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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2016/371: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer, der an einer schweren Hörbehinderung leidet, hatte eine Invalidenrente erhalten. Nach einer Überprüfung wurde die Rente eingestellt, da sich angeblich sein Gesundheitszustand verbessert hatte. Die Gutachten von verschiedenen Sachverständigen kamen jedoch zum Schluss, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht wesentlich verändert hatte und er weiterhin nur in einem geschützten Rahmen arbeiten könne. Die angefochtene Entscheidung wurde daher aufgehoben, und der Beschwerdeführer behält seine Invalidenrente. Die Gerichtskosten wurden der unterliegenden Beschwerdegegnerin auferlegt, und der Beschwerdeführer erhielt eine Parteientschädigung von 3'500 Franken.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2016/371

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2016/371
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2016/371 vom 18.12.2018 (SG)
Datum:18.12.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 17 ATSG. Rentenrevision. Voraussetzung einer wesentlichen Veränderung des relevanten Sachverhaltes. Tätigkeit in einem geschützten Rahmen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. Dezember 2018, IV 2016/371).
Schlagwörter : IV-act; Arbeit; Verfügung; Rente; Recht; Rechtsvertreter; IV-Stelle; Sachverständige; Arbeitgeber; Sachverhalt; Franken; Beruf; Begründung; Rentenzusprache; Anforderungen; Sachverständigen; Beschwerdeführers; Arbeitsfähigkeit; Rechtsvertreterin
Rechtsnorm:Art. 17 ATSG ;Art. 49 ATSG ;Art. 53 ATSG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Art. 64 ZPO, 1999

Entscheid des Kantongerichts IV 2016/371

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin HuberStuderus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr.

IV 2016/371

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Laurent Häusermann, Amparo Anwälte und Notare, Neugasse 26, Postfach 148, 9001 St. Gallen,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand

Rentenrevision (Einstellung) Sachverhalt

A.

    1. A. wurde im November 1989 unter Hinweis auf eine seit seiner Geburt bestehende Hörbehinderung zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet (IV-act. 1). Die otorhinolaryngologische Klinik des Universitätsspitals Zürich berichtete am 13. November 1989, der Versicherte leide an einer hochgradigen sensorineuralen Schwerhörigkeit auf beiden Seiten (IV-act. 7). Mit einer Mitteilung vom

      13. Juli 1990 sprach die Ausgleichskasse dem Versicherten eine audiopädagogische Therapie für die Zeit vom 1. April 1990 bis zum 31. März 1992 zu (IV-act. 9). Mit einer weiteren Mitteilung vom 14. Dezember 1990 sicherte die Ausgleichskasse dem Versicherten die Vergütung der zur Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 444 Anh. GgV notwendigen medizinischen Massnahmen für den Zeitraum vom 20. Oktober 1989 bis zum 31. Oktober 1999 zu (IV-act. 18). Mit einer dritten Mitteilung vom 20. Februar 1991 sprach die Ausgleichskasse dem Versicherten leihweise zwei Hörgeräte zu (IVact. 21). Im November 1991 erfolgte eine zweite Anmeldung zum Leistungsbezug, dieses Mal unter Hinweis auf eine Sehbehinderung (IV-act. 26). Der Augenarzt Dr. med. B. berichtete im Dezember 1991 über einen im Jahr 1991 festgestellten Strabismus convergens mit einem plötzlich aufgetretenen Schielen (IV-act. 28). Mit einer Mitteilung vom 2. April 1992 sicherte die Ausgleichskasse dem Versicherten die zur Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 426 Anh. GgV notwendigen medizinischen Massnahmen (einschliesslich Brillen) für die Zeit vom 22. November 1991 bis zum 31. Januar 1999 zu (IV-act. 29). Im Juni 1992 beantragte die Sprachheilschule C. eine interne Sonderschulung des Versicherten (IV-act. 32). Mit einer Mitteilung vom 7. Oktober 1992 erteilte die Ausgleichskasse eine entsprechende Kostengutsprache (IV-act. 34). Mit einer Verfügung vom 25. März 2004 sicherte die IV-Stelle dem Versicherten auch die zur Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 446 Anh. GgV notwendigen

      medizinischen Massnahmen für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Januar 2008 zu (IV-act. 99).

    2. Im Mai 2004 beantragte der Versicherte eine Berufsberatung (IV-act. 102). Nach einem Schnupperpraktikum (vgl. IV-act. 112) empfahl der IV-Berufsberater eine erstmalige berufliche Ausbildung des Versicherten zum Hauswartmitarbeiter (Anlehre; IV-act. 113). Mit einer Verfügung vom 12. Januar 2005 erteilte die IV-Stelle eine entsprechende Kostengutsprache (IV-act. 117). Im November 2005 berichtete eine Logopädin (IV-act. 135), der Versicherte benötige ein Training in der Artikulation. Seine Sprache sei „verwaschen“, wenn er rasch spreche, was schon wiederholt zu Missverständnissen geführt habe. Mit einer Verfügung vom 11. Januar 2006 sprach die IV-Stelle dem Versicherten für die Zeit vom 15. September 2005 bis zum 30. September 2006 eine Logopädie zu (IV-act. 143). Im Februar 2006 musste der Versicherte eine schriftliche Abmachung mit dem Lehrbetrieb unterzeichnen, nachdem er mehrmals seinen Pikettdienst vernachlässigt hatte, zu spät zur Arbeit erschienen war und sich dann mit Unwahrheiten gerechtfertigt hatte (IV-act. 152). Im Mai 2006 warf der Lehrbetrieb die Frage auf, ob eine Weiterführung der begonnenen Anlehre im geschützten Rahmen noch sinnvoll sei (IV-act. 168). Der IV-Berufsberater wies den Lehrbetrieb nach einer Aussprache mit dem Versicherten darauf hin (IV-act. 169), dass dieser nicht nur akustische Verständigungsprobleme, sondern auch sprachinhaltlich Mühe mit der Kommunikation habe. Man müsse in einfachsten Worten und kurzen Sätzen mit ihm kommunizieren. Im Juli 2006 wurde eine neuropsychologische Untersuchung in die Wege geleitet (IV-act. 172). Diese fand dann allerdings nicht statt; der Versicherte kehrte nach den Sommerferien nicht in die Institution zurück, weshalb die berufliche Eingliederungsmassnahme per 31. Juli 2006 sistiert wurde (IV-act. 174). Bereits im Oktober 2006 konnte die erstmalige berufliche Ausbildung in einem anderen Betrieb weitergeführt werden (IV-act. 182). Der neue Lehrbetrieb wies im Januar 2007 darauf hin (IV-act. 194), dass das Fachwissen des Versicherten sehr lückenhaft sei. Ein Abschluss der Anlehre im Sommer 2007 sei unrealistisch. Mit einer Verlängerung der Anlehre um ein Jahr sollte es aber möglich sein, diese erfolgreich abzuschliessen. Im Abschlussbericht vom 10. Juli 2008 hielt der Lehrbetrieb fest (IV-act. 208), dass der Versicherte die Anlehre erfolgreich abgeschlossen habe. Seine Leistungsfähigkeit sei jedoch stark schwankend. Es sei fraglich, wie viel dies mit seiner unmotivierten Haltung gegenüber dem erlernten Beruf und mit seinen eingeschränkten geistigen Fähigkeiten

      zu tun habe. Zwei Versuche des Versicherten, eine Anschlusslösung zu finden und eine ordentliche Lehre zu absolvieren, seien gescheitert, weil dieser bei weitem nicht die erforderlichen Voraussetzungen dafür erfüllt habe. Auch Bewerbungen um berufsfremde Arbeitsstellen seien allesamt erfolglos gewesen. Der Versicherte benötige einen verständnisvollen Arbeitgeber, der ihm die zu verrichtenden Arbeiten genau erkläre und ihn in schwierigen Situationen unterstütze und motiviere. Die Arbeitsleistung des Versicherten liege gesamthaft bei etwa 30 Prozent einer durchschnittlichen Arbeitsleistung. Ein angemessener Monatslohn bewege sich bei maximal 700 Franken pro Monat. Im Oktober 2008 notierte Dr. med. D. vom IVinternen regionalen ärztlichen Dienst (RAD), aus dem Abschlussbericht gehe hervor, dass der Versicherte seine Arbeitsfähigkeit nur in einem geschützten Rahmen werde verwerten können (IV-act. 213). Mit einer Verfügung vom 12. Februar 2009 sprach die IV-Stelle dem Versicherten mit Wirkung ab dem 1. August 2008 eine ganze Rente zu (IV-act. 226). Zur Begründung führte sie aus (IV-act. 223), ohne die Gesundheitsbeeinträchtigung könnte der Versicherte als Hauswartsmitarbeiter ein Jahreseinkommen von 54’749 Franken verdienen. Das zumutbarerweise erzielbare Invalideneinkommen belaufe sich auf 12 × 700 = 8’400 Franken. Das ergebe einen Invaliditätsgrad von 85 Prozent, weshalb ein Anspruch auf eine ganze Rente bestehe.

    3. Im Mai 2009 ersuchte der Versicherte um eine Arbeitsvermittlung (IV-act. 239). Mit einer Mitteilung vom 1. Oktober 2009 wurde ihm eine solche zugesprochen (IV-act. 244). Die Zusammenarbeit zwischen der IV-Stelle und dem Versicherten gestaltete sich schwierig (vgl. IV-act. 252). Da der RAD festgehalten hatte, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten sei nur im geschützten Rahmen verwertbar, wurde die Arbeitsvermittlung mit einer Mitteilung vom 11. Januar 2010 erfolglos abgeschlossen (IV-act. 255). Im Jahr 2011 arbeitete der Versicherte während rund einem Monat als Mitarbeiter in einem Betrieb für Plattenbeläge und Natursteinarbeiten (IV-act. 280).

    4. Im September 2012 erhielt die IV-Stelle einen anonymen Hinweis, dass der Versicherte als Pizzakurier arbeite (IV-act. 287). Der RAD-Arzt Dr. med. E. hielt im November 2012 fest (IV-act. 291), er könne die Zusprache einer ganzen Rente aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehen. Er empfehle eine Klärung der medizinischen Situation und allenfalls eine Wiedereingliederung. Der Versicherte wurde im Dezember 2012 im Auftrag der IV-Stelle observiert. Die F. GmbH berichtete (IV-act. 299), der

      Versicherte habe bei der Arbeit als Pizzakurier beobachtet werden können. Der RADArzt Dr. E. führte in der Folge aus (IV-act. 300), die Beurteilung des Berufsberaters, die letztlich zur Rentenzusprache geführt habe, überzeuge ihn grundsätzlich immer noch. Möglicherweise sei es aber mittlerweile zu einer gewissen Stabilisierung der Persönlichkeit gekommen, durch die sich die Arbeitsfähigkeit des Versicherten verbessert habe. Im März 2013 wurde der Versicherte mit dem Observationsmaterial konfrontiert (IV-act. 312). Eine Eingliederungsverantwortliche der IV-Stelle notierte nach einem ersten Gespräch mit dem Versicherten (IV-act. 320), dieser habe sehr motiviert gewirkt und angegeben, er wolle seinem vier Monate alten Sohn ein Vorbild sein und arbeiten. Die Arbeitsstelle bei der Pizzeria habe er nach etwa vier Monaten aufgeben. Sein Vorgesetzter habe ihn belogen und „beschissen“. Auch vom regionalen Arbeitsvermittlungszentrum und von anderen Arbeitgebern sei er belogen und

      „beschissen“ worden. Im August 2013 konnte der Versicherte einen Arbeitsversuch als Hilfsbodenleger beginnen (IV-act. 322). Der Arbeitgeber teilte im September mit (IV-act. 332-2), mit dem Versicherten sei es schwierig. Er sei arbeitswillig und fleissig beziehungsweise sogar übereifrig. Gerade das sei aber ein Problem. Der Versicherte rede viel zu viel und tue sich schwer. Er sei unselbständig und habe Mühe, klare Anweisungen zu befolgen. Zeitweise wolle er Kunden und Architekten beraten, statt Hilfsarbeiten zu erledigen. Er sei schwierig im Umgang. Er habe immer etwas und frage dauernd. Im Betrieb könnte er nie Unterschlupf finden. Man könne einen Schnupperstift besser einsetzen als den Versicherten, der letztlich mehr Umstände mache, als dass er nutze. Ein von der IV-Stelle beauftragter Stellenvermittler hielt in einem Zwischenbericht vom 3. Juli 2014 fest (IV-act. 330), er habe grosse Bedenken betreffend die Fähigkeiten des Versicherten für den ersten Arbeitsmarkt. Zur Beratung sei der Versicherte mehrmals zu spät erschienen. Einen Termin habe er mit zehnminütiger Verspätung abgesagt und verschoben, einen weiteren habe er verpasst, ohne sich abzumelden. Der Versicherte tue sich schwer damit, seine Stellensuche auf realistische Berufe zu konzentrieren. Im Schlussbericht vom 11. Dezember 2014 führte der Stellenvermittler aus (IV-act. 331-1), im weiteren Verlauf der Beratung sei der Versicherte jeweils pünktlich zu den Terminen erschienen. Seine Partnerin habe ihn zu jedem Gespräch begleitet. Die Aufträge des Stellenvermittlers habe der Versicherte zuverlässig und ausführlich erledigt. Nur bezüglich der Frage, was realistische Berufe für den Versicherten seien, seien die Meinungen auseinander gegangen: Der

      Versicherte habe seine Fähigkeiten anders als der Stellenvermittler und die Partnerin eingeschätzt. Eine Schnupperwoche in einem Betrieb, der sich „sehr nahe am ersten Arbeitsmarkt“ bewege, habe gezeigt, dass der Versicherte zwar genau, aber zu langsam arbeite. Er habe viel gesprochen und seine Arbeit dadurch vernachlässigt. Die Auffassungsgabe sei als schlecht bezeichnet worden.

    5. Im Auftrag der IV-Stelle wurde der Versicherte im Frühjahr 2016 bidisziplinär otorhinolaryngologisch und psychiatrisch begutachtet; der psychiatrische Sachverständige beauftragte einen Neuropsychologen consiliarisch mit einer Testung des Versicherten. Der neuropsychologische Sachverständige Dr. phil. G. berichtete am 30. Januar 2016 (IV-act. 366), der Versicherte habe sich motiviert gezeigt, im Gespräch aber teilweise etwas weitschweifig erzählt und vereinzelt den Untersucher unterbrochen. Mehrfach habe er mit der Dolmetscherin für Gebärdensprache über private Dinge sprechen wollen. Wiederholt habe er vorzeitig mit der Aufgabenbearbeitung begonnen. Bei einer einfachen Reiz-Reaktionsaufgabe sei er rasch gelangweilt gewesen. Häufig habe er unruhig auf dem Stuhl gesessen. Mehrmals habe er nach dem Zweck der Untersuchung gefragt. Einmal habe er einen Witz erzählt; vereinzelt habe er komische Bemerkungen gemacht. Seine lautsprachlichen Äusserungen seien weitgehend verständlich, aber grammatikalisch und sprachlich sehr einfach gehalten gewesen. Nach der Untersuchung sei er normal ermüdet gewesen. Die Resultate der Beschwerdevalidierungstests seien unauffällig gewesen. Die Aufmerksamkeitsleistung sei teilweise unterdurchschnittlich gewesen. Die Lernund Gedächtnisleistung sowie die Leistungen bei der räumlich-perzeptive Analyse beziehungsweise bei der räumlich-konstruktiven Verarbeitung seien durchschnittlich gewesen. Bei der Prüfung der komplexen Denkleistung und der Exekutivfunktionen habe der Versicherte teilweise unterdurchschnittliche Leistungen gezeigt. Kognitive Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen seien bei Gehörlosen oft festzustellen. Gehörlose könnten die Lautsprache nicht erlernen und litten deshalb beim Schuleintritt oft an einem Sprachentwicklungsrückstand. Dieser sei noch stärker ausgeprägt, wenn die Eltern über ein unbeeinträchtigtes Hörvermögen verfügten und demzufolge die Gebärdensprache nicht „fliessend“ beherrschten. Gehörlose könnten nicht wie Hörende die Schriftsprache aufbauend auf die Lautsprache erlernen. Studien aus den USA zeigten, dass gehörlose Erwachsene über eine Lesekompetenz verfügten, die jener von hörenden neunoder zehnjährigen Kindern entspreche. Viele erwachsene

      Gehörlose seien nach der Schullaufbahn funktionelle Analphabeten. Die schwierige Spracherwerbsund Kommunikationssituation habe ein vergleichsweise sehr geringes Allgemeinund Fachwissen zur Folge. Auch die Rechenleistungen von Gehörlosen seien oft deutlich niedriger als jene von Hörenden: Erwachsene Gehörlose verfügten über Rechenfertigkeiten, die etwa jenen eines Fünftoder Sechstklässlers entsprächen. Die unterdurchschnittlichen Ergebnisse des Versicherten in der neuropsychologischen Testung seien wahrscheinlich nicht auf eine Intelligenzminderung, sondern auf das fehlende Hörvermögen zurückzuführen. Neben der Hörbehinderung sei aber auch das Testverhalten aufgefallen. Die Auffälligkeiten seien mit einer Aufmerksamkeitsdefizitund Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vereinbar. Unter Berücksichtigung der Testergebnisse könnten dem Versicherten nur Tätigkeiten zugemutet werden, die geringe lautsprachliche und sozial-kommunikative Anforderungen stellten (u.a. kein Kundenkontakt). Auch die schriftsprachlichen Anforderungen müssten gering sein. Die Anforderungen in den Bereichen Allgemeinwissen und Mathematik sollten sehr gering sein. Bei Tätigkeiten, bei denen rasch reagiert werden müsse, müssten die Sorgfaltsanforderungen gering sein. Eine gewisse Fehlertoleranz müsse gegeben sein. Die Tätigkeit sollte eine gewisse Abwechslung mit sich bringen. Im Hinblick auf eine Tätigkeit als Haustechniker empfehle sich eine Unterstützung bei Kundenkontakten und eine Herabsetzung der Anforderungen im Berichtwesen. Der otorhinolaryngologische Sachverständige Dr. med. H. hielt in seinem Teilgutachten vom 28. Februar 2016 fest (IV-act. 364), der Versicherte leide an einer schwerstgradigen, angeborenen Schallempfindungsschwerhörigkeit auf beiden Seiten ohne Hinweise auf begleitende vestibuläre Funktionsstörungen. Die in den Akten beschriebenen Schwierigkeiten bei der beruflichen Ausbildung und bei der Ausübung von beruflichen Tätigkeiten seien wohl wesentlich darauf zurückzuführen, dass der Versicherte jeweils fälschlicherweise mitgeteilt habe, er habe eine Anweisung ein Gespräch vollständig verstanden, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprochen habe. Der Versicherte habe gegenüber dem Sachverständigen erklärt, dass ihm die Situation mit der Sprachverständnisstörung schon immer äusserst peinlich gewesen sei. Bei den bisherigen erfolglosen Vermittlungen auf dem ersten Arbeitsmarkt seien immer wieder Kommunikationsprobleme als Grund für das Scheitern der Bemühungen angegeben worden. Am aktuellen Arbeitsplatz in einem geschützten Rahmen fühle sich der Versicherte grundsätzlich wohl, weil er nur einfache Anweisungen entgegen nehmen

      müsse. Es falle ihm schwer, einen komplizierten Sachverhalt abzuspeichern und auch nach kurzer Zeit wieder zu memorieren. Gleich gehe es ihm auch beim Lesen komplizierter Sachverhalte. Der Sachverständige habe ganz bewusst ein längeres Gespräch mit dem Versicherten ohne Dolmetscherin geführt. Dabei sei ihm aufgefallen, dass der Versicherte einfachen Sätzen durchaus habe folgen können, aber schon zweiteilige Sätze mehrheitlich missverstanden und falsch wiederholt habe. Zusammenfassend hätten sich aus otoneurologischer Sicht keine neuen Erkenntnisse ergeben. Es bestehe eine hochgradige Innenohrstörung, die aber durch das Tragen von Hörgeräten deutlich verbessert werden könne. Die bisherigen Diagnosestellungen und Behandlungsmassnahmen seien durchwegs als lege artis zu bezeichnen. Die hauptsächliche Ressourceneinschränkung bestehe nicht in der Hörminderung, sondern vielmehr im stark eingeschränkten Sprachverständnis. Der Versicherte sei grundsätzlich uneingeschränkt arbeitsfähig, aber er könne nur Arbeiten verrichten, die in kurzen, klaren „Befehlen“ angewiesen würden. Der psychiatrische Sachverständige führte in seinem Teilgutachten vom 7. März 2016 aus (IV-act. 365), er habe im Rahmen der psychiatrischen Explorationen keine wesentlichen Auffälligkeiten festgestellt. Die Argumentation des neuropsychologischen Sachverständigen bezüglich des ADHS sei nachvollziehbar; er schliesse sich dieser Auffassung an. Abgesehen von dieser einfachen Aktivitätsund Aufmerksamkeitsstörung liege keine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung vor. Unter den vom neuropsychologischen Sachverständigen definierten Voraussetzungen sei der Versicherte aus psychiatrischer Sicht uneingeschränkt arbeitsfähig. Die ursprüngliche Rentenzusprache sei nicht gestützt auf eine vorgängige medizinische Abklärung erfolgt, sondern finde ihren Grund in einer tiefen Leistungseinschätzung von Seiten des Berufsberaters. Aus heutiger Sicht könne nicht gesagt werden, ob sich die Situation seither wesentlich geändert habe. Grundsätzlich sei der Versicherte wohl einem Arbeitgeber zumutbar, aber die Anforderungen an den Arbeitgeber seien „sehr hoch“. Nach einer

      Konsensbesprechung attestierten die Sachverständigen dem Versicherten eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für Tätigkeiten mit geringen lautsprachlichen sozialkommunikativen Anforderungen, die ohne das Lesen und Verstehen von Texten ausgeübt werden könnten, die nur geringe Anforderungen an mathematisches und Allgemeinwissen stellten, die nur geringe Sorgfalt erforderten und die eine gewisse Abwechslung mit sich brächten (IV-act. 367). Die RAD-Ärztin Dr. med. I. qualifizierte

      das Gutachten als überzeugend und hielt fest (IV-act. 369), die von den Sachverständigen attestierte uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit bestehe seit dem Abschluss der beruflichen Ausbildung. Es könne aber auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte dank den therapeutischen Massnahmen und zufolge eines Reifungsprozesses besser an seine Beeinträchtigungen gewöhnt habe, wodurch sich seine Arbeitsfähigkeit verbessert habe.

    6. Mit einem Vorbescheid vom 20. Juni 2016 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit (IV-act. 370), dass sie die Einstellung der laufenden Rente vorsehe. Zur Begründung führte sie an, gemäss dem Gutachten der Dres. J. und H. bestehe heute eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten. Das sei unter anderem auf eine erfolgreiche medizinische Therapie, auf eine Angewöhnung und auf einen Reifungsprozess des Versicherten zurückzuführen, womit ein Rentenanpassungsgrund im Sinne des Art. 17 Abs. 1 ATSG vorliege. Folglich sei die Rente auf das Ende des der Zustellung der noch zu erlassenden Verfügung folgenden Monats aufzuheben. Der Vorbescheid enthielt keinen Einkommensvergleich. Dagegen liess der Versicherte am 20. August 2016 einwenden (IV-act. 375), seine gesundheitliche Situation habe sich seit der ursprünglichen Rentenzusprache nicht verändert. Alle seine Bemühungen, eine Arbeitsstelle zu finden und zu behalten, seien gescheitert. Angesichts der Ausführungen der Sachverständigen zu den Kriterien einer ideal leidensadaptierten Tätigkeit sei davon auszugehen, dass der Versicherte nur in einem geschützten Rahmen arbeiten könne. Mit einer Verfügung vom 30. September 2016 hob die IV-Stelle die laufende Rente auf das Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf (IV-act. 378). Bezugnehmend auf die Einwände des Versicherten hielt sie unter anderem fest, die Leistungseinbusse des Versicherten betrage an einem ideal leidensadaptierten Arbeitsplatz sicherlich nicht mehr als zehn Prozent. Da der Versicherte seine Meldepflicht verletzt habe, könnte die Rente an sich rückwirkend aufgehoben werden. Mit der Aufhebung auf das Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats komme die IV-Stelle dem Versicherten bereits

„weitest möglich“ entgegen. B.

    1. Am 31. Oktober 2016 liess der Versicherte (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. September 2016 erheben (act. G 1). Seine Rechtsvertreterin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Weiterausrichtung der bisherigen Rente sowie eventualiter die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) zur weiteren Sachverhaltsabklärung. Zur Begründung führte sie aus, Dr. J. erstelle sehr häufig Gutachten für die Beschwerdegegnerin, in denen er gemäss den Erfahrungen der Rechtsvertreterin in aller Regel keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit attestiere, so auch im vorliegenden Fall. Allerdings habe er darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an einen potentiellen Arbeitgeber sehr hoch seien. Zusammenfassend belegten die Akten eindeutig, dass der Beschwerdeführer nur noch in einem geschützten Rahmen arbeiten könne. Hinzu komme, dass die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nicht erfüllt seien, da sich der massgebende Sachverhalt nicht wesentlich verändert habe. Die Beschwerdegegnerin habe es versäumt einen Einkommensvergleich vorzunehmen. Das Valideneinkommen müsse in Anwendung des Art. 26 IVV festgesetzt werden.

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 7. Februar 2017 die Abweisung der Beschwerde (act. G 11). Zur Begründung führte sie an, der Seitenhieb der Rechtsvertreterin gegen den Sachverständigen Dr. J. sei völlig deplatziert. Der Beschwerdeführer gehe ja selbst davon aus, dass er an keiner psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung leide. Er sei auch noch nie psychiatrisch behandelt worden. Das Gutachten von Dr. J. erweise sich jedenfalls als sorgfältig erarbeitet und überzeugend. Da die ursprüngliche Rentenzusprache ohne eine vorgängige medizinische Abklärung erfolgt sei, müsste die ursprüngliche rentenzusprechende Verfügung eigentlich in Wiedererwägung gezogen werden. Es lägen allerdings auch Anpassungsgründe vor. Insbesondere habe sich der Beschwerdeführer besser an seine Gesundheitsbeeinträchtigung gewöhnt, und er sei erwachsener geworden. Eine Anwendung des Art. 26 IVV komme nicht in Frage, da der Beschwerdeführer eine Berufsausbildung abgeschlossen habe. Selbst wenn aber das Valideneinkommen gestützt auf den Art. 26 IVV festgesetzt würde, würde kein rentenbegründender Invaliditätsgrad resultieren.

    3. Der Beschwerdeführer liess am 16. März 2017 an seinen Anträgen festhalten (act.

      G 13). Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf eine Duplik (act. G 15).

    4. Am 31. Mai 2017 wurde dem Beschwerdeführer - unter Anrechnung des an die Rechtsvertreterin geleisteten Kostenvorschusses von 400 Franken - die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt (act. G 18).

    5. Am 7. Mai 2018 nahm der neue Rechtsvertreter Stellung zu den Verfahrensakten, die ihm nach seiner Mandatierung zugesandt worden waren (act. G 27). Er hielt an den Beschwerdeanträgen fest und reichte Fragebogen ein, die ehemalige Arbeitgeber des Beschwerdeführers in seinem Auftrag ausgefüllt hatten. Die Honorarnote für seine Bemühungen belief sich auf etwas über 4’000 Franken.

    6. Die Beschwerdegegnerin beantragte, dass die Stellungnahme des neuen Rechtsvertreters, die von diesem eingereichten Unterlagen und die „exorbitante“ Honorarnote aus dem Recht gewiesen würden (act. G 30).

    7. Am 25. Juli 2018 reichte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine weitere Stellungnahme ein (act. G 34). Am 27. September 2018 reichte er eine E-Mail einer ehemaligen Arbeitgeberin des Beschwerdeführers ein (act. G 36).

Erwägungen

1.

Die angefochtene Verfügung enthält wie schon der vorangegangene Vorbescheid keinen Einkommensvergleich. Damit fehlt ihr ein elementares Begründungselement, weshalb sie in Verletzung der Begründungspflicht (Art. 49 Abs. 3 ATSG) ergangen ist. Diese Verfahrensrechtswidrigkeit könnte an sich nur durch eine Aufhebung der angefochtenen Verfügung und durch eine Rückweisung der Sache zur neuen, nun vollständig begründeten Verfügung behoben werden. Aufgrund des „zudienenden“ Charakters des Verfahrensrechtes ist es rechtsprechungsgemäss aber zulässig, eine Verfahrensrechtswidrigkeit zu ignorieren (was in der Praxis missverständlich als eine

„Heilung“ bezeichnet wird, obwohl der Mangel ja gerade nicht behoben wird). Voraussetzung dafür ist ein explizites Einverständnis des Verfügungsadressaten ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Verfügungsadressat eine rasche materielle Behandlung der Sache einer in jeder Hinsicht formal korrekten Erledigung vorzieht. Der Beschwerdeführer hat die Verletzung der Begründungspflicht nicht gerügt, und seine

Beschwerde zielt eindeutig auf einen raschen materiellen Entscheid ab. Die Verletzung der Begründungspflicht wird deshalb ignoriert.

2.

Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um eine Revisionsverfügung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 ATSG. Mit einer solchen Revision wird die Anpassung einer formell rechtskräftig zugesprochenen Dauerleistung an eine nach der Leistungszusprache eingetretene Veränderung des massgebenden Sachverhaltes bezweckt. Die Revision zielt also nicht auf die Korrektur eines Fehlers ab, an dem die ursprüngliche leistungszusprechende Verfügung von Beginn weg gelitten hat, sondern sie will eine ursprünglich richtige, aber nachträglich falsch gewordene Verfügung „aktualisieren“, das heisst so anpassen, dass sie ex nunc et pro futuro - den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen entspricht und damit wieder „richtig wird“. Diesem Sinn und Zweck der Revision entsprechend muss sich eine Revisionsverfügung auf eine Anpassung der Dauerleistung an effektive Sachverhaltsveränderungen beschränken. Eine Korrektur von Fehlern, an denen die ursprüngliche leistungszusprechende Verfügung von Beginn weg gelitten hat, ist ausgeschlossen, denn eine solche liefe auf eine Wiedererwägung der ursprünglichen Verfügung hinaus, ohne dass die entsprechenden (strengen) Voraussetzungen (Art. 53 Abs. 2 ATSG) erfüllt wären (vgl. zum Ganzen RALPH JÖHL, Die Revision nach Art. 17 ATSG, in: JaSo 2012, S. 153 ff.). Ebenso unzulässig ist es, eine laufende Dauerleistung für die Zukunft abzuändern, wenn nur eine anderslautende Beurteilung eines an sich unverändert gebliebenen Sachverhaltes zu einem anderen Resultat führt (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 17 N 26, mit Hinweisen). Bei der Prüfung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung hat sich das Versicherungsgericht folglich auf die Beantwortung der Frage zu beschränken, ob und allenfalls in welcher Hinsicht beziehungsweise mit welchen Folgen sich der massgebende Sachverhalt seit der ursprünglichen Rentenzusprache am 12. Februar 2009 verändert hat.

3.

Aus dem sorgfältig erarbeiteten und in jeder Hinsicht überzeugenden Gutachten der Dres. J. , G. und H. vom März 2016 geht eindeutig hervor, dass sich

bezüglich der Gesundheitsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers seit der ursprünglichen Rentenzusprache nichts Wesentliches verändert hat. Der Beschwerdeführer hat im hier massgebenden Zeitpunkt der Eröffnung der angefochtenen Revisionsverfügung vom 30. September 2016 nach wie vor an einer schwerstgradigen beidseitigen Hörschädigung gelitten, die seit der Geburt bestanden hat. Auch in psychischer Hinsicht hat sich sein Gesundheitszustand nicht verändert: Das vom Neuropsychologen Dr. G. festgestellte und vom Psychiater Dr. J. bestätigte ADHS hat schon seit der Kindheit bestanden, wie die Sachverständigen anhand der bis in jene Zeit zurückreichenden Akten der Beschwerdegegnerin überzeugend aufgezeigt haben. Die von den Sachverständigen beschriebene Spracherwerbsbeziehungsweise Kommunikationsstörung des Beschwerdeführers hat ebenfalls schon seit jeher bestanden, auch wenn sie erst im Gutachten vom März 2016 erstmals detailliert beschrieben worden ist. Entgegen der Ansicht der RAD-Ärztin Dr.

I. lässt sich auch aus der rein subjektiven, durch nichts belegten Aussage des seine Fähigkeiten regelmässig (teils erheblich) überschätzenden Beschwerdeführers, er sei nun „reifer“ beziehungsweise „erwachsener“ geworden, keine relevante Veränderung des massgebenden Sachverhaltes konstruieren. Anhand der objektiven Angaben in den Akten geht vielmehr mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit hervor, dass sich bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers seit der ursprünglichen Rentenzusprache nichts geändert hat. Auch der massgebende allgemeine und ausgeglichene Arbeitsmarkt hat zwischenzeitlich keine wesentliche Veränderung erfahren. Der Beschwerdeführer hätte im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenzusprache nur in einem geschützten Rahmen arbeiten können, was von den Akten aus der damaligen Zeit eindeutig belegt wird: Der Beschwerdeführer hat es kaum geschafft, eine einfache Anlehre in einem geschützten Rahmen erfolgreich abzuschliessen, was aber nicht auf schulische Probleme (in der auf Hörbehinderte spezialisierten Schule erzielte er gute Noten), sondern auf Probleme am zwar geschützten, aber nicht spezifisch auf Hörbehinderte ausgerichteten Arbeitsplatz zurückzuführen ist. Der Lehrbetrieb hat nach dem Lehrabschluss nur eine Tätigkeit in einem geschützten Rahmen als zumutbar erachtet. Der RAD-Arzt Dr. D. hat in der Folge notiert, es sei offensichtlich, dass der Beschwerdeführer nur in einem geschützten Rahmen arbeiten könne. Auch im Zeitpunkt der Eröffnung der angefochtenen Verfügung hätte der Beschwerdeführer nur in einem geschützten

Rahmen arbeiten können. Das wird durch die Gutachten der Dres. J. , G. und H. anschaulich belegt: Der Beschwerdeführer tut sich nicht nur mit der

lautsprachlichen Kommunikation schwer. Auch die schriftliche Kommunikation bereitet ihm grosse Mühe. Man müsste ihm Anweisungen idealerweise anhand von Bildern erteilen, die er wesentlich besser als schriftliche Anordnungen verstehen würde. Bei der lautsprachlichen Kommunikation scheitert der Beschwerdeführer bereits bei zweiteiligen Sätzen. Um sicher zu gehen, dass er den Inhalt eines Gesprächs wirklich versteht, muss man in einfachen, kurzen Sätzen mit ihm sprechen, wobei man sich eines minimalen Wortschatzes bedienen muss. Dafür muss man sich Zeit nehmen, denn man muss dem Beschwerdeführer ins Gesicht schauen, damit er sich mit Lippenablesen beim Verständnis behelfen kann. Gerade in handwerklichen Tätigkeiten ist das aber schwierig zumindest unüblich, denn in aller Regel erklärt man Arbeitsschritte, während man diese ausübt, was auch der Beschwerdeführer als problematisch beschrieben hat. Wie Dr. J. treffend festgehalten hat, sind die Anforderungen an einen potentiellen Arbeitgeber zusammenfassend also immer noch

„sehr hoch“. Es verwundert nicht weiter, dass ein ehemaliger Arbeitgeber nach einem Arbeitsversuch geltend gemacht hat, ein Schnupperstift würde ihm mehr nützen als der Beschwerdeführer, der nur eine geringe Arbeitsleistung erbringe und den ganzen Betrieb aufhalte. Die Beschwerdegegnerin ist zwar davon ausgegangen, dass die von Beschwerdeführer während einer kurzen Zeit ausgeübte Tätigkeit als Pizzakurier das Gegenteil belege, aber diese Annahme ist falsch, denn der Beschwerdeführer hat diese Arbeitsstelle (wie schon andere davor) bereits nach kürzester Zeit wieder verloren. Diesbezüglich kann entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine Arbeitsstelle nur wegen der Observation aufgegeben habe, handelt es sich bei seiner entsprechenden Angabe doch nur um eine von mehreren alternativen Begründungen, die er im Lauf des Verfahrens vorgebracht hat, wobei die „Aussage der ersten Stunde“ jene gewesen ist, dass ihn sein

Arbeitgeber belogen und „beschissen“ haben soll. Zusammenfassend steht fest, dass der Beschwerdeführer noch immer nur in einem geschützten Rahmen erwerbstätig sein kann, sodass sich der massgebende Sachverhalt seit der ursprünglichen Rentenzusprache nicht wesentlich verändert hat. Die angefochtene Verfügung erweist

sich damit als rechtswidrig, weshalb sie aufzuheben ist. Der Beschwerdeführer hat weiterhin einen unveränderten Anspruch auf die bisherige Rente.

4.

    1. Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen. Die Gerichtskosten von 600 Franken sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten. Deren Betrag richtet sich nach dem erforderlichen Vertretungsaufwand. Dieser ist bezüglich der Zeit bis zum Abschluss des zweiten Schriftenwechsels als durchschnittlich zu qualifizieren. Hätte kein weiterer Schriftenwechsel mehr stattgefunden, wäre dem Beschwerdeführer folglich praxisgemäss eine Parteientschädigung von 3’500 Franken zugesprochen worden, mit der er den erforderlichen Vertretungsaufwand seiner ersten Rechtsvertreterin hätte bezahlen können.

    2. Nun stellt sich aber die Frage, ob der Beschwerdeführer einen zusätzlichen Entschädigungsanspruch bezüglich jenes Aufwandes hat, den sein zweiter - nach dem Abschluss des ordentlichen Schriftenwechsels beauftragter - Rechtsvertreter betrieben hat. Diese Frage kann nicht grundsätzlich verneint werden, denn es ist nicht a priori ausgeschlossen, dass nach dem Abschluss des ordentlichen Schriftenwechsels noch ein erforderlicher Vertretungsaufwand anfallen könnte. Vorliegend ist kein solcher erforderlicher Aufwand auszumachen. Der zweite Rechtsvertreter hat in seinen Eingaben nur wiederholt, was die erste Rechtsvertreterin bereits geltend gemacht hatte. Neu sind nur die von ihm eingereichten schriftlichen Angaben der ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers gewesen. Diesen kann allerdings zum Vorneherein kein Beweiswert zugemessen werden, da aus der vom zweiten Rechtsvertreter eingereichten Honorarnote klar hervorgeht, dass dieser die ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers bereits vor dem Verfassen seiner Fragebögen mehrfach telefonisch und per E-Mail kontaktiert hatte. Der Inhalt der Telefonate und der E-Mails ist nicht bekannt, weshalb nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass es dabei zu einer Beeinflussung der Zeugen gekommen sein könnte. Die vom zweiten Rechtsvertreter eingereichten Beweismittel sind folglich zum Vorneherein untauglich gewesen, weshalb sich der Aufwand, den er diesbezüglich betrieben hat, als überflüssig beziehungsweise als unnötig erweist. Selbstverständlich hat die Beschwerdegegnerin auch den Aufwand

für die Einarbeitung des zweiten Rechtsvertreters ins Dossier nicht zu bezahlen, schuldet sie doch bereits eine Entschädigung für die Einarbeitung der ersten Rechtsvertreterin ins Dossier. Zusammenfassend erweist sich der gesamte vom zweiten Rechtsvertreter betriebene Aufwand als nicht entschädigungsfähig. Das bedeutet, dass die (für die Bezahlung der ersten Rechtsvertreterin gedachte) Parteientschädigung auf 3’500 Franken (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen ist.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 30. September 2016 aufgehoben und die laufende ganze Invalidenrente wird bestätigt.

2.

Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von 600 Franken zu bezahlen.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit 3’500 Franken zu

entschädigen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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