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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV 2019/6
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2019/6 vom 06.09.2019 (SG)
Datum:06.09.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 25 Abs. 2 lit. b, Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 67 KVV; Art. 34 ff. KLV. Pflicht der Beschwerdegegnerin zur Kostenübernahme des auf der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimittels Otezla bejaht, da der Beschwerdeführer entsprechend der Limitierung an einer schweren Plaque- Psoriasis leidet (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 6. September 2019, KV 2019/6).
Schlagwörter : Schwere; Beschwerde; Mittel; Psoriasis; Sicher; KV-act; Mittels; Mittelschwer; Beschwerdeführer; Schweren; Kosten; Spezialitäten; Spezialitätenliste; Arzneimittel; Beschwerdegegnerin; Otezla; Plaque; Behandlung; Mittelschwere; Limitierung; Schwerer; Zwischen; Erkrankung; Atupri; Liegen; Jedoch; Ausprägung
Rechtsnorm: Art. 32 KVG ; Art. 52 KVG ; Art. 56 KVG ;
Referenz BGE:109 V 217; 127 V 87; 130 V 532; 136 V 395; 136 V 408; 139 V 381;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 6. September 2019

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Michaela Machleidt Lehmann; Gerichtsschreiberin Katja Meili

Geschäftsnr. KV 2019/6

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Claudio Helmle, Kellerhals Carrard,

Effingerstrasse 1, Postfach, 3001 Bern,

gegen

Atupri Gesundheitsversicherung, Zieglerstrasse 29, Postfach, 3000 Bern 65,

Beschwerdegegnerin, Gegenstand Kostenübernahme (Otezla) Sachverhalt

A.

A.a A. ist bei der Atupri Gesundheitsversicherung (nachfolgend: Atupri) obligatorisch krankenpflegeversichert. Der behandelnde Dr. med. B. , Facharzt FMH für Dermatologie und Venerologie, berichtete am 22. März 2018 über eine latente Tuberkulose (TBC) sowie eine Psoriasis vulgaris. Der Versicherte werde seit acht Wochen mit Methrotrexat (MTX), zunächst ohne Therapie der TBC, behandelt. Darunter sei es bisher zu keiner wesentlichen Besserung der Psoriasis gekommen. Es sei ein Wechsel auf das Medikament Otezla geplant. Die Otezla-Therapie sei indiziert und er bitte die Atupri um Kostengutsprache (KV-act. 3.1). Die Atupri lehnte das Gesuch am 6. April 2018 mit Verweis auf eine Empfehlung ihres Vertrauensarztes ab (KV-act. 1.1). Dr. B. stellte am 18. April und 18. Juni 2018 Wiedererwägungsgesuche und führte aus, der Versicherte leide unter einer mittelschweren bzw. schweren Psoriasis vulgaris (KV- act. 3.2 f.). Die Atupri hielt am 3. Mai, 25. Mai und 18. Juli 2018 nach Rücksprache mit ihrem Vertrauensarzt an ihrer Ablehnung der Kostenübernahme fest (KV-act. 1.1). Mit Schreiben vom 3. Oktober 2018 bat Dr. B. um den Erlass einer schriftlichen Verfügung (KV-act. 3.4). Die Atupri lehnte die Kostenübernahme am 20. November 2018 gestützt auf eine Empfehlung ihres Vertrauensarztes erneut formlos ab (KV-act. 1.1).

A.b Nachdem der Versicherte um den Erlass einer Verfügung ersucht hatte (KV-act. 1.2) lehnte die Atupri die Kostenübernahme des Arzneimittels Otezla zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung am 15. Januar 2019 mittels Verfügung ab (KV-act. 1.3).

B.

Die vom Versicherten am 14. Februar 2019 dagegen erhobene Einsprache (KV-act. 1.4) wies die Atupri mit Entscheid vom 8. März 2019 ab (KV-act. 1).

C.

C.a Gegen den Einspracheentscheid vom 8. März 2019 erhob der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) die vorliegende Beschwerde vom 4. April 2019. Er beantragte darin dessen Aufhebung und die Atupri (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) sei zu verpflichten, ihm die ihm zustehenden Leistungen zu gewähren und insbesondere die Kosten für das Medikament Otezla zu übernehmen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er machte geltend, er leide unter einer schweren Plaque-Psoriasis und erfülle die Kriterien für die Behandlung mit Otezla (act. G1).

C.b In ihrer Beschwerdeantwort vom 27. Mai 2019 beantragte die Beschwerdegegnerin die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei und soweit keine Zugeständnisse enthalten seien; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Sie führte aus, gemäss ihren Vertrauensärzten liege keine schwere Psoriasis vor und die Limitierung sei somit nicht erfüllt (act. G3). Sie reichte unter anderem eine zusammenfassende vertrauensärztliche Beurteilung von Dr. med. C. , Rheumatologie und Innere Medizin FMH, vom 17. Mai 2019 ein (KV-act. 3).

C.c Mit Replik vom 25. Juni 2019 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest (act. G6).

C.d Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (act. G8).

Erwägungen 1.

Umstritten und vorliegend zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Übernahme der Kosten des Medikaments Otezla durch die Beschwerdegegnerin.

    1. Art. 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) bestimmt, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, übernimmt. Diese Leistungen umfassen namentlich auch die ärztlich verordneten Arzneimittel (Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG). Die Übernahmepflicht des Krankenversicherers wird durch Art. 32 Abs. 1 KVG begrenzt. Danach sind nur jene Leistungen zu vergüten, welche wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss. Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist (Art. 56 Abs. 1 KVG).

    2. Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34 und 37e der Verordnung über die Krankenversicherung [KVV; SR 832.102]) erstellt das Bundesamt nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Art. 32 Abs. 1 und 43 Abs. 6 KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). Diese hat auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten. Die Aufnahme in eine Liste (vorliegend in die Spezialitätenliste) kann unter der Bedingung einer Limitierung, wie insbesondere bezüglich der Menge oder der medizinischen Indikationen, erfolgen (vgl. Art. 73 KVV). Derartige Limitierungen dienen der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und sind nicht als eine Form der Leistungsrationalisierung anzusehen (vgl. BGE 130 V 532 E. 3.1).

    3. Die Kosten für ein in der Spezialitätenliste enthaltenes Medikament werden nur übernommen, wenn das Arzneimittel für von Swissmedic gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG; SR 812.21) zugelassene medizinische Indikationen verschrieben wird. Diese Regelung bezweckt einerseits, dass nur Arzneimittel über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgerechnet werden, welche nach heilmittelrechtlichen Grundsätzen sicher und wirksam sind. Andererseits wird damit im Sinn des Wirtschaftlichkeitsgebots (Art. 32 KVG) eine Kostenbegrenzung erreicht, indem die auf der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimittel höchstens nach den darin festgelegten Preisen verrechnet werden dürfen (vgl. BGE 136 V 395 E. 5.1; Art. 52 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 KVG; Art. 67 KVV; Art. 34 ff.

der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern über Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung [KLV; SR 832.112.31]; Gebhard Eugster, Bundesgesetz über die Krankenversicherung, 2. Aufl. 2018, N 7 ff. zu Art. 52 KVG; Ueli Kieser, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und im Sozialversicherungsrecht, AJP 2007, S. 1042 ff., S. 1049). Die Aufnahme in die Spezialitätenliste erfolgt mithin nach einer doppelstufigen Zulassungsprüfung: Vorausgesetzt wird vorab die heilmittelrechtliche Zulassung. Hinzu kommt die krankenversicherungsrechtliche Zulassung, wobei die Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit erneut überprüft werden und als weiteres Kriterium die Wirtschaftlichkeit herangezogen wird (BGE 139 V 381 E. 6.2 mit Hinweis auf Kieser, a.a.O., S. 1049).

2.

    1. Das Medikament Otezla mit dem Wirkstoff Apremilastum ist unstreitig mit einer Limitierung auf der Spezialitätenliste aufgeführt. Demgemäss ist Otezla für die Behandlung von erwachsenen Personen mit schwerer Plaque-Psoriasis, bei denen Ultraviolettbestrahlung (UVB) und eine Psoralen-Ultraviolett A(-Therapie) (PUVA) oder eine der folgenden drei systemischen Therapien (Ciclosporin, Methrotrexat, Acicetrin) keinen therapeutischen Erfolg erzielt haben. Falls nach 24 Wochen kein therapeutischer Erfolg eingetreten ist, ist die Behandlung abzubrechen (online abrufbar unter http:// www.spezialitätenliste.ch/ showPreparations.aspx; zuletzt abgerufen am 28. August 2019). Gemäss den Arzneimittelinformationen des Medikaments Otezla ist dieses auch zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer Plaque-Psoriasis indiziert (vgl. KV- act. 3.2, entsprechender Eintrag unter http://www.swissmedicinfo.ch/). Die Limitierung der Spezialitätenliste geht der Arzneimittelinformation aus rechtlicher Sicht jedoch vor, so dass eine schwere Ausprägung der Erkrankung vorausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer leidet unbestritten unter einer Plaque-Psoriasis, die erfolglos mit MTX und einer UVB-Therapie behandelt wurde (vgl. KV-act. 3.1 f.). Nachfolgend ist jedoch zu prüfen, ob seine Erkrankung als schwer ausgeprägt im Sinne der Limitierung der Spezialitätenliste zu betrachten ist. Während der Beschwerdeführer dies gestützt auf die Einschätzung von Dr. B. bejaht, stellt sich die Beschwerdegegnerin mit Verweis auf die Beurteilung ihrer Vertrauensärzte auf den gegenteiligen Standpunkt.

    2. Zur Bestimmung der Schwere einer Plaque-Psoriasis sind verschiedene Bemessungssysteme etabliert. Der Psoriasis Area and Severity Index (PASI) erfasst die Ausdehnung und Ausprägung der Psoriasis-Symptome Rötung, Dicke und Schuppung der Plaques sowie die Lokalisation der betroffenen Hautstellen. Diese werden vier Körperbereichen zugeordnet und in einer Rechenformel gewichtet. Der PASI-Score liegt zwischen 0 und 72. Mit dem Wert der Body Surface Area (BSA) wird der Prozentsatz der erkrankten Körperoberfläche bemessen. Eine weitere Messmethode der Ausprägung der Erkrankung ist der sogenannte Dermatology Life Quality Index (DLQI). Dieser gibt Auskunft über die psychosozialen Auswirkungen der Psoriasis auf verschiedene Lebensbereiche. Die Patienten beantworten zehn Fragen darüber, wie sehr die Psoriasis ihr Leben in den vergangenen sieben Tagen beeinflusst hat. Die Skala reicht von 0 (gar nicht) bis 3 (sehr stark) und der erfragte DLQI ergibt einen Wert zwischen 0 und 30 (Definitionen abrufbar unter https://www.spvg.ch/home/Psoriasis/ Was-ist-Psoriasis-/therapie/Schweregrad-der-Psoriasis-.html, zuletzt abgerufen am 29. August 2019).

    3. Dr. B. berichtete am 22. März 2018 über einen beim Beschwerdeführer vorliegenden PASI-Wert von 13 und einen BSA von 15% (KV-act. 3.1). Am 7. September 2017 hatte er einen DLQI-Wert von 19 erhoben (vgl. KV-act. 3.3).

      1. Wie Dr. B. zutreffend ausführte, erfolgt national und international grundsätzlich gar keine Differenzierung mehr zwischen mittelschwerer und schwerer Psoriasis. Es wird nur unterschieden zwischen einer leichten oder einer mittelschweren bis schweren Psoriasis (KV-act. 3.3). Die Grenze zwischen mittelschwerer und schwerer Psoriasis ist nicht eindeutig definiert. Gemäss den "Swiss S1 Guidelines on the Systemic Treatment of Psoriasis Vulgaris" ist bei einem PASI von mehr als 10 oder einem BSA von über 10% und/oder einem DLQI grösser als 10 von einer mittelschweren bis schweren Psoriasis auszugehen. Es wird festgehalten, das Expertengremium der Schweizer Richtlinien unterstütze diese Definition einstimmig und bitte Versicherungen sowie Entscheidungsträger dringend, einen DLQI > 10 als offiziellen Schwellenwert zu akzeptieren. Dies sei besonders wichtig bei schwerer Betroffenheit von speziellen Bereichen wie der Kopfhaut, den Genitalien, den Handflächen und/oder den Fusssohlen mit Beteiligung der Nägel, wo schon ein einziger widerspenstiger Plaque oder der Juckreiz zum Kratzen führe. Ein starker Befall sichtbarer Körperteile, bei einem

        tiefen BSA widerspiegle sich nicht in entsprechenden PASI-Werten. In solchen Fällen sollte der DLQI zur Bestimmung des Schweregrades der Psoriasis hinzugezogen werden (Antonios G. A. Kolios et al., in: Dermatology 2016, Band 232, S. 385-406, S. 386 f.; act. G1.11). Auch die deutsche Leitlinie zur Therapie der Psoriasis Vulgaris geht bei einem PASI > 10 oder einem BSA > 10 und einem DLQI > 10 von einer mittelschweren bis schweren Psoriasis aus (KV-act. 3.3). Das britische "National Institute for Health and Care Excellence" (NICE) definierte in einer Publikation vom 23. November 2016 hingegen eine schwere Psoriasis mit einem PASI von mindestens 10 und einem DLQI über 10 (KV-act. 3.3, Vollversion abrufbar unter https:// www.nice.org.uk/guidance/ta419/resources/apremilast-for-treating-moderate-to- severe-plaque-psoriasis-pdf-82604611623877, S. 4, S. 7 f., zuletzt abgerufen am 29. August 2019). Die deutschen Autoren Jochen Schmitt und Gottfried Wozel kommen in einem vom Beschwerdeführer eingereichten Aufsatz zum Schluss, ein PASI-Wert > 12 sei als schwere, ein solcher zwischen 7 und 12 als mittelschwere und ein Wert < 7 als milde Psoriasis zu erachten. Sie begründen, ein PASI-Wert > 12 resultiere, wenn entweder 10-29% der Haut eines Patienten mit klinisch signifikantem Plaques bedeckt sei oder ein BSA von mindestens 30%, unabhängig von der Intensität der Plaques, bestehe. Patienten, welche diese Kriterien erfüllten, litten definitiv unter einer schweren Psoriasis (Jochen Schmitt/Gottfried Wozel, The Psoriasis Area and Severity Index Is the Adequate Criterion to Define Severity in Chronic Plaque-Type Psoriasis, in: Dermatology 2005, Band 210, S. 194-199; act. G1.12). Die Beschwerdegegnerin reichte zudem eine Studie der European Medicines Agency (EMA) ein, welche bei einem BSA > 20% oder PASI > 20 von einer schweren Erkrankung ausgeht. Starke lokale Betroffenheit mit sehr dicken Läsionen und einem BSA > 10% könne allerdings auch als schwere Ausprägung qualifiziert werden. Bei dieser Studie ist zu beachten, dass sie bereits aus dem Jahr 2004 stammt (KV-act. 5). Zusammenfassend sprechen die Mehrheit der Studien bzw. Richtlinien, welche zwischen mittelschwerer und schwerer Ausprägung differenzieren, bei einem PASI-Wert über 10 oder 12 sowie einem DLQI > 10 von einer schweren Erkrankung. Dies insbesondere dann, wenn eine schwere Beteiligung sichtbarer oder besonders sensitiver Körperteile vorliegt. Die EMA geht zwar grundsätzlich von Schwellenwerten von einem BSA > 20% oder PASI > 20 aus, erachtet bei starker lokaler Betroffenheit jedoch auch einen BSA > 10% für ausreichend für eine schwere Ausprägung.

      2. Vertrauensärztin Dr. C. hielt fest, die PASI- und BSA-Werte lägen mit 13 bzw. 15% in übereinstimmender Bewertung der drei beurteilenden Vertrauensärzte (diese Beurteilungen sind nicht aktenkundig) nahe am Übergang von der milden zur mittelschweren Form der Psoriasis und seien deshalb als "mittelschwer" im Sinne der Zulassung, nicht aber als "schwer" im Sinne der Limitierung zu betrachten. Einzig der DLQI liege mit 19 knapp unterhalb der Mitte des mittelschweren Bereichs (10-30). Sie führte aus, nach früherer Handhabung habe eine Psoriasis ab einem PASI > 50 als schwer gegolten. Nun werde nicht mehr zwischen mittel und schwer unterschieden. Wann im grossen Bereich von PASI 10-72 die Erkrankung von einem mittleren in ein schweres Stadium übergehe, sei nicht definiert. Die Beurteilung der Pflichtleistung müsse deshalb im Einzelfall erfolgen (KV-act. 3). Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht (act. G1), verwies Dr. C. bezüglich der Klassifikation als mittelschwer bis zu einem PASI von 50 weder auf entsprechende Studien, noch belegte sie ihre Aussage anderweitig. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, der mittelschwere bis schwere Bereich liege bei einem PASI von 10 bis 72. Für den Übergang zwischen mittelschwer und schwer könne zwar nicht von einem arithmetischen Mittel ausgegangen werden und es müssten noch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Es liege jedoch auf der Hand, dass der Wert des Beschwerdeführers von 13 nicht im Bereich der schweren Psoriasis liegen könne. Gleiches gelte für den BSA-Wert von 15%. Beide Werte lägen in der Nähe der unteren Grenze zur leichten Form der Psoriasis (act. G3). Gegen diese Argumentation spricht die Tatsache, dass es sich bei den Werten <10, welche gemäss europäischem Konsens eine leichte Psoriasis definieren, jeweils auch nicht um den untersten Drittel der Skala handelt (diesfalls wäre die Schwelle ein PASI von 24 und ein BSA von 33). Bei einer gleichmässigen Aufteilung in die Kategorien leicht, mittel und schwer wäre dies jedoch zu erwarten. Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin und von Dr. C. ändern damit nichts an der Plausibilität der in E. 2.3.1 erwähnten Grenzwerte.

      3. Die Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte (SGV) stellt auf ihrer Webseite eine Checkliste zur Indikation von Otezla zur Behandlung einer Plaque-Psoriasis zur Verfügung. Auf dieser ist die Limitierung der Spezialitätenliste wiedergegeben und insbesondere festgehalten, Otezla werde für die Behandlung der schweren Plaque-Psoriasis angewendet. Für die Definition einer solchen seien PASI oder BSA und/oder DLQI Werte ausschlaggebend. Der zuständige Arzt hat auf der

        Checkliste anzukreuzen, ob ein DLQI > 10, ein PASI > 10 und/oder ein BSA > 10% vorliegt. Nach anderen Grenzwerten wird nicht gefragt. Daraus ist zu schliessen, dass gemäss der SGV Schwellenwerte > 10 für die Annahme einer schweren Ausprägung der Erkrankung entscheidend sind. Weiter wird nach dem Vorhandensein spezieller Manifestationen gefragt und festgehalten, solche könnten bei einem Patienten mit einem milden Befall zu einer schweren Klassifizierung führen (Checkliste abrufbar unter https://www.vertrauensaerzte.ch/links/covercommitment/otezla/, zuletzt abgerufen am

        29. August 2019; vgl. act. G1.13). Dr. C. führte aus, die Vertrauensärzte hätten aufgrund der ärztlichen Unterlagen beurteilt, ob es Faktoren gebe, die auch bei tiefen Messwerten auf eine schwere Form der Psoriasis hinwiesen. Solche Besonderheiten seien aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen jedoch nicht erkennbar gewesen (KV- act. 3). Entgegen dieser Aussage hatte Dr. B. bereits am 22. März 2018 über grossflächige, erhabene und erythematöse Plaques stammbetont sowie am Capillitium (behaarte Kopfhaut) berichtet (KV-act. 3.1). Auf der erwähnten Checkliste hielt er am

        18. April 2018 neben einem DLQI, PASI und BSA grösser als 10 sodann einen Befall von gut sichtbaren Körperstellen, einen grossflächigen Befall der Kopfhaut und hartnäckige Plaques fest (KV-act. 3.2). Da die Vertrauensärzte diese speziellen Manifestationen der Erkrankung offenbar nicht berücksichtigten, bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit ihrer Beurteilung. Die Vertrauensärzte untersuchten den Beschwerdeführer zudem nie persönlich und konnten dementsprechend allfällige Besonderheiten nicht selbst beurteilen.

      4. Wie Dr. C. zurecht geltend machte, schätzte Dr. B. die Psoriasis am 18. April 2018 noch als mittelschwer ein (vgl. KV-act. 3.2), hielt dann am 18. Juni 2018 jedoch eine schwere Form fest, ohne über eine zwischenzeitliche Veränderung der Situation zu berichten (KV-act. 3.3). Dr. C. führte diesbezüglich aus, "der Vertrauensarzt" könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine nachträgliche Rechtfertigungssituation entstanden sei. Die Therapie mit Otezla sei begonnen worden, bevor Dr. B. den Antrag auf Kostengutsprache gestellt habe. Zudem habe Dr. B. offenbar erst anlässlich eines Telefongesprächs mit "dem Vertrauensarzt" vom 22. Mai 2018 Kenntnis von der Limitierung der Spezialitätenliste erhalten und sei zuvor davon ausgegangen, dass eine mittelschwere Erkrankung für die Indikation der Behandlung ausreiche (KV-act. 3). Der Beschwerdeführer bringt dagegen jedoch plausibel vor, Dr. B. habe bereits zuvor auf der erwähnten Checkliste eine schwere Ausprägung

angegeben. Er sei vom wissenschaftlichen Konsens ausgegangen, welcher keine Unterteilung zwischen mittelschwerer und schwerer Psoriasis vorsehe und habe daher in der anschliessenden Korrespondenz mit der Beschwerdegegnerin den Schweregrad zuerst gar nicht und anschliessend als mittelschwer angegeben. Zusammen mit der eingereichten Checkliste habe sich aber immer das Bild einer schweren Psoriasis ergeben (act. G6).

2.4 Der PASI-Wert des Beschwerdeführers von 13 liegt über der zusammenfassend für eine schwere Ausprägung notwendigen Schwelle von 10 oder 12. Auch der BSA von 15% und der DLQI von 19 liegen eindeutig über der Schwelle von 10 (KV-act. 3.1, 3.3). Selbst wenn man einen PASI oder BSA von 20 als grundsätzliche Grenzwerte erachten würde, wäre die Erkrankung des Beschwerdeführers aufgrund der vorliegenden speziellen Manifestationen (Befall von gut sichtbaren Körperstellen, grossflächiger Befall der Kopfhaut, hartnäckige und erhabene sowie erythematöse Plaques; KV-act.

3.1 f.) als schwer zu qualifizieren.

3.

Der Beschwerdeführer erfüllt damit die Limitierung der Spezialitätenliste für die Behandlung mit Otezla. Soweit sich der Beschwerdeführer zu den Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 KVG) äusserte (act. G1), ist zu bemerken, dass diese nicht weiter zu prüfen sind. Die Spezialitätenliste hält für die Beschwerdegegnerin als Trägerin der obligatorischen Krankenversicherung verbindlich fest, welches diejenigen Arzneimittel sind, deren Kosten durch die Krankenversicherung übernommen werden; anderseits nennt sie die Preise, zu denen die Vergütung zu erfolgen hat (Kieser, a.a.O., S. 1047). Im Bereich der Spezialitätenliste ist es allein Aufgabe der Behörde, das Ziel der Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden und zweckmässigen Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen (Kieser, a.a.O., S. 1048, mit Hinweis auf BGE 127 V 87, worin eine Beschwerdelegitimation eines Krankenversicherers abgelehnt wurde, der sich gegen die erfolgte Aufnahme eines Arzneimittels wenden wollte). Mit Aufnahme in die Spezialitätenliste wird dem Arzneimittel Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit attestiert und es unterliegt sodann der Leistungspflicht der Krankenversicherer im Rahmen der zugelassenen Indikationen (Thomas Gächter/Arlette

Meienberger, Verfassungsmässigkeit von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, in: Gabriela Riemer-Kafka/Jörg Schmid [Hrsg.], Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in der Sozialversicherung, Zürich 2012, S. 32 f.). Deshalb sind die Krankenversicherer bei in der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimitteln weder befugt, über die Frage der Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer individuell-konkreten Kostenübernahme selbst zu entscheiden, noch dürfen sie sich direkt mit den Pharmaherstellern oder den Importeuren über den Preis verständigen (vgl. altrechtlich BGE 109 V 217 E. 4d/bb sowie Eugster, a.a.O., Rz 8 zu Art. 52). Die Beschwerdegegnerin hat demnach keinen eigenen Entscheidungsspielraum bei der Kostengutsprache für eine medikamentöse Behandlung, wenn das Arzneimittel in der Spezialitätenliste aufgeführt ist und die Behandlung die darin festgelegten Anforderungen bzw. Limitierungen erfüllt (siehe auch Gächter/Meienberger, a.a.O., S. 35, welche die Zulässigkeit einer Einzelfallprüfung bei Listenmedikamenten verneinen; vgl. auch BGE 136 V 408 E. 7.4: "[ ] Einsatz von Medikamenten, die nicht auf der Liste aufgeführt sind, stattdessen einzelfallweise beurteilt wird").

4.

    1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 8. März 2019 gutzuheissen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung des Beschwerdeführers mit dem Arzneimittel Otezla zu übernehmen. Dabei wird jedoch die weitere Limitierung gemäss Spezialitätenliste (bei fehlendem therapeutischen Erfolg Abbruch der Behandlung nach 24 Wochen) zu beachten sein.

    2. Gerichtskosten sind gemäss Art. 61 lit. a ATSG keine zu erheben.

    3. Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach

Art. 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (HonO; sGS 963.75; in der vorliegend anwendbaren, seit 1. Januar 2019 gültigen Fassung,

siehe Art. 30 bis HonO) pauschal Fr. 1'500.-- bis Fr. 15'000.--. Im hier zu beurteilenden Fall erscheint eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 8. März 2019 gutgeheissen und die Beschwerdegegnerin verpflichtet, die Kosten für die Behandlung des Beschwerdeführers mit dem Arzneimittel Otezla zu übernehmen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

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