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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils IV 2010/239: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer, ein gelernter Bäcker, erlitt bei einem Arbeitsunfall Verletzungen an Schulter und Knie. Nach verschiedenen Operationen und anhaltenden Beschwerden meldete er sich bei der IV-Stelle an. Es wurde über den Grad der Arbeitsunfähigkeit gestritten, wobei unterschiedliche Gutachten vorlagen. Das Gericht entschied, dass weitere medizinische Abklärungen notwendig sind, da der Invaliditätsgrad nicht zuverlässig festgestellt werden konnte. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, die Verfugung aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an die IV-Stelle zurückgewiesen.

Urteilsdetails des Kantongerichts IV 2010/239

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2010/239
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2010/239 vom 27.12.2010 (SG)
Datum:27.12.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 28 IVG Rückweisung der Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung. Die Beschwerdegegnerin stützt sich im Wesentlichen auf ein Gutachten aus dem Jahr 2007. Betreffend die geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustands lässt die Aktenlage keine abschliessende Beurteilung zu. Insbesondere fehlt eine fachärztliche Beurteilung eines nach der Begutachtung aufgetretenen Leidens (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Dezember 2010, IV 2010/239).
Schlagwörter : Schulter; IV-act; Schmerzen; Bericht; Gallen; Abklärung; Arbeitsfähigkeit; Recht; Verfügung; Gutachten; Bäcker; Beschwerden; Invalidität; Rente; Kantons; Abklärungen; Beurteilung; Untersuch; IV-Stelle; Untersuchung; Kniegelenk; Invaliditätsgrad; ätten
Rechtsnorm:Art. 29 ATSG ;Art. 42 ATSG ;
Referenz BGE:125 V 352; 127 V 467; 130 V 445; 132 V 235;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts IV 2010/239

Vizepräsidentin Miriam Lendfers, Versicherungsrichterin Monika Gehrer-Hug, Versicherungsrichter Joachim Huber; Gerichtsschreiber Matthias Burri

Entscheid vom 27. Dezember 2010 in Sachen

G. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Adrian Fiechter, Poststrasse 6, Postfach 239, 9443 Widnau,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend Rente Sachverhalt: A.

    1. G. , gelernter Bäcker, Jahrgang 1951, erlitt am 2. September 2005 einen Arbeitsunfall in der Bäckerei A. und zog sich dabei eine Ruptur der langen Bizepssehne zu (IV-act. 8-1/2). Am 15. September 2005 wurde in der Klinik Stephanshorn in St. Gallen eine MRI-Untersuchung der rechten Schulter durchgeführt, wobei sich die Diagnose des Risses der Bizepssehne bestätigte. Zudem wurde eine arthrotische Erkrankung des Schultergelenks festgestellt. Wegen vorbestehender Schmerzen im rechten Knie wurde anlässlich der Untersuchung vom 15. September 2005 auch das rechte Knie mittels MRI abgeklärt. Dabei wurde neben einer komplexen Verletzung am Innenmeniskus eine degenerative Erkrankung des Kniegelenks festgestellt (IV-act. 18-26/26, 18-25/26). Am 5. Oktober 2005 wurde im Spital Altstätten ein arthroskopischer Eingriff am rechten Schultergelenk und am rechten Knie vorgenommen (18-19/26). Am 27. April 2006 wurde im Spital Altstätten erneut ein operativer Eingriff am rechten Kniegelenk vorgenommen mit dem Ziel, eine beginnende Varusgonarthrose zu verhindern (IV-act. 18-15/26, 18-18/26). Wegen persistierender Schmerzen in der rechten Schulter wurde am 25. Juli 2006 eine Refixation der langen Bizepssehne vorgenommen. Die Operation erfolgte ebenfalls im Spital Altstätten (IVact. 9/26).

    2. Der Versicherte meldete sich am 24. November 2006 bei der AHV-Zweigstelle

      B. zum Bezug von IV-Leistungen an (IV-act. 1-7/7). Als Grund für die IV-Anmeldung gab er eine Gehbehinderung, Schmerzen in der Schulter sowie ausstrahlende Schmerzen bis in die rechte Hand und bis zum rechten Ohr an (IV-act. 1-6/7).

    3. Mit Bericht vom 18. Januar 2007 attestierte Dr. med. C. , Orthopädie am Spital Altstätten, dem Versicherten eine Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf als Bäcker von 100% seit 2. September 2005 (IV-act. 16-1/9). In einer adaptierten Tätigkeit könne unter Umständen eine 100%-ige Arbeitsfähigkeit möglich sein (IV-act 16-6/9). Auch der

      Hausarzt des Versicherten, Dr. med. D. , Facharzt für Allgemeine Medizin, hielt in seinem Bericht vom 28. Februar 2007 fest, dass es dem Versicherten nicht mehr möglich sei, seinen Beruf als Bäcker auszuüben. In einer adaptierten Tätigkeit könnte jedoch unter Umständen eine Arbeitsfähigkeit von 100% erreicht werden. Initial sei von einer Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit von 50% auszugehen (IV-act

      18-4/26). Im Auftrag des Unfallversicherers wurde der Versicherte am 10. Mai 2007 von Dr. med. E. , Orthopädie am Rosenberg in St. Gallen, untersucht. Dieser kam zum Schluss, dass der Versicherte in seiner bisherigen Tätigkeit als Bäcker vollständig arbeitsunfähig sei (IV-act. 25-5/6). Unter Einbezug der unfallfremden Knieproblematik sei der Versicherte in jeder manuellen Tätigkeit, welche auch mehrheitlich stehend durchgeführt werde, zu 100% arbeitsunfähig. Eine adaptierte Tätigkeit, mehrheitlich sitzend nur wenig stehend und wechselnd gehend, könne im optimalen Fall zu ca. 50% ausgeübt werden (IV-act. 25-6/6).

    4. Im Rahmen der beruflichen Eingliederung beantragte die Berufsberaterin der IVStelle am 7. November 2007 einen dreimonatigen Arbeitsversuch (vom 5. November 2007 bis 8. Februar 2008) mit einem Pensum von 50% in einer Bäckerei in St. Gallen (IV-act. 34-2/3). In der Folge wurde der Versicherte per 11. Februar 2008 mit einem Beschäftigungsgrad von 50% fest angestellt (IV-act. 42). Am 3. April 2008 teilte der Versicherte der IV-Stelle mit, dass er aufgrund seiner Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, in der Bäckerei weiterzuarbeiten (IV-act. 54). Dr. D. attestierte ihm ab dem

      17. März 2008 und bis auf Weiteres eine Arbeitsunfähigkeit von 100% (IV-act. 55). Im Bericht vom 1. Oktober 2008 hielt Dr. D. fest, dass der Versicherte infolge persistierender Beschwerden im rechten Kniegelenk sowie der seit 2007 zunehmenden Schulterbeschwerden im Kantonspital St. Gallen behandelt worden sei. Der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich verschlechtert. Eine sitzende Tätigkeit ohne über Kopf Arbeiten sei für den Versicherten unter Umständen noch machbar, wobei auch bei solchen Tätigkeiten Schmerzen im Bereich der Schultergelenke, insbesondere rechtsseitig, auftreten würden (IV-act. 60-1-5/22).

    5. Mit Vorbescheid vom 30. Oktober 2008 stellte die IV-Stelle dem Versicherten die Ausrichtung einer Viertelsrente ab 1. September 2006 in Aussicht (IV-act. 63). Gegen diesen Vorbescheid erhob er mit Schreiben vom 3. November 2008 Einwand (IV-act. 64). Nach interner Anfrage an den regionalärztlichen Dienst der IV-Stelle (RAD) sprach

die SVA dem Versicherten mit Verfügung vom 21. Mai 2009 bei einem Invaliditätsgrad von 41% eine Viertelsrente ab 1. September 2006 zu. Gegen diese Verfügung liess der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Adrian Fiechter, Widnau, Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen erheben (IV-act. 99). Wiedererwägungsweise wiederrief die IV-Stelle am 10. Juli 2009 die Verfügung vom 21. Mai 2009 (IV-act. 119). Das entsprechende Beschwerdeverfahren beim Versicherungsgericht wurde mit Präsidialverfügung vom 23. Juli 2009 abgeschrieben (IV-act.125).

A.f Mit Vorbescheid vom 4. August 2009 stellte die IV-Stelle dem Versicherten die Ausrichtung einer halben IV-Rente ab 1. September 2006 in Aussicht (IV-act. 127). Gegen diesen Vorbescheid liess der Versicherte erneut Einwand erheben (IV-act.

137-1/16). Mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 teilte die IV-Stelle dem Rechtsvertreter des Versicherten mit, dass sie an ihrem Vorbescheid festhalten werde. Mit Verfügung vom 29. April 2010 sprach sie dem Versicherten basierend auf einem Invaliditätsgrad von 54% ab 1. September 2006 eine halbe IV-Rente zu (act. G 1.1.1).

B.

    1. Gegen diese Verfügung richtet sich die Beschwerde vom 7. Juni 2010. Der Beschwerdeführer lässt die Aufhebung der Verfügung beantragen. Es sei ihm ab 1. September 2006 bis 4. November 2007 eine ganze IV-Rente, ab 5. November 2007 bis

      16. März 2008 eine halbe IV-Rente und ab dem 17. März 2008 eine ganze IV-Rente zuzusprechen. Eventualiter sei ein neutrales orthopädisches und rheumatologisches Gutachten einzuholen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen; alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin bzw. bei Bewilligung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege in Form der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung und Prozessführung zu Lasten des Staates. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der gescheiterte Wiedereingliederungsversuch habe in aller Deutlichkeit belegt, dass ihm seit dem Unfall vom 2. September 2005, spätestens jedoch seit der Krankschreibung durch Dr. D. am 17. März 2008, keine Tätigkeit im angestammten Beruf als Bäcker mehr möglich sei. Dies gehe auch bereits aus dem Gutachten von Dr. E. vom 18. Mai 2007 hervor.

      Darin sei festgestellt worden, dass eine Arbeitsfähigkeit von 50% in einer adaptierten Tätigkeit nur im Optimalfall bestehe. Zusätzlich zu den bestehenden Schmerzen im rechten Kniegelenk und insbesondere in der rechten Schulter seien Ende 2007 bzw. Anfang 2008 Schmerzen in der linken Schulter aufgetreten. Diese stünden im Zusammenhang mit dem fragwürdigen Wiedereingliederungsversuch bei einer Bäckerei in St. Gallen und hätten im Gutachten von Dr. E. vom 18. Mai 2007 noch keine Berücksichtigung finden können. Gemäss Bericht von Dr. D. vom 7. September 2009 sei eine medizinische Abklärung der Schädigung der linken Schulter (und der sich daraus ergebenden Arbeitsunfähigkeit) angebracht, da entsprechende Unterlagen fehlen würden. Hinzu komme die weiterhin fortschreitende Arthrose im rechten Kniegelenk. Dr. D. habe in vorgenanntem Bericht ausgeführt, dass diesbezüglich früher später eine erneute operative Behandlung erforderlich sein würde. Auch Dr. med. F. vom H. Gesundheitszentrum habe in seinem Bericht vom 25. Mai 2010 festgehalten, dass sich die Beschwerdesymptomatik seit September 2009 tendenziell verschlechtert habe. Gegenwärtig erachte er eine Arbeitsunfähigkeit von 60% in einer erheblich angepassten Tätigkeit für angemessen. Aufgrund seines Gesundheitszustandes, seiner Ausbildung sowie seines Alters sei es für den Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin selbst bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage ausgeschlossen, eine leidensangepasste Arbeitsstelle finden zu können (act. G 1).

    2. Am 12. August 2010 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. In medizinischer Hinsicht sei auf das orthopädische Gutachten von Dr. E. vom 17. Mai 2007 abgestellt worden. Dieser habe dem Beschwerdeführer eine 50%-ige Arbeitsfähigkeit für angepasste Tätigkeiten attestiert. Diese Arbeitsfähigkeitseinschätzung sei vom RAD-Arzt Dr. med. I. als zutreffend angesehen worden. Die Beurteilungen von Dr. D. vom 20. Juni 2009 und von Dr.

      F. vom 25. Mai 2010 würden keine Aspekte vorbringen, die im Gutachten unerkannt ungewürdigt geblieben seien. Es sei daher bei der Bemessung der Invalidität zu Recht auf das Gutachten von Dr. E. vom 18. Mai 2007 abgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei in seiner angestammten Tätigkeit als Bäcker nicht mehr arbeitsfähig. Aufgrund der Schadenminderungspflicht sei er jedoch zur Aufnahme einer angepassten Hilfstätigkeit verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestünden auf dem hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt

      durchaus Möglichkeiten, eine den Gesundheitsbeeinträchtigungen angepasste Stelle zu finden. Die Verwertbarkeit der attestierten Restarbeitsfähigkeit sei daher zu Recht bejaht worden. Sodann sei auch der Invaliditätsgrad korrekt ermittelt worden. Die Verfügung sei somit im Ergebnis nicht zu beanstanden (act. G 4).

    3. Mit Schreiben vom 13. August 2010 teilte die Gerichtsleitung dem Beschwerdeführer mit, dass das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung bewilligt werde (act. G 6).

    4. Am 13. September 2010 liess der Beschwerdeführer die Replik einreichen. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das von der Beschwerdegegnerin als zentral erachtete Gutachten von Dr. E. vom 18. Mai 2007 bereits aus zeitlichen Gründen nicht massgebend sein könne. Die Schmerzen in der linken Schulter seien erst nach der Begutachtung von Dr. E. aufgetreten. Dementsprechend seien weitere Abklärungen bzw. eine erneute vertrauensärztliche Untersuchung durchzuführen. Des Weiteren sei durch die Berichte von Dr. D. und Dr. F. erstellt, dass eine allfällige Restarbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht verwertbar wäre. Ebenfalls sei der von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Leidensabzug von 10% zu tief. Gegebenenfalls wäre ein deutlich umfangreicherer Abzug vorzunehmen (act. G 10).

    5. Am 20. September 2010 verzichtete die Beschwerdegegnerin auf eine Duplik und verwies auf ihre Beschwerdeantwort (act. G 12).

Erwägungen:

1.

    1. Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad des Beschwerdeführers. In medizinischer Hinsicht stellt sich insbesondere die Frage, ob der Sachverhalt für die Beurteilung der Höhe des Rentenanspruchs genügend abgeklärt ist.

    2. Am 1. Januar 2008 sind die im Zuge der 5. IV-Revision revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20), der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) und des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in Kraft getreten. In

      materiell-rechtlicher Hinsicht gilt jedoch der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz, dass der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, die bei Erlass des angefochtenen Entscheids respektive im Zeitpunkt gegolten haben, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat (vgl. BGE 127 V 467 Erw. 1, 126 V 136 Erw. 4b, je mit Hinweisen). Die angefochtene Verfügung erging am 29. April 2010, wobei ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der vor dem Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen der 5. IV-Revision am 1. Januar 2008 begonnen hat. Daher und aufgrund dessen, dass der Rechtsstreit eine Dauerleistung betrifft, über welche noch nicht rechtskräftig verfügt wurde, ist entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln für die Zeit bis 31. Dezember 2007 auf die damals geltenden Bestimmungen und ab diesem Zeitpunkt auf die neuen Normen der

      5. IV-Revision abzustellen (vgl. zur 4. IV-Revision: BGE 130 V 445 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 7. Juni 2006, I 428/04, Erw. 1). Diese übergangsrechtliche Lage zeitigt indessen keine materiell-rechtlichen Folgen, da die 5. IV-Revision hinsichtlich des Begriffs und der Bemessung der Invalidität keine substantiellen Änderungen gegenüber der bis Ende 2007 gültig gewesenen Rechtslage gebracht hat. Neu normiert wurde demgegenüber der Zeitpunkt des Rentenbeginns, der, sofern die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 28 Abs. 1 IVG),

      gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG frühestens 6 Monate nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Art. 29 Abs. 1 ATSG liegt. Da ein allfälliger Rentenanspruch im vorliegend zu beurteilenden Fall auf vor 1. Januar 2008 festzusetzen wäre (der Versicherungsfall trat im September 2005 ein und die IV-Anmeldung erfolgte im November 2006), wirkt sich diese Neuerung jedoch nicht aus (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 28. August 2008, 8C_373/08, Erw. 2.1 mit Hinweis). Nachfolgend werden die seit 1. Januar 2008 gültigen Bestimmungen des ATSG und IVG wiedergegeben.

    3. Nach Art. 28 Abs. 2 IVG besteht Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie wenigstens zu 60% invalid ist. Liegt ein Invaliditätsgrad von mindestens 50% vor, so besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% auf eine Viertelsrente.

    4. Das Versicherungsgericht hat die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass es alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt. Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten in Auftrag gegebenen Stellungnahmen als Bericht Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a).

2.

    1. Die Parteien stimmen darin überein, dass der Beschwerdeführer in seiner angestammten Tätigkeit als Bäcker zu 100% arbeitsunfähig ist. Umstritten ist hingegen die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit. Die Beschwerdegegnerin stützt sich in medizinischer Hinsicht im Wesentlichen auf das orthopädische Gutachten von Dr. E. vom 18. Mai 2007 und geht dementsprechend bei der Bemessung der Invalidität von einer Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit von 50% aus. Im Gutachten von Dr. E. wurde die Diagnose einer erheblichen schmerzhaften Funktionsstörung der rechten Schulter bei Status nach spontaner Ruptur der langen Bizepssehne rechts am 2. September 2005 sowie einer medialen Gonarthrose am rechten Kniegelenk gestellt. In den Berichten vom 1. Oktober 2008 und 7. September 2009 geht Dr. D. von einer stetigen Verschlechterung des Gesundheitszustands seit Mai 2007 bzw. März 2008 aus (IV-act. 60-2/22, 137-9/16). Aufgrund einer verständlichen Überbeanspruchung des linken Schultergelenks bestünden nun neben den Beschwerden in Schulter und Knie rechts auch im Bereich

      der linken Schulter belastungsabhängige Schmerzen, welche in Ruhe ebenfalls nicht abklingen würden (IV act. 60-1/22 ff.). Es stelle sich die Frage, ob betreffend die Schmerzen in der linken Schulter nicht weitere Abklärungen durchgeführt werden müssten. Der Beschwerdeführer sei aus seiner Sicht in einer angepassten Tätigkeit - die jedoch diverse Auflagen erfüllen müsste maximal 50% arbeitsfähig (IV-act.

      137-10/15 f.). Mit der Beschwerde liess der Beschwerdeführer den Bericht von Dr. F. vom 25. Mai 2010 einreichen. Dieser diagnostizierte am linken Schultergelenk eine erhebliche schmerzhafte Funktionsstörung bei Verdacht auf eine chronische

      Bursitis. Diesbezüglich könnte noch eine vertiefende orthopädische Abklärung erfolgen. Unter Berücksichtigung der Vorakten sowie der seit September 2009 tendenziell stärkeren Beschwerdesymptomatik halte er einen Erwerbsunfähigkeitsgrad von ca. 60% in einer erheblich angepassten Tätigkeit für angemessen. Zur definitiven Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit erachte er aufgrund der Komplexität des Falls und der geklagten Beschwerden eine erneute vertrauensärztliche Untersuchung für nicht unangemessen (act. G 1.1.26). Demgegenüber vertritt der RAD in seinen Stellungnahmen vom 6. Februar 2009, 8. Juli 2009 und 7. Oktober 2009 im Wesentlichen die Auffassung, eine Verschlechterung des Gesundheitszustands sei gegenüber dem Gutachten vom 18. Mai 2007 nicht festzustellen. Die linksseitigen Schulterschmerzen würden gemäss Bericht von Dr. D. vom 1. Oktober 2008 seit dem Jahr 2007 bestehen. Sie seien damals Gegenstand einer Behandlung im Kantonsspital St. Gallen gewesen. Die Schmerzen seien unter Belastung aufgetreten und in Ruhe nicht wieder abgeklungen. Es sei auch bei dieser Problematik von einem subjektiven, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf degenerative Veränderungen zurückzuführenden Schmerzempfinden auszugehen, dem sowohl der RAD (mit Stellungnahme vom 8. Juli 2009) als auch Dr. D. mit einer präzisen Umschreibung einer leidensadaptierten Tätigkeit von 50% Rechnung getragen hätten (IV-act. 68, 117, 140).

    2. Aufgrund persistierender Schmerzen wurde der Beschwerdeführer am 23. Juli 2008 in der Klinik für Orthopädische Chirurgie am Kantonsspital St. Gallen untersucht. Gemäss Bericht vom gleichen Tag diagnostizierten Dr. med. K. und Dr. med. L. neben den bereits bekannten Schulterund Knieproblemen rechts eine asymptomatische AC-Gelenksarthrose und eine humeruskopfseitige Partialruptur der Supraspinatussehne in der Schulter links. Es liege beim Beschwerdeführer ein unklares

      Beschwerdebild in verschiedenen Körperregionen vor. Nebst den beiden fokussierten Schulterund Knieproblemen klage er zusätzlich über OSG-Beschwerden beidseits, Gesässschmerzen und tieflumbale Schmerzen. Somit bestehe ein diffuses Beschwerdebild an verschiedenen Körperregionen. Es sei daher fragwürdig, ob die subjektiv empfundenen Beschwerden in einem Zusammenhang mit den objektiv erhobenen Befunden an der Schulter und dem Knie rechts stehen würden (IV-act.

      60-12/22 f.). Sodann wurde im Bericht vom 19. September 2008 zur Nachkontrolle vom

      18. September 2008 festgehalten, dass weitere Abklärungen bezüglich einer coxogenen vertebrogenen Ursache der Kniebeschwerden dringend empfohlen würden. Dazu wären ein neues MRI der LWS und ein neurologischer Untersuch notwendig. Des Weiteren wäre eine diagnostische Infiltration des rechten Hüftgelenks nach vorherigem Arthro-MRI des Hüftgelenks (mit Frage nach avaskulärer Nekrose und/oder Limbusläsion) möglich (IV-act. 60-6/22 f.). Dem Gutachten von Dr. E. vom

      18. Mai 2007 ist nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Begutachtung an OSG-Beschwerden beidseits, Gesässschmerzen und tieflumbalen Schmerzen gelitten hätte (IV-act 108). Im Weiteren ist aufgrund des in Frage gestellten Zusammenhangs zwischen den diffusen und in verschiedenen Körperregionen auftretenden Beschwerden mit der bisher bekannten Schulterund Knieproblematik nicht auszuschliessen, dass neue bisher unberücksichtigt gebliebene Ursachen für die Beschwerden hinzugetreten bzw. erkennbar geworden sind und sich das Beschwerdebild im Rahmen der Untersuche am Kantonsspital St. Gallen komplexer dargestellt hat als noch im Zeitpunkt der Begutachtung von Dr. E. im Mai 2007. Der RAD hat sich in seinen Stellungnahmen nicht dazu geäussert, ob die Vermutungen der Orthopäden des Kantonsspitals St. Gallen für die Restarbeitsfähgikeit bzw. deren Verwertbarkeit von Relevanz sein könnten. Immerhin geht auch Dr. F. insgesamt von einem komplexen Fall aus (act. G 1.1.26). Bei dieser Aktenlage wäre es im Rahmen des der Beschwerdegegnerin obliegenden Untersuchungsgrundsatzes (Art. 42 Abs. 1 ATSG) angezeigt gewesen, weitere Abklärungen zu veranlassen zumindest substantiiert auf die Berichte des Kantonsspitals St. Gallen einzugehen.

    3. Des Weiteren herrscht hinsichtlich der Beschwerden in der linken Schulter welche nicht Gegenstand der Begutachtung von Dr. E. vom 18. Mai 2007 war - Unklarheit. Der Beschwerdeführer macht eine Verschlechterung des Gesundheitszustands infolge belastungsabhängiger Schmerzen in der linken Schulter

geltend. Der RAD führt die Beschwerden in der linken Schulter auf degenerative Veränderungen zurück. Diese seien bei der Arbeitsfähigkeitsschätzung jedoch bereits berücksichtigt worden (IV-act. 140). Dr. D. diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine AC-Gelenksarthrose und eine humeruskopfseitige Partialruptur der Supraspinatussehne. Die Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit schätzte er unverändert auf 50% ein. Gleichzeitig hielt er jedoch weitere orthopädische Abklärungen betreffend die linke Schulter für angezeigt (IV-act. 137-10/16). Dementsprechend kann die Einschätzung von Dr. D. mangels vertiefter orthopädischer Abklärungen der linken Schulter nicht abschliessend sein. Sodann konnte der RAD in seinen Stellungnahmen nicht überzeugend darlegen, dass betreffend die linke Schulter ausreichende Untersuchungsergebnisse für eine abschliessende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit vorliegen würden. Schliesslich erweist sich auch der Bericht des Kantonsspitals St. Gallen hinsichtlich der linken Schulter als widersprüchlich. Einerseits wurde darin die Diagnose von Dr. D. bestätigt, andererseits wurde festgehalten, dass anhand der Röntgenaufnahmen lediglich altersentsprechende, leichte degenerative Veränderungen festgestellt worden seien (IVact. 60-12/22 f.). Des Weiteren stimmt auch Dr. F. , der in der linken Schulter eine erhebliche Funktionsstörung mit Verdacht auf Bursitis diagnostizierte, mit Dr. D. überein, dass weitere Abklärungen betreffend die linke Schulter erforderlich seien. Unter diesen Umständen erscheint die Aktenlage insbesondere hinsichtlich der linken Schulter, aber auch hinsichtlich des rechten Kniegelenks (fraglicher stabiler Zustand bei möglicher Indikation zum Knieprotheseneinsatz) sowie der OSGund LWSSituation und allenfalls betreffend Hüftund Kiefergelenken, nicht ausreichend abgeklärt. Insbesondere fehlt es an einer (widerspruchsfreien) fachärztlichen Beurteilung. Folglich erscheinen weitere orthopädische Abklärungen angezeigt.

3.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass eine zuverlässige Beurteilung des Invaliditätsgrades gestützt auf die vorhandenen Akten nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich erscheint. Entsprechend sind weitere medizinische Abklärungen angezeigt. Dabei wird ebenfalls der Verlauf der Arbeitsfähigkeit zu untersuchen sein. Die Sache ist hierfür an die Beschwerdegegnerin

zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang erübrigt es sich, auf die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.

4.

    1. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung vom 29. April 2010 ist aufzuheben, und die Sache ist zur weiteren Abklärung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers, gegebenenfalls zur neuen Invaliditätsbemessung sowie zur neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.bis Fr. 1'000.festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 600.erscheint vorliegend als angemessen. Die Rückweisung zur Neubeurteilung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen (BGE 132 V 235 Erw. 6.2). Die Beschwerdegegnerin hat deshalb die gesamte Gerichtsgebühr von Fr. 600.zu bezahlen.

    3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Ersatz der Parteikosten, die vom Gericht ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen werden (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. VRP/SG, sGS 951.1). Der Bedeutung der Streitsache und dem Aufwand angemessen erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer). Die bereits bewilligte unentgeltliche Prozessführung wird bei diesem Verfahrensausgang obsolet.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 29. April 2010 aufgehoben und die Streitsache wird zur weiteren Abklärung im Sinn der Erwägungen und anschliessender neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Die Beschwerdegegnerin hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.zu bezahlen.

  3. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer zu bezahlen).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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