Zusammenfassung des Urteils IV 2013/561: Versicherungsgericht
Der Fall handelt von einem ausländischen Staatsangehörigen, der in die Schweiz eingereist ist und eine Invalidenrente beantragt hat, da er an verschiedenen gesundheitlichen Problemen leidet. Die Ärzte stellten fest, dass seine Gesundheitsprobleme, insbesondere die Osteomalazie, bereits vor seiner Einreise in die Schweiz vorhanden waren. Trotzdem hat das Amt für Invalidenversicherung des Kantons Waadt den Rentenantrag abgelehnt. Der Fall wurde vor Gericht gebracht, und das Gericht entschied zugunsten des Klägers, da das Amt nicht ausreichend überprüft hatte, ab wann seine Arbeitsunfähigkeit bestand. Die Gerichtskosten betragen 2000 CHF, und es fallen keine weiteren Gerichtsgebühren an.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2013/561 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 16.12.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 8 ATSG, invalidisierende Wirkung einer Depression. Der psychiatrisch- medizinische Sachverhalt ist insbesondere hinsichtlich des Einflusses invaliditätsfremder psychosozialer Faktoren ungenügend abgeklärt. Weiter macht die Beschwerdeführerin somatische Beschwerden geltend, welche nicht abgeklärt wurden. Rückweisung zur Vornahme eines polydisziplinären Gutachtens (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. Dezember 2015, IV 2013/561). |
Schlagwörter : | ähig; Arbeit; IV-act; Arbeitsfähigkeit; Leistung; Faktoren; Massnahmen; Bericht; Zustand; Abklärung; Invalidität; Hinweis; Behandlung; Verfügung; Invalide; Anspruch; Belastung; Anpassungsstörung; Reaktion; Gutachten; Besserung; Hinweise; Erwerbsunfähigkeit; IV-Stelle; Invalidenversicherung; Klinik |
Rechtsnorm: | Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ; |
Referenz BGE: | 107 V 21; 117 V 282; 122 V 158; 125 V 352; 125 V 353; 126 V 360; 127 V 299; 130 V 396; 137 V 227; 141 V 285; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 16. Dezember 2015
Besetzung
Vizepräsidentin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichter Joachim Huber, Versicherungsrichterin Marie Löhrer; Gerichtsschreiberin Beatrix Zahner
Geschäftsnr. IV 2013/561
Parteien
A. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Kreso Glavas, Advokatur
Glavas AG, Haus zur alten Dorfbank, 9313 Muolen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
Gegenstand IV-Leistungen Sachverhalt A.
A. meldete sich am 31. Januar 2012 unter Hinweis auf eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Invalidenversicherung (IV) an (IV-act. 1).
Der Versicherten war am 27. September 2011 aus organisatorischen Gründen die Arbeitsstelle bei der B. auf den 31. Dezember 2011 gekündigt worden (IVact. 13-6).
Am 9. Januar 2012 hatte die Versicherte einen Rehabilitationsaufenthalt in der Klinik C. angetreten. Dieser dauerte bis 10. Februar 2012. Dr. med. D. , Oberarzt, stellte die Diagnose einer Anpassungsstörung mit Angst und Depressivität gemischt (ICD-10: F43.2) und berichtete über einen erfolgreichen Behandlungsverlauf (IV-
act. 28-17 f., Bericht vom 27. Februar 2012). Am 4. April 2012 berichteten Dr. D. und Dr. med. E. , Chefarzt der Klinik C. , die Versicherte sei am 10. September 2010 erstmals zur Behandlung gekommen. Sie habe damals über seit Januar 2010 bestehende Niedergestimmtheit, bedrückte Stimmungslage, erhöhte Reizbarkeit, Rückzug und Schlafstörungen geklagt. Der Zustand habe sich unter medikamentöser Therapie stabilisiert. Nach der Kündigung im September 2011 hätten eine eintägige Hospitalisation und die Verstärkung der medikamentösen Therapie zunächst gute Resultate gebracht, doch sei es im Dezember 2011 zu einer Zustandsverschlechterung und zu einer stationären Aufnahme in der Klinik C. gekommen. Die Stimmungslage habe sich bis zum Februar 2012 stabilisiert, im März 2012 habe jedoch eine
niedergestimmte und hoffnungslose Lage bestanden. Die Versicherte sei sehr angespannt und wortkarg, sehr verschlossen und traurig. Sie berichte über Antriebsund Energielosigkeit, erhöhte Reizbarkeit und Aggressivität gegen Gegenstände (IVact. 14-3). Die Ärzte diagnostizierten eine seit Januar 2010 bestehende atypische Depression mittelgradiger Ausprägung mit somatischem Syndrom (ICD-10: F32.8), hervorgegangen aus einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (IVact. 14-2). Als Einschränkungen bestünden Konzentrationsstörungen, Antriebsstörungen und rasche Ermüdbarkeit, niedrige Stresstoleranz und niedrige psychische Belastbarkeit, reduzierte Ausdauer und Flexibilität, Gedankeneinengung und Aggressivität gegen Gegenstände. Derzeit sei die Versicherte in ihrer angestammten Tätigkeit zu 100 % arbeitsunfähig. Durch regelmässige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung könne in einer adaptierten Tätigkeit die volle Arbeitsfähigkeit wieder aufgebaut werden (IV-act. 14-4).
Der regionale ärztliche Dienst (RAD) hielt im Rahmen einer Beurteilung vom 12. April 2012 fest, die Einschätzung einer vollumfänglichen Aufhebung der Arbeitsfähigkeit könne nicht geteilt werden. Im Psychostatus würden keine schweren affektiven Symptome objektiviert, welche eine teilweise Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit als Maschinenbedienerin verunmöglichen könnten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Versicherte in einer gut strukturierten Tätigkeit im Rahmen eines niederschwelligen Angebots stundenweise Präsenz mit variabler Leistung bringen könne. Die Arbeitsfähigkeit betrage rund 30 % bis 40 % (IV-act. 21).
Dr. med. F. , Spital G. , diagnostizierte am 29. August 2012 eine essentielle
arterielle Hypertonie und hielt entsprechende Behandlungsempfehlungen fest (IV-
act. 28-5).
Nachdem die Versicherte erklärt hatte, sie sei aufgrund einer diagnostizierten bösartigen Hautveränderung nicht in der Lage, an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen, wurde die Prüfung beruflicher Massnahmen am 30. August 2012 abgeschlossen (IV-act. 20-3; IV-act. 19). Der RAD hielt in einer Stellungnahme vom
30. August 2012 fest, die subjektive Einschätzung der Versicherten, an Integrationsmassnahmen nicht teilnehmen zu können, könne aus medizinischer Sicht nicht geteilt werden. Im Vordergrund stünden krankheitsfremde Ursachen (mangelnde
Sprachund Ortskenntnisse). Gestützt auf den üblichen Verlauf der diagnostizierten Erkrankung (Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion) könne davon ausgegangen werden, dass auch bei eigenständigem Verlauf innerhalb von sechs bis acht Monaten ein stabiler Gesundheitszustand und eine der ursprünglichen Leistungsfähigkeit ähnliche Funktionsfähigkeit eintrete (IV-act. 19-1). Am 11. Oktober 2012 teilte die IVStelle der Versicherten mit, das Leistungsbegehren um berufliche Massnahmen werde abgewiesen (IV-act. 25).
In seinem bei der IV-Stelle am 28. November 2012 eingetroffenen Bericht (das angegebene Datum vom 2. April 2012 beruht offenkundig auf einem Versehen) hielt Dr. med. H. , FMH Allgemeinmedizin, als Diagnosen mit Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit eine Depression mit Angststörung, eine degenerative Veränderung der LWS mit kleiner Diskushernie L5/S1 ohne Kompression sowie ein SupraspinatusSyndrom links fest. Die Versicherte sei bei ihm seit 28. Juni 2012 in Behandlung. Er gab an, in ihrer angestammten sowie in anderen Tätigkeiten bestehe seit 27. September 2011 eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % (IV-act. 28-1 ff.).
Dr. D. und Dr. E. berichteten am 12. Dezember 2012, seit April 2012 sei es zunächst zur teilweisen Rückbildung der Depressivität und im Herbst 2012 zu einer Verschlechterung gekommen. Es bestehe immer noch die Unfähigkeit, die belastenden Gedanken und Emotionen selbst zu bewältigen. Der affektive Rapport sei erhalten, es bestünden eine reduzierte Modulationsund Schwingungsfähigkeit, Albträume und Schlafunterbrüche. Die Versicherte sei stimmungsmässig niedergestimmt, bedrückt, hoffnungslos und traurig. Sie leide unter starker innerer Unruhe, Libidostörungen, Antriebsund Energielosigkeit, Aggressivität gegen Gegenstände und Affektlabilität. Konzentrationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit seien mittelschwer bis schwer bzw. schwer eingeschränkt. Die bisherige Tätigkeit sei medizinisch nicht mehr zumutbar. Die Arbeitsfähigkeit am bisherigen Arbeitsplatz bzw. im bisherigen Tätigkeitsbereich könne nicht verbessert werden. In leidensangepasster Tätigkeit leichte, repetitive handwerkliche Arbeit, kein Akkord, keine Schichtoder Fliessbandarbeit sei die Versicherte zu 50 % (vier Stunden pro Tag mit voller Leistung) arbeitsfähig (IV-act. 30).
Dr. med. I. , Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, RAD, nahm am 29. Januar 2013 dahingehend Stellung, dass in Bezug auf den aktuellen Bericht der Klinik C. nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sei, weshalb eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit mittels medizinischer Massnahmen als nicht erreichbar erachtet werde. Im Bericht vom 4. April 2012 sei bei unveränderter Diagnose und bei im Wesentlichen identischem Befund die Erreichbarkeit einer vollen Arbeitsfähigkeit in adaptierten Tätigkeiten für möglich gehalten worden. Somatisch würden von Dr. H. keine wesentlichen Einschränkungen ausgewiesen (IV-act. 31).
Im Auftrag der IV-Stelle begutachtete Dr. med. J. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, die Versicherte am 10. April 2013. Er diagnostizierte eine anhaltende mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F33.1), bestehend seit etwa September 2011, bei Zustand nach Anpassungsstörungen mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21), bestehend von etwa September 2010 bis August 2011. In ihrer angestammten Tätigkeit als Hilfsarbeiterin (Einpackerin, Tätigkeit mit erhöhtem Zeitdruck) könne seit September 2011 konstant eine 50 %ige Arbeitsfähigkeit bei vollem Stundenpensum angenommen werden. In einer angepassten Tätigkeit ohne erhöhten Zeitdruck, erforderliche geistige Flexibilität, vermehrte Kundenkontakte und überdurchschnittliche Dauerbelastung betrage die Arbeitsfähigkeit bei vollem Stundenpensum 70 % (Gutachten vom 12. April 2013; IV-act. 35).
Dr. I. , RAD, führte am 13. Mai 2013 aus, das psychiatrische Gutachten sei umfassend und nachvollziehbar. Unter Fortsetzung der psychiatrischpsychotherapeutischen Behandlung sei eine Besserung des Gesundheitsschadens mit Leistungssteigerung zu erwarten. Eine medizinische Neubeurteilung in einem Jahr sei zu empfehlen (IV-act. 36).
Mit Vorbescheid vom 22. Juli 2013 stellte die IV-Stelle der Versicherten die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht (IV-act. 42). Hiergegen liess die Versicherte Einwand erheben und im Wesentlichen eine polydisziplinäre Abklärung beantragen (IV-act. 43; IV-act. 47). Am 23. Oktober 2013 nahm Dr. I. , RAD, dahingehend Stellung, aus versicherungsmedizinischer Hinsicht seien keine weiteren Abklärungen indiziert. Für anhaltende, somatisch begründete Einschränkungen der
Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit fänden sich in den Akten keine Hinweise
(IV-act. 49).
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2013 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren ab. Der Gutachter habe eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und für eine angepasste Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 70 % festgestellt. Aufgrund von psychosozialen Faktoren sei es bis anhin nicht zu einer Besserung des psychischen Leidens gekommen. Unter diesen Voraussetzungen könne keine Invalidität begründet werden (IV-act. 50).
B.
Gegen die Verfügung vom 24. Oktober 2013 erhebt die Versicherte mit Eingabe vom 5. November 2013 Beschwerde. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung sei unter Kostenund Entschädigungsfolgen aufzuheben und es seien ihr vorerst berufliche Massnahmen und nach deren Abschluss eine halbe Rente zu gewähren. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, eine polydisziplinäre Abklärung in Auftrag zu geben und danach neu zu entscheiden. Die Beschwerdegegnerin habe Rentenleistungen abgelehnt, ohne berufliche Massnahmen zu initialisieren und das entsprechende Mahnund Bedenkzeitverfahren einzuleiten. Weiter seien ihr somatische Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gestellt worden. Die Feststellung des RAD, es seien keine somatischen Probleme aktenkundig, sei aktenund faktenwidrig. Demzufolge hätte eine polydisziplinäre Abklärung durchgeführt werden müssen, welche nachzuholen sei (act. G 1).
In ihrer Beschwerdeantwort vom 3. Februar 2014 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Es gebe keine Hinweise, dass die diagnostizierte mittelgradige depressive Episode eine eigenständige psychische Erkrankung darstelle, die nicht im Zusammenhang mit der schwierigen psychosozialen und soziokulturellen Situation der Beschwerdeführerin stehe. Demnach sei sie nicht invalidisierend. Der Bluthochdruck sei entsprechend der Selbsteingliederungsund Schadenminderungspflicht durch die Einnahme von Medikamenten behebbar. Das Rückenleiden schränke die Arbeitsfähigkeit nur qualitativ ein. Das beklagte Knieleiden
habe keine medizinische Behandlung notwendig gemacht und schränke daher die Arbeitsfähigkeit nicht ein. Weitere medizinische Abklärungen seien unnötig. Berufliche Massnahmen seien aufgrund der fehlenden subjektiven Eingliederungsfähigkeit abgelehnt worden und aufgrund einer vollen Arbeitsfähigkeit nicht erforderlich
(act. G 4).
Mit Replik vom 21. Februar 2014 bringt die Beschwerdeführerin vor, der Blutdruck habe bisher nicht genügend eingestellt werden können. Sie leide zudem an Meniskusbeschwerden, welche nicht über kurze Zeit entstanden seien. Mit den verschiedenen somatischen Beschwerden sei eine invalidisierende somatische Komorbidität erstellt (act. G 6).
Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf eine Duplik (act. G 8)
Erwägungen
1.
Gemäss Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) haben Invalide von einer Invalidität (Art. 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]) bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten und zu verbessern (lit. a) und die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind (lit. b). Der eingliederungsrechtliche Invaliditätsbegriff ist bezogen auf den zu beurteilenden Leistungsanspruch (Art. 12 ff. IVG) zu definieren (U. Meyer / M. Reichmuth, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. Zürich 2014, Art. 8 N 13). Nach Art. 28 Abs. 1 IVG haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wiederherstellen, erhalten verbessern können, Anspruch auf eine Rente (lit. a), wenn sie während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40% arbeitsunfähig gewesen sind (lit. b) und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40%
invalid sind (lit. c). Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% besteht Anspruch auf eine Viertelsrente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% auf eine halbe Rente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60% auf eine Dreiviertelsrente und ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 70% auf eine ganze Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG).
Art. 8 ATSG definiert Invalidität als voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit. Unter Erwerbsunfähigkeit versteht das Gesetz den durch die gesundheitliche Beeinträchtigung verursachten Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG).
Im Sozialversicherungsrecht gilt der Untersuchungsgrundsatz. Verwaltung und Sozialversicherungsgericht haben von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen (BGE 122 V 158 E. 1a). Rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so anders zu entscheiden ist. In diesem Rahmen haben Verwaltungsbehörden und das Sozialversicherungsgericht zusätzliche Abklärungen stets dann vorzunehmen zu veranlassen, wenn hierzu aufgrund der Parteivorbringen anderer sich aus den Akten ergebenden Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 117 V 282 E. 4a). In beweisrechtlicher Hinsicht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen (BGE 126 V 360 E. 5b, 125 V 195 E. 2, je mit Hinweisen).
Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten
begründet sind (BGE 125 V 352 E. 3a mit Hinweisen). Im Sinne einer Richtlinie ist den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten, welche aufgrund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen, volle Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 227 E. 1.3.4; BGE 125 V 353 E. 3b/bb).
2.
Umstritten ist in erster Linie, ob ein invalidisierender Gesundheitsschaden vorliegt. Die Beschwerdegegnerin hat dies verneint und entsprechend den Rentenanspruch abgewiesen, ohne dass sie den Anspruch auf berufliche Massnahmen (noch einmal) hätte prüfen müssen (Urteil des Bundesgerichts vom 20. Mai 2015, 8C_187/2015, E. 3.2.1).
Voraussetzung einer invalidisierenden Gesundheitseinschränkung ist zunächst, dass diese Folge einer Gesundheitsbeeinträchtigung ist, die fachärztlich einwandfrei diagnostiziert worden ist (BGE 130 V 396; BGE 141 V 285 E. 2.1). Sodann gilt es den finalen Charakter der Invalidenversicherung zu beachten. Dies bedeutet, dass bei der Leistungsprüfung nicht nach der Art und Genese eines die Erwerbsunfähigkeit verursachenden Gesundheitsschadens gefragt wird. Der Gesundheitszustand ist folglich immer gesamtheitlich zu betrachten. Selbst eine Erwerbsunfähigkeit, deren psychogene krankhafte Grundlage (auch) durch eine soziokulturelle Überforderung verursacht worden ist, fällt in den Geltungsbereich der Invalidenversicherung, vorausgesetzt es handelt sich um ein verselbstständigtes psychisches Leiden. Lediglich wenn bzw. soweit das klinische Beschwerdebild (einzig) in Beeinträchtigungen, welche von den belastenden soziokulturellen Faktoren herrühren, besteht und keine von der soziokulturellen Belastungssituation zu unterscheidende und in diesem Sinne verselbstständigte psychische Störung mit Auswirkungen auf die Arbeitsund Erwerbsfähigkeit vorliegt, wo nur Befunde erhoben werden, welche in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen ihre hinreichende Erklärung finden, gleichsam in ihnen aufgehen, ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden gegeben. Eine rentenbegründende
Invalidität kann damit nicht allein mit dem Hinweis auf das Vorhandensein soziokultureller psychosozialer Belastungsfaktoren verneint werden (BGE 107 V 21; BGE 127 V 299, E. 5a; Urteile des Bundesgerichts vom 29. April 2014, 8C_830/2013, E. 5.2.3 und vom 23. März 2009, 8C_730/2008, E. 2, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
Im Folgenden ist zu prüfen, ob das Vorliegen eines invalidisierenden Leidens und insbesondere das Ausmass des Einflusses psychosozialer Faktoren hinreichend abgeklärt wurden.
Der Gutachter Dr. J. hielt fest, aus psychiatrischer Sicht habe die Beschwerdeführerin im Rahmen von Belastungen am Arbeitsplatz laut ihren Angaben seit etwa September 2010 Anpassungsstörungen mit längerer depressiver Reaktion entwickelt. Es handle sich dabei um einen leichten depressiven Zustand als Reaktion auf eine länger anhaltende Belastungssituation, die aber nicht länger als zwei Jahre daure. Die Beschwerdeführerin habe sich am Arbeitsplatz überfordert gefühlt und die Kündigung der Arbeitsstelle im September 2011 habe zu einer schweren Kränkung und damit zur Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes mit mittelgradiger depressiver Episode geführt, die aufgrund der psychosozialen Konfliktsituation, welche sich durch die Arbeitslosigkeit entwickelt habe, bis heute anhalte. Diese sei gekennzeichnet durch niedergeschlagene Stimmungslage mit Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Affektlabilität mit Tränenausbrüchen, Neigung zu Unruhezuständen, Reizbarkeit, Erregbarkeit sowie Antriebsminderung mit subjektiver Kraftund Energielosigkeit. Hinzu kämen vor allem negativistisch eingeengtes Denken auf die psychosoziale Problematik mit Verlust der Arbeitsstelle und den daraus resultierenden finanziellen Belastungen mit Zukunftsängsten, vermehrter Nachdenklichkeit, Grübeln und sozialem Rückzug. Weiter bestünden Einund Durchschlafstörungen. Die beklagten Konzentrationsschwierigkeiten seien im Rahmen der psychiatrischen Exploration nicht verifizierbar gewesen. Es sei eine anhaltende mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F33.1), bestehend seit etwa September 2011, bei Zustand nach Anpassungsstörungen mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21), bestehend von etwa September 2010 bis August 2011, zu diagnostizieren. Aufgrund dessen seien die emotionale Belastbarkeit, die geistige Flexibilität, der Antrieb, die Interessen, die Motivation und die Dauerbelastbarkeit beeinträchtigt. Hinsichtlich ihrer Ressourcen
zeige die Beschwerdeführerin verschiedene Aktivitäten tagsüber einschliesslich gewisse Interessen. Bezüglich ihrer Angaben dürfte sie sich eher zurückhalten. Neben bestehenden Affektstörungen mit teils vermindertem affektivem Mitschwingen und teilweiser Affektlabilität zeige sich die Beschwerdeführerin mitteilungsbedürftig und relativ gut kontaktfähig, jedoch wiederholt auf ihre soziale Problematik hinweisend. Eine zumutbare Willensanstrengung zur Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit mit Verwertung der Restarbeitsfähigkeit sei anzunehmen. Daneben fänden sich keine Hinweise für eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ein syndromales Geschehen als psychische Komorbidität. Aus rein psychiatrischer Sicht könne in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Hilfsarbeiterin (Einpackerin, bei der es sich um eine Tätigkeit unter erhöhtem Zeitdruck handelte) eine 50 %ige Arbeitsfähigkeit bei vollem Stundenpensum konstant seit etwa September 2011 angenommen werden. In einer angepassten Tätigkeit könne eine 70 %ige Arbeitsfähigkeit seit etwa September 2011 angenommen werden. Dabei sollte es sich um Tätigkeiten ohne erhöhte emotionale Belastung, ohne erhöhten Zeitdruck (Stressbelastung), ohne erforderliche geistige Flexibilität, ohne vermehrte Kundenkontakte und ohne überdurchschnittliche Dauerbelastung handeln. Die Prognose sei vor allem abhängig von der psychosozialen Problematik. Bei Besserung der psychosozialen Situation sei unter Fortsetzung der therapeutischen Massnahmen durchaus eine Besserung des psychischen Zustandsbildes innerhalb eines Jahres mit Leistungssteigerung zu erwarten. Berufliche Massnahmen Eingliederungsmassnahmen erschienen zumindest theoretisch aussichtsreich (IV-act. 35-11 ff.). Bezugnehmend auf die vorhandenen Arztberichte führte Dr. J. aus, auch bei einer mittelgradigen depressiven Störung seien Ressourcen und eine Restarbeitsfähigkeit anzunehmen, sodass eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit zu hoch erscheine. Auch sei in einer leidensangepassten Tätigkeit eine über 50 %ige Arbeitsfähigkeit anzunehmen und es seien vor allem auch die invaliditätsfremden, psychosozialen Faktoren zu berücksichtigen, nachdem die depressive Störung vor allem auf psychosoziale Faktoren zurückzuführen sei (IV-act. 35-15) Aus psychiatrischer Sicht liege bei der Beschwerdeführerin eine mittelgradige depressive Störung mit Krankheitswert vor. Ein Überwiegen von psychosozialen Faktoren sei nicht anzunehmen. Allerdings liessen sich an psychosozialen Faktoren vor allem die Arbeitslosigkeit mit damit einhergehenden finanziellen Belastungen, bei zusätzlicher angeblicher
Arbeitsunfähigkeit des Ehemannes sowie mangelnder Sprachbeherrschung und
Verdacht auf mangelnde Integration erheben (IV-act. 35-16).
Dr. J. erklärt einerseits, dass die depressive Störung vor allem auf die psychosozialen Faktoren zurückzuführen sei und dass bei deren Verbesserung eine Besserung des psychischen Zustandsbildes zu erwarten sei (IV-act. 35-15). Andererseits hält er fest, ein Überwiegen der psychosozialen Faktoren sei nicht anzunehmen (IV-act. 35-16). Bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit führt er aus, es sei in einer leidensangepassten Tätigkeit eine über 50 %ige Arbeitsfähigkeit anzunehmen und es seien vor allem auch die invaliditätsfremden, psychosozialen Faktoren zu berücksichtigen (IV-act. 35-15). Zwar kann das Gutachten so verstanden werden, dass an der Entstehung der Depression überwiegend psychosoziale Faktoren beteiligt waren, diese aber im Zeitpunkt der Begutachtung nicht mehr überwogen und sich die Depression als psychiatrisches Krankheitsbild in invalidenversicherungsrechtlich relevanter Weise verselbständigt hatte. Dennoch bleibt zu klären, welcher Stellenwert den psychosozialen Faktoren zukommt und wie gross das Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin unter Ausklammerung dieser invaliditätsfremden Faktoren ist. Sodann wurde der Beschwerdeführerin durch die Dres. D. und E. gemäss Bericht vom 4. April 2012 und durch ihren Hausarzt
Dr. H. am 28. November 2012 (Posteingang bei der Beschwerdegegnerin) in ihrer angestammten Tätigkeit eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Der Gutachter schätzte demgegenüber die Arbeitsfähigkeit seit September 2011 angestammt auf 50 % und adaptiert auf 70 %. In Anbetracht dieser beträchtlichen Differenz fällt die
Auseinandersetzung des Gutachters mit dem Bericht der Klinik C. vom 4. April 2012 knapp aus, indem lediglich darauf hingewiesen wird, es seien auch bei einer mittelschweren Depression Ressourcen und eine Restarbeitsfähigkeit anzunehmen (IVact. 35-15). Immerhin ist in Betracht zu ziehen und wird von den Dres. D. und E. im Bericht vom 12. Dezember 2012 auch erwähnt (IV-act. 30-3), dass sich der Gesundheitszustand, wie im April 2012 prognostiziert (IV-act. 14-4), zwischenzeitlich verbessert habe. Der Gutachter geht schliesslich davon aus, dass unter der Fortsetzung der therapeutischen Massnahmen eine (weitere) Besserung des Zustandes mit Leistungssteigerung zu erwarten sei (IV-act. 35-15). Dies lässt eine Abstufung der Arbeitsfähigkeit als naheliegende Möglichkeit erscheinen, was im Rahmen einer neuen Begutachtung ebenfalls geklärt werden könnte (IV-act. 36).
In somatischer Hinsicht bestehen die Diagnosen einer degenerativen Veränderung der LWS sowie eines Supraspinatus-Syndroms links, denen der Hausarzt eine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit zuschreibt (IV-act. 28-1). Hierzu sind keine weiteren Abklärungen erfolgt; der RAD hielt lediglich fest, somatisch seien keine wesentlichen Einschränkungen ausgewiesen, ohne die Beschwerdeführerin selbst zu untersuchen dies medizinisch weiter zu begründen (IV-act. 31-2). Hingegen hat sich die Hautveränderung, wegen derer sich die Beschwerdeführerin nicht in der Lage fühlte, an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen (IV-act. 19-1; IV-act. 20-3), angeblich als gutartig herausgestellt (IV-act. 35-7).
3.
Der medizinische Sachverhalt erscheint somit noch nicht ausreichend abgeklärt. Die Sache ist demnach zur Vornahme einer polydisziplinären Begutachtung (psychiatrisches, internistisches und rheumatologisches Gutachten) an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Die Beschwerde ist daher teilweise gutzuheissen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1‘000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Die Aufhebung einer angefochtenen Verfügung und die Rückweisung zu weiteren Abklärungen gilt hinsichtlich der Kostenund Entschädigungsfolgen als Obsiegen der beschwerdeführenden Partei. Folglich hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen. Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit als angemessen. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten.
Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-bis Fr. 12'000.--. Der
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat keine Honorarnote eingereicht. Angemessen erscheint eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom
24. Oktober 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur Einholung eines polydisziplinären Gutachtens und zur anschliessenden neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
2.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt die Gerichtsgebühr von Fr. 600.--. Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-zurückerstattet.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr.
3‘500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.