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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2012/474: Versicherungsgericht

Der Fall wurde von L.________ vor der Cour des Assurances Sociales angefochten, nachdem die Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA) am 15. Mai 2007 einen Bescheid erlassen hatte. L.________ zog seinen Einspruch jedoch am 6. September 2010 zurück, weshalb der Fall gemäss Artikel 94 Absatz 1 Buchstabe c des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Kantons Waadt vom 28. Oktober 2008 vom Register gestrichen wurde. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben und keine Auslagen bewilligt. Der Richter M. Neu entschied, dass keine Gerichtskosten anfallen und keine Auslagen erstattet werden. Der Beschluss wurde an die beteiligten Anwälte und das Bundesamt für Gesundheit zugestellt. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht Beschwerde zu erheben.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2012/474

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2012/474
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2012/474 vom 22.12.2014 (SG)
Datum:22.12.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 28 IVG. Zumutbarkeit einer Geschäftsaufgabe zugunsten einer weniger einträglichen einfachen Hilfsarbeit wegen berechtigter Hoffnung auf Wiedererlangen der vollen Arbeitsfähigkeit, die sich auch tatsächlich realisiert hat, verneint. Rückwirkend befristeter Rentenanspruch (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Dezember 2014, IV 2012/474).
Schlagwörter : ähig; IV-act; Arbeit; Rente; Einkommen; Anspruch; Unfall; Versicherungsgericht; Arbeitsfähigkeit; Invalidität; Erwerbstätigkeit; Quot; Person; IV-Stelle; Schadenminderung; Abklärung; Verfügung; Invalideneinkommen; Visus; Tätigkeiten; Ehefrau; Anforderung; Betrieb; Unfallversicherer
Rechtsnorm:Art. 16 ATSG ;Art. 29 ATSG ;Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ;
Referenz BGE:124 V 183;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2012/474

Entscheid Versicherungsgericht, 22.12.2014

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterin Marie-Theres Rüegg Haltinner,

a.o. Versicherungsrichter Christian Zingg; Gerichtsschreiber Philipp Geertsen

Entscheid vom 22. Dezember 2014

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. André Largier, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend

Rente (Schadenminderung, Berufswechsel) Sachverhalt:

A.

    1. A meldete sich am 5. März 2010 (Datum Posteingang IV-Stelle) wegen einer schweren Augenverletzung rechts zum Bezug von IV-Leistungen an (IV-act. 1). Anlässlich des FI-Gesprächs vom 8. März 2010 gab der behandelnde Dr. med. B. , Augenarzt FMH, an, der Versicherte leide an einer angeborenen Sehschwäche des linken Auges. Am 2. April 2009 habe er einen Autounfall mit schwerer Augenverletzung rechts durch Frontscheibenbruch erlitten. Es seien eine Linsenentfernung, eine Hornhautnaht sowie mehrere Nachoperationen durchgeführt worden. Der Heilungsverlauf sei recht gut. Derzeit bestehe ein (bester) Visus mit Brille von 40%. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Aussendienst der von ihm und seiner Frau beherrschten C. GmbH bescheinigte er seit 2. April 2009 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Höchstens leichteste Hilfstätigkeiten ohne höhere Anforderungen an den Visus seien dem Versicherten zumutbar (Protokoll vom 11. März 2010, IV-act. 14; vgl. auch den Bericht von Dr. B. vom 31. Mai 2010, IV-act. 20). Im Verlaufsbericht vom 10. August 2010 hielt Dr. B. fest, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich seit 31. Mai 2010 verbessert. Es habe ein Visusanstieg von 0.4 partiell auf 0.5 partiell am rechten Auge durch eine verbesserte Kontaktlinsenanpassung erreicht werden können. Ansonsten seien die medizinischen Befunde unverändert. Mit dieser visuellen Qualität sei der Versicherte nicht fähig, ins normale Arbeitsleben zurückzukehren. Höchstens möglich seien Berufe mit sehr tiefen visuellen Ansprüchen wie z.B. einfache Hilfsarbeiten. Nach wie vor werde versucht, durch eine noch verbesserte Kontaktlinsenanpassung den Visus auf 0.6 zu steigern, so dass der Versicherte wieder fähig wäre, Büroarbeiten durchzuführen sogar Auto zu fahren (IV-act. 32).

    2. Gemäss Protokoll vom 10. Februar 2011 betreffend das interne Assessmentgespräch vom 4. Februar 2011 stehe für den Versicherten die Umverteilung

      der Tätigkeiten in der Firma (C. GmbH) sowie die Aktivierung/Reaktivierung seiner Tätigkeiten in der Zweitfirma im Vordergrund (Einzelunternehmen D. , A. ; vgl. Handelsregisterauszug des Kantons St. Gallen, eingesehen am 17. November 2014; vgl. hierzu sowie zu weiteren Unternehmung des Versicherten, E. AG, ferner den Abklärungsbericht vom 3. Februar 2012, IV-act. 74-3, und das Protokoll der persönlichen Besprechung zwischen dem Versicherten und der Sachbearbeiterin des Unfallversicherers vom 15. September 2010, Fremdakten). Eine Neuaufteilung der Bereiche und eine allfällige Anstellung weiterer Mitarbeitender (z.B. stundenweise für Fahrdienste) müsse sich aus der Entwicklung des Geschäftsmodells und der wirtschaftlichen Möglichkeit ergeben: Die Ehefrau des Versicherten erledige den Fahrdienst und das Einrichten sowie Beraten vor Ort bei den Klienten. Der Versicherte erledige hauptsächlich Administrativarbeiten, "Ein-Verkauf" und, sofern möglich, telefonische Beratung von zuhause aus. Er mache sich immer noch Hoffnung, die Fahrtauglichkeit wieder erreichen zu können, weil er sich knapp an der Grenze zur Fahrtauglichkeit bewege. Adaptiert bestehe eine volle Arbeitsfähigkeit für alle Tätigkeiten ohne höhere Anforderung an das Sehvermögen. Der Versicherte wolle weiterhin seine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben und übernehme nun vorwiegend Bürotätigkeiten. Zur Erleichterung der alltäglichen Arbeit habe er sich einen grösseren PC-Monitor angeschafft. Die Kosten für den Monitor würden aus FIMassnahmen übernommen (IV-act. 46; zur Kostengutsprache im Betrag von

      Fr. 1'085.25 siehe auch die Mitteilung vom 3. März 2011, IV-act. 50).

    3. Mit Mitteilung vom 4. März 2011 wies die IV-Stelle das Begehren um berufliche Massnahmen ab, da der Arbeitsplatz mit Hilfsmitteln angepasst worden sei. Weitere berufliche Massnahmen seien nicht notwendig (IV-act. 52).

    4. Am 28. Juni 2011 führte die IV-Stelle eine Abklärung "Selbständigerwerbende" durch. Die Abklärungsperson stellte fest, in Bezug auf den Alltag habe sich die Augensituation insoweit verbessert, als dass er mit Brille wieder ordentlich lesen, Notizen schreiben und auch längere Zeit am Computer arbeiten könne, allenfalls 1 bis

      1.5 Stunden ununterbrochen. Im Betrieb halte er Telefonpräsenz, disponiere die Ein sätze, die jetzt die Ehefrau an seiner Stelle mache, und erledige das wenige Administrative wie Lieferscheine ausfüllen sowie Abrechnungen erstellen. Der Aufwand hierfür betrage ca. eine Stunde pro Tag. Die Reinigung der Geräte übernehme er auch.

      Im Sinn eines Rollentauschs mit der Ehefrau habe er die Haushaltsarbeiten übernommen. Er sei für das Essen, den Einkauf und die Betreuung der Kinder zuständig. Einerseits erhoffe er sich weiterhin die Fahrerlaubnis. Andererseits wolle er zukünftig, zumindest punktuell, die bei seiner E. AG angestellte Mitarbeiterin als Chauffeuse zuziehen, damit er selbst wieder einen Teil im Aussendienst abdecken und gleichzeitig seine Ehefrau etwas entlasten könne. Eine Optimierung seiner Möglichkeiten wolle er auch durch vermehrte Akquisition, grössere Präsenz und Ausbau des Dienstleistungsbetriebs, Internet-Auftritt und Angebot, Zusammenlegen der beiden Unternehmungen etc. prüfen. Realistische berufliche Alternativen sehe er für sich, aufgrund seines Alters, nicht mehr. In Anwendung eines Einkommensvergleichs und unter Berücksichtigung des durchschnittlichen LSEHilfsarbeiterlohns zur Bestimmung des Invalideneinkommens ermittelte die Abklärungsperson einen 24.46%igen Invaliditätsgrad. Im Rahmen eines Betätigungsvergleichs resultiere ein Invaliditätsgrad, unter Einhaltung des JobSherings, von "75%" (Bericht vom 3. Februar 2012, IV-act. 74-9). Dr. B. berichtete am 12. September 2011 dem Unfallversicherer, der Versicherte verfüge seit 29. Juli 2011 wieder über eine 50%ige Arbeitsfähigkeit für die angestammte Tätigkeit (act.

      G 1.2).

    5. Im Auftrag des Unfallversicherers wurde der Versicherte von Dr. med. F. , Fachärztin für Ophthalmologie, begutachtet. Im Gutachten vom 28. März 2012 gab sie an, der Versicherte leide am rechten Auge an einer Hornhautnarbe, einem Irisdefekt, einer Pseudophakie, einem Zustand nach Vitrektomie sowie peripherer Laserkoagulationsnarben der Netzhaut. Am linken Auge bestehe eine Schielamblyopie. Der Visus rechts und links betrage nach Korrektur 0.63. Die Gutachterin hielt den Versicherten für fahrtauglich. Die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in seiner vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit als geschäftsführender Aussendienstmitarbeiter sei in vollem Umfang gegeben (Fremdakten). RAD-Ärztin Dr. med. G. , Fachärztin für Arbeitsmedizin FMH, ging gestützt auf das augenärztliche Gutachten davon aus, der Versicherte verfüge ab 28. März 2012 (Gutachtenszeitpunkt) über eine 100%ige Arbeitsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (Stellungnahmen vom 23. Mai 2012, IV-act. 77-2, und 20. Juni 2012, IV-act. 78).

    6. Mit Vorbescheid vom 5. Juli 2012 stellte die IV-Stelle dem Versicherten in Aussicht, sein Rentengesuch abzuweisen (IV-act. 83). Dagegen erhob der Versicherte am 6. September 2012 Einwand und brachte vor, es sei aktenkundig, dass er bis zum

      28. Juli 2011 zu 100% und seit dem 29. Juli 2011 zu 50% arbeitsunfähig gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Abklärungsperson sei im Rahmen der Schadenminderungspflicht kein vorübergehender Berufswechsel während der Heilungsphase zumutbar gewesen. Deshalb sei bei der Bemessung des Invalideneinkommens auch für die Zeitperiode April 2009 bis März 2012 auf das Einkommen aus den angestammten Tätigkeiten abzustellen. Der Versicherte beantragte für die Zeit ab Juli 2010 eine ganze und ab November 2011 eine Dreiviertelsrente (IV-act. 89).

    7. Am 18. Oktober 2012 verfügte die IV-Stelle die Abweisung des Rentengesuchs (IVact. 91). Da zwischenzeitlich noch Unterlagen des Unfallversicherers eingegangen waren, widerrief die IV-Stelle die Verfügung vom 18. Oktober 2012 und kündigte

weitere Abklärungen an (Widerrufsverfügung vom 30. Oktober 2012, IV-act. 94). RAD- Ärztin Dr. G. sah keinen Anlass, von der bisherigen medizinischen Einschätzung abzuweichen (Stellungnahme vom 12. November 2012, IV-act. 97), weshalb die IVStelle am 12. November 2012 erneut die Abweisung des Rentengesuchs verfügte (IVact. 98).

B.

    1. Gegen die Verfügung vom 12. November 2012 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 17. Dezember 2012. Der Beschwerdeführer beantragt darin unter Kostenund Entschädigungsfolge deren Aufhebung. Es sei ihm rückwirkend ab Juli 2010 eine angemessene Invalidenrente zuzusprechen. Die Beschwerdegegnerin habe sich in der angefochtenen Verfügung nicht mit den im Einwand vorgetragenen Ausführungen zur Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit und der Zumutbarkeit der Verwertung in einer Verweisungstätigkeit auseinandergesetzt. Dadurch habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er halte nach wie vor daran fest, dass ihm ein Berufswechsel nicht zumutbar gewesen sei, weshalb die Beschwerdegegnerin bei der Bestimmung des Invalideneinkommens zu Unrecht auf den bei 100%iger Arbeitsfähigkeit erzielbaren LSE-Hilfsarbeiterlohn abgestellt habe. Vielmehr sei für die

      Zeitperiode April 2009 bis März 2012 auf das Einkommen aus der angestammten

      Tätigkeit abzustellen (act. G 1).

    2. In der Beschwerdeantwort vom 8. April 2013 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, den sich aus den Veranlagungsberechnungen ergebenden Einkommensverhältnissen lasse sich entnehmen, dass es dem Beschwerdeführer trotz des damals instabilen Gesundheitszustands sowie der nicht gegebenen Fahrtauglichkeit gelungen sei, mit der nötigen Umorganisation des Betriebs sowie der Hilfe bzw. dem Tausch der Pflichten mit seiner Ehefrau weiterhin ein Einkommen im Rahmen des bisherigen zu erzielen. Mangels Erwerbseinbusse bestehe kein Anspruch auf eine IV-Rente. Die Abklärung vor Ort habe ja noch ergeben, dass der Beschwerdeführer mit der nötigen Umstellung im Betrieb ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen hätte verdienen können. Die Frage nach der Zumutbarkeit der Aufnahme einer leidensangepassten Tätigkeit während der Rekonvaleszenz brauche deshalb gar nicht geprüft zu werden (act. G 6).

    3. Der Beschwerdeführer hält in der Replik vom 24. Mai 2013 unverändert an der Beschwerde fest und stellt sich auf den Standpunkt, dass die Beschwerdegegnerin falsche Schlüsse aus den Steuerakten ziehe. Während der Zeit, in der er vollständig arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei, sei er selbstredend keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Obwohl er ab dem Unfall leidensbedingt keine Arbeitsleistung habe erbringen können, habe er weiterhin den bisherigen Lohn bezogen, um den Unterhalt der Familie finanzieren zu können. Dies sei deshalb möglich gewesen, weil der Unfallversicherer das Taggeld ausbezahlt habe, und zwar bis zum 28. Juli 2011 auf der Basis einer vollen Arbeitsunfähigkeit und danach auf einer solchen von 50%. Mit anderen Worten beruhe das in der Steuererklärung nach dem Unfall deklarierte Einkommen im Wesentlichen auf den Taggeldzahlungen des Unfallversicherers und zu einem kleinen Teil auf der verstärkten Mitarbeit der Ehefrau, deren Lohn nach dem Unfall nicht erhöht worden sei. Entgegen der Beschwerdegegnerin beruhe das von ihr bezifferte Invalideneinkommen nicht auf dem Einkommen aus der Erwerbstätigkeit im angestammten Betrieb nach "Umstellung" (act. G 10).

    4. In der Duplik vom 24. Juni 2013 räumt die Beschwerdegegnerin ein, dass der

Beschwerdeführer nicht selbst das Einkommen habe erwirtschaften können. Dennoch

ergebe sich kein Anspruch auf IV-Leistungen, da dem Beschwerdeführer während der Zeit der Rekonvaleszenz die Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit und die Erzielung eines Einkommens im Rahmen eines Wechsels in eine unselbstständige leidensangepasste Tätigkeit zumutbar gewesen wäre, zumal er hierfür über eine volle Arbeitsfähigkeit verfügt habe (act. G 12).

Erwägungen:

1.

In formeller Hinsicht ist die Rüge des Beschwerdeführers (act. G 1, S. 6) zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt hat.

    1. Verfügungen sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen (Art. 49 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Die grundsätzliche Pflicht einer Behörde, ihren Entscheid zu begründen, folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Dabei darf sich die Verwaltung nicht damit begnügen, die von der betroffenen Person vorgebrachten Einwendungen zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Die Verwaltung hat vielmehr ihre Überlegungen auch namhaft zu machen und sich dabei ausdrücklich mit den Einwendungen auseinander zu setzen zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigen kann (BGE 124 V 183 E. 2b; was Art. 74 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201] ausdrücklich festhält). Eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs kann dann als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Diese Voraussetzung ist im Fall des Versicherungsgerichts erfüllt (vgl. Art. 61 lit. c ATSG i.V.m. Art. 46 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRP; sGS 951.1]).

    2. Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, dass sich die Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 12. November 2012 (IV-act. 98) nicht mit seiner ausführlich im Einwand vorgetragenen Argumentation betreffend die

Unzumutbarkeit der (vorübergehenden) Aufgabe der zuletzt im eigenen Betrieb ausgeübten Tätigkeit (IV-act. 89) auseinandergesetzt und damit die ihr obliegende Begründungspflicht verletzt hat. Eine Gehörsverletzung ist daher zu bejahen. Da der Beschwerdeführer einer materiellen Beurteilung gegenüber einer Zurückweisung den Vorzug gibt (act. G 1), ist auf eine Rückweisung der Sache zur gehörsrechtlich korrekten Durchführung des Verwaltungsverfahrens zu verzichten (vgl. Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. Mai 2009, IV 2007/396, E. 1.2).

2.

Materiell ist zwischen den Parteien ein rückwirkend befristeter Rentenanspruch des Beschwerdeführers umstritten und nachfolgend zu prüfen. Im Vordergrund steht die Frage, ob dem Beschwerdeführer zum Zweck der Schadenminderung eine (vorübergehende) Aufgabe der von ihm im eigenen Betrieb ausgeübten Erwerbstätigkeit zugunsten einer leidensangepassten Hilfsarbeitertätigkeit hätte zugemutet werden können.

    1. Unter Invalidität wird die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit verstanden (Art. 8 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist dabei der durch eine Beeinträchtigung der körperlichen geistigen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Der Grad der für einen allfälligen Rentenanspruch massgebenden Invalidität wird gemäss Art. 16 ATSG durch einen Einkommensvergleich ermittelt, bei dem das Einkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der notwendigen und zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt wird zum Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Nach Art. 28 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) besteht Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie wenigstens zu 60% invalid ist. Liegt ein Invaliditätsgrad von

      mindestens 50% vor, so besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem IV-Grad von mindestens 40% auf eine Viertelsrente.

    2. Wie die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt festgestellt hat, folgt aus der sozialversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht, dass es einer versicherten Person grundsätzlich ohne Gewährung einer Anpassungsfrist zumutbar ist, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sofern damit eine wesentlich bessere Verwertung der Restarbeitsfähigkeit erreicht werden kann; das heisst, sie hat sich im Rahmen der Invaliditätsbemessung jene Einkünfte anrechnen zu lassen, die sie bei Aufnahme einer leidensangepassten unselbstständigen Erwerbstätigkeit zumutbarerweise verdienen könnte. Bei der Frage nach der Zumutbarkeit einer Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit sind praxisgemäss die gesamten subjektiven und objektiven Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im Vordergrund stehen bei den subjektiven Umständen die verbliebene Leistungsfähigkeit sowie die weiteren persönlichen Verhältnisse wie das Alter, die berufliche Stellung und die Verwurzelung am Wohnort. Bei den objektiven Umständen sind insbesondere der ausgeglichene Arbeitsmarkt und die noch zu erwartende Aktivitätsdauer massgeblich (AHI 2001 S. 283 E. 5a/bb mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom

8. November 2007, I 782/06, E. 5.2.1 mit Hinweisen). Bei den Anforderungen, welche unter dem Titel der Schadenminderung an die versicherte Person gestellt werden, darf sich die Verwaltung nicht einseitig vom öffentlichen Interesse an einer sparsamen und wirtschaftlichen Versicherungspraxis leiten lassen, sondern sie hat auch die grundrechtlich geschützten Betätigungsmöglichkeiten der leistungsansprechenden Person in ihrer Lebensgestaltung angemessen zu berücksichtigen. Welchem Interesse der Vorrang zukommt, kann nicht generell entschieden werden. Als Richtschnur gilt, dass die Anforderungen an die Schadenminderungspflicht zulässigerweise dort strenger sind, wo eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung in Frage steht. Dies trifft insbesondere zu, wenn der Verzicht auf schadenmindernde Vorkehren Rentenleistungen auslösen würde (Urteil des Bundesgerichts vom 23. Juli 2009, 8C_459/2009, E. 4.3.1).

2.3

      1. Bei der Würdigung der konkreten Zumutbarkeit ist vorweg zu beachten, dass vorliegend bloss eine vorübergehende, für weniger als 2 Jahre befristete Rentenleistung (Stammrente + 2 Kinderrenten) im Raum steht (vgl. hierzu nachstehende E. 3.3). Eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung ist daher aufgrund der erheblich eingeschränkten Rentenbezugsdauer zu verneinen. Dem ist insoweit Rechnung zu tragen, als keine strengen Anforderungen an die Schadenminderungspflicht gestellt werden können.

      2. Entscheidend bei der konkreten Beurteilung der Zumutbarkeit einer (vorübergehenden) Geschäftsaufgabe ist, dass der Beschwerdeführer stets berechtigte Hoffnung haben durfte, im Rahmen der Tätigkeit im eigenen Betrieb die unfallbedingt beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit wieder steigern zu können (siehe zur guten Prognose bezüglich Sehfähigkeit IV-act. 22-3 bzw. zum guten Heilungsverlauf den Bericht von

        Dr. B. vom 28. Februar 2011, Fremdakten; vgl. auch die RAD-Stellungnahme vom

        7. März 2011, IV-act. 54-2; gemäss Bericht vom 12. September 2011 bescheinigte

        Dr. B. ab 29. Juli 2011 bloss noch eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit, act. G 1.2). Diese Hoffnung teilte die Beschwerdegegnerin, weshalb sie ihm Kostengutsprache für Anpassungen am Arbeitsplatz (PC-Bildschirm) erteilte (Mitteilung vom 3. März 2011, IVact. 50; in der Mitteilung vom 4. März 2011 wies sie das Begehren um berufliche Massnahmen mit der Begründung ab, dass nach der Anpassung des Arbeitsplatzes weitere berufliche Massnahmen nicht notwendig seien, IV-act. 52). Schliesslich stellte die Gutachterin einen verbesserten Visus rechts von 0.63 fest (Gutachten vom 28. März 2012, Fremdakten), womit der Beschwerdeführer die Fahrtauglichkeit wieder erreicht hatte. Unter diesen Umständen und aufgrund des instabilen verbesserungsfähigen Gesundheitszustands (IV-act. 32-3) konnte es dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, seine angestammte - unbestrittenermassen entsprechend seiner Arbeitsfähigkeit tatsächlich ausgeübte - Tätigkeit zugunsten einer erheblich weniger einträglichen einfachen Hilfsarbeit aufzugeben (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts vom 2. September 2010, IV 2008/450, E. 8.2 und 8.2.1).

      3. Gegen die Zumutbarkeit einer (vorübergehenden) Geschäftsaufgabe spricht weiter, dass die Chancen des Beschwerdeführers, im ausgeglichenen Arbeitsmarkt Fuss fassen zu können, angesichts des fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1955, IVact. 1), des qualitativ erheblich eingeschränkten Spektrums leidensangepasster

Tätigkeiten (nur Tätigkeiten mit tiefen visuellen Anforderungen; nicht fähig Auto zu fahren; keine Bürotätigkeiten; keine Arbeiten am Computer laufenden Maschinen; IV-act. 20-5) sowie der zu erwartenden Umstellungsschwierigkeiten, ohne vorgängige Unterstützung bei der Eingliederung als gering einzustufen waren. Dies gilt umso mehr, als aufgrund der berechtigten Hoffnung des Beschwerdeführers auf eine erhebliche Steigerung seiner Erwerbsfähigkeit, die schliesslich auch eintrat, keine längerfristige Anstellung in Betracht gefallen wäre.

3.

Im Licht dieser Umstände ist das Invalideneinkommen bei der Invaliditätsbemessung auf der Grundlage der bisherigen selbstständigen Tätigkeit zu erheben. Da somit das Invalideneinkommen auf der gleichen erwerblichen Grundlage wie das Valideneinkommen beruht, erübrigt sich deren genaue Ermittlung. Denn diesfalls entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Entscheid des Versicherungsgerichts vom 2. September 2010, IV 2008/450, E. 8.2.3).

    1. Zwischen den Parteien unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer bezogen auf seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit seit dem Unfallereignis ab dem 2. April 2009 zu 100% (IV-act. 14 und IV-act. 20) und ab dem 29. Juli 2011 zu 50% arbeitsunfähig (act. G 1,

      S 5; vgl. auch den Bericht von Dr. B. vom 12. September 2011, act. G 1.2) gewesen ist. Seit dem Gutachten vom 28. März 2012 sei er wieder zu 100% arbeitsfähig (IV-

      act. 78; act. G 6, Sachverhalt Rz 5). Aus den Akten ergibt sich kein Anlass für eine

      Korrektur.

    2. Der Beschwerdeführer war seit 2. April 2009 zu 100% arbeitsunfähig, womit das Wartejahr im Sinn von Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG per 1. April 2010 erfüllt war. Bezüglich des Beginns des Rentenanspruchs ist weiter entscheidend, dass dieser frühestens nach Ablauf von 6 Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach

      Art. 29 Abs. 1 ATSG entsteht. Der Beschwerdeführer hat offenbar die Anmeldung am

      29. Januar 2010 ausgefüllt (IV-act. 1). Indessen ist diese erst mehr als einen Monat später bei der Beschwerdegegnerin eingegangen (5. März 2010, IV-act. 1-1; zum Dokumenteingang vom 5. März 2010 siehe auch das Verzeichnis der IV-Akten; vgl. auch Mail vom 4. März 2010, wonach noch keine IV-Anmeldung eingegangen,

      Fremdakten). Wann genau der Beschwerdeführer die Anmeldung der Post übergeben (zur Bedeutung der Postübergabe siehe Art. 29 Abs. 3 ATSG) bzw. den Anspruch geltend gemacht hat, kann den Akten nicht entnommen werden. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ist angesichts des Posteingangs vom 5. März 2010 davon auszugehen, dass die Anmeldung im März 2010 der Post übergeben bzw. der Anspruch im März 2010 geltend gemacht wurde. Der Rentenbeginn ist daher auf

      1. September 2010 und nicht wie vom Beschwerdeführer beantragt auf 1. Juli 2010 (act. G 1) festzusetzen.

    3. Unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Arbeitsfähigkeitsgrade (siehe vor stehende E. 3.1) und in Nachachtung der dreimonatigen Frist gemäss Art. 88a Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) hat der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. September 2010 bis 31. Oktober 2011 Anspruch auf eine ganze und ab 1. November 2011 bis 30. Juni 2012 Anspruch auf eine halbe Rente.

4.

    1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist die Verfügung vom 12. November 2012 aufzuheben und dem Beschwerdeführer ab 1. September 2010 bis 31. Oktober

      2011 eine ganze und ab 1. November 2011 bis 30. Juni 2012 eine halbe Rente zuzusprechen. Zur Bestimmung der Rentenhöhe und zur Festsetzung der Rentenleistung ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit als angemessen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind sie vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (vgl. betreffend Überklagung Urteil des

      Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Dezember 2011, IV 2009/459,

      E. 5.2 f.). Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist ihm

      zurückzuerstatten.

    3. Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach

Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-bis Fr. 12'000.--. Im hier zu beurteilenden Fall erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) angemessen.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom

12. November 2012 aufgehoben und dem Beschwerdeführer ab 1. September 2010 bis

31. Oktober 2011 eine ganze und ab 1. November 2011 bis 30. Juni 2012 eine halbe Rente zugesprochen. Zur Bestimmung der Rentenhöhe und zur Festsetzung der Rentenleistung wird die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  1. Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.-zu bezahlen. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

  2. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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