Zusammenfassung des Urteils IV 2012/324: Versicherungsgericht
A. meldete sich bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen an, da er aufgrund eines essentiellen Tremors nicht mehr als Zahnarzt arbeiten konnte. Trotz diverser medizinischer Untersuchungen und Eingliederungsbemühungen konnte er keine passende Stelle finden. Die IV-Stelle lehnte das Rentengesuch ab, woraufhin A. Beschwerde einreichte. Nach einer mündlichen Verhandlung wurde entschieden, dass A. Anspruch auf eine ganze Rente ab dem 1. September 2011 hat. Die Beschwerdegegnerin muss die Gerichtskosten tragen und A. eine Parteientschädigung von Fr. 4'250.- zahlen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2012/324 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 03.12.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 8 ATSG; Art. 28 IVG. Einkommensvergleich. Zumutbarkeit einer Hilfsarbeitertätigkeit. Zusprache einer ganzen Rente (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. Dezember 2013, IV 2012/324). |
Schlagwörter : | ätig; Arbeit; IV-act; Beschwerdeführers; Rente; Verhandlung; Verfügung; Tätigkeiten; Restarbeitsfähigkeit; Invalidität; IV-Stelle; Eingliederung; Gutachter; Rechtsvertreter; Dienst; Zahnarzt; Arbeitsmarkt; Alter; Abklärungen; Bereich; Einkommen; Invalideneinkommen; Tabelle; Tremor; Person |
Rechtsnorm: | Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ; |
Referenz BGE: | 109 V 25; 125 V 351; 126 V 78; 126 V 79; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 3. Dezember 2013
in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Roland Hochreutener, St. Leonhard-Strasse 20, Postfach, 9001 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Rente
Sachverhalt:
A.
A. meldete sich nach Anmeldung zur Früherfassung am 29. Dezember 2010 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen an (IV-act. 1, 5). Der Hausarzt des Versicherten, Dr. med. B. , Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin, gab im Gespräch mit dem IV-internen Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) am 6. Januar 2010 (richtig: 2011) an, beim Versicherten bestehe ein essentieller Tremor (PD 1999). Feinmotorische Tätigkeiten seien dem Versicherten nicht mehr möglich; insbesondere könne er die zahnärztliche Tätigkeit nicht mehr ausüben (vgl. das Gesprächsprotokoll vom 7. Januar 2011, unterschrieben am 8. Januar 2011, IV-act. 17-1 f.). Dr. med. C. , Fachärztin FMH für Neurologie, hatte im Bericht vom 15. April 2010 festgehalten, es sei offenbar zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung des essentiellen Tremors mit Beeinträchtigung der Arbeit gekommen. Auf ein Parkinsonsyndrom ergäben sich klinisch weiterhin keine Hinweise (IV-act. 17-7 f.). Im Bericht vom 4. Mai 2010 hatte Dr. med. D. , Facharzt FMH für Kardiologie sowie Allgemeine Innere Medizin, ausgeführt, das Koronar-CT bestätige die bekannte rechtsventrikuläre arrhythmogene Kardiomyopathie, wobei auch linksventrikuläre Anteile betroffen seien (IV-act. 17-6).
Am 20. Januar 2011 wurde der Versicherte von RAD-Arzt Dr. med. E. , Facharzt für Herzchirurgie, untersucht. Im Bericht vom 25. Januar 2011 führte dieser aus, aufgrund des essentiellen Tremors bestehe seit dem 27. September 2010 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit in der Tätigkeit als Zahnarzt. Im Rahmen einer medizinisch beratenden, gutachterlichen Tätigkeit bestehe eine volle Arbeitsfähigkeit. Ob diese auf dem freien Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung des Alters des Versicherten und der angebotenen Stellen verwertbar sei, sei allerdings fraglich (IV-act. 28).
Am 7. April 2011 fand zwischen der von der IV-Stelle mit der Eingliederung des Versicherten beauftragten F. GmbH und dem Versicherten ein Assessmentgespräch statt. Im entsprechenden Bericht vom 13. April 2011 wurde festgehalten, der Versicherte stehe einer beruflichen Neuorientierung sehr offen gegenüber. Erschwerende Faktoren seien das Alter sowie der Umstand, dass sich die berufliche
Laufbahn des Versicherten auf einen sehr spezialisierten Tätigkeitsbereich beschränkt habe (IV-act. 35). Am 6. Mai 2011 unterzeichnete der Versicherte einen zusammen mit der zuständigen Eingliederungsberaterin der IV-Stelle vorbereiteten Eingliederungsplan (IV-act. 39). Mit Schreiben vom 26. Mai 2011 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, er habe Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch F. GmbH im Betrag von Fr.
18'000.-sowie durch die IV-interne Eingliederungsberatung (IV-act. 44, 45).
Von April 2011 bis März 2012 erfolgten die Arbeitsvermittlungsbemühungen durch die F. GmbH (vgl. das entsprechende Verlaufsprotokoll, IV-act. 55-4 ff.). Diese waren nicht erfolgreich. Im Schlussbericht vom 7. März 2012 führte F. von der F. GmbH aus, die Stellensuche habe sich trotz intensiven Abklärungen äusserst schwierig gestaltet. Im Januar 2012 habe sich bei der G. AG die Möglichkeit eines Arbeitseinsatzes im Bereich Beratung/Verkauf geboten. Der Versicherte habe jedoch nicht gewünscht, einer Verkaufstätigkeit nachzugehen (IV-act. 55-3). Die zuständige Eingliederungsverantwortliche der IV-Stelle führte im Schlussbericht der beruflichen Eingliederung aus, eine 100%-Stelle als Gutachter Berufsschullehrer sei dem Versicherten aus Sicht der Eingliederungsberatung zumutbar. Der Versicherte habe bisher keine Festanstellung erhalten und suche weiterhin selbst nach einer Arbeitsstelle (IV-act. 57). Mit Schreiben vom 2. April 2012 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, weitere berufliche Massnahmen seien nicht angezeigt (IV-act. 59).
Mit Vorbescheid vom 24. Mai 2012 stellte die IV-Stelle dem Versicherten die Ablehnung des Leistungsbegehrens bei einem nicht rentenbegründenden IV-Grad von 34% in Aussicht (IV-act. 68). Dagegen erhob der Rechtsvertreter des Versicherten am
22. Juni 2012 Einwand und beantragte die Zusprache einer ganzen Rente ab dem 1. September 2011 sowie eventualiter die Vornahme weiterer Abklärungen. Es stehe fest, dass mit Blick auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Versicherten lediglich noch eine Tätigkeit als Lehrer Gutachter in Betracht fallen könne. Eine Lehrertätigkeit würde allerdings eine entsprechende Umschulung voraussetzen, welche mit Blick auf das Alter des Versicherten nicht mehr zumutbar sei. Hinsichtlich der Gutachtertätigkeit sei festzuhalten, dass der Versicherte bis anhin trotz professioneller Unterstützung keinerlei Angebote erhalten habe. Es bestehe deshalb zweifelsohne keine realistische Einsatzmöglichkeit mehr (IV-act. 71).
A.f Mit Verfügung vom 9. Juli 2012 wies die IV-Stelle das Rentenbegehren gemäss
Vorbescheid ab. Zum Einwand des Rechtsvertreters nahm sie dahingehend Stellung, dass das Alter des Versicherten bei der Invaliditätsbemessung nicht berücksichtigt werden könne (IV-act. 72).
B.
Dagegen erhob der Rechtsvertreter am 5. September 2012 Beschwerde mit dem Antrag, die Verfügung vom 9. Juli 2012 sei unter Kostenund Entschädigungsfolgen aufzuheben und es sei dem Beschwerdeführer eine ganze IV-Rente ab 1. September 2011 zu gewähren. Da die fehlende Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit klar erstellt sei, liege ein eindeutiger Sachverhalt vor. Es werde entsprechend beantragt, die vorliegende Streitsache einzelrichterlich zu beurteilen. Eventualiter werde eine mündliche Verhandlung beantragt. Der Rechtsvertreter bestätigte im Wesentlichen seinen im Einwand vom 22. Juni 2012 vorgebrachten Standpunkt. Im Sinne eines Eventualantrages beantragte der Rechtsvertreter die Rückweisung der Streitsache an die Beschwerdegegnerin zur Durchführung weiterer Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verfügung (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 5. Oktober 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung wurde angeführt, es sei unbestritten, dass eine Umschulung unverhältnismässig wäre. Auch das Alter des Beschwerdeführers erschwere unbestrittenermassen die Verwertbarkeit seiner Restarbeitsfähigkeit. Allerdings sei es von wesentlicher Bedeutung, dass der Beschwerdeführer in seiner Arbeitsfähigkeit einzig qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt sei und sich somit für eine Vollzeitstelle bewerben könne. Der ausgeglichene Arbeitsmarkt halte für ihn zumutbare Stellen wie beratende bzw. gutachterliche Tätigkeiten für Sozialversicherungen, andere öffentliche Institutionen für die Pharmaindustrie bereit. Schliesslich sei nicht ersichtlich, weshalb noch weitere Abklärungen durchgeführt werden sollten (act. G 4).
Mit Replik vom 4. Dezember 2012 hielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an seinen Anträgen fest und reichte zudem weitere ärztliche Berichte von Dr. D. vom 12. und 13. Dezember 2011 ein, gemäss welchen sich im Vergleich zu früheren Untersuchungen eine deutlich geringere Leistungsfähigkeit
gezeigt hat (act. G 9.1, 9.2). Er machte geltend, die koronare Herzkrankheit habe sich in der Zeit von April/Mai 2010 bis Ende 2011 wesentlich verschlimmert und beeinträchtige die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers auch in quantitativer Hinsicht. Schliesslich habe sich auch der Tremor zwischenzeitlich verschlimmert (act. G 9).
Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (act. G 11).
Mit Schreiben vom 14. November 2013 forderte das Versicherungsgericht die Beschwerdegegnerin auf, Unterlagen zu den von der F. GmbH im Rahmen ihrer Arbeitsvermittlung durchgeführten Abklärungen erhältlich zu machen (act. G 16). Am
2. Dezember 2013 leitete die Beschwerdegegnerin dem Versicherungsgericht einen internen E-Mail-Verkehr weiter, gemäss welchem die F. GmbH über keinerlei Unterlagen mehr verfüge, da sie sämtliche Akten der Versicherten nach einem Jahr vernichte (vgl. act. G 19).
B.f Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 hielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an seinen Anträgen fest und reichte ergänzende Akten ein (act. G 20). Auf die Darlegungen des Beschwerdeführers wird soweit erforderlich in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen. Die Beschwerdegegnerin hatte mit Schreiben vom 12. November 2013 auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet (act. G 17).
Erwägungen:
1.
Zwischen den Parteien ist der Rentenanspruch des Beschwerdeführers umstritten.
Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Sie kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit Unfall sein (Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise
Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Der Grad der für einen allfälligen Rentenanspruch massgebenden Invalidität wird gemäss Art. 16 ATSG durch einen Einkommensvergleich ermittelt, bei dem das Einkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der notwendigen und zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt wird zum Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).
Gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG besteht Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie wenigstens zu 60% invalid ist. Liegt ein Invaliditätsgrad von mindestens 50% vor, so besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% auf eine Viertelsrente.
Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung gestellt haben. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung haben Versicherungsträger und Sozialversicherungsgerichte die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Hinsichtlich des Beweiswerts eines ärztlichen Gutachtens ist entscheidend, ob es für die Beantwortung der gestellten Fragen umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt und sich mit diesen sowie dem Verhalten der untersuchten Person auseinandersetzt, was vor allem bei psychischen Fehlentwicklungen nötig ist, in Kenntnis der und gegebenenfalls in Auseinandersetzung mit den Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, ob es in der Darlegung der medizinischen Zustände und Zusammenhänge einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des medizinischen Experten in einer Weise begründet sind, dass die rechtsanwendende Person sie prüfend nachvollziehen kann (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a, 122 V 157 E. 1c, je mit Hinweisen).
2.
In medizinischer Hinsicht ist gemäss der vorliegenden Aktenlage erstellt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund des essentiellen Tremors die angestammte Tätigkeit als Zahnarzt sowie feinmotorische Tätigkeiten im Allgemeinen nicht mehr zumutbar sind. In adaptierten Tätigkeiten (insbesondere beratende gutachterliche Tätigkeiten) wird dem Beschwerdeführer eine 100%ige Arbeitsfähigkeit attestiert (IV-act. 17-1 f., 28). Zwischen den Parteien ist insbesondere streitig, ob der Beschwerdeführer in der Lage ist, die attestierte Restarbeitsfähigkeit auf dem zu unterstellenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten. Aufgrund des Umstandes, dass die Unterlagen über die von der F. GmbH durchgeführten Abklärungen und Tests nicht mehr erhältlich zu machen sind (act. G 19; vgl. vorstehend B.e), hat die Klärung der Frage, ob und inwieweit der Beschwerdeführer seine Restarbeitsfähigkeit verwerten kann, aufgrund der vorliegenden Akten zu erfolgen.
Während die Beschwerdegegnerin davon ausgeht, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt für den Beschwerdeführer Stellen als Berater Gutachter für Sozialversicherungen in der Pharmaindustrie bereit halte (act. G 4), stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, es bestehe keine realistische Einsatzmöglichkeit mehr (act. G 1).
Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit der Einkommenserzielung ist festzuhalten, dass sich Art und Mass dessen, was einem Versicherten an Erwerbstätigkeit noch zugemutet werden kann, nach seinen besonderen persönlichen Verhältnissen einerseits und nach den allgemein herrschenden Anschauungen anderseits richten. Für die Zumutbarkeitsbeurteilung ist letztlich insofern eine objektive Betrachtungsweise massgebend, als es nicht auf eine bloss subjektiv ablehnende Bewertung der in Frage stehenden Erwerbstätigkeit durch den Versicherten ankommt (BGE 109 V 25 E. 3c mit Hinweisen, vgl. auch Ulrich Meyer, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 2. Aufl. Zürich 2010, S. 294, mit Hinweis).
Hinsichtlich der von der Beschwerdegegnerin als adaptierte Tätigkeit vorgeschlagenen Gutachteroder Beratungstätigkeit im medizinischen Bereich gilt es zu beachten, dass der Beschwerdeführer lediglich im Bereich der Zahnmedizin als Gutachter Berater arbeiten könnte. In diesem Bereich dürfte keine Nachfrage
nach vollzeitlich in grossem Teilpensum tätigen Gutachtern bzw. Beratern bestehen; dies insbesondere, weil zahnmedizinische Gutachten in der Praxis wohl fast ausschliesslich von praktizierenden Zahnärzten verfasst werden. Dass der Beschwerdeführer als nicht mehr praktizierender Zahnarzt eine entsprechende Stelle findet, ist vorliegend als nicht realistisch zu erachten entsprechende Vermittlungsbemühungen durch die F. GmbH blieben denn auch erfolglos (vgl. IVact. 55-4 ff). Mit dem höchstens erreichbaren kleinen Pensum in dieser Tätigkeit liesse sich kein nennenswertes Invalideneinkommen erzielen. Hinzu kommt, dass gemäss der nachvollziehbaren Darstellung des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 eine Gutachterbzw. Beratertätigkeit gelegentlich auch eigene Untersuchungen erfordert und ihm solche durch den Tremor kaum mehr möglich sind. Vor diesem Hintergrund ist es dem Beschwerdeführer nicht möglich, seine Restarbeitsfähigkeit als Gutachter Berater zu verwerten.
Im Zusammenhang mit einer möglichen Tätigkeit als (Berufsschul-)Lehrer ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, wie geltend gemacht, nicht über die vorausgesetzten Diplome, wie beispielsweise das höhere Lehramt eine Ausbildung als Berufsfachschullehrperson, verfügt. Eine solche Ausbildung wird aber offensichtlich regelmässig verlangt, wie die Bewerbungsabsagen verdeutlichen (act. G 20-9.1, 9.2, 9.5, 9.6). Da eine Umschulung aufgrund des Alters des Beschwerdeführers (Jahrgang 1950) unbestrittenermassen nicht verhältnismässig wäre, ist eine Verwertung der Restarbeitsfähigkeit als Lehrer vorliegend zu verneinen. Auch hier erscheint im Übrigen der Erhalt einer Stelle mit grossem Pensum (vgl. Erwägung 2.2.2) ohnehin wenig realistisch.
In Bezug auf eine mögliche Tätigkeit als Verkäufer Aussendienstmitarbeiter legte der Beschwerdeführer an der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dar, dass sich, entgegen den Ausführungen im Schlussbericht der F. GmbH vom 7. März 2012 (IV-act. 55-2), nicht die konkrete Möglichkeit eines Arbeitseinsatzes im Bereich Beratung/Verkauf bei der G. AG geboten habe. Er habe gegenüber F. Bedenken geäussert, ob er sich für eine solche Tätigkeit eigne. Daraufhin sei die Möglichkeit eines Einsatzes bei der G. AG nicht weiter verfolgt worden. Zwischen ihm und der Unternehmung habe keinerlei Kontakt stattgefunden. Wie darüber hinaus aus den eingereichten Bewerbungsunterlagen hervorgeht, fehlt dem Beschwerdeführer an der
für eine Tätigkeit im Aussendienst erforderlichen Erfahrung (vgl. auch das eingereichte Stelleninserat, act. G 20-9) und darüber hinaus nach dem Eindruck des Gerichts an der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 auch die nötige Eignung. Die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Restarbeitsfähigkeit im Rahmen einer Verkaufstätigkeit verwerten könnte, kann jedoch insofern offen gelassen werden, als davon ausgegangen werden muss, dass der Beschwerdeführer mit einer solchen Tätigkeit kein über dem Hilfsarbeiterlohn liegendes Erwerbseinkommen zu erzielen vermöchte (vgl. dazu nachstehende Erwägung 3.2).
2.3 Es stellt sich somit schliesslich die Frage, ob dem Beschwerdeführer adaptierte Hilfsarbeiten zumutbar sind. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass insbesondere bei Versicherten, die vor Eintritt der Invalidität in gehobener Stellung tätig die während vieler Jahre selbständigerwerbend waren, im Einzelfall höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit der Aufnahme einer Hilfsarbeitertätigkeit zu stellen sind. Vorliegend war der Beschwerdeführer während über 24 Jahren (vgl. IV-act. 12-3) als selbständiger Zahnarzt tätig und verfügt entsprechend über eine akademische Ausbildung. Unter Berücksichtigung seines Ausbildungsstandes und des Umstands, dass er jahrelang spezialisiert tätig gewesen ist, ist fraglich, ob dem bei Verfügungserlass über 60 Jahre alt gewesenen Beschwerdeführer überhaupt zumutbar ist, in diesem Alter erstmals als Hilfsarbeiter tätig zu sein. Bejaht man dies, erscheint jedenfalls zumindest nicht jegliche Hilfsarbeit als zumutbar. Zumutbar erscheinen lediglich angepasste Tätigkeiten im Dienstleistungssektor; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer als Zahnarzt in diesem Sektor tätig war und von ihm nicht verlangt werden kann, in den Produktionssektor zu wechseln. Darüber hinaus übt er zurzeit wiederum eine Tätigkeit im Dienstleistungssektor aus (vgl. den entsprechenden Anstellungsvertrag als Schulbuschauffeur im ca. 40%-Pensum, act. G 20-10) und gab anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 an, er könne sich auch andere angepasste Tätigkeiten in diesem Bereich vorstellen.
3.
Ausgehend von einer 100%-igen Restarbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten
Tätigkeit verbleibt die Bestimmung des Invaliditätsgrades.
Die Beschwerdegegnerin zog in der angefochtenen Verfügung vom 9. Juli 2012 für das Valideneinkommen das durchschnittliche Einkommen des Beschwerdeführers der Jahre 1997 bis 2001 heran (IV-act. 72, vgl. auch IV-act. 65), was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Allerdings ist das von der Beschwerdegegnerin zugrunde gelegte Valideneinkommen von Fr. 146'067.-- unter Einbezug der jährlichen Nominallohnbereinigung im Betrag nicht nachvollziehbar. So ergibt sich unter Berücksichtigung der Einkommen der Jahre 1997 bis 2001 ein an die jeweilige Nominallohnerhöhung (1997: Index Männer 1818, 1998: Index 1832, 1999: Index 1835,
2000: Index 1856, 2001: Index 1902; vgl. Bundesamt für Statistik BFS, Lohnentwicklung 2012, Tabelle T39) bis 2001 angepasstes Einkommen von Fr. 132'838.80 ([Fr. 143'643.90 [1997] + Fr. 141'265.-- [1998] + Fr. 139'410.90 [1999] + Fr.
135'374.-- [2000] + Fr. 104'500.-- [2001]] / 5). Angepasst an die
Nominallohnentwicklung bis 2012 - dem Jahr des Erlasses der angefochtenen Verfügung beläuft sich das Valideneinkommen auf Fr. 152'813.50 (2001: Index 1902, 2012: Index 2188).
Bei der Bestimmung des Invalideneinkommens stellte die Beschwerdegegnerin in der angefochtenen Verfügung auf den Tabellenlohn der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) im Bereich Gesundheitsund Sozialwesen, Stufe 2, im Betrag von Fr. 96'146.-ab (vgl. IV-act. 72). Angesichts dessen, dass dem Beschwerdeführer nur noch Hilfsarbeitertätigkeiten im Dienstleistungssektor zumutbar sind (vgl. Erwägung 2.3), ist bei der Ermittlung des zumutbaren Invalideneinkommens vom LSE-Tabellenlohn im Sektor III Dienstleistungen, Anforderungsniveau 4, auszugehen und für 2012 eine entsprechende Nominallohnanpassung vorzunehmen. Im Jahr 2010 betrug der standardisierte, das heisst auf ein Wochenpensum von 40 Stunden umgerechnete, Monatslohn für Männer im Sektor Dienstleistungen Fr. 4'536.-- (LSE 2010, Tabelle TA1). Angesichts der im Jahr 2010 betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden (BFS, Betriebsübliche Wochenarbeitszeit) entspricht dies einem Jahreslohn von Fr. 56'745.35 (Fr. 4'536.-- / 40 × 41,7 × 12). Damit ergibt sich für 2012 ein an die Nominallohnentwicklung (2010: Index 2151, 2012: Index 2188) angepasstes Invalideneinkommen von Fr. 57'721.45.
3.4
Nach der Rechtsprechung können die statistischen Löhne um bis zu 25% gekürzt werden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass versicherte Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in der Regel nicht das durchschnittliche Lohnniveau erreichen (RKUV 1999 Nr. U242 S. 412 E. 4b/bb) bzw. ihre Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg zu verwerten in der Lage sind. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen behinderungsbedingten Abzug (BGE 126 V 78 E. 5a/bb). Nach der Rechtsprechung hängt die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen auch von invaliditätsfremden Faktoren - des konkreten Einzelfalles ab (namentlich leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), welche nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind, wobei der maximal zulässige Abzug auf 25% festzusetzen ist. Eine schematische Vornahme des Tabellenlohnabzugs ist unzulässig (BGE 126 V 79 E. 5b und 129 V 481 E. 4.2.3 mit Hinweisen).
Vorliegend fällt diesbezüglich insbesondere das fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers in Betracht. Der Beschwerdeführer war bei Verfügungserlass über 60 Jahre alt und wird sich bei der Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit mit zahlreichen lohnwirksamen Nachteilen konfrontiert sehen (z.B. hohe Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber sowie kürzere Aktivitätsdauer des Beschwerdeführers). In der Regel wird er als älterer Arbeitnehmer eine deutliche Lohneinbusse in Kauf zu nehmen haben. Zudem ist er durch das augenfällige Zittern der Hände, die dadurch bestehende Einschränkung im Schreiben und bei feinmotorischen Tätigkeiten generell für viele Tätigkeiten nicht vollumfänglich einsetzbar, was seitens des Arbeitgebers erhöhtes Verständnis, mehr Rücksichtnahme und Flexibilität erfordert. Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung des bei der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 gewonnenen Gesamteindrucks des Beschwerdeführers erscheint ein Tabellenlohnabzug von 25% vorliegend als angemessen. Das zumutbare Invalideneinkommen ist demnach auf Fr. 43'291.10 zu reduzieren (Fr. 57'721.45 x 0.75).
4.
Bei einem Valideneinkommen von Fr. 152'813.50 und einem Invalideneinkommen
von Fr. 43'291.10 resultieren eine Erwerbseinbusse von Fr. 109'522.40 (Fr. 152'813.50
- Fr. 43'291.10) und ein rentenbegründender Invaliditätsgrad von 71.67% ([Fr. 109'522.40 / Fr. 152'813.50] x 100). Der Beschwerdeführer hat damit Anspruch auf eine ganze Rente.
Da der Beschwerdeführer die selbständige Tätigkeit als Zahnarzt aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen Ende September 2010 aufgeben musste (vgl. IVact. 5-6) und sich aus den Akten darüber hinaus keine Anhaltspunkte ergeben, weshalb von dem vom RAD festgesetzten Beginn der 100%igen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Zahnarzttätigkeit (27. September 2010, vgl. IV-act. 28) abzuweichen wäre, ist der Rentenbeginn - nach Ablauf des Wartejahres (Art. 28 Abs. 1 IVG) auf
den 1. September 2011 festzusetzen.
Da im Sinne der vorstehenden Erwägungen selbst bei einer 100%igen Arbeitsfähigkeit eine ganze Rente resultiert, kann offen bleiben, ob es, wie vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der Replik vom 4. Dezember 2012 (act. G 9) und an der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 geltend gemacht wurde, hinsichtlich des Herzleidens des Beschwerdeführers (rechtsventrikulären arrhythmogenen Kardiomyopathie, vgl. IV-act. 17-6) zu einer Verschlechterung gekommen ist, aufgrund welcher die attestierte 100%ige Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten in Frage gestellt werden müsste. Das nach Aussage des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung ca. im März 2014 erwartete Ergebnis der bereits veranlassten Abklärungen im Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich ist daher für das vorliegende Verfahren von vornherein nicht relevant.
5.
In Gutheissung der Beschwerde ist die angefochtene Verfügung vom 9. Juli 2012 aufzuheben und dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. September 2011 eine ganze Rente zuzusprechen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem
Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr.
1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1 bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-erscheint für das Beschwerdeverfahren einschliesslich mündlicher Verhandlung als angemessen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind sie vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist ihm zurückzuerstatten.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen, wobei insbesondere der Bedeutung der Streitsache und dem Aufwand Rechnung zu tragen ist (Art. 61 lit. g ATSG). Der Bedeutung und dem Aufwand der Streitsache angemessen erscheint unter Berücksichtigung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 4'250.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 9. Juli 2012 aufgehoben und dem Beschwerdeführer eine ganze Rente ab 1. September 2011 zugesprochen.
Die Beschwerdegegnerin hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-zu bezahlen. Der
geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von
Fr. 4'250.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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