E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2012/284: Versicherungsgericht

Ein Mann namens R.________ forderte ab dem 1. Dezember 2003 Arbeitslosenentschädigung an. Im April 2004 begann er eine sechsmonatige Einarbeitung als Landschaftsgärtner bei der Firma V.________ SA, die jedoch den Arbeitsvertrag vorzeitig auflöste. Die Arbeitslosenkasse forderte daraufhin die Rückzahlung der zu Unrecht erhaltenen Beträge. Trotz Bemühungen des Arbeitgebers, die Rückzahlung abzuwenden, entschieden die Behörden, dass die Beträge zurückgezahlt werden müssen. Die Firma V.________ SA klagte gegen diese Entscheidung, wurde jedoch abgewiesen, da die Bedingungen für eine Rückzahlung nicht erfüllt waren. Der Richter, Herr DIND, entschied, dass die Firma die unrechtmässig erhaltenen Beträge zurückzahlen muss.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2012/284

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2012/284
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2012/284 vom 09.12.2014 (SG)
Datum:09.12.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Würdigung diverser Gutachten. Da der gutachterlichen Einschätzung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu folgen ist, wird der Rentenanspruch abgelehnt (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2014, IV 2012/284).
Schlagwörter : ähig; MEDAS; IV-act; Arbeitsunfähigkeit; Störung; Arbeitsfähigkeit; Gesundheit; Abklärung; Gutachten; IV-Stelle; Diagnose; Gesundheitszustand; Sachverständige; Verfügung; Gericht; Versicherungsgericht; Rente; Invalidität; Bezug; Einschätzung; Begutachtung; Invaliditätsgrad; Quot; Untersuchung
Rechtsnorm:Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ;
Referenz BGE:125 V 261; 125 V 352; 130 V 356;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2012/284

Entscheid Versicherungsgericht, 09.12.2014

Vizepräsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Marie Löhrer; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger

Entscheid vom 9. Dezember 2014

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend

IV-Leistungen Sachverhalt:

A.

    1. A. meldete sich erstmals im Juni 1993 zum Bezug von IV-Leistungen an. Nach vertieften Abklärungen mit einer MEDAS-Begutachtung im Juli 1996 (IV-act. 31) lehnte die IV-Stelle das Gesuch mit Verfügung vom 22. Januar 1997 ab (IV-act. 43). Am

      20. November 2007 meldete sich die Versicherte erneut zum Bezug von Leistungen an (IV-act. 45), woraufhin sie im August 2008 wiederum in der MEDAS Ostschweiz untersucht und begutachtet wurde (IV-act. 82). Die Sachverständigen hielten fest, aus somatischer Sicht leide die Versicherte unter einer gastroösophagealen Refluxkrankheit, einer klassischen Migräne mit Aura und SpannungstypKopfschmerzen, welche möglicherweise analgetikainduziert akzentuiert seien. Im Vordergrund stehe aber die somatoforme autonome Funktionsstörung des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die rezidivierende depressive Störung sei zum grössten Teil auf die psychosoziale Belastungssituation zurückzuführen und erfülle deshalb die Kriterien für die Diagnose einer schweren psychischen Komorbidität nicht. Mit einer Verfügung vom 5. Januar 2009 lehnte die IV-Stelle das Rentengesuch ab (IV-act. 94). Sie hielt fest, aus medizinischer Sicht sei der Versicherten eine leidensangepasste Tätigkeit zu 75% zumutbar; der Invaliditätsgrad betrage 31%. Am 4. Februar 2009 liess die Versicherte dagegen Beschwerde beim Versicherungsgericht erheben (IV-act. 97). Das Gericht hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Februar 2011 teilweise gut. Es wies die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung an die IV-Stelle zurück (Entscheid des Versicherungsgerichts St. Gallen vom 9. Februar 2011, IV 2009/28, für eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts sei darauf verwiesen; IV-act. 109). Das Gericht erachtete insbesondere die psychiatrische Beurteilung als nicht aussagekräftig genug, um gestützt darauf den Rentenanspruch zu beurteilen. Die Frage nach der verbleibenden Restarbeitsfähigkeit sei unter Beizug der gesamten medizinischen Aktenlage zu beantworten.

    2. Im April 2011 leitete die IV-Stelle zu diesem Zweck eine weitere medizinische Abklärung in der MEDAS-Ostschweiz in die Wege (IV-act. 113). Die Versicherte wurde am 11. und 13. Juli 2011 untersucht und begutachtet. Das Gutachten datiert vom

      17. Februar 2012 (IV-act. 120). Der psychiatrische Gutachter hielt fest, der

      psychopathologische Zustand der Versicherten habe sich seit der letzen Beurteilung im

      Juli 2008 trotz der vorhandenen psychosozialen Belastungen gebessert. Eine depressive Störung könne weder im Verlauf noch bei der jetzigen Untersuchung objektiviert werden. Der Gutachter hatte mit der Versicherten diverse Tests zur Objektivierung der häufigsten depressiven Symptome durchgeführt. Er war der Ansicht, dass u.a. die Hamilton-Depressionsskala, bei der die Beschwerdeführerin 8 Punkte erreicht hatte, eine depressive Störung im Sinne der ICD-10 Klassifikation ausschliesse, weshalb die Kriterien der Diagnose einer depressiven Störung derzeit nicht erfüllt seien. Im Vergleich zu den Untersuchungen von 1996 und 2008 könne festgestellt werden, dass sich die Somatisierungsstörung zwar auf weitere Körperfunktionen ausgeweitet, die Beschwerdeschilderung aber an Dramatik abgenommen habe. Die vielen innerseelischen Konflikte und die psychosozialen Be lastungen prägten insgesamt das psychopathologische Zustandsbild der Versicherten. Dabei bestehe eine Tendenz, solche Konflikte in körperliche Symptome umzuwandeln. Die Versicherte zeige in mitmenschlichen Beziehungen Verhaltensauffälligkeiten, weshalb bereits 2008 die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit histrionischen, passiv-aggressiven und paranoiden Zügen gestellt worden sei (ICD-10: F60.8). Zudem bestehe eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.0) ohne ausgewiesene mitwirkende psychische Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer. Derzeit lägen bei der Versicherten weder kognitive Störungen noch schwere psychiatrische Erkrankungen aus dem depressiven schizophrenen Formenkreis eine schwere Persönlichkeitsstörung vor, die es als der Versicherten nicht zumutbar erscheinen liessen, mit genügender Willensanspannung die Somatisierungsstörung zu überwinden (IV-act. 120-12). Gesamthaft hielten die Gutachter fest, unter Berücksichtigung aller gesundheitsbeeinträchtigenden Aspekte könne keine Arbeitsunfähigkeit in den von der Versicherten früher und aktuell ausgeübten beruflichen Tätigkeiten attestiert werden. Kurzfristige Arbeitsausfälle seien aufgrund der rezidivierenden Migräne möglich. Tätigkeiten mit wiederholtem Bücken seien aufgrund der gastroösophagealen Refluxkrankheit zu vermeiden. Da der Verdacht auf einen Triptan-Abusus bestehe, sollte die Versicherte einen Schmerzkalender führen und die Triptan-Medikation reduzieren. Psychiatrischerseits wären die subjektiven Befindlichkeitsstörungen bei geeigneter psychiatrischpsychotherapeutischer Behandlung überwindbar, sofern die Versicherte im therapeutischen Prozess aktiv mitwirken würde. Aufgrund des chronifizierten

      Beschwerdebildes könne im Verlauf nicht mit einer Besserung der subjektiven

      Befindlichkeit gerechnet werden (IV-act. 120-15).

    3. Gestützt auf diese medizinische Einschätzung kündigte die IV-Stelle der Versicherten mit Vorbescheid vom 22. März 2012 an, dass sie das Rentengesuch bei einem Invaliditätsgrad von 0% abweisen werde (IV-act. 125). Dagegen liess die Versicherte am 14. Mai 2012 einen Einwand erheben (IV-act. 126). Sie liess beantragen, es sei ihr eine Rente auszurichten und der Fall sei zur weiteren Bearbeitung an die zuständige IV-Stelle im Kanton Bern zu übertragen. Mit Verfügung vom 18. Juni 2012 entschied die IV-Stelle (St. Gallen) gemäss ihrem Vorbescheid (IV-act. 129). Zur Begründung hielt sie fest, gemäss Art. 55 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) sei diejenige IV-Stelle zuständig, in deren Kantonsgebiet die versicherte Person im Zeitpunkt der Anmeldung ihren Wohnsitz gehabt habe. Zur medizinischen Begründung erwog sie, es könne zwar wegen der Migräne kurzzeitige Arbeitsausfälle geben, eine anhaltende Arbeitsunfähigkeit sei aber nicht ausgewiesen. Seit der Begutachtung im August 2008 sei eine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten. Aktuell habe kein depressives Leiden mehr diagnostiziert werden können. Die Somatisierungsstörung und die spezielle Persönlichkeitsstruktur der Versicherten begründeten versicherungsmedizinisch keine Arbeitsunfähigkeit.

B.

    1. Dagegen richtete sich die Beschwerde vom 14. August 2012 (act. G 1). Die nun nicht mehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin beantragte, weiterführende Abklärungen im Kanton Bern vorzunehmen. Durch die Einnahme von diversen Medikamenten sei ein normaler (Arbeits-) Alltag unmöglich. Sie leide an Appetitverlust, Schlafstörungen, Müdigkeit am Arbeitsplatz bis hin zu Blitzschlaf, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Schwächeanfällen und Schmerzen beim Berühren von Gegenständen. Zudem benötige sie längere Sitzund Ruhepausen.

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 4. Oktober 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde sei abzuweisen (act. G 4). Zur Begründung führte sie an, es könne auf die Einschätzung der MEDAS-Gutachter abgestellt werden.

      Mit der polydisziplinären Untersuchung sei sichergestellt worden, dass keiner medizinischen Einzeldisziplin bei der Arbeitsfähigkeitsschätzung ein zu grosses Gewicht zugekommen sei. Die Beschwerdeführerin leide entgegen ihrer eigenen Ansicht nicht an erheblichen objektivierbaren Beschwerden, die eine Dauerbehandlung bei diversen Ärzten notwendig machen würden. Sporadische Besuche beim Hausarzt sollten ausreichend sein. Dabei sei es der Beschwerdeführerin zumutbar, diese ausserhalb der Arbeitszeit vorzunehmen. Ein Einfluss der Medikamente auf die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei dem Gutachten nicht zu entnehmen. Weitere medizinische Abklärungen seien unnötig, da die MEDAS-Sachverständigen die geltend gemachten Einschränkungen der Beschwerdeführerin ausführlich abgeklärt hätten. Da die Beschwerdeführerin in sämtlichen Tätigkeiten, in denen sie sich nicht bücken müsse, voll arbeitsfähig sei, sei sie nicht invalid im Sinne von Art. 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG,

      SR 830.1), weshalb gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG kein Rentenanspruch gegeben sei.

    3. Die Beschwerdeführerin replizierte am 28. Januar 2013, sie könne ihre derzeit ausgeübte Tätigkeit nur schwer ausführen. Jeder Handgriff, sei er auch noch so leicht, sei mit Schmerzen verbunden. Zum Beweis legte sie Fotos ihrer Fingernägel bei. Sie leide aktuell an starkem Haarausfall, was ihr ein repräsentatives Aussehen, welches sie für den Umgang mit Kunden brauche, verunmögliche. Sie legte zum Beweis im Zeitraum einer Woche ausgefallene Haare bei und verwies auf Herrn Dr. B. , bei dem Abklärungen im Gange seien (act. G 10).

    4. Am 6. Februar 2013 verzichtete die Beschwerdegegnerin sinngemäss auf eine Duplik (act. G 12).

Erwägungen:

1.

    1. Am 1. Januar 2008 ist die 5. IV-Revision in Kraft getreten. Die Beschwerdegegnerin verfügte erstmals im Januar 2009, also unter Geltung des neuen Rechts. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin bereits im November 2007 zum Bezug von Leistungen bei der IV-Stelle angemeldet hatte.

      Intertemporalrechtlich ist daher für einen allfälligen Beginn des Rentenanspruchs nicht die seit dem 1. Januar 2008 geltende Regelung in Art. 29 Abs. 1 IVG, sondern die altrechtliche Lösung in aArt. 29 Abs. 1 IVG (allenfalls in Verbindung mit aArt. 48 Abs. 2 IVG) anwendbar (vgl. die IV-Rundschreiben Nr. 253 und Nr. 300 des Bundesamtes für Sozialversicherungen). Ein allfälliger Rentenanspruch wäre demnach - unabhängig vom Anmeldedatum mit dem Ablauf des Wartejahres entstanden.

    2. Der Hausarzt der Beschwerdeführerin attestierte ab dem 18. Dezember 2006 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Es ist daher zu prüfen, ob der damalige Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin das Wartejahr hat beginnen lassen. Die erste ablehnende Verfügung ist vom Versicherungsgericht aufgehoben und die Sache ist zur weiteren medizinischen Abklärung an die IV-Stelle zurückgewiesen worden. Die IV-Stelle hat deshalb am 18. Juni 2012 neu über einen allfälligen Rentenanspruch ab dem Ablauf des Wartejahres verfügt. Es gilt somit, den Sachverhalt (und den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin) von Dezember 2006 bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung vom 18. Juni 2012 zu beurteilen.

2.

    1. Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG), das heisst der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach ärztlicher Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; Art. 16 ATSG). Bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 40 % besteht kein Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung

      (Art. 28 Abs. 1 lit. c IVG).

    2. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades sind die zuständige Behörde und später das Gericht auf von den Ärzten zur Verfügung zu stellende Unterlagen angewiesen. Aufgabe der Ärzte ist es denn auch, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 261 E. 4 mit weiteren Hinweisen). Im Rahmen der freien Beweiswürdigung dürfen sich Verwaltung und Gericht weder über die medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen, noch sind die ärztlichen Einschätzungen zur Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer sozialversicherungsrechtlichen Tragweite zu übernehmen. Die rechtsanwendende Behörde hat sorgfältig zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, welche vom sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt aus, unbeachtlich sind (BGE 130 V 356 E. 2.2.5).

    3. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Situation und deren Zusammenhängen einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 E. 3a). So weicht denn auch das Gericht nach der Praxis nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung des medizinischen Experten ab, dessen Aufgabe es ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen (BGE 125 V 352 E. 3b/aa).

3.

    1. Das Versicherungsgericht hat seinen Rückweisungsentscheid vom 9. Februar 2011

      damit begründet, dass eine erhebliche Abweichung zwischen den Angaben von

      Dr. C. in dessen Gutachten zuhanden der Krankentaggeldversicherung und den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen der MEDAS sowohl in Bezug auf die Diagnosen als auch in Bezug auf die Arbeitsfähigkeitsschätzung bestehe. Dr. C. habe eine mittelschwere bis schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine Somatisierungsstörung angegeben und daraus auf eine aktuelle vollständige Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin geschlossen, wobei mittelfristig eine

      Arbeitsfähigkeit von 50% erreicht werden könne. Der psychiatrische Sachverständige der MEDAS habe eine mittelschwere depressive Störung angegeben, die allerdings variabel und reversibel sei. Er habe zwar eine Arbeitsunfähigkeit angenommen, diese aber gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und auf die Verursachung durch psychosoziale Belastungsfaktoren als vollständig überwindbar qualifiziert. Das Versicherungsgericht hat weder die Einschätzung von Dr. C. noch diejenige des Sachverständigen der MEDAS als überzeugend betrachtet, wobei in Bezug auf die psychiatrische Abklärung im Rahmen der Begutachtung durch die MEDAS wohl die Überlegung mitgewirkt hat, dass der Sachverständige die bundesgerichtliche Rechtsprechung falsch interpretiert und deshalb auch falsch angewendet habe. In dieser Situation hat die Rückweisung an die Beschwerdegegnerin zur weiteren Abklärung des psychischen Gesundheitszustandes und der daraus allenfalls resultierenden Arbeitsunfähigkeit nur den Zweck gehabt, eine dritte, nun aber überzeugende Arbeitsfähigkeitsschätzung für die Zeit ab Dezember 2006 zu erhalten.

    2. Der Begutachtungsauftrag an die MEDAS (vgl. IV-act. 114-2) hat zwar den üblichen vollständigen Fragenkatalog enthalten, zusätzlich ist die MEDAS aber mit der Aufgabe betraut worden, sich zu den "Beanstandungen" im Rückweisungsentscheid

      des Versicherungsgerichts zu äussern. Hätte die Beschwerdegegnerin die Intention des Versicherungsgerichts im Rückweisungsentscheid konsequent umgesetzt, hätte sie im Begutachtungsauftrag den üblichen Fragenkatalog entweder weglassen müssen, d.h. sie hätte den Abklärungsauftrag klar auf das Thema der "Beanstandungen" beschränken müssen. So ist der entsprechende Teil des Begutachtungsauftrags anscheinend nicht verstanden worden, denn im psychiatrischen Teil des Gutachtens von 2012 findet sich trotz eines entsprechenden Hinweises des psychiatrischen Sachverständigen keine Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand und der daraus allenfalls resultierenden Arbeitsunfähigkeit ab Dezember 2006. Die im Gutachten von 2008 gestellte Diagnose wird als rezidivierende depressive Störung mittelschweren Ausmasses mit somatischem Syndrom wiedergegeben. Dies wird als Faktum betrachtet und zur Grundlage der Beurteilung der Entwicklung des psychischen Gesundheitszustandes seit 2008 gemacht. Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin soll sich seither "etwas gebessert" haben (vgl. IV-act. 120-12), was dazu geführt habe, dass neu keine depressive Störung mehr habe objektiviert werden können. Damit bestehe aus psychiatrischer Sicht eine uneingeschränkte

      Arbeitsfähigkeit. Das eigentliche Abklärungsziel, nämlich die Frage nach der Arbeitsfähigkeit seit Dezember 2006, ist also nicht thematisiert worden. Trotzdem liefert das MEDAS-Gutachten 2012 Informationen, die es erlauben, die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu belegen: Der psychiatrische Sachverständige der MEDAS hatte im Jahr 2008 angegeben, die Beschwerdeführerin habe ihre Beschwerden in einem durchwegs kraftvoll anklagenden Unterton recht konsistent geschildert. Diese Beschwerden

      seien in einer Art vorgebracht worden, die weder ein Hinterfragen noch Hinweise auf eigene Anteile zugelassen habe. Die Beschwerdeführerin habe von einem Psychotherapeuten erwartet, dass er sie "abhöre", letztlich also in ihrer Opferrolle bestärke. Klinisch hätten sich weder eine affektive Einengung noch eine spontane Schmerzreaktion vegetativ-vitale Zeichen geäussert, die eine verminderte Leistungsfähigkeit aufgezeigt hätten. Die relativ hohen Resultate in den DepressionsFremdbeurteilungsskalen seien hauptsächlich durch die anamnestischen Angaben zustande gekommen. Es habe eine grosse Diskrepanz zwischen den im Gespräch objektivierbaren Befunden und dem zu diagnostizierenden Syndrom bestanden. Wenn man sich aber stur an die ICD-10 F-Diagnostik halte, müsse die Diagnose einer mittelschweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom gestellt werden. Die RAD-Ärztin habe diese Diagnose, wohl gestützt auf den Mangel an objektivierbaren Befunden und auf die Verdeutlichungstendenz, nicht stellen wollen. Deshalb habe sie eine schwere psychische Erkrankung ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin leide auch an einer Persönlichkeitsstörung mit einem passiv-aggressiven und histrionischen Einschlag, ohne deswegen aber für Dritte unzumutbar zu sein, wie die mehrjährige Tätigkeit als Gastwirtin gezeigt habe. Der Schweregrad der depressiven Störung sei wegen der Verdeutlichungstendenz kaum zu objektivieren. Das depressive Zustandsbild dürfte zum grössten Teil auf die psychosoziale Belastungssituation zurückzuführen sein, weshalb keine schwere psychische Beeinträchtigung bestehe.

    3. Damit hat der psychiatrische Sachverständige im Jahr 2008 erklärt, warum er einerseits eine mittelschwere depressive Störung angegeben und andererseits eine Arbeitsunfähigkeit verneint hat: Die Diagnose ist das Ergebnis des Ausgangs verschiedener standardisierter Tests gewesen, wobei eine deutliche Diskrepanz zur klinischen Untersuchung aufgefallen ist, d.h. die Diagnose ist auf die Verdeutlichung zurückzuführen gewesen, während die Arbeitsfähigkeitsschätzung auf das Ergebnis der

      klinischen Abklärung abgestellt hat. Der psychiatrische Sachverständige hat also im Jahr 2008 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung aktuell mittelschweren Ausmasses angegeben, ist aber eigentlich davon ausgegangen, dass nur eine leichtgradige Ausprägung der depressiven Störung vorliege, die keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe, weil es der Beschwerdeführerin bei einer zumutbaren Willensanstrengung möglich und zumutbar gewesen wäre, zu 100% einer adaptierten Erwerbstätigkeit nachzugehen (zumal keine die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende affektive Einengung kognitive Beeinträchtigung vorlag).

    4. Durch das MEDAS-Gutachten 2012 ist nun erkennbar geworden, dass die Ab weichung zwischen der Diagnose und der Arbeitsfähigkeitsschätzung im Jahr 2008 insbesondere auf eine Diagnose zurückzuführen ist, die sich einzig auf die standardisierte Testung und nicht auf die klinische Untersuchung gestützt hat. Die psychiatrische Begutachtung von 2012 hat das Abklärungsresultat des Jahres 2008 vollumfänglich bestätigt. Die Beschwerdeführerin hat erneut jene Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, die für eine Persönlichkeitsstörung mit histrionischen, passiv-aggressiven und paranoiden Zügen typisch sind. Die Anpassungsstörung hat sich auf weitere Körperfunktionen ausgeweitet, aber die angegebenen Schmerzen haben an Dramatik abgenommen. Wie schon im Jahr 2008 ist auch im Jahr 2012 daraus keine Arbeitsunfähigkeit abzuleiten gewesen. Ausschlaggebend ist nun aber, dass keine depressive Störung hat objektiviert werden können. Diese Einschätzung beruht nicht nur auf dem Ergebnis der klinischen Untersuchung im Gespräch, sondern auch auf Testungen. Eine dieser Testungen hat zwar eine hohe Punktzahl ergeben, aber der psychiatrische Sachverständige hat diesmal, anders als 2008, das Ergebnis kritisch beleuchtet und da es weder mit der Anamnese noch mit dem klinischen Befund korrelierte, nicht als Basis für seine Einschätzung herangezogen. Eine andere Testung hat sogar eine depressive Störung ausgeschlossen.

    5. Die Aussage des psychiatrischen Sachverständigen, es sei seit 2008 eine leichte Verbesserung eingetreten, muss nach dem oben Ausgeführten relativiert werden, da sie sich an einer Diagnose orientiert, die nach dem oben Ausgeführten damals nicht mit Überzeugung gestellt worden ist. Daraus folgt, dass die - überzeugende - Einschätzung im MEDAS-Gutachten von 2012 (uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit) die gleichlautende Arbeitsfähigkeitsschätzung im Gutachten des Jahres 2008

      vollumfänglich bestätigt. Für die Zeit ab der Begutachtung von 2008 ist also davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in einer adaptierten Tätigkeit nicht arbeitsunfähig gewesen ist. Da nichts darauf hindeutet, dass dies vor der Begutachtung von 2008 anders gewesen sein könnte (und da für die massgebende Periode keine überzeugende Abklärung mehr möglich ist), ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei objektiver Betrachtung ab Dezember 2006 entgegen den Angaben des behandelnden Arztes aus psychiatrischer Sicht nicht arbeitsunfähig gewesen ist.

    6. Das MEDAS-Gutachten vom 18. August 2008 erweist sich, soweit es sich auf die somatischen Beschwerden bezieht, auch bei nochmaliger Würdigung als nachvollziehbar und überzeugend, weshalb es diesbezüglich eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsbzw. Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin darstellt. Das Gericht ist denn auch in seinem Entscheid vom

      9. Februar 2011 lediglich in Bezug auf den psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zur Auffassung gelangt, dass dieses Gutachten nicht zu überzeugen vermöge. Das neue MEDAS-Gutachten vom 17. Februar 2012 ist deshalb nicht nur ein Verlaufsgutachten, mit dem die Entwicklung der somatischen und psychischen Gesundheit der Beschwerdeführerin seit 2008 erhoben worden ist. Es ist in Bezug auf den psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und in Bezug auf die daraus allenfalls resultierende Arbeitsunfähigkeitsschätzung auch eine Ergänzung des MEDAS-Gutachtens von 2008, d.h. es sollte die Antwort auf die Frage liefern, ob die Beschwerdeführerin aufgrund einer Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit ab Dezember 2006 in einem rentenerheblichen Ausmass arbeitsunfähig gewesen ist.

    7. Wie gezeigt, ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin andauernd über die nötigen Ressourcen verfügt hat, um mit ihrer belastenden Situation adäquat umzugehen. Zumindest ist es ihr stets zumutbar gewesen, die nötige Willensanstrengung aufzubringen und ihre im Zusammenhang mit der Somatisierungsstörung stehenden Beschwerden zu überwinden. Durch die Migräne hat es zwar zu kurzfristigen Arbeitsausfällen kommen können, diese Beeinträchtigung konnte aber nie eine anhaltende Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Tätigkeiten mit

      wiederholtem Bücken zu vermeiden, sollte der Beschwerdeführerin ohne weiteres möglich gewesen sein.

    8. Während bei der Verfügung vom 5. Januar 2009 auf einen IV-Grad von 31% abgestellt worden ist, stützt sich die Verfügung vom 18. Juni 2012 auf einen Invaliditätsgrad von 0%. Ob weiterhin auf die im MEDAS-Gutachten 2008 festgestellte Arbeitsunfähigkeit von maximal 25% abzustellen ist ob sich der Gesundheitszustand so verbessert hat, dass keine Arbeitsunfähigkeit mehr besteht, kann offen bleiben, da auch bei der Annahme einer unveränderten 25%igen Arbeitsunfähigkeit kein Invaliditätsgrad von mindestens 40% resultieren würde.

4.

    1. Es ist damit zusammenfassend festzustellen, dass der Beschwerdeführerin durchgehend seit 2006 eine 100%ige Arbeitstätigkeit zumutbar war. Weitere Ausführungen erübrigen sich, da bei dieser Ausgangslage kein rentenbegründender Invaliditätsgrad von mindestens 40% entstehen konnte. Damit hat die Beschwerdegegnerin einen Rentenanspruch der Beschwerdeführerin zu Recht verneint. Folglich ist die Beschwerde unter Bestätigung der Verfügung vom 18. Juni 2012 abzuweisen.

    2. Falls die Beschwerdeführerin der Ansicht ist, ihr Gesundheitszustand habe sich nach Erlass der Verfügung (vom 18. Juni 2012) massgeblich verschlechtert, steht es ihr frei, dies im Rahmen einer Wiederanmeldung gegenüber der (zuständigen) IV-Stelle geltend zu machen.

5.Nach Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Be willigung die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt. Sie sind ermessensweise auf Fr. 600.-zu veranschlagen. Nachdem die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren unterlegen ist, hat sie die Gerichtskosten zu tragen. Die Gerichtskosten sind durch den bezahlten Kostenvorschuss in gleicher Höhe gedeckt.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 600.-ist von der Beschwerdeführerin zu tragen. Sie ist durch den Kostenvorschuss in gleicher Höhe gedeckt.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.