Zusammenfassung des Urteils IV 2016/164: Versicherungsgericht
A. hat sich im November 2005 bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen angemeldet und wurde aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen mit einer halben Rente ab dem 1. August 2006 unterstützt. Nach einem Antrag auf Rentenerhöhung im August 2013, der zunächst abgelehnt wurde, wurde dieser Entscheid durch das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im Dezember 2014 aufgehoben. Es wurden weitere medizinische Gutachten eingeholt, die eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bestätigten. Trotzdem wurde ein erneuter Antrag auf Rentenerhöhung im April 2016 abgelehnt, woraufhin A. Beschwerde einreichte. Das BEGAZ wurde mit einer polydisziplinären Begutachtung beauftragt, die jedoch keine überzeugende Begründung für die Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent lieferte. Das Versicherungsgericht wies die Verfasser des Gutachtens darauf hin, dass eine solche Begründung fehlt und die Verfugung wurde aufgehoben, die Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückgewiesen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2016/164 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 11.12.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 17 Abs. 1 ATSG. Rentenrevision (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St Gallen vom 11. Dezember 2018, IV 2016/164). |
Schlagwörter : | ähig; Sachverständige; Arbeitsfähigkeit; IV-act; Prozent; BEGAZ; Sachverhalt; Gutachten; Sachverständigen; Rente; IV-Stelle; Verfügung; Begründung; Tätigkeiten; Arbeitsunfähigkeit; Beschwerdeführers; Versicherungsgericht; Untersuchung; Einschränkung; Revision; Gonarthrose; Arbeitsfähigkeitsschätzung; Stellung; Franken |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 43 ATSG ;Art. 53 ATSG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin HuberStuderus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt
Geschäftsnr.
IV 2016/164
Parteien
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Karin Herzog, M.A. HSG in Law, Amparo Anwälte und Notare, Neugasse 26, Postfach 148,
9001 St. Gallen, gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
Gegenstand
Rentenrevision (Erhöhung) Sachverhalt
A.
A. meldete sich im November 2005 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an (IV-act. 1). Der Allgemeinmediziner Dr. med. B. berichtete im Dezember 2005 (IV-act. 4), der Versicherte leide an einer Gonarthrose und an einer Femoropatellararthrose rechts sowie an einer Spinalkanalstenose L4/5 und an einer Osteochondrose L5/S1. Als Metallarbeiter sei der Versicherte nicht mehr arbeitsfähig. Leichte Tätigkeiten seien ihm aber zumutbar. Im Auftrag der IV-Stelle erstattete die Klinik C. am 30. Juni 2008 ein medizinisches Gutachten (IV-act. 62). Die Sachverständigen hielten fest, der Versicherte leide an einem chronischen lumbospondylogenen Syndrom rechts, an einer Pangonarthrose rechts, an einer Anpassungsstörung mit einer Störung der Gefühle und des Sozialverhaltens sowie an einer akzentuierten Persönlichkeit mit emotional-instabilen und impulsiven Zügen. Die angestammte Tätigkeit als Metallarbeiter sei ihm nicht mehr, eine körperlich sehr leichte bis punktuell leichte, vorwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit von Wechselbelastung und ohne Arbeiten auf den Knien, in der Hockestellung und ohne repetitive Kniebeugen dagegen halbtags zumutbar. Im August 2008 notierte Dr. med. D. vom IV-internen regionalen ärztlichen Dienst (RAD), auf das Gutachten könne vollumfänglich abgestellt werden (IV-act. 69). Mit einer Verfügung vom 3. April 2009/24. August 2009 sprach die IV-Stelle dem Versicherten bei einem Invaliditätsgrad von 57 Prozent mit Wirkung ab dem 1. August 2006 eine halbe Rente zu (IV-act. 90 f.).
Im August 2013 ersuchte der Versicherte um eine Rentenerhöhung (IV-act. 131-1 f.). Er machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich somatisch und psychisch verschlechtert. Das Spital E. hatte in einem Bericht vom 21. März 2013 eine beidseitige Gonarthrose, rechts mehr als links, erwähnt (IV-act. 131-3 f.). Die IV-Stelle wies dieses Revisionsbegehren mit einer Verfügung vom 4. März 2014 ab (IV-act. 142). Mit einem Entscheid vom 15. Dezember 2014 hob das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen diese Verfügung auf (IV 2014/170; vgl. IV-act. 182). Es hielt fest, die IV-Stelle habe offenbar mangels Glaubhaftmachung einer relevanten Sachverhaltsveränderung nicht auf das neue Begehren eintreten wollen, habe dieses aber mit der Verfügung vom 4. März 2014 materiell abgewiesen. Diesem materiellen Entscheid sei eine ungenügende Sachverhaltsabklärung vorangegangen. Zudem sei in den Akten eine relevante Sachverhaltsveränderung ausgewiesen, nämlich eine nun auch auf der linken Seite aufgetretene Gonarthrose. Die IV-Stelle habe weitere medizinische Sachverhaltsabklärungen zu tätigen. In der Folge holte die IV-Stelle aktuelle Berichte bei den behandelnden Ärzten ein. Der Neurologe Dr. med. F. berichtete im Mai 2015 (IV-act. 204), der Versicherte leide an einer chronifizierten, ausgeprägten, zunehmenden Depression bei einer stark belastenden Vergangenheit sowie an einem chronischen Lumbovertebralsyndrom. Seit Januar 2013 seien nur einfache leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von höchstens 20-30 Prozent zumutbar. Die Allgemeinmedizinerin Dr. med. G. gab im Juni 2015 an (IV-act. 207), der Versicherte leide an einem chronischen lumbo-spondylogenen Syndrom sowie an Gonalgien bei einer ausgeprägten Gonarthrose auf beiden Seiten. Er sei nicht in der Lage, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Allenfalls müsse ihm rechts eine Knietotalendoprothese eingesetzt werden. Im Oktober 2015 beauftragte die IV-Stelle das BEGAZ mit einer polydisziplinären Begutachtung (IV-act. 221). Das entsprechende Gutachten wurde am 25. Januar 2016 erstellt (IV-act. 224). Der fallführende internistische Sachverständige hielt fest, in der Untersuchung habe der Versicherte teilweise eingeschränkt kooperiert und es hätten sich Hinweise auf eine Aggravation ergeben. Der neuropsychologische Sachverständige führte aus, beim Versicherten liege eine insgesamt leichte neuropsychologische Störung vor, die eine kognitive Verlangsamung und eine erhöhte Ablenkbarkeit verursache und dadurch die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in einer Tätigkeit mit einer durchschnittlichen Beanspruchung der Aufmerksamkeit und der Konzentration geringfügig einschränke. Der neurologische Sachverständige hielt fest, der Versicherte leide an einem generalisierten Schmerzsyndrom bei einem chronischen lumbo-spondylogenen Schmerzsyndrom mit degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule ohne einen Nachweis eines radiculären Reizoder Ausfallsyndroms und bei einem chronischen cervico-spondylogenen Schmerzsyndrom ohne einen Nachweis einer radiculären spinalen Funktionsstörung sowie an einem chronischen
multifaktoriellen Kopfschmerz mit einer cervicogenen Komponente, einem Spannungskopfschmerz-Anteil und einem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz („MÜKS“). Die frühere Tätigkeit als Mitarbeiter im Metallbau sei dem Versicherten nicht mehr zumutbar. Er könne aber eine wechselbelastende Tätigkeit mit einer Beschränkung auf leichte, nicht repetitive Hebeund Tragebelastungen, ohne vorwiegend einseitige Körperhaltungen im Umfang von 60 Prozent ausüben. Der orthopädische Sachverständige führte aus, der Versicherte leide an einem chronischen, sensiblen, rechtsbetonten lumbo-radiculären L5-Syndrom, an einem chronischen, progredienten Schmerzsyndrom der Kniegelenke, rechts mehr als links, sowie ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit an Knick-, Senkund Spreizfüssen und an einem unspezifischen cervico-vertebralen Schmerzsyndrom. Der Versicherte beziehe bereits eine halbe Rente. Im Oktober 2013 sei erstmals über eine Gonarthrose im linken Knie berichtet worden. Folglich könne ab diesem Datum eine zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von zehn Prozent berücksichtigt werden. Der psychiatrische Sachverständige konnte keine Gesundheitsbeeinträchtigung mit einer Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit objektivieren. Abschliessend hielten die Sachverständigen fest, dass dem Versicherten für die Zeit bis Oktober 2013 insgesamt eine Arbeitsfähigkeit von 60 Prozent und ab Oktober 2013 eine solche von 50 Prozent für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten zu attestieren sei. Die RAD-Ärztin Dr. med. H. notierte am 4. Februar 2016, das Gutachten des BEGAZ sei überzeugend, weshalb in medizinischer Hinsicht darauf abzustellen sei (IV-act. 225).
Mit einem Vorbescheid vom 1. März 2016 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit (IV-act. 228), dass sie die Abweisung seines Rentenerhöhungsgesuchs vorsehe. Zur Begründung führte sie an, bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent in leidensadaptierten Tätigkeiten resultiere nach wie vor ein Invaliditätsgrad, der zum Bezug einer halben Rente berechtige. Dagegen wandte der Versicherte am 31. März 2016 ein (IV-act. 229), die IV-Stelle habe die Berichte der behandelnden Ärzte nicht korrekt berücksichtigt. Sogar die „untersuchende Kommission“ sei von einer zusätzlichen Arbeitsunfähigkeit von zehn Prozent ausgegangen. Man höre immer wieder davon, dass die „untersuchenden Kommissionen“ von der Invalidenversicherung unter Druck gesetzt würden. Es existierten sogar entsprechende Tonbandaufnahmen. Die IV-Stelle forderte den Versicherten am 1. April 2016 auf, die erwähnten Tonbandaufnahmen einzureichen (IV-act. 230). Nachdem der Versicherte
die IV-Stelle darüber informiert hatte, dass der fallführende internistische Sachverständige des BEGAZ ihm mitgeteilt hatte, die Tonbandaufnahmen würden nur zu Qualitätszwecken angefertigt und nach der Fertigstellung eines Gutachtens wieder vernichtet (IV-act. 232-1), verfügte die IV-Stelle am 20. April 2016 die Abweisung des Rentenerhöhungsgesuchs (IV-act. 233).
B.
Am 19. Mai 2016 liess der nun anwaltlich vertretene Versicherte (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen die Verfügung vom 20. April 2016 erheben (act. G 1 und G 3). Seine Rechtsvertreterin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen sowie eventualiter die Rückweisung der Angelegenheit an die IV-Stelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) zur weiteren Abklärung. Zur Begründung führte sie aus, die Sachverständigen des BEGAZ hätten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers seit der Rentenzusprache bestätigt. Der orthopädische Sachverständige habe während der Begutachtung angegeben, dass er auf Geheiss der Beschwerdegegnerin keine geringere Arbeitsfähigkeit als 50 Prozent attestieren dürfe. Hierüber sei während der Untersuchung etwa zehn Minuten lang diskutiert worden. Die entsprechende Tonbandaufnahme sei leider zwischenzeitlich vernichtet worden. Die Sachverständigen hätten nicht erklärt, weshalb sie für die Zeit vor Oktober 2013 im Widerspruch zum Gutachten der Klinik C. eine Arbeitsfähigkeit von 60 Prozent attestiert hätten. Dieses Attest überzeuge nicht. Unter Berücksichtigung der auf Oktober 2013 datierten Reduktion der Arbeitsfähigkeit um weitere zehn Prozent liege der aktuelle Arbeitsfähigkeitsgrad des Beschwerdeführers bloss noch bei 40 Prozent. Hinzu komme eine weitere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen. Das psychiatrische Teilgutachten des BEGAZ überzeuge nicht. Unter Berücksichtigung eines Tabellenlohnabzuges von zehn Prozent resultiere aber ohnehin bereits ein Invaliditätsgrad von 70 Prozent, der zum Bezug einer ganzen Rente berechtige.
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 29. September 2016 die Abweisung der Beschwerde (act. G 7). Zur Begründung führte sie an, das Gutachten der BEGAZ GmbH sei in jeder Hinsicht überzeugend. Der Vorwurf einer unzulässigen Beeinflussung
des orthopädischen Sachverständigen ziele ins Leere, da die Gutachtensaufträge klar strukturiert und automatisiert vergeben würden. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers nach der Rentenzusprache sei geringfügig und wirke sich folglich nicht massgebend auf den Invaliditätsgrad aus. Im Ergebnis erweise sich die angefochtene Verfügung als rechtmässig.
Der Beschwerdeführer liess replicando an seinen Anträgen festhalten (act. G 10).
Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf eine Duplik (act. G 12).
Mit einem Schreiben vom 24. Juli 2018 forderte das Versicherungsgericht das BEGAZ auf anzugeben (act. G 16), weshalb dem Beschwerdeführer trotz einer ausgewiesenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes eine unveränderte Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei und wie die (für medizinische Laien nachvollziehbare und überzeugende) Begründung für das Attest einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent selbst für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten laute. Im Gutachten fehle eine solche Begründung. Aus nicht-medizinischer Sicht sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an einem idealen Arbeitsplatz ohne grössere Einschränkungen arbeitsfähig sein könnte. Am 28. September 2018 antwortete das BEGAZ (act. G 18), nach einer erneuten Durchsicht der Akten hielten die Sachverständigen an ihrer Arbeitsfähigkeitsschätzung fest. Der internistische Sachverständige wies auf die zahlreichen Inkonsistenzen bei der Untersuchung hin. Der neurologische Sachverständige wies ebenfalls auf Inkonsistenzen und zusätzlich auf psychosoziale Belastungsfaktoren hin. Er hielt aber auch fest, dass sich der Gesundheitszustand der Wirbelsäule bildgebend verschlechtert habe. Dennoch seien die geltend gemachten Einschränkungen aus objektiv-neurologischer Sicht nicht nachvollziehbar. Auch der orthopädische Sachverständige wies auf verschiedene Inkonsistenzen hin. In der Konsensbesprechung sei von den Sachverständigen einstimmig die Auffassung vertreten worden, dass die Arbeitsfähigkeitsschätzung der Klinik C. nicht überzeuge. Der neurologische Sachverständige des BEGAZ habe den Arbeitsunfähigkeitsgrad des Beschwerdeführers auf 40 Prozent geschätzt. Dabei habe er explizit festgehalten, dass wahrscheinlich eine teiladditive Auswirkung der Gonarthrose zu berücksichtigen sei. Der orthopädische Sachverständige habe diese zusätzliche Einschränkung auf zehn Prozent geschätzt.
Das Versicherungsgericht wies die Sachverständigen des BEGAZ mit einem Schreiben vom 3. Oktober 2018 darauf hin (act. G 19), dass die Stellungnahme vom 28. September 2018 noch immer keine nachvollziehbare und überzeugende Begründung für das Attest einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent selbst für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten enthalte. Es forderte die Sachverständigen auf, diesbezüglich nochmals Stellung zu nehmen. Am 8. Oktober 2018 antwortete der fallführende internistische Sachverständige (act. G 20), angesichts des klar ausgewiesenen objektiven Beschwerdekerns habe der Beschwerdeführer sicherlich Schmerzen, weshalb mit einer Verlangsamung zu rechnen sei. Sicherlich sei der Beschwerdeführer auch auf vermehrte Pausen angewiesen. Gesamthaft schätze man diese Einschränkung auf 50 Prozent. Die Parteien nahmen keine Stellung zu den Ausführungen des BEGAZ vom 28. September 2018 und vom 8. Oktober 2018 (vgl. act. G 21).
Erwägungen
1.
Beim Verwaltungsverfahren, das mit der angefochtenen Verfügung vom 20. April 2016 abgeschlossen worden ist, hat es sich um ein Revisionsverfahren im Sinne des Art. 17 ATSG gehandelt. Der Zweck eines solchen Revisionsverfahrens besteht darin, eine formell rechtskräftig zugesprochene laufende Dauersozialversicherungsleistung an eine nachträgliche Sachverhaltsveränderung anzupassen. Nicht zum Gegenstand eines Revisionsverfahrens gehört folglich die Korrektur von Fehlern, die von Beginn weg also bereits bei der ursprünglichen Rentenzusprache bestanden haben, denn eine solche Korrektur ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 53 Abs. 1 ATSG (sog. prozessuale Revision) des Art. 53 Abs. 2 ATSG (Wiedererwägung) zulässig (vgl. zum Ganzen RALPH JÖHL, Die Revision nach Art. 17 ATSG, JaSo 2012, S. 153 ff.). Eine bloss anderslautende Beurteilung eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhaltes rechtfertigt folglich keine Revision (vgl. etwa UELI KIESER, ATSGKommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 17 N 26, mit Hinweisen). Im vorliegenden Verfahren ist deshalb ausschliesslich zu prüfen, ob sich der für den Rentenanspruch des Beschwerdeführers massgebende Sachverhalt seit der ursprünglichen Rentenzusprache am 3. April 2009/24. August 2009 erheblich verändert hat.
2.
Laut dem Art. 43 Abs. 1 ATSG hat der Versicherungsträger im Verwaltungsverfahren die Begehren zu prüfen, die notwendigen Abklärungen durchzuführen und die erforderlichen Auskünfte einzuholen. Mit anderen Worten gilt der Untersuchungsgrundsatz. Der Versicherungsträger ist also gesetzlich verpflichtet, all jene Ermittlungen durchzuführen, die notwendig sind, um den relevanten Sachverhalt mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erstellen. Vorliegend haben die Abklärung des medizinischen Sachverhaltes und die Beantwortung der Fragen im Vordergrund gestanden, ob sich der massgebende Sachverhalt seit der ursprünglichen Rentenzusprache am 3. April 2009/24. August 2009 massgeblich verändert habe und in welchem Umfang der Beschwerdeführer aktuell arbeitsfähig sei. Die Beschwerdegegnerin hat dafür bei sämtlichen behandelnden Fachärzten Berichte eingeholt und sie hat beim BEGAZ ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten enthält eine ausführliche Würdigung der medizinischen Vorakten und eine eingehende Wiedergabe sowohl der vom Beschwerdeführer bei den persönlichen Untersuchungen geklagten Beschwerden als auch der von den Sachverständigen erhobenen objektiven klinischen Befunde. Ausgehend von dieser umfassenden Datenlage haben die Sachverständigen überzeugend begründete Diagnosen gestellt. Hingegen fehlt im Gutachten eine ausreichende Begründung für die Arbeitsfähigkeitsschätzung. Für einen medizinischen Laien ist nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar, weshalb die von den Sachverständigen erhobenen klinischen Befunde die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers selbst in einer ideal leidensadaptierten Tätigkeit um die Hälfte einschränken sollten. Das Gutachten erweckt (aus der Sicht eines medizinischen Laien) den Eindruck, als müssten die Diagnosen per se das Arbeitsunfähigkeitsattest für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten begründen, obwohl die Arbeitsfähigkeit doch nicht von der Diagnose, sondern vielmehr von den konkreten objektiven klinischen Einschränkungen abhängt. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat zunächst angenommen, die Sachverständigen des BEGAZ hätten es lediglich versehentlich versäumt, die Begründung für ihre Arbeitsfähigkeitsschätzung im Gutachten schriftlich festzuhalten. Auf die erste Nachfrage des Versicherungsgerichtes vom 24. Juli 2018 haben sie aber am 28. September 2018 lediglich nochmals Auszüge aus dem Gutachten wiedergegeben, wobei sie besonders jene Inkonsistenzen betont haben, die ihnen bei den Untersuchungen aufgefallen waren. Weshalb dies für die
Beantwortung der Frage des Versicherungsgericht hätte wichtig sein sollen, lässt sich der Stellungnahme vom 28. September 2018 nicht entnehmen, denn nach der auszugsweisen Wiedergabe von Passagen des Gutachtens (unter besonderer Betonung von Inkonsistenzen) haben die Sachverständigen lediglich wiederum ohne jede Begründung festgehalten, sie seien nach wie vor davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer selbst für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten zu 50 Prozent arbeitsunfähig sei. Die Stellungnahme des BEGAZ vom 28. September 2018 trägt also nicht zur Klärung des Sachverhaltes bei, sondern führt nur zu einer zusätzlichen Verwirrung. Trotzdem hat das Versicherungsgericht die Sachverständigen in einer zweiten Rückfrage vom 3. Oktober 2018 darauf hingewiesen, dass noch immer eine Begründung für das Attest einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent sogar für ideal leidensadaptierte Tätigkeiten fehle. Es forderte die Sachverständigen nochmals auf, eine solche Begründung zu liefern. Dabei wies es darauf hin, dass „beispielsweise eine schmerzbedingte Verlangsamung ein erhöhter Pausenbedarf“ mögliche Gründe für ein solches Arbeitsunfähigkeitsattest sein könnten. Am 8. Oktober 2018 antwortete das BEGAZ: „Der Explorand hat sicherlich Schmerzen; dadurch können Tätigkeiten langsamer ausgeführt werden; er ist sicherlich auch auf vermehrte Pausen angewiesen“. Diese Antwort überzeugt nicht, weil sie sich in einer Wiederholung der vom Versicherungsgericht beispielhaft genannten Gründe für eine Arbeitsunfähigkeit in einer ideal leidensadaptierten Tätigkeit erschöpft hat und weil sie so vage formuliert ist, dass sie keine Überzeugungskraft besitzt. Auch nach zwei Rückfragen fehlt es dem nicht weniger als 78 Seiten umfassenden Gutachten also an einer überzeugenden Begründung für das ausschlaggebende Sachverhaltselement, nämlich für den Arbeitsfähigkeitsgrad in einer ideal leidensadaptierten Tätigkeit. Auch die Berichte der behandelnden Ärzte enthalten keine überzeugende Arbeitsfähigkeitsschätzung. Hinzu kommt, dass Dr. G. im Juni 2015 die Implantation einer Totalendoprothese im rechten Knie empfohlen hatte (vgl. IV-act. 224-81 ff.), was allenfalls zu einer Verbesserung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hätte führen können. Der orthopädische Sachverständige des BEGAZ ist darauf nur am Rande eingegangen, denn er hat lediglich festgehalten, dass bezüglich einer Prothesenversorgung
„aufgrund nicht-orthopädischer Probleme vorerst eine gewisse Zurückhaltung
geboten“ sei (IV-act. 224-63). Das erscheint auf den ersten Blick zwar als einleuchtend,
vermag für sich allein aber nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu belegen, dass eine entsprechende Operation zum Vorneherein ungeeignet wäre, die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers zu verbessern. Damit erweist sich der massgebende Sachverhalt in Bezug auf zwei elementare Aspekte als ungenügend abgeklärt: Erstens ist ungewiss, ob sich die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht doch noch durch medizinische Massnahmen (Knieprothese rechts) verbessern lässt, und zweitens fehlt es generell an einer überzeugenden Arbeitsfähigkeitsschätzung. Die angefochtene Verfügung ist folglich in Verletzung der Untersuchungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ergangen, weshalb sie als rechtswidrig aufzuheben ist. Da es nicht die Aufgabe des Versicherungsgerichtes sein kann, ein Versäumnis der Verwaltung bezüglich deren ureigenster Aufgabe - der Sachverhaltsabklärung zu beheben (was hier allerdings letztlich leider erfolglos mittels Rückfragen an das BEGAZ versucht worden ist), ist die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung und zur anschliessenden neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Die Rückweisung rechtfertigt sich insbesondere auch mit Blick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer allenfalls unter Hinweis auf seine Schadenminderungspflicht noch angehalten werden muss, sich eingliederungswirksamen medizinischen Massnahmen zu unterziehen.
3.
Hinsichtlich der Kostenund Entschädigungsfolgen gilt dieses Ergebnis als ein vollständiges Obsiegen des Beschwerdeführers. Die Gerichtskosten von 600 Franken sind folglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Auch die Kosten für die ergänzende Stellungnahme des BEGAZ sind der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, denn es handelt sich dabei um Sachverhaltsabklärungskosten, die von der abklärungspflichtigen Beschwerdegegnerin zu bezahlen sind. Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Seine Rechtsvertreterin hat einen Vertretungsaufwand von gut 16 Stunden und dementsprechend ein Honorar von 4’512.45 Franken geltend gemacht (act. G 14.1). Da es sich vorliegend um einen durchschnittlich aufwendigen Rentenrevisionsfall handelt, erweist sich die Honorarnote als übersetzt. Die Parteientschädigung ist deshalb praxisgemäss auf 3’500 Franken festzusetzen (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 20. April 2016 aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Abklärung und zur anschliessenden neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
2.
Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von 600 Franken zu bezahlen.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten für die Rückfragen an das BEGAZ von 2’100
Franken zu bezahlen.
4.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit 3’500 Franken zu
entschädigen.
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