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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KV 2017/18
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:KV - Krankenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid KV 2017/18 vom 28.08.2018 (SG)
Datum:28.08.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 7 Abs. 6 KVG. Schadenersatzpflicht der Beschwerdegegnerin, welche den Beschwerdeführer aufgrund ihres Verhaltens am angestrebten Wechsel der Versicherung gehindert hat, bejaht. Bemessung des Schadenersatzes (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. August 2018, KV 2017/18). Bestätigt durch Entscheid des Bundesgerichts 9C_714/2018.
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Beschwerdegegnerin; Schaden; Versicherung; Prämie; Prämien; Versicherer; Januar; Schadenersatz; Betreibung; Bundesgericht; Versichert; Erhalte; Kündigung; Versicherte; Entscheid; Schreiben; Schadenersatzpflicht; Person; Verlustschein; Möglich; Kosten; Dezember; November; Beschwerdeführers; Krankenversicherung
Rechtsnorm: Art. 124 BGG ; Art. 49 OR ; Art. 64a KVG ; Art. 67 VwVG ; Art. 7 KVG ;
Referenz BGE:127 V 38;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 28. August 2018

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider und Versicherungsrichter Joachim Huber; Gerichtsschreiberin Katja Meili

Geschäftsnr. KV 2017/18

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    gegen

    CSS Kranken-Versicherung AG, Recht &

    Compliance, Tribschenstrasse 21, Postfach 2568, 6002 Luzern,

    Beschwerdegegnerin, Gegenstand Forderung Sachverhalt

    A.

    1. A. ist bei der CSS Kranken-Versicherung AG (nachfolgend: CSS) obligatorisch krankenpflegeversichert. Die CSS teilte dem Versicherten am 6. November 2014 mit, er habe bei ihr ein Guthaben, und bat um Angabe einer Bank- oder Postverbindung zur Überweisung desselben (act. G3.2). Mit Schreiben vom 23. November 2014 kündigte der Versicherte seine Grundversicherung per 31. Dezember 2014. Den Namen der neuen Krankenkasse werde er ca. Mitte des nächsten Monats bekannt geben (act. G3.3). Am 29. November 2014 bestätigte die CSS die Kündigung. Sie wies den Versicherten darauf hin, dass die versicherte Person, welche die ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen und Betreibungskosten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht vollständig bezahlt habe, den Versicherer nicht vor dem nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin wechseln könne. Ein Versicherer dürfe die obligatorische Krankenversicherung zudem erst dann beenden, wenn eine Aufnahmebestätigung des neuen Krankenversicherers vorliege (act. G3.4).

    2. Am 13. Januar 2015 stellte die CSS dem Versicherten eine Aufstellung aller Ausstände im Gesamtbetrag von Fr. 2‘733.30 zu (act. G3.5). Nach telefonischer Intervention des Versicherten korrigierte die CSS die Abrechnung und teilte am 2. Februar 2015 mit, nach wie vor offen sei die Forderung des Verlustscheins Nr. 1215182 im Gesamtbetrag von Fr. 1‘512.70 (act. G3.6). Mit Schreiben vom 16. Februar 2015 forderte die CSS den Versicherten auf, ihr die Aufnahmebestätigung des neuen Krankenversicherers zukommen zu lassen. Sollte sie bis zum Ablauf der angesetzten

      Frist keine Bestätigung erhalten, werde sie die obligatorische Krankenpflegeversicherung per 1. Januar 2015 wieder aktivieren (act. G3.7). Weil der Versicherte keine Aufnahmebestätigung des Nachversicherers zustellte, lehnte die CSS die Kündigung ab (vgl. act. G3).

    3. Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 teilte die CSS dem Versicherten via Ombudsstelle Krankenversicherung mit, es seien per 30. Juni 2015 Prämien in der Höhe von Fr. 205.80 ausstehend. In der Betreibung Nr. 1215182 seien vom Kanton 85% des Verlustscheinbetrages überwiesen worden. Die CSS sei verpflichtet, die Verlustscheine bis zur vollständigen Bezahlung der ausstehenden Forderung durch die versicherte Person aufzubewahren, weshalb der Versicherte für diesen Verlustschein ebenfalls aufzukommen habe. Damit er den Versicherer per Ende 2015 wechseln könne, müsse er sämtliche Ausstände bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vollständig begleichen (act. G6.4).

    4. Nach erfolgloser Mahnung von Prämienausständen für den Zeitraum Januar bis August 2015 ersuchte die CSS das zuständige Betreibungsamt mit Begehren vom 19. Dezember 2015 um Betreibung von Fr. 274.40 nebst Zins zu 5% seit 27. Juni 2015 und Spesen von Fr. 60.--. Gegen den entsprechenden Zahlungsbefehl vom 23. Dezember 2015 erhob der Versicherte am 6. Januar 2016 Rechtsvorschlag (vgl. act. G1). Mit Verfügung vom 8. Februar 2016 hob die CSS den Rechtsvorschlag auf (act. G6.2). Die vom Versicherten dagegen erhobene Einsprache wies die CSS mit Entscheid vom 27. April 2016 ab. Gegen diesen Einspracheentscheid erhob der Versicherte am 26. Mai 2016 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen (vgl. act. G1).

    5. Mit Schreiben vom 27. Mai 2016 teilte die CSS dem Versicherten erneut die Voraussetzungen für einen Versicherungswechsel mit. Zum Zeitpunkt seiner Kündigung seien diese Vorgaben nicht erfüllt gewesen, weshalb ein Austritt nicht möglich gewesen sei (act. G12.3).

B.

    1. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen (nachfolgend:

      Versicherungsgericht) wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. April 2017, KV

      2016/9, ab, soweit es darauf eintrat. Es verpflichtete den Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin Fr. 274.40 nebst Zins von 5% seit 27. Juni 2015 sowie Mahngebühren von Fr. 60.-- zu bezahlen. Es hob den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 15028121 des Betreibungsamts St. Gallen auf und erteilte der Beschwerdegegnerin definitive Rechtsöffnung (vgl. act. G1).

    2. Gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts vom 18. April 2017 erhob der Beschwerdeführer am 19. Mai 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragte sinngemäss, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie des Einspracheentscheids vom 27. April 2016 sei festzustellen, dass die auf Ende 2014 ausgesprochene Kündigung rechtswirksam erfolgt sei. Ferner sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm den durch die Verunmöglichung des Versichererwechsels entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten (vgl. act. G1).

C.

    1. Das Bundesgericht trat am 10. November 2017 nicht auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ein. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hiess es teilweise gut. Es hob den Entscheid des Versicherungsgerichts vom 18. April 2017 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Das Bundesgericht führte aus, mangels Aufnahmebestätigung eines neuen Versicherers habe kein neues Versicherungsverhältnis entstehen können und der Beschwerdeführer sei deshalb, jedenfalls für den interessierenden Zeitraum von Januar bis August 2015, weiterhin bei der Beschwerdegegnerin versichert gewesen und habe einer entsprechenden Prämienzahlungspflicht unterstanden. Zudem könne nicht von einer vollständigen Bezahlung der bis Ende 2014 aufgelaufenen Prämien ausgegangen werden, da ein Teil der Verlustscheinforderung noch ausstehend gewesen sei. Es stelle sich jedoch die Frage, ob es die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit ihrem Verhalten verunmöglicht habe, auf 2015 einen Wechsel des Krankenversicherers vorzunehmen, und sie deshalb eine Schadenersatzpflicht treffe. Die Widerrechtlichkeit sei dabei zu bejahen, die übrigen Haftungsvoraussetzungen habe das Versicherungsgericht zu überprüfen (act. G1).

    2. Auf Aufforderung des Versicherungsgerichts (vgl. act. G2) reichte die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 28. November 2017 eine Stellungnahme zur Frage einer allfälligen Schadenersatzpflicht ein. Sie brachte vor, der Schuldner erhalte jeweils eine Kopie des Verlustscheins. Der Beschwerdeführer sei daher über die Ausstände im Betrag von Fr. 1‘521.70 informiert gewesen. Die Verrechnung des Guthabens mit den Ausständen sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Februar 2015 angezeigt und dieser darauf hingewiesen worden, dass der Verlustschein Nr. 1‘209‘845 im Betrag von Fr. 1‘521.70 noch offen sei. Die Kündigung habe wegen fehlender Nachversichererbestätigung nicht weiter bearbeitet werden können. Sie sei der Ansicht, dass eine Schadenersatzpflicht nicht gegeben sei (act. G3).

    3. Der Beschwerdeführer machte mit Eingabe vom 9. Januar 2018 eine Schadenersatzforderung von total Fr. 8‘335.90 für Prämiennachteile, Spesen sowie Verzugszinsen und Zahlungsbefehlskosten von zwischenzeitlich erhobenen Betreibungen, Anwaltskosten sowie eine Genugtuung für seelische Unbill geltend (act. G6). Er legte seiner Eingabe mehrere Verfügungen der Beschwerdegegnerin bei, mit welcher diese die Rechtsvorschläge gegen Betreibungen betreffend ausstehende KVG- Prämien von Januar 2015 bis Juni 2017 sowie Spesen und Verzugszinsen aufgehoben hatte (act. G6.2).

    4. Der von der Verfahrensleitung angestrebte Vergleich sowie eine aussergerichtliche Einigung kamen nicht zustande (vgl. act G7 ff., act. G15 ff.). Auf Aufforderung der Verfahrensleitung (act. G10) reichte die Beschwerdegegnerin am 14. Februar 2018 eine Aufstellung der offenen Prämien der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie der Spesen, Zinsen und Betreibungskosten ein (act. G11). Der Beschwerdeführer legte am 22. Februar 2018 die Prämienaufstellung der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Concordia), bei der er eine Weiterversicherung ab 1. Januar 2015 beabsichtigt hatte, ins Recht (act. G12).

    5. Mit Eingabe vom 13. Juni 2018 beantragte der Beschwerdeführer eine Neubeurteilung des ursprünglichen Gerichtsentscheids. Er brachte vor, Abklärungen beim Sozialamt B. hätten ergeben, dass der von diesem an die Beschwerdegegnerin ausgerichtete Betrag nur teilweise als Zahlungseingang registriert worden sei. Bei korrekter Erfassung wäre der Verlustschein Nr. 1‘209‘845 zu 100%

bezahlt und sein Prämienkonto per 31. Dezember 2014 ausgeglichen gewesen. Er hätte daher per 1. Januar 2015 eine neue Krankenversicherung abschliessen können (act. G25, vgl. auch Korrespondenz bzgl. Verlustschein in act. G20 ff.).

C.f Die Verfahrensleitung machte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. August 2018 darauf aufmerksam, dass er ein allfälliges Begehren um Vornahme einer Revision des Bundesgerichtsurteils 9C_367/2017 vom 10. November 2017 innert 90 Tagen nach Entdecken der erheblichen neuen Tatsache direkt beim Bundesgericht einzureichen hätte (act. G27). Der Beschwerdeführer teilte am 24. August 2018 telefonisch mit, er werde kein Revisionsbegehren beim Bundesgericht stellen (act. G28).

Erwägungen

1.

Am 13. Juni 2018 machte der Beschwerdeführer geltend, die Zahlungseingänge des Sozialamtes B. seien bei der Beschwerdegegnerin nicht korrekt berücksichtigt worden. Er habe per 31. Dezember 2014 gar keine Zahlungsausstände gehabt und die Versicherung bei der Beschwerdegegnerin daher kündigen dürfen. Er wünschte eine Neubeurteilung des ursprünglichen Falls (act. G25). Beim Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich sinngemäss um einen Antrag auf prozessuale Revision. Eine solche kann unter anderem dann verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte (Art. 123 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110], vgl. Art. 66 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]). Zuständig für die Prüfung der Revisionsvoraussetzungen sowie zum allfälligen neuen Entscheid in der Sache ist diejenige Instanz, deren Entscheid im Revisionsverfahren zu überprüfen ist (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 53 N 36, vgl. Art. 67 Abs. 1 VwVG, Art. 124 Abs. 1 BGG). Vorliegend hat das Bundesgericht bereits rechtskräftig über die Zulässigkeit der Kündigung des Beschwerdeführers per 31. Dezember 2014 und die damals noch bestehenden Zahlungsausstände entschieden. Somit wäre für eine allfällige Revision nicht das Versicherungsgericht, sondern das Bundesgericht

zuständig. Es besteht kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer bei letzterem einen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. auch act. G28). Von daher besteht kein Anlass, mit dem Entscheid in der vorliegenden Schadenersatzstreitigkeit weiter zuzuwarten. Zudem erscheint fraglich, ob überhaupt ein Revisionsgrund vorläge. Dies, zumal keine Gründe ersichtlich sind, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein sollte, die inzwischen bei den beiden zuständigen Sozialämtern telefonisch erfragten Informationen bezüglich geleisteter Zahlungen bereits während des vorherigen Verfahrens beizubringen.

2.

Nach dem soeben Gesagten ist deshalb basierend auf dem rechtskräftigen Entscheid des Bundesgerichts vom 10. November 2017 (act. G1) lediglich die Schadenersatzpflicht der Beschwerdegegnerin zu prüfen.

    1. Bei der Mitteilung der neuen Prämie kann die versicherte Person den Versicherer unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende des Monats wechseln, welcher der Gültigkeit der neuen Prämie vorangeht (Art. 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [KVG; SR 832.10]). Das Versicherungsverhältnis endet beim bisherigen Versicherer erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KVG). In Abweichung von Artikel 7 KVG kann die säumige versicherte Person den Versicherer nicht wechseln, solange sie die ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen sowie die Verzugszinse und Betreibungskosten nicht vollständig bezahlt hat (Art. 64a Abs. 6 KVG).

    2. Wenn der bisherige Versicherer den Wechsel des Versicherers verunmöglicht, hat er der versicherten Person den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen, insbesondere die Prämiendifferenz (Art. 7 Abs. 6 KVG). Die Schadenersatzpflicht des bisherigen Versicherers folgt den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts im Sinne von Art. 41 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (OR; SR 220). Sie setzt demnach ein widerrechtliches Handeln oder Unterlassen, einen Schaden, einen

Kausalzusammenhang zwischen der Handlung bzw. Unterlassung einerseits und dem Schaden andererseits sowie - regelmässig - ein Verschulden voraus. Der Versicherer haftet für den Schaden, der die Folge eines Fehlverhaltens seiner Mitarbeiter, einer unzweckmässigen Betriebsorganisation oder eines sonstigen in seiner Verantwortung liegenden Mangels bei der Durchführung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist. Massgebend für die Bemessung der Ersatzpflicht ist jeder effektive und adäquat kausale Schaden (vgl. E. 5.2.2 des Bundesgerichtsurteils 9C_367/2017, act. G1 mit Verweis auf GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 463 Rz. 193).

3.

Vorerst zu prüfen sind die Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht. Dabei hat das Bundesgericht die Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Beschwerdegegnerin bereits bejaht (vgl. E. 5.4.2, act. G1).

    1. Schaden ist eine ungewollte Vermögensverminderung, d.h. eine Differenz zwischen dem aktuellen Vermögensstand des Geschädigten infolge des schädigenden Ereignisses und dem hypothetischen (gleichzeitigen) Vermögensstand bei Ausbleiben des Ereignisses (MARTIN KESSLER, in: Basler Kommentar zum Obligationenrecht I, 6. Aufl. 2015, Art. 41 N 3). Als Schaden in Betracht kommt insbesondere die Differenz zwischen den Prämien, welche der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin für seine Weiterversicherung ab 1. Januar 2015 zu entrichten hat, und denjenigen, die er bei einem erfolgten Wechsel der Versicherung zu bezahlen gehabt hätte. Es erscheint fraglich, ob dem Beschwerdeführer, welcher die Prämienrechnungen der Beschwerdegegnerin seit mindestens Januar 2015 noch nicht beglichen hat, überhaupt ein (hypothetischer) Schaden entstanden ist. Die Beschwerdegegnerin teilte dem Beschwerdeführer am 16. Februar 2015 mit, sie habe die Kündigung bereits bestätigt, jedoch fehle die Aufnahmebestätigung des neuen Krankenversicherers noch. Sollte sie bis zum Ablauf der angesetzten siebentägigen Frist keine Bestätigung seiner neuen Krankenkasse erhalten, sei sie verpflichtet, seine obligatorische Krankenversicherung nach KVG per 1. Januar 2015 wieder zu aktivieren (act. G3.7). Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass die Beschwerdegegnerin bereit gewesen wäre, bei Vorliegen einer Bestätigung des Nachversicherers und Begleichung der

      Zahlungsausstände das Versicherungsverhältnis bei ihr rückwirkend per 31. Dezember 2014 zu beenden. Hätte die neue Versicherung den Beschwerdeführer ebenfalls rückwirkend per 1. Januar 2015 versichert, so wäre dem Beschwerdeführer kein Schaden entstanden. Da jedoch unklar ist, ob ein nahtloser Übergang inklusive Rückabwicklung allfälliger Kostenbeteiligungen möglich gewesen wäre, rechtfertigt es sich, mit Blick auf das Bundesgerichtsurteil 9C_367/2017 grundsätzlich von einem Schaden auszugehen. Dies, zumal sich den eingereichten Aufstellungen zu Prämien der Concordia (act. G12.1) sowie der Beschwerdegegnerin (act. G10) entnehmen lässt, dass letztere höher sind als erstere, so dass sich ein Schaden ergeben kann. Zu allfälligen weiteren Schadensposten und der Bezifferung des gesamten Schadens wird auf Erwägung 4 verwiesen.

    2. Ein Verschulden ist in objektiver Hinsicht gegeben, wenn jemand mit Absicht handelt. Vorsätzlich handelt, wer einen Schädigungserfolg herbeiführen will oder diesen zumindest in Kauf nimmt. Für eine Haftung ist leichte Fahrlässigkeit ausreichend. Bei einer solchen hat der Schädiger zwar nicht die elementarsten Vorsichtsgebote verletzt, aber dennoch das Mass an Sorgfalt ausser Acht gelassen, welches die Verkehrssitte von einer mit dem Handelnden in gleichen Verhältnissen stehenden Person unter den konkreten Umständen gebietet. Leichte (bis mittelschwere) Fahrlässigkeit ist häufig festzustellen bei Unvorsichtigkeiten im Arbeitsprozess (KESSLER, a.a.O., Art. 41 N 45 ff., 50). Die Beschwerdegegnerin informierte den Beschwerdeführer am 6. November 2014 über ein bestehendes Guthaben (act. G3.2). Mit Schreiben vom 29. November 2014 bestätigte sie die Kündigung des Beschwerdeführers. Sie wies zwar darauf hin, ein Wechsel des Versicherers sei nur dann möglich, wenn die versicherte Person sämtliche Ausstände bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vollständig bezahlt habe, äusserte sich jedoch nicht zu konkreten Zahlungsausständen des Beschwerdeführers und bezifferte diese insbesondere nicht (act. G3.4). Gemäss den unbestrittenen Angaben des Beschwerdeführers teilte ihm die Beschwerdegegnerin anlässlich eines Besuchs bei der Agentur St. Gallen Ende Dezember 2014 mit, es seien noch Ausstände vorhanden, weshalb er den Versicherer nicht wechseln könne und es keinen Sinn mache, eine neue Police bei einem anderen Versicherer abzuschliessen (vgl. E. 5.3, act. G1). Eine schriftliche Information mit Bezifferung der Ausstände erfolgte erst im Schreiben vom 13. Januar 2015 (vgl. act. G3.5 f.). Das Verhalten der Beschwerdegegnerin ist damit insofern als leicht fahrlässig zu betrachten, als sie es

      verpasste, den Beschwerdeführer rechtzeitig über die konkrete Bezifferung seiner Ausstände zu unterrichten, womit es diesem nicht möglich war, diese bis 31. Dezember 2014 zu begleichen (vgl. zur diesbezüglichen Aufklärungspflicht EUGSTER, a.a.O., S. 457 Rz. 168).

    3. Zwischen einem haftungsbegründenden Umstand und dem Schaden, dessen Ersatz verlangt wird, muss das Verhältnis von Ursache und Wirkung bestehen (Kausalzusammenhang). Der natürliche Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn ein Verhalten unabdingbare Voraussetzung (conditio sine qua non) für ein Schadensereignis ist. Gemäss der Adäquanztheorie wird eine Ursache nur dann als haftungsbegründend angesehen, wenn sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet ist, einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (KESSLER, a.a.O., Art. 41 N 14 ff.). Die Voraussetzung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs ist vorliegend zu bejahen, da das fehlerhafte Verhalten der Beschwerdegegnerin den vom Beschwerdeführer angestrebten Wechsel der Versicherung per 31. Dezember 2014 verunmöglichte und damit geeignet war, den erwähnten Schaden zu verursachen.

    4. Die Schadenersatzpflicht ist somit insgesamt zu bejahen. 4.

Weiter ist die Höhe des Schadens zu ermitteln.

    1. Wie bereits erwähnt, besteht der Schaden primär aus der Prämiendifferenz (vgl. Art. 7 Abs. 6 KVG). Dabei ist unter den Parteien insbesondere umstritten, für welchen Zeitraum die Beschwerdegegnerin die Differenz zu erstatten hat.

      1. Das Versicherungsverhältnis endet beim bisherigen Versicherer erst, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 127 V 38, vgl. EUGSTER, a.a.O., S. 462 Rz. 188) endet das bisherige Versicherungsverhältnis auf das Ende des Monats, in dem die verspätete Mitteilung beim bisherigen Versicherer eingegangen ist.

      2. Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer erstmals mit Schreiben vom 29. November 2014 darauf hingewiesen, dass ein Versicherer die obligatorische Krankenversicherung erst dann beenden darf, wenn eine Aufnahmebestätigung des neuen Krankenversicherers vorliegt (act. G3.4, vgl. Art. 7 Abs. 5 KVG). Am 13. Januar 2015 gab die Beschwerdegegnerin die noch bestehenden Zahlungsausstände bekannt bzw. reduzierte die Forderung nach Intervention des Beschwerdeführers im Schreiben vom 2. Februar 2015 (act. G3.5 f.). Mit Schreiben vom 16. Februar 2015 forderte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer sodann auf, ihr die noch fehlende Aufnahmebestätigung seines neuen Krankenversicherers zukommen zu lassen. Sollte sie bis zum Ablauf der gesetzten Frist keine Bestätigung erhalten, so sei sie verpflichtet, die obligatorische Krankenpflegeversicherung per 1. Januar 2015 wieder zu aktivieren (act. G3.7). Spätestens in diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer rechtsgenüglich darüber informiert, in welcher Höhe noch Zahlungsausstände bestanden und dass er zum Wechsel der Versicherung diese begleichen sowie eine Bestätigung des Nachversicherers einreichen musste. Unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass der Beschwerdeführer damals noch keinen Nachversicherer hatte und sich erst um den Abschluss einer neuen Versicherungspolice hätte bemühen müssen, ist davon auszugehen, dass er bis spätestens Ende März 2015 alle Voraussetzungen für einen Versicherungswechsel hätte erfüllen können. In Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 127 V 38 hätte der Beschwerdeführer damit das Versicherungsverhältnis bei der Beschwerdegegnerin per 31. März 2015 beenden können. Dementsprechend trifft die Beschwerdegegnerin nur eine Schadenersatzpflicht für die Prämiendifferenz der Monate Januar bis März 2015. Die Prämien bei der Beschwerdegegnerin beliefen sich in diesem Zeitraum auf monatlich Fr. 356.55 (vgl. act. G6.1, G10). Der Beschwerdeführer beabsichtigte eine Weiterversicherung bei der Concordia mit einer identischen Jahresfranchise von Fr. 1‘500.--. Während er bei der Beschwerdegegnerin eine OKP Grundversicherung hatte, strebte er laut eigenen Angaben einen Wechsel in das HMO-Modell an (vgl. act. G6). Dies ist insofern nachvollziehbar, als ein solches im Vergleich zum Grundmodell kostengünstiger ist. Folglich ist die Differenz zur Prämie des HMO-Modells der Concordia bei einer Jahresfranchise von Fr. 1‘500.-- zu berechnen. Diese belief sich im Jahr 2015 auf monatlich Fr. 255.80 (act. G12). Die von der Beschwerdegegnerin zu

        erstattende Prämiendifferenz beläuft sich damit auf Fr. 302.25 ([Fr. 356.55 - Fr. 255.80]

        x 3).

      3. Weiter macht der Beschwerdeführer Spesen, Verzugszinsen und Zahlungsbefehlskosten für sechs in den Jahren 2016 und 2017 durch die Beschwerdegegnerin erhobene Betreibungen für ausstehende Versicherungsprämien der Monate September 2015 bis Juni 2017 geltend (act. G6, G6.2). Wie das Bundesgericht bereits festgestellt hat, war der Beschwerdeführer mangels Aufnahmebestätigung eines neuen Versicherers ab 1. Januar 2015 weiterhin bei der Beschwerdegegnerin versichert und hatte die entsprechenden Prämien zu entrichten (E. 4, act. G1). Die Beschwerdegegnerin ist gesetzlich dazu verpflichtet, versicherte Personen, welche trotz Zahlungsaufforderungen die Prämien, Kostenbeteiligungen und Verzugszinse nicht innert der gesetzten Frist bezahlen, zu betreiben (vgl. Art. 64a Abs. 2 KVG, vgl. auch Art. 105b Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung [KVV; SR 832.102], der die Versicherungen verpflichtet, spätestens 3 Monate ab Fälligkeit zu mahnen). Sie darf also nicht etwa nach Ermessen auf Betreibungen verzichten. Die Beschwerdegegnerin hat die Betreibungen folglich rechtmässig eingeleitet. Die damit zusammenhängenden Kosten sind vom Beschwerdeführer zu tragen und begründen keine Schadenersatzpflicht der Beschwerdegegnerin.

      4. Der Beschwerdeführer beantragt die Erstattung der Kosten für anwaltliche Beratungen (act. G6). Den Akten liegt eine mit 12. Mai 2017 datierte Quittung für einen von Rechtsanwältin B. Surber, St. Gallen, erhaltenen Kostenvorschuss des Beschwerdeführers in der Höhe von Fr. 500.-- bei (act. G6.3). Wofür dieser Kostenvorschuss geleistet wurde, lässt sich den Akten nicht entnehmen, zumal sämtliche Korrespondenz mit der Beschwerdegegnerin (sowie im Übrigen auch die Eingaben in den Gerichtsverfahren) durch den Beschwerdeführer selbst erstellt wurde. Zudem erscheint der Beizug eines Anwaltes zum Vollzug des Versicherungswechsels nicht notwendig, war doch der Beschwerdeführer spätestens ab Februar 2015 über die Voraussetzungen für den Wechsel informiert (vgl. act. G3.7). Die beantragten Spesen von Fr. 380.-- für den Aufwand des Beschwerdeführers selbst sowie Fr. 300.-- für die vom Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens beigezogene Ombudsstelle Krankenversicherung (vgl. act. G6.4) sind sodann weder ausgewiesen,

        noch besteht eine Rechtsgrundlage für die Erstattung derselben im Rahmen der

        Schadenersatzpflicht der Beschwerdegegnerin.

      5. Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer sinngemäss eine Genugtuung infolge seelischer Unbill. Er führt aus, die Beschwerdegegnerin nehme seine Anliegen nicht ernst, verhalte sich inkompetent und habe ihn am Wechsel zu einem anderen Versicherer gehindert. In der Folge habe er gewisse gesundheitliche Probleme entwickelt. Zudem sei es zu negativen Auswirkungen auf sein soziales und beziehungsmässigen Verhaltens im Sinne einer Persönlichkeitsveränderung gekommen (act. G6). Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist (Art. 49 Abs. 1 OR). Ob eine Persönlichkeitsverletzung hinreichend schwer wiegt, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab. Dem Gericht steht bei der Beurteilung ein weites Ermessen zu. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen. Es reicht nicht aus, wenn jemand schockiert ist, Unannehmlichkeiten empfindet oder einige Schmerzen hat. Erforderlich sind vielmehr physische oder psychische Leiden, verursacht durch eine Verletzung der Persönlichkeit, die das Wohlbefinden beeinträchtigt (KESSLER, a.a.O., Art. 49 N 11). Vorliegend ist weder ein Eingriff in die Persönlichkeit des Beschwerdeführers, insbesondere kein aussergewöhnlich schwerer, noch eine Auswirkung, welche eine Genugtuung rechtfertigen würde, ausgewiesen.

      6. Zusammengefasst besteht der vom Beschwerdeführer erlittene Schaden in

der Prämiendifferenz der Monate Januar bis März 2015 in der Höhe von insgesamt Fr.

302.25. Die Beschwerdegegnerin hat ihm diesen Betrag im Rahmen ihrer Schadenersatzpflicht zu entrichten bzw. von der Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer in Abzug zu bringen.

5.

Über die vom Beschwerdeführer noch zu bezahlenden Beträge ist vorliegend entsprechend dem eingeschränkten Streitgegenstand nicht zu befinden. Es ist jedoch festzuhalten, dass er entsprechend den vorherigen Ausführungen grundsätzlich zur

Bezahlung der seit 1. Januar 2015 in Rechnung gestellten Prämien und Kostenbeteiligungen, den im Zusammenhang mit den Betreibungen aufgelaufenen Kosten sowie der Forderung des Verlustscheines Nr. 1‘209‘845 des Betreibungsamtes C. (vgl. Art. 64a Abs. 5 KVG) verpflichtet ist.

6.

    1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in dem Sinn gutzuheissen, als die Beschwerdegegnerin zu verpflichten ist, dem Beschwerdeführer Schadenersatz in der Höhe von Fr. 302.25 zu bezahlen bzw. von der Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer in Abzug zu bringen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

    3. Insoweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Parteientschädigung für das vorliegende Verfahren geltend macht (vgl. act. G6), ist festzuhalten, dass eine Entschädigung grundsätzlich Anwälten und Rechtsagenten vorbehalten ist (vgl. Art. 10-12 des st. gallischen Anwaltsgesetzes, sGS 963.70) und zudem bei einer Prozessführung in eigener Sache praxisgemäss keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

Entscheid

1.

Die Beschwerde wird in dem Sinn gutgeheissen, als die Beschwerdegegnerin verpflichtet wird, dem Beschwerdeführer Schadenersatz in der Höhe von Fr. 302.25 zu bezahlen bzw. von der entsprechenden Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer in Abzug zu bringen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Für dieses Verfahren wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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