Zusammenfassung des Urteils IV 2011/290: Versicherungsgericht
Die Cour des poursuites et faillites des Kantonsgerichts behandelt in einer öffentlichen Sitzung vom 2. September 2010 den Rekurs von V.________ Sàrl gegen die Entscheidung der Friedensrichterin des Bezirks La Riviera - Pays-d'Enhaut vom 15. Oktober 2009 in einem Streitfall mit Z.________ SA. Es geht um die Zahlung einer Mietkaution gemäss einem Mietvertrag von 2002. Der Rekurs wird teilweise gutgeheissen, die Opposition bleibt bestehen, und die Kosten werden neu festgelegt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2011/290 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 19.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 17 Abs. 1 IVG. Umschulung. Ausführungen zum Erfordernis der Gleichwertigkeit der Umschulung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Dezember 2012, IV 2011/290). |
Schlagwörter : | össische; Kaufmann; Beruf; Umschulung; Ausbildung; Fachprüfung; Berufs; Semester; Quot; IV-act; IV-Stelle; Betagtenbetreuer; Berufsberater; Noten; Prüfung; Semestern; Notendurchschnitt; Gleichwertigkeit; Weiterbildung; Kaufleute; Erfahrung; Recht; Etappe; ühere |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Vizepräsident Joachim Huber, Versicherungsrichter Martin Rutishauser, a.o. Versicherungsrichter Christian Zingg; Gerichtsschreiber Ralph Jöhl
Entscheid vom 19. Dezember 2012
in Sachen A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Simon Kehl, Poststrasse 22, Postfach 118, 9410 Heiden,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
berufliche Massnahmen (Umschulung/Arbeitsvermittlung
Sachverhalt:
A.
A. erlitt am 18. August 2005 eine kraniale inkomplette Berstungsfraktur LWK 1. Am 25./29. August 2005 wurde er operiert (Fremdakten). Am 9. März 2007 meldete er sich zum Bezug von IV-Leistungen (Berufsberatung, Umschulung) an (IV-act. 1, 7). Er gab an, er habe von 2002 bis 2005 eine Ausbildung als Betagtenbetreuer absolviert und mit einem Fähigkeitsausweis abgeschlossen. Dr. med. B. , Allgemeine Medizin FMH, berichtete der IV-Stelle am 18. April 2007 (IV-act. 11), der Versicherte habe starke Rückenschmerzen beim Heben von Patienten. Die bisherige Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar. Ideal wäre eine Tätigkeit in sitzender stehender Position, bei der nur Gewichte von wenigen Kilogramm gehoben werden müssten. Die Stiftung C. teilte der IV-Stelle am 14. Mai 2007 mit (IV-act. 18), der Versicherte sei bei ihr mit einem befristeten Vertrag als Betagtenbetreuer angestellt gewesen. Der Jahreslohn habe Fr. 52'000.betragen. Der Berufsberater der IV-Stelle notierte am 8. Januar 2008 (IV-act. 27), zunächst habe die berufsberaterische Abklärung in Richtung Haustechnikplaner gewiesen. Die Tests für das Vorstellungsvermögen und das technische Verständnis seien aber ungenügend ausgefallen. Der Versicherte habe Interesse am kaufmännisch administrativen Bereich geäussert. Er habe nach einer Lehrstelle gesucht, aber nur Absagen erhalten. Deshalb werde wohl eine schulische Ausbildung nötig sein. Der Versicherte weise eine hohe Motivation für das Erlernen des kaufmännischen Berufs auf und er sei dazu geeignet. Er benötige aber einen Vorkurs. Der kaufmännischen Ausbildung sei gegenüber der Ausbildung zum technischen Kaufmann der Vorzug einzuräumen, weil der Versicherte noch jung sei und mit dem kaufmännischen Fähigkeitsausweis gut gerüstet für Berufspraxis und Weiterbildung wäre. Zudem könne er nicht auf fachspezifische Berufskenntnisse zurückgreifen, die den technischen Kaufleuten den Einstieg in die kaufmännische Berufspraxis erleichterten. Die dreijährige Umschulung sei der dreijährigen Ausbildung zum Betagtenbetreuer gleichwertig. Mit einer Mitteilung vom 17. Januar 2008 bewilligte die IV-Stelle einen kaufmännischen Vorkurs bei der D. AG (IV-act. 32). Der Berufsberater hielt am 18. Juni 2008 fest (IVact. 37), der Versicherte habe den Vorkurs mit guten Noten absolviert. Die Schulleitung sei überzeugt, dass er für eine kaufmännische Ausbildung gut geeignet und hoch motiviert sei. Die dreijährige Ausbildung beinhalte vier Schulsemester und zwei
Praktikumssemester. Mit einer Mitteilung vom 24. Juni 2008 bewilligte die IV-Stelle dem Versicherten die Umschulung zum Kaufmann bei der D. AG vom 13. Juli 2008 bis 15. Juli 2010 (IV-act. 40). Der Berufsberater teilte dem Rechtsvertreter des Versicherten am 30. Juli 2009 mit (IV-act. 50), er habe von der D. AG erfahren, dass der Versicherte das Bürofachdiplom nach zwei Semestern nicht bestanden habe. Dadurch sei die Promotion ins dritte Semester nicht möglich bzw. könne das Praktikumsjahr nicht begonnen werden. Der Versicherte habe sich ohne Wissen der IVStelle für eine Repetition des ersten Jahres angemeldet. Am 11. August 2009 notierte der Berufsberater (IV-act. 51), die Ausbildung zum Kaufmann B sei die bessere Voraussetzung, um im Beruf als Kaufmann Fuss zu fassen und Entwicklungsmöglichkeiten zu haben, als der Lehrgang zum technischen Kaufmann. Mit einer Mitteilung vom 17. August 2009, welche diejenige vom 24. Juni 2008 "ersetzte", übernahm die IV-Stelle die Kosten der Repetition des ersten Semesters. Am
27. Januar 2010 bewilligte die IV-Stelle auch die Repetition des zweiten Semesters (IVact. 62).
Der Berufsberater der IV-Stelle hielt am 2. März 2010 fest (IV-act. 65), man habe gemeinsam beschlossen, den Weg über den technischen Kaufmann zu wählen. Der Wechsel werde wegen der nicht erwachsenengerechten Behandlung und wegen der zu kleinen Fortschritte im Repetitionssemester angestrebt. In der Ausbildung zum technischen Kaufmann könne der Versicherte individueller gefördert werden. Diese Ausbildung sei einem Lehrabschluss gleichwertig, wenn der Versicherte die eidgenössische Fachprüfung bestehe. Auch mit einem internen technischen Kaufmann wäre der Versicherte rentenausschliessend eingegliedert, aber dann wären die Weiterbildungsmöglichkeiten begrenzt. Mit einer Mitteilung, die diejenige vom 27. Januar 2010 "ersetzte", übernahm die IV-Stelle die Kosten des ersten und des zweiten Semesters der Umschulung zum technischen Kaufmann am Bildungszentrum BVS in St. Gallen (IV-act. 67). Der Berufsberater teilte dem Rechtsvertreter am 19. April 2011 mit (IV-act. 74), der Versicherte habe den internen technischen Kaufmann mit Erfolg bestanden. Die Durchschnittsnote betrage 4,26. Die weitere Umschulung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischem Fachausweis wäre nur mit einer Durchschnittsnote von 4,8 möglich. In Übereinstimmung mit der Schulleiterin sei er zum Schluss gekommen, dass der Versicherte ungenügende Leistungen für das Bestehen der eidgenössischen Prüfung aufgezeigt habe und dass er nicht über die
entsprechenden Ressourcen verfüge. Mit dem internen Abschluss des technischen Kaufmanns BVS sei der Versicherte erfolgreich umgeschult und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar. Am 16. Mai 2011 hielt der Berufsberater fest (IVact. 78), der Versicherte habe sich für das Prüfungsvorbereitungssemester an der BVS angemeldet. Der Versicherte sei darüber informiert gewesen, dass die Schule eine Durchschnittsnote von 4,8 empfehle und dass die Invalidenversicherung diese Durchschnittsnote fordere. Er könne die weitere Ausbildung des Versicherten mangels Leistung und Ressourcen nicht unterstützen. Mit einem Vorbescheid vom 27. Mai 2011 orientierte die IV-Stelle den Rechtsvertreter des Versicherten darüber (IV-act. 82), dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit an der Prüfung für den eidgenössischen Fachausweis keine genügende Leistung erzielen werde. Mit dem schulinternen Abschluss sei der Versicherte angemessen umgeschult und er habe seine Verdienstmöglichkeiten gegenüber dem Betagtenbetreuer gesteigert. Für schulische Weiterbildungen stünden durch die abgeschlossene Lehre als Betagtenbetreuer nämlich dieselben Fähigkeiten wie vor dem Eintritt des Gesundheitsschadens zur Verfügung. Der Versicherte liess am 28. Juni 2011 einwenden (IV-act. 85), ein interner Kurs von zwei Semestern könne einer dreijährigen Berufslehre zum Fachmann Betreuung EFZ nicht gleichauf sein. Der Rechtsvertreter machte weiter geltend, der Versicherte könne nicht wie ältere technische Kaufleute auf fachspezifische Kenntnisse zurückgreifen. Eine Versicherung habe ihm eine Stelle in Aussicht gestellt, wenn er die eidgenössische Fachprüfung bestehe. Das Gleichwertigkeitskriterium sei streng zu handhaben, da der Versicherte noch sehr jung sei. Die Zulassungsbedingungen für die eidgenössische Fachprüfung seien erfüllt, weshalb die Vergütung des Vorbereitungssemesters nicht von einem Notendurchschnitt von 4,8 abhängig gemacht werden dürfe. Am 29. Juli 2011 erliess die IV-Stelle eine Verfügung mit folgendem Dispositiv: "Eine Kostengutsprache für die Weiterführung der Umschulung wird abgelehnt und die berufliche Massnahme somit abgeschlossen". Zur Begründung machte sie insbesondere geltend, das Gleichwertigkeitserfordernis beziehe sich in erster Linie auf die Verdienstmöglichkeiten und nicht auf die Dauer der Ausbildung. Im Übrigen bestehe aufgrund der allgemeinen Erfahrung bei seinem Notendurchschnitt keine Aussicht auf ein Bestehen der eidgenössischen Fachprüfung.
B.
Der Versicherte liess am 13. September 2011 Beschwerde erheben (act. G 1) und beantragen, die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, ihm eine Kostengutsprache für die Weiterführung der Umschulung zur Erlangung des eidgenössischen Fachausweises und - nötigenfalls für eine Wiederholung der Prüfung für den Fall des erstmaligen Nichtbestehens der eidgenössischen Fachprüfung zu erteilen; davon unabhängig sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, Arbeitsvermittlung durchzuführen. Zur Begründung führte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an, die Ausbildung zum technischen Kaufmann ohne eidgenössisches Diplom sei in Bezug auf die Ausbildungsdauer, die Qualität, die Weiterbildungsmöglichkeiten, den Berufseinstieg, die Arbeitsplatzsicherheit und die Verdienstmöglichkeiten nicht gleichwertig. Für die Anmeldung zur eidgenössischen Fachprüfung genüge ein Notendurchschnitt von 4,0. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Beschwerdegegnerin einen höheren Notenschnitt verlange. Die Arbeitsvermittlung sei der letzte Schritt der beruflichen Eingliederung, so dass er darauf einen Anspruch haben müsse.
Die Beschwerdegegnerin beantragte am 28. November 2011 die Abweisung der Beschwerde (act. G 6). Sie machte geltend, der Begriff der Gleichwertigkeit beziehe sich nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau, sondern auf den zu erwartenden Verdienst. Der Beschwerdeführer habe als Betagtenbetreuer Fr. 4'000.-verdient. Als technischer Kaufmann könnte er bis Fr. 5'000.-verdienen. Er habe die eidgenössische Prüfung nicht bestanden, weshalb die Kostenübernahme zu Recht abgelehnt worden sei. Da die Schwierigkeiten bei der Stellensuche nicht auf gesundheitlich bedingte Einschränkungen zurückzuführen seien, bestehe kein Anspruch auf Arbeitsvermittlung.
Der Beschwerdeführer liess am 2. Februar 2012 einwenden (act. G 10), für einen technischen Kaufmann ohne eidgenössischen Fachausweis gebe es keine anerkannten relevanten Weiterbildungsmöglichkeiten. Gerade bei jungen Versicherten mit einer langen verbleibenden Aktivitätsdauer sei das Erfordernis der Gleichwertigkeit streng auszulegen. Der Misserfolg bei der Abschlussprüfung sei massgeblich auf die von der Beschwerdegegnerin verursachte Stresssituation zurückzuführen gewesen. Er werde zu gegebener Zeit wieder zur Prüfung antreten. Die Beschwerdegegnerin habe ihn dabei zu unterstützen. Bei der Stellensuche sei er auch gesundheitlich beeinträchtigt.
Die Beschwerdegegnerin verzichtete am 20. Februar 2012 auf eine Stellungnahme
(act. G 12).
Erwägungen:
1.
Der Berufsberater der Beschwerdegegnerin hat am 2. März 2010 festgehalten, dass das nach dem Abbruch der Umschulung zum Kaufmann Typus B gewählte neue Umschulungsziel in einer Ausbildung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung an der BVS St. Gallen bestehe. Sollte der Beschwerdeführer die eidgenössische Fachprüfung bestehen, sei diese Ausbildung einem Lehrabschluss gleichwertig. Die Umschulung zum technischen Kaufmann ist also auf die Ausbildung bis zur eidgenössischen Fachprüfung angelegt gewesen, um die Gleichwertigkeit mit dem bestehenden Lehrabschluss als Betagtenbetreuer zu erreichen. Trotzdem hat der Berufsberater dann aber nur die Zusprache der ersten beiden Semester beantragt. Damit kann er nur beabsichtigt haben, zunächst die erste Etappe auf dem Weg zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung definitiv zu bewilligen. Obwohl die Mitteilung vom 5. März 2010 nur die Übernahme der beiden ersten Semester erwähnt und sich überhaupt nicht zum Umschulungsziel äussert, ist demnach davon auszugehen, dass sich die Beschwerdegegnerin damit implizit verpflichtet hat, später auch die zweite Etappe (Vorbereitung und Absolvierung der eidgenössischen Fachprüfung) zu bewilligen, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Die ersten beiden Semester der Ausbildung zum technischen Kaufmann sind also definitiv bewilligt worden, während die zukünftige - definitive Bewilligung der Vorbereitung auf die eidgenössische Fachprüfung implizit von der Erfüllung einer Bedingung abhängig gemacht worden ist. Dem Berufsberater und der Schulleitung der BVS dürfte aufgrund der langjährigen Erfahrung bekannt gewesen sein, dass nur diejenigen Auszubildenden ausreichende Erfolgschancen bei der eidgenössischen Fachprüfung haben, die während der ersten beiden Semester einen Notendurchschnitt von wenigstens 4,8 erreicht haben. Deshalb hat die Bedingung, von der die Zusprache der zweiten Etappe abhängig gemacht worden ist, im Erreichen dieses Notendurchschnitts bestanden, auch wenn das in der Mitteilung vom 5. März 2010 nicht erwähnt worden ist. Der Beschwerdeführer hat also auf den ersten Blick die Bedingung für die Gewährung der zweiten Etappe der Ausbildung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung nicht erfüllt. Die Begründung für diese Bedingung kann nur im Grundsatz der Verhältnismässigkeit gesucht werden: Nach der
Auffassung der Beschwerdegegnerin wäre es offenbar unverhältnismässig, auch jenen Personen die zweite Etappe der Ausbildung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung zu bewilligen, die mit grösster Wahrscheinlichkeit die Prüfung nicht bestehen würden, weil ihr in den ersten beiden Semestern erworbenes Wissen nicht ausreichen würde.
Der Beschwerdeführer hat in den ersten beiden Semestern einen Notendurchschnitt erreicht, der deutlich unter dem geforderten Durchschnitt von 4,8 gelegen hat. Zu prüfen ist, ob es tatsächlich unverhältnismässig ist, dem Beschwerdeführer die zweite Etappe der ursprünglich geplanten Ausbildung, also die Prüfungsvorbereitungsund die Prüfungskosten zu bewilligen. Die Beschwerdegegnerin ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer praktisch keine Chance habe, die eidgenössische Fachprüfung zu bestehen, so dass die Ausgaben zur Deckung der mit der Zusprache der zweiten Ausbildungsetappe verbundenen Kosten "verschwendet" wären. Was die Beschwerdegegnerin dabei nicht beachtet hat, ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer kein Standardfall einer Umschulung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung ist. Erfahrungsgemäss schult die Beschwerdegegnerin nur ältere Berufsleute, die aus ihrem früheren Beruf grosse Erfahrung mitbringen, zu technischen Kaufleuten um, da diese Erfahrung dann bei der Ausübung des neuen Berufs des technischen Kaufmanns gewinnbringend eingesetzt werden kann. Hinzu kommt, dass diese technischen Kaufleute nicht mehr so lange berufstätig sein werden, dass ein relevanter Bedarf nach einer Weiterbildung besteht. Der Beschwerdeführer hingegen ist sehr jung, d.h. der Beruf des technischen Kaufmanns wird bei ihm beinahe das gesamte Berufsleben prägen. Er hat in seinem erlernten Beruf wohl (noch) keine Kenntnisse erworben, die er als technischer Kaufmann verwerten könnte. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Ausbildungsbedarf überdurchschnittlich hoch sein wird, wenn dem Beschwerdeführer durch die Umschulung eine gute Chance eröffnet werden soll, sich im neuen Beruf zu etablieren. Für ihn ist die Umschulung in einen qualifizierten neuen Beruf also wichtiger als für den durchschnittlichen zum technischen Kaufmann umgeschulten Versicherten, der nicht unbedingt auf eine Absolvierung der eidgenössischen Fachprüfung angewiesen ist. Nur eine Umschulung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung gibt dem Beschwerdeführer die Chance, den Erfahrungsvorsprung der älteren, zu technischen Kaufleuten umgeschulten Versicherten zu kompensieren und
einen durchschnittlichen Lohn zu erzielen. Hinzu kommt, dass nur dann von realistischen Weiterbildungsund Karrierechancen (die im Gesundheitsbereich für den gelernten Betagtenbetreuer vorhanden gewesen wären) ausgegangen werden kann, wenn eine qualifizierte Ausbildung als Grundlage vorhanden ist. Unter diesen Umständen ist es unverhältnismässig gewesen, dem Beschwerdeführer die zweite Etappe der Umschulung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung zu verweigern, um die entsprechenden Ausgaben einzusparen. Der nicht ausreichende Notendurchschnitt aus den ersten beiden Semestern hätte zum Anlass genommen werden müssen, dem Beschwerdeführer eine besonders intensive Vorbereitung auf die eidgenössische Fachprüfung zu ermöglichen, um seine Erfolgschancen zu verbessern. An dieser Einschätzung vermöchte der nach dem Erlass der angefochtenen Verfügung erlittene Misserfolg bei der eidgenössischen Fachprüfung, der gerichtlich nicht gewürdigt werden kann, weil er sich erst nach dem Erlass der angefochtenen Verfügung ereignet hat, nichts zu ändern. Mit einer besonders intensiven und allenfalls auch verlängerten Vorbereitung auf diese Prüfung hätte der Beschwerdeführer erfolgreich sein können, denn sein Notendurchschnitt nach den ersten beiden Semestern war nicht so tief, dass die Sache aussichtslos gewesen wäre.
Die Unverhältnismässigkeit der Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin ergibt sich auch aus dem Umstand, dass keine Alternativen zur Ausbildung zum technischen Kaufmann mit eidgenössischer Fachprüfung gesucht worden sind. Die Beschwerdegegnerin hat sich darauf beschränkt, die - überzeugende frühere Auffassung des Berufsberaters, die Gleichwertigkeit der Umschulung sei erst mit dem Bestehen der eidgenössischen Fachprüfung erreicht, zu desavouieren und zu behaupten, die Absolvierung der beiden ersten Semester an der BVS bedeute eine der dreijährigen Lehre als Betagtenbetreuer gleichwertige berufliche Qualifikation des Beschwerdeführers. Tatsächlich ist diese Ausbildung an der BVS weder qualitativ noch lohnmässig dem früheren Beruf gleichwertig. Der Beschwerdeführer hat eine Berufslehre absolviert, die ihm umfassende berufliche Kenntnisse verschafft hat und die gegenüber jedem potentiellen Arbeitgeber die berufliche Qualifikation aufgezeigt hat. Der BVS-interne Abschluss als technischer Kaufmann nach zwei Semestern belegt nach aussen keine qualifizierte kaufmännische Ausbildung (sondern höchstens das Scheitern an der eidgenössischen Fachprüfung), zumal es sich um eine reine schulische Ausbildung handelt, die in einem Jahr nicht mehr als die Grundzüge des
Kaufmannsberufs vermittelt haben kann. Der allgemeine und ausgeglichene Arbeitsmarkt weist zwar tatsächlich Arbeitsstellen auf, an denen der Beschwerdeführer einen seinem (fiktiven) Einkommen als Betagtenbetreuer entsprechenden Lohn erzielen könnte. In der freien Wirtschaft wird es für den Beschwerdeführer aber kaum möglich sein, tatsächlich einen solchen Arbeitsplatz zu finden, da er sich gegen technische Kaufleute mit eidgenössischer Fachprüfung gegen technische Kaufleute mit grosser Erfahrung aus dem früheren Beruf durchsetzen müsste. Die "Umschulung" in der Form der Absolvierung von zwei Semestern an der BVS liefe im Endeffekt mit einiger Wahrscheinlichkeit nur auf eine "Umschulung zur Arbeitslosigkeit" hinaus. In Bezug auf den erzielbaren Lohn als Komponente der Gleichwertigkeitsprüfung geht es zudem nicht nur um die Erreichung eines möglichst hohen Anfangslohns, wie die Argumentation der Beschwerdegegnerin vermuten lässt, sondern um den Erwerb einer neuen Berufskarriere, die der früheren auch langfristig gleichwertig ist. Die Umschulung muss also auch zum Ziel haben, das Risiko einer Arbeitslosigkeit möglichst gering zu halten, d.h. möglichst gute Anstellungschancen zu schaffen. Sie muss aber auch die Grundlage einer Karriere bieten, die derjenigen gleichwertig ist, die im früheren Beruf möglich gewesen wäre. Diese Ziele sind mit der bestehenden "Umschulung", d.h. den beiden an der BVS absolvierten Semestern, noch nicht erreicht. Fehlt die Gleichwertigkeit zwischen dem früheren Beruf als Betagtenbetreuer und dem technischen Kaufmann ohne eidgenössische Fachprüfung, so ist der Umschulungsanspruch noch nicht erschöpft. Die am 29. Juli 2011 verfügte Verweigerung weiterer Umschulungsmassnahmen ist deshalb rechtswidrig. Sie ist aufzuheben und die Sache ist zur Weiterführung der Umschulung des Beschwerdeführers an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Dabei ist der Beschwerdeantrag weit zu interpretieren, d.h. es ist davon auszugehen, dass auch eine nicht auf die Weiterführung der Ausbildung zum technischen Kaufmann beschränkte weitere Umschulung durch den Beschwerdeantrag abgedeckt wäre. Die Beschwerdegegnerin wird im Rahmen einer qualifizierten Berufsberatung abzuklären haben, ob der Beschwerdeführer mit einer (von ihr finanzierten) intensiven Vorbereitung ausreichende Chancen darauf hat, die eidgenössische Fachprüfung im zweiten Anlauf zu bestehen. Sollte diese Frage zu verneinen sein sollte der Beschwerdeführer auch beim zweiten Versuch scheitern, wird die Beschwerdegegnerin gestützt auf weiterführende berufsberaterische Abklärungen eine neue, dem gelernten
Betagtenbetreuer gleichwertige Umschulung finden und umsetzen müssen. Da die Umschulung weiterzuführen ist, besteht (noch) kein Bedarf nach einer Arbeitsvermittlung, so dass die Abweisung des entsprechenden Leistungsbegehrens verfrüht und deshalb zu Unrecht erfolgt ist. Soweit die angefochtene Verfügung einen Anspruch auf Arbeitsvermittlung verneint, ist sie deshalb ersatzlos aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin wird nach dem Abschluss der Umschulung über das entsprechende Leistungsbegehren des Beschwerdeführers zu verfügen haben.
2.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Sache ist zur Weiterführung der Umschulung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Der obsiegende Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Da der Vertretungsaufwand als durchschnittlich zu werten ist, erscheint praxisgemäss eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Auch der Verfahrensaufwand ist als durchschnittlich zu werten, weshalb die von der unterliegenden Beschwerdegegnerin zu entrichtende Gerichtsgebühr praxisgemäss auf Fr. 600.-festzusetzen ist. Der Kostenvorschuss von ebenfalls Fr. 600.-wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass die Verfügung vom 29. Juli 2011 aufgehoben und die Sache zur Weiterführung der Umschulung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
von Fr. 3'500.-zu bezahlen (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Die Beschwerdegegnerin hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-zu bezahlen; der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
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