Zusammenfassung des Urteils IV 2011/417: Versicherungsgericht
Der 1975 geborene A. meldete sich im Oktober 2010 für IV-Leistungen an, da er wegen einer Hüfterkrankung seinen Beruf als Tänzer aufgeben musste. Nach ärztlichen Gutachten wurde ihm eine Umschulung empfohlen, die IV-Stelle lehnte dies jedoch ab. A. erhob Beschwerde, da er sich für ein Kommunikationsstudium eingeschrieben hatte. Es entstand ein Rechtsstreit bezüglich der Umschulung und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Das Versicherungsgericht hob die Entscheidung der IV-Stelle teilweise auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung zurück.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2011/417 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | FL - Familienzulagen in der Landwirtschaft |
Datum: | 13.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 17 IVG. Grundsätzlicher Anspruch auf eine Umschulung bejaht. Rückweisung zur Prüfung einer Austauschbefugnis (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. Dezember 2012, IV 2011/417). |
Schlagwörter : | Umschulung; Ausbildung; Eingliederung; Beruf; Tänzer; IV-Stelle; Anspruch; Arbeit; Bereich; Eingliederungsmassnahme; Austauschbefugnis; Verfügung; Invalidität; Massnahme; Massnahmen; Umschulungsanspruch; Verdienst; Eingliederungsmassnahmen; Gleichwertigkeit; Unterstützung; Einkommen |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 120 V 280; 124 V 110; |
Kommentar: | - |
Vizepräsidentin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichterin Marie Löhrer, a.o.
Versicherungsrichter Christian Zingg; Gerichtsschreiberin Jeannine Bodmer
Entscheid vom 13. Dezember 2012
in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
berufliche Massnahmen (Umschulung)
Sachverhalt: A.
Der 1975 geborene A. meldete sich am 14. Oktober 2010 zum Bezug von IVLeistungen (Massnahmen für die berufliche Eingliederung) an. Wegen einer Hüfterkrankung habe er Ende Juni 2010 den Beruf als Tänzer vollständig aufgeben müssen (act. G 4.1.4 und 5). Dr. med. B. , hielt mit Arztzeugnis vom 14. September 2010 als Diagnose eine Chondropathie Grad III Hüftkopf und Acetabulum sowie Limbuspathologie mit Degeneration und feinen Einrissen links bei mässiger Hüftdysplasie fest. Er bestätigte, dass die Arbeitsfähigkeit des Versicherten im alten Beruf als Tänzer noch bis Juni 2010 habe erhalten werden können. In Zukunft seien aber schwere körperliche Arbeiten für den Versicherten nicht mehr möglich (act.
G 4.1/3). RAD-Arzt Dr. med. C. nahm am 28. Oktober 2010 dahingehend Stellung, dass bei den ärztlich beschriebenen Veränderungen am linken Hüftgelenk in der angestammten Tätigkeit als Tänzer eine dauerhafte (mindestens 20%ige) Arbeitsunfähigkeit bestehe, womit aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für berufliche Massnahmen gegeben seien (act. G 4.1/7).
Anlässlich eines Assessmentgesprächs zwischen dem Versicherten und der Eingliederungsverantwortlichen der IV-Stelle vom 24. Februar 2011 gab jener an, sich zum Bachelorstudiengang "Kommunikation: Journalismus/ Organisationskommunikation" an der D. angemeldet zu haben, weshalb er um Unterstützung durch die IV ersuche. Am 7. April 2011 teilte ihm die Eingliederungsverantwortliche mit, dass auf Grund des im bisher ausgeübten Beruf als Tänzer erzielten geringen Verdienstes kein Umschulungsanspruch bestehe (act.
G 4.1/21, 22 und 23).
Mit Vorbescheid vom 15. August 2011 stellte die IV-Stelle dem Versicherten in Aussicht, das Leistungsbegehren für eine Umschulung abzuweisen. Da die gelernte Tätigkeit im kaufmännischen Bereich optimal adaptiert sei und eine volle Arbeitsfähigkeit bestehe, sei ein dauerhafter Minderverdienst nicht gegeben. Eine Umschulung sei daher nicht angezeigt. Das Studium würde auf Grund des vormals erzielten Einkommens zu einer Besserqualifizierung führen. Weiter wies die IV-Stelle
darauf hin, dass der Anspruch auf Unterstützung bei der Stellensuche Wiedereingliederung in den kaufmännischen Bereich jedoch gegeben sei. Es stehe dem Versicherten offen, sich zur Arbeitsvermittlung zu melden (act. G 4.1/27).
Mit Eingaben vom 29. August 2011 bzw. 4. Oktober 2011 liess der Versicherte durch Rechtsanwältin lic. iur. Y. Schweri, Zürich, gegen den Vorbescheid Einwand erheben. Die Rechtsvertreterin machte geltend, dass der Versicherte gerade nicht über eine Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich verfüge. Er habe die Handelsmittelschule gemacht und im Jahr 1994 abgeschlossen. Ein Praxisjahr sei nicht erfolgt: Ebenso habe er nie irgendeine kaufmännische Tätigkeit ausgeübt. Das vor mittlerweile über 17 Jahren erworbene Diplom entspreche einer Berufsmaturität und ermögliche ihm den Zugang zu einer Fachhochschule; es handle sich aber keineswegs um eine kaufmännische Berufsausbildung, die den Versicherten ohne Weiteres zur Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit befähigen würde. Für eine kaufmännische Tätigkeit, die über blosse Hilfsarbeiten hinausgehe, müsste er deshalb erst die erforderlichen Qualifikationen erwerben. Auch das von der IV-Stelle angenommene Valideneinkommen entspreche nicht der Realität, da lediglich der im Jahr 2000 erzielte Verdienst am F. hochgerechnet worden sei. Da der Versicherte sich auf Grund einer Laufbahnberatung weniger hin zu einer kaufmännischen als vielmehr zu einer künstlerisch/kommunikativen Tätigkeit orientieren wolle, wäre eine Unterstützung durch die IV zumindest im Rahmen einer Austauschbefugnis zu prüfen (act. G 4.1/30, 32).
Mit Verfügung vom 15. November 2011 hielt die IV-Stelle am Vorbescheid fest. In Bezug auf den Einwand blieb sie dabei, dass das erworbene Handelsdiplom einer kaufmännischen Ausbildung ohne Praxiserfahrung entspreche und verwertet werden könne, zumal die IV für eine entsprechende Eingliederung Unterstützung leisten würde. Eine Austauschbefugnis komme nur dann zum Tragen, wenn ein Umschulungsanspruch vorhanden sei, die Kosten der gewünschten Ausbildung jedoch den üblichen finanziellen und/oder zeitlichen Rahmen übersteigen würden. Da der Umschulungsanspruch nicht gegeben sei, könne darauf nicht weiter eingegangen werden (act. G 4.1/33).
B.
Gegen diese Verfügung richtet sich die Beschwerde des Versicherten vom 27. Dezember 2011 mit dem sinngemässen Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Übernahme der Kosten der Umschulung. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er nach einer professionellen Ausbildung zum Tänzer an der E. von August 1994 bis Juni 1996 eine Festanstellung im F. von August 1996 bis Juni 2001 erhalten habe. Von September 2001 bis Juli 2010 habe er eine Anstellung als Tänzer an der G. innegehabt. Er habe diesen Beruf somit während 14 Jahren zu 100% und mit vollem Körpereinsatz ausgeübt, bis eine im November 2009 erstmals manifest gewordene Hüfterkrankung eine weitere Tätigkeit auf diesem Gebiet verunmöglicht habe. Im letzten September habe er dank seines Handelsmittelschuldiploms der H. sowie des bestandenen Eintritt-Assessments ein Bachelorstudium in Kommunikation, Vertiefung Journalismus/Organisationskommunikation, an der D. aufnehmen können. Weiter machte er geltend, dass er für eine Arbeit im kaufmännischen Bereich gewiss ähnlich viel Einarbeitung und Einschulung benötigen würde wie für das gegenwärtige Studium. Es könne keine Rede davon sein, dass seine gelernte Tätigkeit im kaufmännischen Bereich optimal adaptiert sei. Er verstehe daher nicht, weshalb man ihn nur im kaufmännischen Bereich unterstützen würde. Hinsichtlich des Arguments, die Ausbildung würde zu einer Besserqualifizierung führen, könne aus der Tatsache, dass Tänzer generell trotz ihrer körperlich und geistig überaus anspruchsvollen und intensiven Arbeit einen relativ geringen Lohn erhielten, nicht abgeleitet werden, dass sie auch später keinen besser bezahlten Beruf ausüben könnten. Ausserdem könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Medienschaffender mit Sicherheit besser verdiene als ein kaufmännisch Tätiger, eher treffe das Gegenteil zu (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 2. März 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung hielt sie fest, dass die Umschulung die wegen Eintritt der Invalidität ganz teilweise verloren gegangene Erwerbsfähigkeit so weit als möglich wieder herstellen sollte. Hierzu sei in der Regel ein dem bisherigen gleichwertiger Beruf geeignet, sofern er den Fähigkeiten des Versicherten entspreche. Dem Beschwerdeführer wäre es vorliegend möglich, eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter aufzunehmen. Die nötige Einstiegshilfe würde von Seiten der IV angeboten. Schliesslich unterlasse es der Beschwerdeführer, den Betrag des Valideneinkommens genau zu beziffern. Auf Grund der Ausführungen im Einwand
könne jedoch davon ausgegangen werden, dass dieses Einkommen seiner Meinung nach rund Fr. 60'000.-ausmachen müsse. Der Umschulungsanspruch setze eine invaliditätsbedingte Erwerbseinbusse von rund 20% voraus. Gemäss der Ermittlung durch die IV-Stelle würde das Einkommen als kaufmännischer Angestellter
Fr. 63'872.-betragen. Somit hätte der Beschwerdeführer über Fr. 76'000.-in der bisherigen Tätigkeit verdienen müssen, um überhaupt einen Anspruch auf Umschulung zu erhalten, was er jedoch nicht getan habe und auch für die Zukunft nicht habe glaubhaft machen können (act. G 4).
Mit Replik vom 21. April 2012 hielt der Beschwerdeführer an seinem Antrag fest (act.
G 6).
Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (act. G 8).
Erwägungen: 1.
Gegenstand der angefochtenen Verfügung und damit zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Umschulung. Die IV-Stelle wies nicht nur einen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Bachelorstudiums ab, sondern verneinte auch eine teilweise Unterstützung im Rahmen einer Austauschbefugnis mit der Begründung, dass der Umschulungsanspruch grundsätzlich nicht gegeben sei.
2.
Nach Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) haben Invalide von einer Invalidität bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten zu verbessern (lit. a) und die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind (lit. b). Die Eingliederungsmassnahmen bestehen u.a. in Massnahmen beruflicher Art:
Berufsberatung, erstmalige berufliche Ausbildung, Umschulung, Arbeitsvermittlung sowie Kapitalhilfe (Art. 8 Abs. 3 lit. b IVG).
Gemäss Art. 17 Abs. 1 IVG besteht ein Anspruch auf eine Umschulung in eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten wesentlich verbessert werden kann. Gemäss Art. 6 Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) gelten als Umschulung unter anderem Ausbildungsmassnahmen, die Versicherte nach Abschluss einer erstmaligen beruflichen Ausbildung nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne vorgängige berufliche Ausbildung wegen ihrer Invalidität zur Erhaltung Verbesserung der Erwerbsfähigkeit benötigen. Nach der Rechtsprechung ist unter Umschulung grundsätzlich die Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die notwendig und geeignet sind, dem vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig gewesenen Versicherten eine seiner früheren annähernd gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln. Dabei bezieht sich der Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu erwartende Verdienstmöglichkeit. In der Regel besteht nur ein Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 124 V 110 E. 2a mit Hinweisen). Das Erfordernis der Gleichwertigkeit begrenzt den Umschulungsanspruch "nach oben" (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 2. Februar 1998,
I 448/96). Denn es ist nicht Aufgabe der IV, einen behinderten Versicherten in eine bessere beruflich-erwerbliche Stellung zu führen, als er sie vorher innehatte. Hingegen steht der Gesichtspunkt der Beschränkung auf das vor dem Invaliditätseintritt beruflich-erwerblich Erreichte denjenigen Umschulungen nicht entgegen, die den Versicherten zu einem bescheideneren beruflichen Ziel führen, was in vielen Fällen invaliditätsbedingt zutreffen dürfte. Erforderlich ist einzig, dass sich der erwartete Teilerfolg noch als genügend eingliederungswirksam bezeichnen lässt. Ausnahmsweise, sofern nämlich Art und Schwere des Gesundheitsschadens und ihre beruflichen Auswirkungen derart schwer wiegen, dass nur eine verglichen mit der vor
dem Invaliditätseintritt ausgeübten Erwerbstätigkeit anspruchsvollere Ausbildung zu einer optimalen Verwertung der Arbeitsfähigkeit auf einer höheren Berufsstufe führt, geht in diesem Sonderfall die Umschulung zu Lasten der IV. Für die Beurteilung der annähernden Gleichwertigkeit ist nicht auf die Erwerbsmöglichkeiten im bisherigen Beruf abzustellen, die der Versicherte ohne Gesundheitsschaden durch berufliche Weiterentwicklung allenfalls (hypothetisch) erreicht hätte; entscheidend sind vielmehr die erwerblichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Invaliditätseintritts. Andererseits ist bei der Beurteilung der annähernd gleichwertigen Erwerbsmöglichkeit nicht nur der Gesichtspunkt der aktuellen Verdienstmöglichkeit, sondern der für die künftige Einkommensentwicklung ebenfalls bedeutsame qualitative Stellenwert der angestrebten Ausbildung mit zu berücksichtigen (ulrich meyer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. Zürich 2010, S. 195f. mit Hinweisen).
3.
Dr. B. hielt im Arztzeugnis vom 14. September 2010 fest, dass die Arbeitsfähigkeit im Beruf als Tänzer auf Grund der Hüftproblematik mittels Cortisoninfiltration noch knapp bis zum Schluss der damaligen Anstellung habe erhalten werden können. Im Verlauf hätten sich aber immer mehr Probleme seitens der linken Hüfte gezeigt. In Zukunft seien schwere körperliche Tätigkeiten nicht mehr durchführbar, da sie zu einer Beschleunigung der Arthroseentwicklung der linken Hüfte führen würden (act. G 4.1/3). Demnach ist der Beschwerdeführer auf eine Tätigkeit angewiesen, die seinem Hüftproblem angepasst ist und daher nur körperlich leichte bis höchstens mittelschwere Arbeiten umfasst. Diese Voraussetzung sollte in der Regel bei Tätigkeiten sowohl im kaufmännischen Bereich als auch im Bereich Journalismus/ Organisationskommunikation gegeben sein.
Was das Erfordernis der Gleichwertigkeit einer neuen Tätigkeit anbelangt, so übte der Beschwerdeführer gemäss seinen Angaben nach Abschluss der Handelsmittelschule im Jahr 1994 weder ein darauf aufbauendes Praktikum aus noch arbeitete er überhaupt je als kaufmännischer Angestellter. Vielmehr habe er direkt im Anschluss eine Ausbildung zum klassischen Tänzer an der E. aufgenommen, nach deren Beendigung er im August 1996 eine Festanstellung im Ensemble des F.
bekommen habe. Nach knapp fünfjähriger Tätigkeit habe er ab September 2001 als Tänzer an die G. gewechselt, wo er bis zur Hüfterkrankung im Sommer 2010 tätig gewesen sei (act. G 1). Damit muss der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Berufs
als qualifizierter Tänzer und nicht als Kaufmann betrachtet werden, da er bei Eintritt des Gesundheitsschadens seit 16 Jahren in diesem tätig gewesen war und sich hierin offensichtlich die erforderlichen Profikenntnisse erworben hatte. Mithin ist auch für die Bestimmung des im Gesundheitsfall mutmasslich erzielten Verdienstes auf diesen Beruf abzustellen. Die IV-Stelle rechnete das vom Beschwerdeführer als Tänzer beim
F. vor seinem Wegzug nach H. erzielte Einkommen 2000 auf und ermittelte für das Jahr 2008 einen Betrag von Fr. 51'500. Demgegenüber setzte die Arbeitslosenkasse für die am 16. August 2010 beginnende Rahmenfrist einen versicherten Verdienst von Fr. 4'767.--, umgerechnet Fr. 57'204.-pro Jahr, fest (act. G 4.1/13), wobei sie sich auf den gemäss Auskunft des F. maximalen Lohn für einen Tänzer mit der Ausbildung des Beschwerdeführers abstützte (act. G 4.1/16). Im Einwand liess der Beschwerdeführer geltend machen, es könne nicht allein auf den Lohn im Rahmen der Anstellung bei einem Tanztheater abgestellt werden. Mit zunehmender Erfahrung (und wohl auch mit zunehmendem Alter) wäre er daneben im Ausbildungsbereich tätig gewesen hätte Choreographien gemacht, was zu weiterem Einkommen geführt hätte (act. G 4.1/32). Zum Valideneinkommen sind somit weitere Erhebungen durchzuführen. Allenfalls ist zu prüfen, ob ein Tabellenlohn der LSE beigezogen werden kann, wobei zu beachten ist, dass der Beschwerdeführer mit seinen beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen mindestens im Anforderungsniveau 3
(z.B. T1 Nr. 92 [Unterhaltung, Kultur, Sport) einzustufen wäre.
Die Beschwerdegegnerin geht davon aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines 1994 erzielten Handelsmittelschulabschlusses eine zumutbare adaptierte Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter ausüben könnte. Wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, kann nicht angenommen werden, dass der Wechsel in eine kaufmännische Tätigkeit ohne vorgängige schulische/berufliche Massnahmen erfolgen könnte, nachdem der Diplomabschluss von 1994 zeitlich lange zurückliegt und ohne jegliche berufliche Praxiserfahrung nicht direkt auf dem Arbeitsmarkt als ausreichende Qualifikation eingesetzt werden kann, mindestens nicht in einer im IV-rechtlichen Sinn
gleichwertigen Tätigkeit zum Tänzer-Beruf. Daran vermag auch die von der Beschwerdegegnerin angebotene Arbeitsvermittlung nichts zu ändern. Folglich ist ein
Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Umschulung grundsätzlich zu bejahen. Die IV-Stelle wird prüfen müssen, mit welchen Eingliederungsmassnahmen der Beschwerdeführer im kaufmännischen Bereich eingesetzt werden könnte und welche Verdienstmöglichkeiten sich ihm dabei eröffnen würden. Dabei müssten die Eingliederungsmassnahmen auf eine Tätigkeit ausgerichtet sein, welche das Kriterium der Gleichwertigkeit bezogen auf die frühere Tänzer-Tätigkeit erfüllt; ebenfalls hätten die Eingliederungsmassnahmen hinsichtlich Kostenund Zeitaufwand verhältnismässig zu sein. Nun hat der Beschwerdeführer das Bachelor-Studium der Kommunikation mit Vertiefungsfach Journalismus und Organisationskommunikation an der D. begonnen mit der Absicht, sich zu einer kommunikativen/journalistischen Tätigkeit umzuorientieren. Er ersucht um finanzielle Unterstützung dieser Ausbildung seitens der
IV. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit diese Ausbildung verglichen mit einer tauglichen Eingliederungsmassnahme im kaufmännischen Bereich als zweckmässige und verhältnismässige Massnahme zur Verbesserung der Erwerbsfähigkeit anerkannt und finanziell unterstützt werden kann.
Wählt eine versicherte Person ohne invaliditätsbedingte Notwendigkeit eine Ausbildung, die den Rahmen der Gleichwertigkeit sprengt, kann die IV daran Beiträge gewähren im Ausmass des Leistungsanspruchs auf eine gleichwertige Umschulungsmassnahme (sog. Austauschbefugnis, AHI 2002 105ff.). Die Austauschbefugnis kommt jedoch insbesondere nur zum Tragen, wenn zwei unterschiedliche, aber von der Funktion her austauschbare Leistungen in Frage stehen. Vorausgesetzt wird also ein substitutionsfähiger gesetzlicher Leistungsanspruch (vgl. BGE 120 V 280 E. 4). Über das Ausmass des Leistungsanspruchs hinausgehende Beiträge fallen ausser Betracht.
Die IV-Stelle verneinte eine Austauschbefugnis mit der Begründung, dass kein Anspruch auf Umschulung im Sinn der IV-rechtlichen Eingliederungsmassnahmen bestehe. Nachdem ein Anspruch auf Umschulung, wie dargelegt wurde, jedoch zu bejahen ist, wird die IV-Stelle zu prüfen haben, ob die vom Beschwerdeführer gewählte Ausbildung als verhältnismässige, zu einer gleichwertigen Tätigkeit hinführende Eingliederungsmassnahme zu qualifizieren ist. Übersteigt jedoch der gewählte Lehrgang den Rahmen der Gleichwertigkeit Verhältnismässigkeit, so wird die IV-
Stelle den Anspruch auf eine Austauschbefugnis zu prüfen und gegebenenfalls die an
die Ausbildung zu leistenden Beiträge festzusetzen haben.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Sachverhalt keine abschliessende Beurteilung der Streitsache zulässt. Die Beschwerdegegnerin wird daher im Sinn der Erwägungen weitere Abklärungen zum Umschulungsanspruch tätigen und eine allfällige Austauschbefugnis prüfen sowie über das Leistungsgesuch des Beschwerdeführers neu befinden müssen.
4.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 15. November 2011 teilweise gutzuheissen und die Sache zur weiteren Abklärung und neuen Verfügung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint als angemessen. Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die gesamte Gerichtsgebühr von Fr. 600.-zu bezahlen. Dem Beschwerdeführer ist der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-zurückzuerstatten.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 15. November 2011 aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung und neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--. Der
geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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