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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2010/278: Versicherungsgericht

A. meldete sich aufgrund einer Depression bei der IV-Stelle an und erhielt eine Viertelsrente. Nach einem Eingliederungsversuch beantragte er eine Rentenprüfung, die schliesslich zu einer ganzen Rente führte. Die IV-Stelle lehnte den Antrag ab, worauf A. Beschwerde einreichte. Nach verschiedenen medizinischen Gutachten wurde A. eine Dreiviertelsrente ab November 2006 zugesprochen, die ab April 2008 in eine ganze Rente umgewandelt wurde. Die Beschwerdegegnerin muss die Gerichtskosten und die Kosten für das Gutachten tragen sowie A. angemessen entschädigen.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2010/278

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2010/278
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2010/278 vom 05.12.2013 (SG)
Datum:05.12.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 43 Abs. 1 ATSG. Art. 28 Abs. 1 IVG. Würdigung medizinischer Berichte. Gerichtliches Obergutachten. Rentenberechnung. Anspruchsbeginn (Entscheid des Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vom 5. Dezember 2013, IV 2010/278). Bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 8C_94/2013.
Schlagwörter : ähig; Arbeit; Prozent; Rente; Arbeitsfähigkeit; Franken; IV-act; Leistung; Invalidität; Gericht; Eingliederung; Gutachten; Beschwerdeführer; Einschätzung; IV-Stelle; Invaliditätsgrad; Beschwerdeführers; Störung; Massnahmen; Anspruch; Recht; Gallen; Syndrom; Validen
Rechtsnorm:Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ;
Referenz BGE:126 V 75;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2010/278

Vizepräsidentin Miriam Lendfers, Versicherungsrichterin Monika Gehrer-Hug; Versicherungsrichter Joachim Huber; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Entscheid vom 5. Dezember 2013 in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Simon Kehl, Poststrasse 22, Postfach 118, 9410 Heiden,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin, betreffend

Rente

Sachverhalt:

A.

    1. A. meldete sich am 7. Februar 2007 aufgrund einer seit Herbst 2005 bestehenden Depression mit körperlicher Schwäche, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung - Berufsberatung und Rente bei der IV-Stelle des Kantons

      St. Gallen an (IV-act. 1). Am 17. Februar 2007 berichtete Dr. med. B. , Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin, der Versicherte habe im Jahr 1984 einen Unfall erlitten, bei dem er sich eine Ruptur des rechten vorderen Kreuzbandes und eine Läsion des medialen Meniskus zugezogen habe. Im September 2002 sei es zu einem weiteren Knietrauma rechts gekommen. Im Jahr 2004 sei das Knie nochmals traumatisiert worden. Anfangs 2006 seien dann auch links (spontan) Knieschmerzen aufgetreten. Die Abklärungen hätten eine mediale Meniskusläsion ergeben. Der Versicherte könne die angestammte Arbeit nur noch mit Mühe ausführen, sei aber gegenwärtig in seiner Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt (IV-act. 6-1 ff.). Am 22. März 2007 teilte

      Dr. med. C. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit, der Versicherte leide seit November 2005 an einer Erschöpfungsdepression. Die Arbeitsfähigkeit sei aufgrund der Depression um 50 Prozent vermindert (IV-act. 13). Im Auftrag der Krankentaggeldversicherung erstatteten die Ärzte der Klinik Valens am 28. Januar 2008 einen interdisziplinären Bericht betreffend eine arbeitsspezifische Abklärung.

      Dr. med. D. , leitender Arzt des psychosomatischen Dienstes der Klinik Valens, hielt in seinem Bericht fest, der Versicherte leide nach eigenen Angaben seit etwa drei Jahren an psychischen Beschwerden. Diese würden wohl mit arbeitsplatzbezogenen Problemen zusammenhängen. Dem Versicherten sei das Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Er sei dann als temporärer Mitarbeiter weiterbeschäftigt worden, habe aber nicht mehr dieselbe Leistung erbracht. Ende 2007 sei ihm deshalb endgültig gekündigt worden. Seit dem Spätherbst 2005 stehe der Versicherte in psychiatrischer Behandlung. Sein Zustand sei insgesamt unverändert geblieben bzw. ab dem Jahreswechsel 2007/2008 eher noch etwas schlechter geworden. Phänomenologisch leide der Versicherte unter einer mittelgradigen depressiven Episode mit ausgeprägtem somatischem Syndrom. Aktuell und wahrscheinlich bereits seit einigen Wochen bzw.

      seit dem Jahreswechsel 2007/2008 sei er aus psychiatrischen Gründen zu mindestens

      70 Prozent arbeitsunfähig (IV-act. 30 ff.).

    2. Im Auftrag der IV-Stelle erstattete das Medizinische Gutachtenzentrum St. Gallen (MGSG) am 26. Februar 2008 ein bidisziplinäres Gutachten. Die Gutachter hatten im Wesentlichen eine mässige Spondylarthrose, eine trikompartimentale Chondropathie rechts, einen Status nach Teilmeniskektomie links sowie eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Sie führten aus, körperlich leichte Tätigkeiten in temperierten Räumen, die abwechslungsweise sitzend und stehend ausgeübt werden könnten, ohne dass dabei regelmässig inklinierte, reklinierte rotierte Körperhaltungen kniende Positionen eingenommen Gegenstände über zehn Kilogramm gehoben getragen werden müssten auf unebenem Boden gegangen werden müsse, seien aus orthopädischer Sicht bei voller Stundenpräsenz zu 90 Prozent zumutbar. Aus psychiatrischer Sicht seien Tätigkeiten ohne erhöhte psychische Belastung und ohne erhöhten Zeitdruck sowie ohne erhöhte Konzentrationsfähigkeit Menschenansammlungen sowie vermehrte Kundenkontakte bei voller Stundenpräsenz zu 70 Prozent zumutbar. Diese Arbeitsfähigkeitsschätzung habe ab Oktober 2007 Gültigkeit (IV-act. 23). Mit einem Vorbescheid vom 1. Dezember 2008 teilte die IV-Stelle mit, dass bei einem Invaliditätsgrad von 48 Prozent die Zusprache einer Viertelsrente ab Oktober 2008 vorgesehen sei (IV-act. 51). Dagegen liess der Versicherte am

9. Januar 2009 einwenden, das Gutachten des MGSG überzeuge nicht, weshalb darauf nicht abgestellt werden könne. Ausserdem erfülle er die Voraussetzungen für berufliche Massnahmen. Solche seien zu prüfen und gegebenenfalls anzuordnen (IV-act. 55).

A.c In Zusammenarbeit mit dem zuständigen regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV; vgl. IV-act. 75) erfolgte vom 24. August bis 16. Oktober 2009 eine berufliche Abklärung. Vorgesehen war ein Arbeitspensum von 50 Prozent. Abgesehen von einigen Absenzen konnte der Versicherte die Präsenzzeiten einhalten. Er erbrachte qualitativ gute Leistungen. Die Leistungsfähigkeit schwankte allerdings zwischen 40 und 60 Prozent (vgl. IV-act. 70). Am 8. Januar 2010 liess der Versicherte mitteilen, dass weitere berufliche Massnahmen seines Erachtens wohl nicht zielführend wären, weshalb er die Rentenprüfung beantrage (IV-act. 74). Mit einer Verfügung vom 3. Juni 2010 sprach die IV-Stelle dem Versicherten eine Viertelsrente mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2008 zu (IV-act. 84).

B.

    1. Dagegen liess der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 7. Juli 2010 Beschwerde erheben. Er beantragte die Zusprache mindestens einer halben Rente und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, auf das Gutachten des MGSG könne nicht abgestellt werden. Zudem seien das Validenund das Invalideneinkommen falsch ermittelt worden (act. G 1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragte in ihrer Beschwerdeantwort vom 31. August 2010 die Abweisung der Beschwerde und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine Rente habe. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es sei für die Beurteilung des Rentenanspruchs auf das Gutachten des MGSG abzustellen. Die vom psychiatrischen Consiliarius attestierte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sei allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht invalidisierend, weshalb von einer Arbeitsfähigkeit von 90 Prozent für adaptierte Tätigkeiten auszugehen sei. Der Invaliditätsgrad belaufe sich deshalb auf lediglich 23 Prozent, weshalb der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine Rente habe

      (act. G 4).

    3. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Einreichung einer Replik (vgl. act. G 6).

    4. Am 12. Juni 2012 teilte das Versicherungsgericht St. Gallen dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, dass der massgebende Sachverhalt unzureichend abgeklärt erscheine. Da weitere medizinische Abklärungen bzw. eine Rückweisung an die Beschwerdegegnerin in Frage kämen, werde ihm gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Möglichkeit zum Rückzug der Beschwerde eingeräumt (act. G 7; vgl. auch act. G 9). Am 12. Juli 2012 liess der Beschwerdeführer mitteilen, dass er seine Beschwerde nicht zurückziehen wolle. Sodann liess er explizit die Einholung eines Gerichtsgutachtens anstelle einer Rückweisung an die Beschwerdegegnerin beantragen (act. G 10).

    5. Am 14. September 2012 beauftragte das Gericht nach Anhörung der Parteien (act. G 14) Dr. med. E. , Fachbereichsleiter Psychosomatik des Kantonsspitals St. Gallen, den Beschwerdeführer psychiatrisch zu begutachten (act. G 17). Der

Beschwerdeführer wurde am 25. Oktober 2012, am 11. Januar 2013 und am 1. Februar 2013 untersucht. Das Gutachten wurde am 30. April 2013 fertiggestellt. Die Sachverständigen führten aus, sie hätten eine schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom sowie eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach einer psychischen Krankheit diagnostiziert. Bezüglich der depressiven Störung sei aufgrund der Dauer der Erkrankung von einem chronifizierten Zustandsbild auszugehen. Der Beschwerdeführer verfüge noch über eine gewisse Restleistungsfähigkeit, wie der Eingliederungsversuch gezeigt habe. Krankheitsbedingt sei er aber nicht in der Lage, genügend flexibel zu sein, Lärm zu ertragen und Maschinen zu bedienen. Die Arbeitsfähigkeit liege längerfristig also bei weniger als 40 Prozent. Der Sachverhalt sei gut abgeklärt worden; es lägen nicht nur medizinisch-theoretische Einschätzungen vor. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer schon seit jeher unter einer leichten depressiven Symptomatik leide. Zumindest müsse aufgrund der angegebenen depressiven Störungen der Mutter und der Schwester von einer entsprechenden Vulnerabilität ausgegangen werden. Es bestünden zudem angepasste und ängstlich vermeidende Persönlichkeitsmerkmale. Auf dieses Konglomerat an Vulnerabilitätsfaktoren sei die Kränkung der Kündigung, verbunden mit antizipierter existenzieller Not, getroffen. Dies habe mit grosser Wahrscheinlichkeit die akute depressive Episode ausgelöst. Inzwischen liege ein chronifiziertes Zustandsbild im Sinne einer Persönlichkeitsveränderung nach langer seelischer Erkrankung vor. Diese Erkrankung sei nur schwer behandelbar. Eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit scheine ausgeschlossen (act. G 24). Der Beschwerdeführer liess am 23. Mai 2013 Stellung zum Gutachten nehmen und ausführen, gestützt darauf sei davon auszugehen, dass keine wirtschaftlich verwertbare Restarbeitsfähigkeit mehr vorliege. Eventualiter sei von einer Einschränkung von 61 Prozent und - unter Berücksichtigung eines Abzuges vom Tabellenlohn von 20 Prozent einem Invaliditätsgrad von 76 Prozent auszugehen. Subeventualiter sei von den von der Beschwerdegegnerin ermittelten Vergleichseinkommen und einer Arbeitsfähigkeit von 39 Prozent auszugehen, womit ein Invaliditätsgrad von 70,3 Prozent resultiere. Der Beschwerdeführer habe also Anspruch auf eine ganze Rente (act. G 26). Die Beschwerdegegnerin liess sich nicht zum Gutachten vernehmen. Am 29. August 2013 ersuchte das Gericht Dr. E. um die Beantwortung der durch das Gutachten noch nicht beantworteten Fragen (act. G 29). Am 5. November 2013 führte Dr. E.

ergänzend aus, es sei davon auszugehen, dass es ab 2003 zu einem allmählich voranschreitenden Arbeitsfähigkeitsverlust gekommen sei. Zwar habe der Beschwerdeführer bis 2007 in einem Vollpensum gearbeitet. Allerdings habe er von starken Leistungseinbussen und Absenzen berichtet. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass er schon in diesem Zeitraum nicht mehr zu 100 Prozent arbeitsfähig gewesen sei. Die Angaben von Dr. C. und Dr. D. seien retrospektiv nachvollziehbar und plausibel. Die abweichende Einschätzung des MGSG-Psychiaters sei dagegen nicht nachvollziehbar. Es sei darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen einer einmaligen kurzen Untersuchung nicht im selben Mass möglich sei, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und sich eingehend mit dem Patienten zu beschäftigen. Bereits im damaligen Untersuchungszeitpunkt hätte die Diagnose einer schweren Depression gestellt werden müssen. Der psychiatrische Consiliarius habe offenbar die affektive Gesamtproblematik nicht ausreichend gewürdigt (act. G 30).

Erwägungen: 1.

    1. Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten verbessern können, während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig gewesen sind und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid sind (Art. 28 Abs. 1 IVG). Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).

    2. Die beruflichen Eingliederungsmassnahmen, die vor der Prüfung eines Rentenanspruchs zwingend zu prüfen und gegebenenfalls anzuordnen bzw. durchzuführen sind, haben sich an der mutmasslichen Validenkarriere zu orientieren. Es ist also zunächst zu prüfen, wie die berufliche Karriere einer betroffenen Person verlaufen wäre, wenn ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt worden wäre. Wenn die betroffene Person (weiterhin) als Hilfsarbeiter tätig gewesen wäre, besteht grundsätzlich weder ein Anspruch noch eine Pflicht, sie in eine qualifizierte Tätigkeit umzuschulen. Die IV-Stelle ist allerdings verpflichtet, für eine (Wieder-) Eingliederung in eine geeignete Tätigkeit zu sorgen, soweit dadurch eine mögliche Rentenzahlungspflicht vermindert verhindert werden kann. Hat die betroffene Person dagegen eine qualifizierte Tätigkeit verrichtet (und einen entsprechenden Lohn erzielt), ist die IV-Stelle soweit rentenrelevant verpflichtet, für eine Umschulung in eine andere qualifizierte Tätigkeit zu sorgen. Der Beschwerdeführer hat in seinem Heimatland eine Berufslehre zum Schlosser mit Diplom abgeschlossen. Nach seiner Einreise in die Schweiz vor rund 35 Jahren hat er bis zur Aufgabe seiner letzten Arbeitsstelle Tätigkeiten verrichtet, die in den Tätigkeitsbereich eines Schlossers (bzw. nach aktueller Terminologie eines Metallbauers Metallbaupraktikers) fallen. Er hat also die in der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten im Beruf verwertet. Dies hat es ihm ermöglicht, einen höheren Lohn zu erzielen als ein Hilfsarbeiter im Durchschnitt erzielt hätte. In den Akten sind weder aussergewöhnlich viele Überstunden noch sonstige Faktoren ausgewiesen, welche den verglichen mit dem Hilfsarbeiterdurchschnitt - überdurchschnittlichen Lohn erklären könnten. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer qualifizierte Arbeit verrichtet hat und weiterhin verrichtet hätte, wenn er nicht invalid geworden wäre. Das bedeutet, dass grundsätzlich eine Pflicht der IV-Stelle bestanden hätte, ihn in eine andere qualifizierte Tätigkeit umzuschulen. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers und der langen Absenz von jeder Form schulischen Unterrichts ist allerdings anzunehmen, dass eine Umschulung in eine andere qualifizierte Tätigkeit nicht erfolgsversprechend und nicht verhältnismässig wäre, weshalb die Beschwerdegegnerin im Ergebnis zu Recht keine entsprechenden Massnahmen angeordnet hat. Die Beschwerdegegnerin hat zwar auf einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers hin versucht, ihn mittels einfacherer beruflicher Massnahmen wieder ins Erwerbsleben einzugliedern. Die durchgeführte knapp zweimonatige Eingliederungsmassnahme hat allerdings nicht zu

einer Eingliederung geführt. Die Beschwerdegegnerin hat im Anschluss daran weitere Massnahmen auch aufgrund des Alters des Beschwerdeführers (damals 56 Jahre) als wenig sinnvoll erachtet, was nicht zu beanstanden ist. Die Erwerbsfähigkeit konnte und kann durch berufliche Massnahmen nicht wesentlich beeinflusst werden; dass sich berufliche Massnahmen noch rententangierend auswirken könnten, erscheint als unwahrscheinlich.

2.

    1. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades ist zuerst das so genannte Valideneinkommen zu ermitteln, also das Einkommen, das der Beschwerdeführer am ehesten erzielen würde, wenn er gesundheitlich nicht beeinträchtigt wäre. Wie gezeigt, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weiterhin als qualifizierter Arbeiter tätig gewesen wäre. Gemäss den Ergebnissen der Schweizer Lohnstrukturerhebung (LSE) für das Jahr 2002 haben Berufsleute in der Metallbeund -verarbeitung (Sektor 2, Ziff. 27, 28; Anforderungsniveau 3) einen standardisierten Monatslohn von 5’380 Franken erhalten, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41,8 Stunden einem Jahreslohn von 67’465 Franken entspricht. Die letzte Arbeitgeberin des Beschwerdeführers hat ihm einen Lohn ausgerichtet, der ungefähr diesem Durchschnitt entspricht, nämlich zuletzt 67’429 Franken (2002). Im Jahr 1999 hatte sich der Lohn auf 69’488 Franken, im Jahr 2000 auf 71’863 Franken und im Jahr 2001 auf 68’250 Franken belaufen (vgl. IV-act. 5). Der im Jahr 2004 (als temporär angestellter Mitarbeiter) erzielte Lohn hat sich gar auf 81’047 Franken belaufen, wobei die entsprechende Differenz zu den früheren Löhnen auf für die Invaliditätsbemessung nicht zu berücksichtigende Charakteristika eines Temporärarbeitsverhältnisses (tendenziell mehr Überstunden und wenig Ferienbezüge, wenn überhaupt) zurückzuführen ist. Weil der Beschwerdeführer gute Leistungen erbracht hat, ist davon auszugehen, dass ihn seine letzte Arbeitgeberin weiter beschäftigt und ihm weiterhin einen Lohn im früheren, durchschnittlichen Rahmen ausgerichtet hätte. Dies rechtfertigt es, als Valideneinkommen den Durchschnitt der in den Jahren 1999-2002 erzielten Löhne heranzuziehen, wobei die in den Jahren 19992001 erzielten Einkommen der Nominallohnentwicklung bis 2002 anzupassen sind. Das Valideneinkommen beläuft sich demnach auf 71’209 Franken.

    2. Bei der Ermittlung des zumutbarerweise erzielbaren Invalideneinkommens ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer wenn überhaupt bloss Hilfsarbeiten ausführen kann. Weil er die Stelle bei der letzten Arbeitgeberin verloren hat und keine besondere Fähigkeiten vorweisen kann, die es ihm erlauben würden, bei einer anderen Arbeitgeberin einen Lohn im bisherigen Rahmen zu erzielen, ist als Ausgangswert des Invalideneinkommens der statistische Durchschnitt, das sind 57’145 Franken (2002), heranzuziehen. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers, der Notwendigkeit, seine in den bisherigen Tätigkeiten erworbenen Fähigkeiten nicht mehr lohnrelevant verwerten zu können, des Umstandes, bloss noch teilzeitig erwerbstätig sein zu können (wenn überhaupt), und der mit der psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung verbundenen mangelnden Flexibilität, niedrigen Stressresistenz und erhöhten Krankheitsanfälligkeit rechtfertigt sich ein Abzug von diesem Ausgangswert von 15 Prozent (vgl. BGE 126 V 75). Der Ausgangswert des zumutbarerweise erzielbaren Invalideneinkommens beläuft sich also auf 48’573 Franken.

    3. Gemäss dem Gerichtsgutachten von Dr. E. liegt die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers bei weniger als 40 Prozent. Diese Einschätzung stimmt im Wesentlichen mit den Einschätzungen von Dr. C. und Dr. D. sowie mit der abschliessenden Beurteilung des Eingliederungsversuches überein. Dr. C. hatte nämlich eine Arbeitsfähigkeit von 50 Prozent und Dr. D. eine solche von 30 Prozent attestiert; im Eingliederungsversuch hatte der Beschwerdeführer eine Leistung von 4060 Prozent bezogen auf das Pensum von 50 Prozent erbracht, was insgesamt einer Leistung von 20-30 Prozent entspricht. Keine Übereinstimmung besteht zur Einschätzung des MGSG-Psychiaters, der eine Arbeitsfähigkeit von 70 Prozent attestiert hat. Jene Einschätzung vermag allerdings nicht zu überzeugen, weil der MGSG-Psychiater einige anamnestisch ausgewiesene Symptome einer depressiven Erkrankung nicht erwähnt und berücksichtigt hat und aufgrund der Kriterien der

      ICD-10-Klassifikation anstelle einer mittelgradigen depressiven Störung wohl eine schwergradige depressive Störung hätte attestieren müssen, worauf die Gutachter des Fachbereichs Psychosomatik des KSSG in der Stellungnahme vom 5. November 2013 (act. G 30.1) nachvollziehbar hingewiesen haben. Zudem steht die Einschätzung des MGSG-Psychiaters im Widerspruch zu sämtlichen übrigen fachärztlichen, untereinander im Wesentlichen übereinstimmenden Einschätzungen. Als Grund für die

      insofern ausgewiesene erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit wird eine chronifizierte schwere depressive Episode mit somatischem Syndrom, verbunden mit einer andauernden Persönlichkeitsveränderung, angeführt. Diese Diagnose ist nachvollziehbar und plausibel begründet worden. Ebenso sind die statuierten Auswirkungen dieser Krankheit auf die Arbeitsfähigkeit nachvollziehbar und überzeugend. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin handelt es sich nicht um ein pathogenetisch-ätiologisch unklares Syndrom ohne nachweisbare organische Genese, sondern um eine depressive Erkrankung mit einem somatischen Syndrom (wobei allerdings auch körperliche Beeinträchtigungen ausgewiesen sind). Die Depression ist also keine Begleiterscheinung zu einer somatoformen Störung. Vielmehr stellt das somatische Syndrom lediglich eine der Ausprägungen der depressiven Störung dar. Zudem ist nicht von einer vorübergehenden depressiven Episode auszugehen, sondern vielmehr von einem chronifizierten, kaum mehr behandelbaren Zustand. Schliesslich ist die depressive Störung schwergradig ausgeprägt. Es liegt also eine anhaltende schwere psychiatrische Krankheit vor, welche den Beschwerdeführer nachvollziehbarerweise erheblich in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Es besteht kein Anlass, an der Arbeitsfähigkeitsschätzung der Gutachter des KSSG zu zweifeln, zumal sie sich auch eingehend mit der abweichenden Einschätzung des MGSGPsychiaters auseinandergesetzt und plausibel aufgezeigt haben, weshalb diese aus fachärztlicher Sicht nicht überzeuge. Zu bemängeln ist zwar, dass keine präzise Schätzung abgegeben worden ist. Die nachfolgende Berechnung zeigt aber, dass die Angabe „unter 40 Prozent“ für die zuverlässige Ermittlung der Rentenstufe ausreicht. Selbst unter Berücksichtigung einer Arbeitsfähigkeit von 40 Prozent resultiert nämlich ein 70 Prozent übersteigender Invaliditätsgrad von 72,7 Prozent bei einem zumutbarerweise erzielbaren Invalideneinkommen von 19’429 Franken (48’573 Franken x 0.4) und einem Valideneinkommen von 71’209 Franken, womit ein Anspruch auf eine ganze Rente besteht.

    4. Gemäss den ergänzenden Ausführungen der Gutachter des KSSG ist davon auszugehen, dass sich die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 2003 schleichend verschlechtert hat. Den Gutachtern haben für die retrospektive Beurteilung des Verlaufs der Arbeitsfähigkeit lediglich die Berichte von Dr. C. und Dr. D. zur Verfügung gestanden. Dr. C. hatte eine Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent ab November 2005 attestiert. Eine davor bestehende erhebliche Arbeitsunfähigkeit ist in

den Akten nicht ausgewiesen, weshalb beweisrechtlich erst ab November 2005 von einer relevanten Arbeitsunfähigkeit für sämtliche Hilfsarbeiten auszugehen ist. Ab Januar 2008 ist aufgrund des Berichtes von Dr. D. eine Arbeitsunfähigkeit im aktuellen Ausmass anzunehmen. Das so genannte Wartejahr hat also im November 2005 zu laufen begonnen und im November 2006 geendet. Bei einem Arbeitsunfähigkeitsgrad von 50 Prozent hat der Invaliditätsgrad damals 65,9 Prozent (= [71’209 - 48’573 ÷ 2] ÷ 71’209) betragen. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer ab

1. November 2006 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente hat. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist ab Januar 2008 ausgewiesen. In Anwendung von Art. 88a Abs. 2 IVV darf diese Verschlechterung gemäss der konstanten bundesgerichtlichen Rechtsprechung erst per 1. April 2008 berücksichtigt werden. Das bedeutet zusammenfassend, dass dem Beschwerdeführer eine Dreiviertelsrente für den Zeitraum von 1. November 2006 bis und mit März 2008 und eine ganze Rente ab dem

1. April 2008 zuzusprechen ist.

3.

Insofern ist die vorliegende Beschwerde gutzuheissen. Die Beschwerdegegnerin hat deshalb die gemäss Art. 69 Abs. 1bis IVG zu erhebenden und angesichts des durchschnittlichen Aufwands auf Fr. 600.-festzusetzenden Gerichtskosten zu bezahlen. Zudem hat sie die Kosten für das Gerichtsgutachten zu übernehmen. Diese belaufen sich auf 3’791.40 Franken (vgl. act. G 28). Schliesslich hat sie den Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen. Dessen Rechtsvertreter hat eine Honorarnote über 6’168 Franken eingereicht (act. G 26.1). Die Leistungsübersicht ist jedoch nicht hinreichend nachvollziehbar. So wird ein erheblicher Stundenaufwand für die Erstellung einer Replik ausgewiesen; eine solche wurde dem Gericht aber nicht eingereicht (vgl. act. G 6). Der vorliegende Fall weist weder besondere rechtliche Schwierigkeiten noch besonders umfangreiche Akten auf. Die Zusprache einer über die durchschnittliche Pauschale von 3’500 Franken (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) hinausgehenden Parteientschädigung rechtfertigt sich deshalb nicht.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 3. Juli 2010 aufgehoben und dem Beschwerdeführer ab dem 1. November 2006 eine Dreiviertelsund ab dem

  1. April 2008 eine ganze Rente zugesprochen; die Angelegenheit wird zur Festsetzung

    der Rentenbeträge an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.-- und die Kosten für das Gerichtsgutachten von Fr. 3’791.40 zu bezahlen; dem Beschwerdeführer wird der von ihm geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-zurückerstattet.

  3. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit Fr. 3’500.-zu entschädigen

(einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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