaft und Entwürfe der Regierung vom 28. Februar 2006 zum V. und VI. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 12 und Art. 32; Ergebnis der 1. Lesung des Kantonsrates vom 27. September 2006 zum V. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 4; Protokolle der vorberatenden Kommission betreffend
„V. und VI. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege“ der Sitzungen vom
24. Mai, 28. August und 13. November 2006).
Im Gegensatz zum Einspracheverfahren wird die verwaltungsexterne Rechtspflege umfassend im VRP geregelt. Eine Abweichung der darin enthaltenen Vorschriften zum Rekursverfahren bei Streitigkeiten betreffend Prämienverbilligung hätte daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Eine solche liegt, wie bereits erwähnt, nicht vor. Hinsichtlich der 14-tägigen Rekursfrist (Art. 47 Abs. 1 VRP) lässt sich den Materialien sodann entnehmen, dass die Regierung eine Ausdehnung der Rekursfrist auf 30 Tage vorgeschlagen hat, um die kantonalen und
eidgenössischen Rechtsmittelfristen zu vereinheitlichen (Botschaft und Entwürfe der Regierung vom 28. Februar 2006 zum V. und VI. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 14 f. und S. 32). Die vorberatende Kommission verwarf diesen Vorschlag und entschied sich bewusst für eine Beibehaltung der 14-tägigen Rekursfrist bzw. von Art. 47 Abs. 1 VRP in der bisherigen Fassung (Protokoll der vorberatenden Kommission betreffend „V. und VI. Nachtrag zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege“ der Sitzung vom 24. Mai 2006, S. 28 f.) und damit gegen eine Angleichung an die Rechtsmittelfristen des ATSG. Der Kantonsrat nahm in der Folge keine Änderung von Art. 47 Abs. 1 VRP vor und entschied sich damit ebenfalls bewusst für eine Beibehaltung der 14-tägigen Rekursfrist.
Nach dem Gesagten fehlt es an einer kantonalen gesetzlichen Grundlage, welche die ATSG-Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten betreffend Prämienverbilligung für die verwaltungsexterne Rechtspflege als (subsidiäres) kantonales Recht für anwendbar erklärt. Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt zu erwähnen, dass die Interpretation der Rekursgegnerin u.a. die Abschaffung des doppelten kantonalen Instanzenzugs (Art. 57 ATSG) und ein kostenloses Beschwerdeverfahren (Art. 61 lit. a ATSG) zur Folge hätte. Ersteres wäre mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts nicht zu vereinbaren, das auf Beschwerden gegen Rekursentscheide des Versicherungsgerichts im Bereich der Prämienverbilligungen eintritt (vgl. etwa Urteil vom 11. Dezember 2012, B 2011/223).
2.
Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist der Anspruch
des Rekurrenten auf eine Prämienverbilligung für das Jahr 2015.
Nach Art. 65 Abs. 1 KVG gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen. Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auf Antrag der versicherten Person, die aktuellsten Einkommensund Familienverhältnisse berücksichtigt werden (Art. 65 Abs. 3 KVG). Die Kantone informieren die Versicherten regelmässig über das Recht auf Prämienverbilligung
(Art. 65 Abs. 4 KVG). Sie haben nach Art. 97 Abs. 1 KVG Ausführungsbestimmungen zu
Art. 65 KVG zu erlassen. Der Kanton St. Gallen ist dieser Verpflichtung durch die Art.
9-16 EG-KVG und die dazugehörigen Vollzugsvorschriften in Art. 9-38 der Verordnung
zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung
(Vo EG-KVG; sGS 331.111) nachgekommen.
Der Anspruch auf Prämienverbilligung setzt eine Anmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt bis am 31. März des Jahres voraus, für das die Prämienverbilligung beansprucht wird. Für Anmeldungen, die nicht fristgemäss eingereicht werden, gilt Art. 41 ATSG sachgemäss (Art. 11bis Abs. 1 und Abs. 3 EGKVG in der seit 1. Januar 2015 in Kraft stehenden, vorliegend anwendbaren Fassung).
Die im Rahmen des VI. Nachtrags zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung erfolgte Revision von Art. 11bis Abs. 1 EG-KVG hat eine Vereinheitlichung der Anmeldefrist auf formell-gesetzlicher Stufe zum Inhalt. Vor dessen Erlass legte aArt. 23 Abs. 1 Vo EG-KVG unterschiedliche Fristen für die Antragstellung fest, abhängig davon, ob die betroffene Person einen Berechtigungsschein von der SVA erhalten hatte (31. März) nicht (31. Dezember). Zur Begründung der Neuregelung lässt sich den Materialien entnehmen, dass eine Verkürzung der Antragsfrist auf den 31. März des Bezugsjahres notwendig sei, um eine möglichst frühzeitige Verbilligung der Prämien der obligatorischen Krankenversicherung zu ermöglichen. Durch eine frühere und fortlaufende Datenlieferung der SVA an die Versicherer werde eine frühere Anrechnung der Prämienverbilligung an die Prämienrechnung gewährleistet. Damit könnten auch unnötige Betreibungen durch die Versicherer vermieden werden (Botschaft und Entwurf der Regierung vom 10. Dezember 2013 zum VI. Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung, S. 7). Bei der Antragsfrist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (Botschaft und Entwurf der Regierung vom
10. Dezember 2013 zum VI. Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung, S. 10; siehe auch Protokoll der vorberatenden Kommission des Kantonsrates vom 15. April 2014 zum VI. Nachtrag
zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung, S. 4 f. und S. 14 ff.; vgl. zum Inhalt und den Folgen der Neuregelung auch die anlässlich der parlamentarischen Beratung vom 3. Juni 2014 erfolgten Äusserungen von Heidi Hanselmann, Martha Storchenegger, Claudia Martin, Thomas Warzinek und Richard
Ammann). Diesem Zweck entspricht der diesbezüglich klare Wortlaut von Art. 11 bis Abs. 1 EG-KVG (siehe hierzu auch nachstehende E. 2.3.2).
Weder aus dem Wortlaut der Norm („der Anspruch [ ] setzt eine Anmeldung [ ] bis am 31. März des Jahres voraus [ ]“) noch aus den Materialien lässt sich der Schluss ziehen, die Verwirkung gemäss Art. 11bis Abs. 1 EG-KVG betreffe den Anspruch auf Prämienverbilligung lediglich anteilsmässig für den vor der Anmeldung liegenden Zeitraum, zumal Zweck der Gesetzesanpassung gerade die Reduktion des Aufwands für die Verwaltung und die möglichst rasche Auszahlung der Prämienverbilligung ist. Prämienverbilligungen stellen teilweise existenzsichernde Leistungen dar. Ein vollständiges Untergehen dieses Anspruchs für das betreffende Jahr greift daher stark in die Rechtsstellung der Betroffenen ein. Die neue Verwirkungsbestimmung ist allerdings hinreichend bestimmt und auf Gesetzesstufe geregelt, weshalb dem Erfordernis der Gesetzesform für die eher kurz bemessene Verwirkungsfrist und deren einschneidenden finanziellen Folgen bei Nichtbeachtung Genüge getan wird (zur Verfassungskonformität einer Antragsfrist als Verwirkungsfrist siehe Urteil des Bundesgerichts vom 15. April 2003, 2P.37.2003, E. 2.2; vgl. ferner ZBl 105/2004 S. 602 ff.). Die Tragweite der (Verwirkungs-)Frist ist sodann selbst für rechtsunkundige Personen klar erkennbar.
In Art. 11bis Abs. 2 EG-KVG hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in Bezug auf die Anmeldefrist für abschliessend genannte Personengruppen (Zuzüger aus dem Ausland, im Kanton Aufenthaltsberechtigte und Grenzgänger) Regelungskompetenzen eingeräumt. In Art. 23 Abs. 2 Vo EG-KVG hat der Verordnungsgeber eine Anmeldefrist bis 31. Dezember vorgesehen für Zuzüger aus dem Ausland und Grenzgänger mit einer Erwerbsaufnahme während des Kalenderjahres in der Schweiz (Art. 9 Abs. 3 und Art. 9a Abs. 2 Vo EG-KVG). Zuzüger aus anderen Kantonen wurden nicht erfasst. Diese erhalten unter Umständen wie vorliegend offenbar der Rekurrent kein Berechtigungsschreiben der SVA und laufen Gefahr, die ihnen allenfalls nicht bekannte kantonale Verwirkungsfrist zur Einreichung der Anmeldung zu versäumen. Auch wenn dies im Einzelfall unbefriedigend sein kann und eine hinsichtlich des Erhalts eines Berechtigungsschreibens differenzierende gesetzliche Lösung wie sie altrechtlich bestanden hat (vgl. hierzu vorstehende
E. 2.3.1) mit Blick auf den existenzsichernden Charakter der Prämienverbilligung
angemessener erscheint, ist doch nicht von einer ausfüllungsbedürftigen Lücke in
Art. 11bis Abs. 2 EG-KVG auszugehen. Eine Gleichbehandlung von Zuzügern aus dem Ausland und jenen aus einem anderen Kanton drängt sich nicht auf. Denn bei Zuzügern aus einem anderen Kanton richtet sich die Anspruchsberechtigung nach den persönlichen und familiären Verhältnisse am 1. Januar des Jahres, für das die Prämienverbilligung beansprucht wird (Art. 9 Abs. 1 Vo EG-KVG). Anders als Zuzüger aus dem Ausland bzw. Grenzgänger mit Erwerbsaufnahme während des Kalenderjahres haben sie somit im Jahr des Zuzugs in den Kanton St. Gallen noch keinen Anspruch auf IPV im Kanton St. Gallen. Waren sie im Kanton, aus dem sie zugezogen sind, IPV-anspruchsberechtigt, so wissen sie um diese (bundesrechtlich garantierte) kantonale Leistung und es ist ihnen zumutbar, sich in Bezug auf ihren Anspruch für das Jahr nach dem Zuzug und dessen Anmeldemodalitäten bei der SVA zu erkundigen.
Die Anmeldung des Rekurrenten erfolgte am 21./22. Mai 2015 (SVA-act. 2 f.) und damit nicht innerhalb der von Art. 11bis Abs. 1 EG-KVG geforderten Verwirkungsfrist, was vom Rekurrenten auch nicht bestritten wird. Zu prüfen bleibt damit, ob die versäumte Anmeldefrist wieder hergestellt werden kann, damit die Verwirkung des Anspruchs nicht eintritt.
Art. 11bis Abs. 3 EG-KVG erklärt für Anmeldungen, die nicht fristgemäss eingereicht werden, Art. 41 ATSG für sachgemäss anwendbar. Gemäss dieser Bestimmung wird eine versäumte Frist wieder hergestellt, wenn die gesuchstellende Person ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln, und sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Eine Wiederherstellung der Frist wird z.B. zugelassen bei schweren Krankheiten, die
erwiesenermassen die Einhaltung der Frist verunmöglichten (siehe hierzu Botschaft und Entwurf der Regierung vom 10. Dezember 2013 zum VI. Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung, S. 10; Protokoll der vorberatenden Kommission des Kantonsrates vom 15. April 2014 zum
VI. Nachtrag zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung, S. 15 unten und S. 16).
Wie aus den Ausführungen des Rekurrenten hervorgeht, bezog er von seinem früheren Wohnsitzkanton Prämienverbilligung (act. G 1 und SVA-act. 2). Er war damit fraglos über den Anspruch auf Prämienverbilligung im Sinn von Art. 65 Abs. 4 KVG orientiert. Soweit der Rekurrent eine Unwissenheit bezüglich der im Kanton St. Gallen geltenden Verwirkungsfrist ins Feld führt (SVA-act. 2), vermag er daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Der Rekurrent legt weder dar noch ist ersichtlich, dass es ihm trotz der vorgebrachten, nicht näher substanziierten „sprachlichen Barriere“ (act. G 1) nach seinem Umzug im Februar 2014 unzumutbar gewesen wäre, allenfalls mit Unterstützung durch seinen Sohn anderer geeigneter Drittpersonen sich hinsichtlich der im Kanton St. Gallen herrschenden Voraussetzungen für den Bezug von Prämienverbilligung bis 31. März 2015 bei den zuständigen Behörden zu orientieren. Dies gilt umso mehr, als er als Zuzüger damit hätte rechnen müssen, dass er bei der SVA St. Gallen (noch) nicht als potentiell Berechtigter bekannt gewesen ist.
Des Weiteren wurde sowohl in den Medien (vgl. etwa Artikel im St. Galler Tagblatt vom
31. Dezember 2014: <http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/werdenberg/wo-lo/ Berechtigte-angeschrieben; art395293,4084180>, abgerufen am 24. November 2015), als auch im Amtsblatt (ABl 2014, S. 2403 [6. Oktober 2014]) und auf der Internet-Seite der Rekursgegnerin (SVA-act. 7) sowie der Internet-Seite der Stadt Wil seit Januar 2015 (<http://www.stadtwil.ch/de/polver/verwaltung/aktuellesver/aktuellesinformationen/ action=showinfo&info_id=266912>, abgerufen am 24. November 2015) in genereller Weise über die neu zu beachtenden Voraussetzungen für den Bezug von Prämienverbilligung, insbesondere über die Tragweite der (Verwirkungs-)Frist, öffentlich informiert. Die Rechtsunkenntnis des Rekurrenten stellt damit trotz des einschneidenden Leistungsverlusts kein unverschuldetes Hindernis dar, das eine Wiederherstellung der verpassten Verwirkungsfrist rechtfertigt.
In der Einsprache vom 8. Juli 2015 erwähnte der Rekurrent, er habe sich aufgrund eines medizinisch indizierten Kuraufenthaltes im März 2015 im Ausland befunden (SVA-act. 5). Eine Krankheit kann wie erwähnt ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis bilden, doch muss die Erkrankung derart sein, dass die rechtsuchende Person ihre Vertretung durch sie davon abgehalten wird, selbst innert Frist zu handeln doch eine Drittperson mit der Vornahme der Handlung zu beauftragen. Voraussetzung ist, dass die körperliche, geistige psychische Beeinträchtigung jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln wie
etwa den Beizug eines (Ersatz-)Vertreters verunmöglichte. Die Erkrankung hört auf, ein unverschuldetes Hindernis im Sinne von Art. 41 ATSG zu sein, sobald es für den Betroffenen objektiv und subjektiv zumutbar wird, die Rechtshandlung selbst vorzunehmen die als notwendig erkennbare Interessenwahrung an einen Dritten zu übertragen (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Januar 2009, 8C_767/2008, E. 5.3.1 mit Hinweisen). Vorliegend ist von Bedeutung, dass der Rekurrent nicht vorbringt und auch nicht aus den Akten hervorgeht, er eine allfällige Vertretung sei durch die Schwere einer Krankheit an der Einhaltung der Anmeldefrist gehindert worden. Der Rekurrent erblickt vielmehr im Auslandaufenthalt einen Entschuldigungsgrund. Indessen ist nicht erkennbar, inwiefern ihn der Kuraufenthalt von einer rechtzeitigen Anmeldung vor seinem während seines Auslandaufenthalts allenfalls über seinen Sohn bzw. einen anderen Vertreter gehindert hat. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob mit dem Begleitschreiben zur Anmeldung vom 21. Mai 2015 (SVA-act. 2), das zumindest sinngemäss ein Fristwiederherstellungsgesuch enthält, die für diese Gesuche zu beachtende 30-tägige Frist nach Wegfall des Hindernisses gewahrt worden ist.
Da gemäss vorstehenden Erwägungen kein Grund für eine Wiederherstellung der verpassten Frist im Sinn von Art. 11bis Abs. 3 EG-KVG in Verbindung mit Art. 41 ATSG vorliegt, kann offen bleiben, ob der Rekurrent die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prämienverbilligung (Art. 10 f. EG-KVG) erfüllt hat.
3.
Nach dem Gesagten ist der Rekurs abzuweisen. Da es bislang an einer gerichtlichen Entscheidung zu den neuen Bestimmungen des EG-KVG betreffend Verwirkungsfrist und Wiederherstellung gefehlt hat, ist umständehalber auf die Erhebung amtlicher Kosten für das Rekursverfahren zu verzichten (Art. 97 VRP), weshalb sich ein Entscheid über das Gesuch des Rekurrenten um Befreiung von den Gerichtskosten erübrigt.
Entscheid
1.
Der Rekurs wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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