Zusammenfassung des Urteils IV 2009/449: Versicherungsgericht
A. hat sich im Januar 2009 bei der Invalidenversicherung angemeldet und eine Rente beantragt. Aufgrund gesundheitlicher Probleme, darunter eine depressive Verstimmung und körperliche Beschwerden, wurde er arbeitsunfähig geschrieben. Trotz ärztlicher Befunde, die auf eine Arbeitsunfähigkeit hinweisen, wurde sein Rentengesuch abgelehnt. A. hat daraufhin Beschwerde eingereicht, da er sich nicht in der Lage fühlt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es wird festgestellt, dass weitere medizinische Abklärungen notwendig sind, um seine Arbeitsfähigkeit umfassend zu beurteilen. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückgewiesen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2009/449 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 08.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 28 IVG. Rückweisung zur ergänzenden medizinischen Abklärung, weil selbst eine ausreichende fachärztliche psychiatrische Dokumentation allein vorliegend eine zuverlässige Arbeitsfähigkeitsschätzung aufgrund des gesamten - auch somatischen - Gesundheitszustands nicht zulässt (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Dezember 2011, IV 2009/449). |
Schlagwörter : | Arbeit; Arbeitsfähig; Arbeitsfähigkeit; Verfügung; Beschwerdeführers; Bericht; Invalidität; Rente; Leistung; Beurteilung; Psychiatrie; Arbeitsunfähigkeit; Tätigkeiten; Abklärung; Behandlung; Störung; Recht; Gewicht; Zentrum; Magen-/Darm |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | 132 V 99; |
Kommentar: | - |
Präsidentin Karin Huber-Studerus, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Lisbeth Mattle Frei; Gerichtsschreiberin Fides Hautle
Entscheid vom 8. Dezember 2011
in Sachen A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Studer, Hauptstrasse 11a, 8280 Kreuzlingen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Rente Sachverhalt: A.
A. meldete sich am 14. Januar 2009 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente (act. 32). Aufgrund einer früheren Anmeldung waren ihm wegen Schwerhörigkeit Hilfsmittel zugesprochen worden. Der Versicherte gab an, eine Anlehre gemacht zu haben und seit Mai 1998 als Facility Manager angestellt zu sein. Seit dem 4. August 2008 bestehe eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Angaben zu deren Art könnten dem beigelegten Arztzeugnis entnommen werden, das in den Akten allerdings fehlt.
Gemäss einem FI-Gesprächsprotokoll des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der Invalidenversicherung vom 19. Januar 2009 (act. 39) hatte Dr. med. B. , Allgemeine Medizin FMH, angegeben, es lägen beim Versicherten eine depressive Verstimmung, eine Überlastungsreaktion, Magen-/Darmprobleme und im Hintergrund eine Alkoholproblematik vor. Der Versicherte werde mit Sertragen, Pantozol und Isoket behandelt, letzteres wegen einer früheren AP (wohl: Angina pectoris), die derzeit nicht im Vordergrund stehe. Er sei überlastet, es sei zu aggressiven Ausbrüchen am Arbeitsplatz gekommen. Mittlerweile sei ihm gekündigt worden.
Nachdem im FI-Vortriage-Protokoll vom 20. Januar 2009 (act. 40) festgehalten worden war, ein Eingliederungspotential bestehe nicht, teilte die Sozialversicherungs anstalt/IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem Versicherten am 20. Januar 2009 (act. 41) mit, berufliche Massnahmen seien nicht möglich.
Seiner Gesprächsbestätigung vom 20. Januar 2009 (act. 48) legte Dr. B. einen Bericht an die Krankentaggeldversicherung vom 14. November 2008 und einen Bericht von Dr. med. C. , Fachärztin für Innere Medizin/Gastroenterologie/Hepatologie, vom
3. September 2008, bei. - Dr. B. hatte berichtet, es sei innert eines Monats ein Gewichtsverlust von 15 kg aufgetreten, dazu dunkler Durchfall, Appetitlosigkeit, totale
Erschöpfung. Auch psychisch sei der Versicherte am Rand, er leide an Schlafstörungen, Schweissausbrüchen, Weinkrämpfen usw. Die Magen-/Darmproble matik sei nicht klassifizierbar. Dem Bericht von Dr. C. war zu entnehmen, dass allgemein eine Infektanfälligkeit und eine ausgedehnte Parodontose bestünden. Die Koloskopie sei abgesehen von zwei Polypenknospen unauffällig gewesen. Es sollte auf eine allfällige exokrine Pankreasinsuffizienz abgeklärt werden.
Die Arbeitgeberin bescheinigte am 25. Februar 2009 (act. 50), der Versicherte stehe seit 1. Januar 1999 in ungekündigtem Arbeitsverhältnis als Hauswart. Sein Lohn betrage pro Jahr Fr. 72'644.--. Ohne Gesundheitsschaden würde er Fr. 90'805.-ver dienen.
Dr. B. gab in seinem Arztbericht vom 20. Mai 2009 (act. 52) an, es bestünden (erstens) ein Burnout mit psychischer Instabilität, aggressiven Impulsen und Rückzug, (zweitens) eine somatische Reaktion mit Durchfall, Gewichtsverlust von 10 kg und Zahnproblemen, (drittens) ein Tinnitus und Schwerhörigkeit bds., (viertens) eine Knie arthrose bds. (Operation 2004), (fünftens) ein Ulcus ventriculi und (sechstens) ein Herpes zoster. Der Versicherte sei vom 4. bis 30. August 2008 zu 50 % arbeitsunfähig gewesen und sei nun seit dem 1. September 2008 zu 100 % arbeitsunfähig. Er sei
nicht belastbar und brauche Ruhe und Ordnung. Er (der Arzt) sehe keine Aussicht, dass der Versicherte sich in den Arbeitsprozess werde reintegrieren können. Mit der beigelegten Beurteilung von Dr. med. D. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 11. April 2009 sei er absolut nicht einverstanden. - In dem psychiatrischen Konsilium hatte Dr. D. als Diagnose eine Anpassungsstörung im Sinne einer narzisstischen Krise und länger dauernden depressiven Reaktion bezeichnet, welche gegenwärtig bereits wieder abgeklungen sei. Die Arbeitsunfähigkeit von 100 % sei der - nunmehr leichten - Ausprägung des Krankheitsbildes noch bedingt angemessen. Dieser Grad sei noch für längstens drei Monate fortzuschreiben, anschliessend bestehe wieder volle Arbeitsfähigkeit. Daneben war ein Schreiben der Krankentaggeldversicherung an den Versicherten vom 23. April 2009 beigelegt,
wonach gestützt auf die Einschätzung von Dr. D. ab 1. Juli 2009 eine volle Arbeitsfähigkeit vorliege. Mit einem weiteren beigelegten Schreiben vom 8. Mai 2009 hatte Dr. B. der Taggeldversicherung berichtet, die mit viel Geduld und Rücksichtnahme erreichte Stabilisierung sei mit der Mitteilung vom 23. April 2009 zum
Einsturz gebracht worden. Die Annahme von Dr. D. sei unwahrscheinlich. Er schlage eine zweite psychiatrische Beurteilung vor. Neben den psychiatrischen Problemen bestünden auch somatische Störungen. Gleichentags hatte Dr. B. den Versicherten an eine Sozialpsychiatrische Beratungsstelle (Psychiatrie-Zentrum) zugewiesen.
Am 27. Mai 2009 (act. 54) ging ein Bericht des Psychiatrie-Zentrums vom 19. Mai 2009 an Dr. B. ein. Es habe sich beim Versicherten recht eindrücklich ein derangierter psychischer Zustand gezeigt, der eigentlich eine stationäre psycho therapeutische Behandlung indiziere. Das lehne er aber ab. Arztzeugnisse, die jeweils auf einem Beurteilungszeitraum von nur wenigen Stunden beruhten, brächten aber keinen Fortschritt im Hinblick auf eine Klärung des Krankheitsstatus. Durch eine tages klinische Behandlung ergäben sich hingegen nicht nur intensivere therapeutische, sondern auch wesentlich umfangreichere Möglichkeiten zur Beobachtung und Be urteilung von Reaktionsmustern und dergleichen.
In einem Arztbericht vom 31. Juli 2009 (Eingangsstempel; act. 56) gab das Psychiatrie-Zentrum bekannt, beim Erstgespräch vom 19. Mai 2009 sei der Versicherte als vollständig arbeitsunfähig erlebt worden. Die Prognose bezüglich des Wiedererreichens einer Arbeitsfähigkeit von über 50 % trotz umfangreicher Behandlung sei negativ.
Der RAD hielt am 10. August 2009 (act. 57) fest, Dr. B. habe auf telefonische Anfrage bekannt gegeben, auf seine ärztliche Intervention hin habe die Taggeldversicherung eine Begutachtung durch Dr. med. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, veranlasst. Dr. E. habe ab 1. Oktober 2009 eine Arbeitsfähigkeit von 100 % attestiert.
Den Akten der Krankentaggeldversicherung konnte in der Folge unter anderem das Gutachten von Dr. E. vom 24. Juni 2009 entnommen werden. Dr. E. hatte danach beim Versicherten eine leichtgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom bei einer in ihrer Entwicklung neurotisierten Persönlichkeit, narzisstisch gekränkt, diagnostiziert. Es sei mittlerweile zu einer Beruhigung und leichten Stabilisierung des psychischen Zustands gekommen. Bei der gegenwärtigen Aus
prägung der Beschwerden sei es dem Versicherten zumutbar, ab 1. Juli 2009 im Umfang von 100 % einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Anmeldung beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) sei dringend erforderlich. Der Versicherte sei nicht total genesen; gewisse Störungen seien immer noch vorhanden und sollten psychiatrisch angegangen werden.
Der RAD folgte daraufhin am 15. September 2009 (act. 59) dem Ergebnis der
beiden psychiatrischen Gutachter. Da der Versicherte gemäss den Angaben von
Dr. E. noch nicht als ganz genesen betrachtet werden könne, sollten Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, an die Anpassungs fähigkeit und an die Belastbarkeit sowie Akkordarbeit vermieden werden. Körperlich seien wegen der Kniearthrosen nur leichte bis mittelschwere wechselbelastende Tätig keiten ohne häufiges Gehen auf unebenem Gelände, ohne häufiges Kauern Knien und ohne häufiges Steigen auf Leitern, Treppen Gerüste zumutbar.
Mit Vorbescheid vom 18. September 2009 (act. 61 f.) stellte die Sozialversicherungsanstalt/IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem Versicherten die Abweisung des Rentengesuchs (bei einem Invaliditätsgrad von 32 %) in Aussicht. Mit der vollen Arbeitsfähigkeit ab 1. Juli 2009 könnte er ein Invalideneinkommen von
Fr. 61'468.-erzielen, während sein Valideneinkommen Fr. 90'805.-ausmache.
Mit Einwand vom 16. Oktober 2009 (act. 63) brachte der Versicherte vor, seine Leistungsfähigkeit liege bei etwa 30 %. Das bestätigten sein Hausarzt und sein Homöopath. Wenn er sich, wie in der Verfügung festgehalten, ans RAV wenden müsse, so wisse er nicht, was er zur Arbeitsfähigkeit angeben sollte. 100 % Arbeitsfähigkeit treffe nicht zu; er sei froh, wenn er eine Leistung von einem Drittel erreichen könne. So falle er durch alle Netze, sei er doch gemäss dem Vorbescheid bei der IV nicht am richtigen Ort, beim RAV aber ebenfalls nicht, weil er die Leistung nicht erbringen könne. Im psychiatrischen Bericht werde nicht erwähnt, dass er bei der leichtesten Aufregung ein extremes Zittern der Hände bekomme, das ihm jede manuelle Tätigkeit verun mögliche. Schwierigkeiten bereiteten ihm auch die Folgen des Verlusts der Zähne ohne Einsetzbarkeit von Prothesen, seines ständigen Durchfalls, seiner Magenschmerzen (mit morgendlichem Brechwürgen), seines nicht mehr korrigierbaren Hörverlusts und seiner geschwollenen, schmerzenden Knie. Ausserdem gerate er bei der kleinsten
Anstrengung ausser Atem. Er könne die Probleme in Schach halten, wenn er mittags etwa zwei Stunden schlafe.
Mit Verfügung vom 28. Oktober 2009 (act. 64) wies die Sozialversicherungs anstalt/IV-Stelle einen Rentenanspruch des Versicherten ab. Es würden keine neuen objektivierbaren Änderungen der Befunde Symptome mitgeteilt.
B.
Gegen diese Verfügung richtet sich die von Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Studer für den Betroffenen am 27. November 2009 erhobene Beschwerde. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und dem Beschwerdeführer sei ab 1. August 2009 eine Rente auszurichten, eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und anschliessenden Neuverfügung an die Verwaltung zurückzuweisen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Facility Manager habe ihm viel abverlangt; er sei bis zum Äussersten belastet gewesen und habe sich verausgabt. Das zunehmende Alter habe den ohnehin schon hohen Druck zusätzlich erhöht. Bereits seit ca. 2003 habe der Beschwerdeführer an verschiedenen psychosomatischen Symptomen gelitten, die seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt hätten. Aufgrund der abnehmenden Leistungsfähigkeit hätten Vorgespräche für eine mögliche Umplatzierung stattgefunden. Ende Juli 2008 sei aber völlig überraschend die Kündigung für ihn und seine im selben Betrieb tätige Ehefrau erfolgt, was zur Dekompensation des Gesundheitszustands geführt habe. Wie seine Ehefrau geschildert habe, sei es zu einem totalen Burnout gekommen, so dass er bei jeder Anstrengung gezittert und sogar zum Stottern geneigt habe. Infolge einer Depression mit Erschöpfungssymptomen sei er ab 4. August 2008 zu 50 % und später zu 100 % krankgeschrieben worden. Dr. E. habe die von der Ehefrau des Beschwerdeführers beschriebenen Symptome bestätigt. Durch den Dispens von der Arbeit seien sie gemäss seinem Bericht abgeklungen, so dass der Arzt wie schon Dr. D. von einer Besserung spreche. Die Besserung sei daher eingetreten, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeit seit August 2008 nicht mehr ausgeübt habe. Eine Rückkehr an die Arbeit würde aber unweigerlich wieder zum alten Zustand und zur höheren bzw. vollen Arbeitsunfähigkeit führen, wie es Dr. B. in seinen Berichten nachvollziehbar dargelegt habe. Dr. B. habe berichtet, durch die Leistungseinstellung der
Krankentaggeldversicherung sei die erreichte Stabilisierung wieder dekompensiert. Es seien erneut Gewichtsverlust, Schlafstörungen und Erschöpfung eingetreten. Aufgrund der regelmässigen Untersuchungen und Behandlungen beurteile er die Arbeitsleistung des Beschwerdeführers echtzeitlich mit 30 bis 35 % bei 70-prozentiger Anwesenheit, und zwar in einem geschützten Rahmen mit einem ruhigen, konfliktund stressfreien Milieu. Die von Dr. E. postulierte Verbesserung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Eine längerdauernde Verbesserung der Arbeitsfähigkeit könne nicht angenommen werden; die Invaliditätsbemessung sei nicht hinreichend begründet. Es sei keine Erwerbs fähigkeit dauerhaft wieder hergestellt, die ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen ermöglichte. Die Verbesserung des Zustands sei nur ohne Erwerbstätigkeit vorhanden und könne daher für die Invaliditätsbemessung nicht ausschlaggebend sein. Das in der angefochtenen Verfügung genannte Invalideneinkommen zu erreichen, sei nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer habe eine anspruchsund verantwortungsvolle, nervlich und körperlich belastende Tätigkeit innegehabt. Es wäre jedenfalls ein Leidensabzug von 25 % gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe bei Eintritt des Gesundheitsschadens im zehnten Dienstjahr gestanden. An einem andern Arbeitsplatz sei er nach so langer Zeit punkto Flexibilität, Einarbeitung und Belastbarkeit überdurchschnittlich eingeschränkt. Ausserdem sei er 62-jährig und habe deshalb mit massiven Lohnnachteilen zu rechnen. Hinzu kämen die leidensbedingten Einschränkungen im psychischen und somatischen Bereich. - Beigelegt waren unter anderem zwei Arztberichte von Dr. B. vom 1. und vom 2. September 2009.
C.
In ihrer Beschwerdeantwort vom 19./21. Januar 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer sei gemäss den beiden psychiatrischen Gutachten und dem RAD für körperlich leichte bis mittelschwere, wechselbelastende Tätigkeiten zu 100 % arbeitsfähig. Dass Dr. E. eine ambulante psychiatrische Behandlung als sinnvoll erachtet habe, stehe damit nicht in Widerspruch, dürfe doch von einer Behandlungsbedürftigkeit nicht auf Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden. Mit einer leichtgradigen depressiven Störung habe der Arzt eine Beeinträchtigung festgestellt, aus der er zu Recht keine Einschränkung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit (für psychisch wenig belastende Tätigkeiten) abgeleitet habe, sei doch eine leichte depressive Episode nach der
Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet, eine leistungsspezifische Invalidität zu begründen. Die divergierende Beurteilung des Hausarztes vermöge keine Zweifel am gutachterlichen Abklärungsergebnis zu erwecken. Er verfüge nicht über das fachärztliche Spezialwissen zur zuverlässigen Feststellung einer psychiatrischen Erkrankung und ihrer Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit. Der psychiatrische Facharzt des Psychiatrie-Zentrums habe verlauten lassen, dass er aufgrund der Erstkonsultation keine zuverlässige Beurteilung habe abgeben können. Sein Bericht sei deshalb von geringem Beweiswert und vermöge jedenfalls das gutachterliche Ergebnis nicht zu erschüttern. Dem Beschwerdeführer, der über keinen Berufsabschluss verfüge, stehe auf dem hypothetischen Arbeitsmarkt eine hinreichende Anzahl angepasster Hilfsarbeiterstellen offen. Das Valideneinkommen für das Jahr 2008 liege bei Fr. 89'050.--. Da er seine Restarbeitsfähigkeit nicht verwerte, sei für die Ermittlung des Invalideneinkommens auf die Tabellenlöhne gemäss dem Bundesamt für Statistik zu greifen. Im Jahr 2008 ergebe sich so ein Jahreslohn von Fr. 60'267.--. Seien wie hier leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitlich und leistungsmässig uneingeschränkt zumutbar, sei kein Abzug gerechtfertigt, denn der Tabellenlohn stamme aus einer Vielzahl solcher Tätigkeiten. Die Beschäftigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers seien verglichen mit einem Gesunden in ansonsten vergleichbarer Lage eingeschränkt, doch stehe ihm immer noch ein genügend grosses Arbeitssegment offen. Insofern sei ein Abzug somit nicht gerechtfertigt. Es sei ferner nicht davon auszugehen, dass der psychisch nur leicht beeinträchtigte Beschwerdeführer in einer diesbezüglich wenig belastenden Tätigkeit im Vergleich zu einem gesunden Arbeitnehmer mit einer Lohnein busse zu rechnen habe. Auch sein Alter falle kaum ins Gewicht, da Hilfsarbeiten grund sätzlich altersunabhängig nachgefragt würden. Ein Abzug falle nicht in Betracht. Der Invaliditätsgrad betrage 32 %.
D.
Mit Replik vom 8. Februar 2010 weist der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
darauf hin, dass das Bundesgericht in einem vergleichbaren Fall (Urteil i/S N. vom
30. September 2008, 9C_677/08) einen Leidensabzug von 25 % in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils namentlich unter dem Blickwinkel des fortgeschrittenen Alters und der kurzen verbleibenden Aktivitätsdauer sowie des hohen absehbaren
Umstellungsund Einarbeitungsaufwandes bestätigt habe. Diese Faktoren wirkten sich auch im vorliegenden Sachverhalt aus.
E.
Die Beschwerdegegnerin hat am 12./15. Februar 2010 an ihrem Antrag festgehalten
und im Übrigen auf die Erstattung einer Duplik verzichtet. Erwägungen:
1.
Mit der angefochtenen Verfügung hat die Beschwerdegegnerin einen Rentenanspruch des Beschwerdeführers abgelehnt. Am 20. Januar 2009 hatte sie ihm mitgeteilt, berufliche Massnahmen seien nicht möglich. Er lässt (wie schon im Verwaltungsverfahren) einzig Rentenleistungen beantragen. Streitgegenstand bildet daher zunächst der allfällige Rentenanspruch.
2.
Nach Art. 28 IVG besteht der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die ver sicherte Person mindestens zu 70 %, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens zu 60 % invalid ist. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine Viertelsrente.
3.
Für die Invaliditätsbemessung sind zunächst die medizinischen Vorbedingungen von Bedeutung. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beschreiben und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Die ärztlichen Auskünfte sind im Weiteren eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeits leistungen der versicherten Person noch zugemutet werden können (BGE 132 V 99 f.
E. 4; ZAK 1982 S. 34). Ob die versicherte Person eine ihr zumutbare Tätigkeit auch
tatsächlich ausübt, ist für die Invaliditätsbemessung hingegen unerheblich (Rz 3046 des vom Bundesamt für Sozialversicherungen erlassenen Kreisschreibens über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung = KSIH).
Die Beschwerdegegnerin stützt sich für die Bestimmung der medizinisch zumut baren Arbeitsfähigkeit auf die beiden psychiatrischen Berichte von Dr. D. und
Dr. E. ab. Dr. D. hatte am 11. April 2009 festgehalten, der Befund sei mit einer reaktiven Depression und deutlichem Kränkungserleben vereinbar. Die objektiv fest stellbare Symptomatik sei bereits deutlich degressiv. Diagnostisch liege eine An passungsstörung im Sinn einer narzisstischen Krise und länger dauernden depressiven Reaktion vor. Die Arbeitsunfähigkeit von 100 % sei für längstens drei Monate, somit bis Ende Juni 2009, weiterzuschreiben. Danach sollten aus psychiatrischer Sicht die mit der bisherigen Berufstätigkeit verbundenen Arbeiten und Körperbelastungen wieder in vollem Umfang möglich sein. Dr. E. hatte am 24. Juni 2009 berichtet, beim Beschwerdeführer liege eine reaktive depressive Episode leichteren Grades vor. Darüber hinaus sei eine neurotische Entwicklung in Betracht zu ziehen. Bei der vorgefundenen Ausprägung der Beschwerden (nach einer zwischenzeitlichen weiteren Verschlechterung Ende April 2009) sei es dem Beschwerdeführer ab 1. Juli 2009 zumutbar, zu 100 % einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die noch vorhandenen Störungen sollten psychiatrisch angegangen werden.
Des Weiteren stellt die Beschwerdegegnerin auf die Beurteilung des RAD vom
15. September 2009 ab, wonach eine Tätigkeit einerseits (infolge der verbleibenden psychischen Störungen) dann adaptiert sei, wenn besondere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, an die Anpassungsfähigkeit und an die Belastbarkeit sowie Akkordarbeit vermieden werden. Anderseits sei in körperlicher Hinsicht erforderlich, dass nur leichte bis mittelschwere, wechselbelastende Tätigkeiten ohne häufiges Gehen auf unebenem Gelände, ohne häufiges Kauern Knien und ohne häufiges Steigen auf Leitern, Treppen Gerüste ausgeübt würden. Mit dieser Umschreibung adaptierter Arbeit berücksichtigte der RAD den Umstand, dass Dr. B. von einer Kniearthrose bds., mit Operation 2004, berichtet hatte.
4.
Was die Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht betrifft, kann angenommen werden, dass die Ausführungen des Psychiatrie-Zentrums gegen das Ergebnis der beiden übereinstimmenden psychiatrischen Beurteilungen nicht ohne weiteres anzu kommen vermögen. Das Zentrum hatte am 31. Juli 2009 erklärt, keine eigene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt zu haben. Bei der Exploration vom
Mai 2009 habe beim Beschwerdeführer aber gemäss der Einschätzung des
Berichtenden ein Status der vollen Arbeitsunfähigkeit vorgelegen.
Eine Arbeitsfähigkeitsschätzung, die von der als Verfügungsgrundlage gewählten abweicht, hat Dr. B. abgegeben. Zunächst hat er dem Beschwerdeführer am
Mai 2009 eine volle Arbeitsunfähigkeit ab 1. September 2008 attestiert. Im jüngsten bei den Akten liegenden Arbeitsfähigkeitsattest vom 2. September 2009 hielt er dafür, dem Beschwerdeführer sei zeitlich eine Präsenz von höchstens 70 % zumutbar. Leistungsmässig sei er zu schätzungsweise 30 bis 35 % arbeitsfähig, und zwar in einem geschützten Rahmen mit einem ruhigen, konfliktund stressfreien Milieu. Er benötige immer wieder Pausen/Schlaf zwischen den Arbeitsphasen.
Aufgrund der Angaben von Dr. B. ist zu schliessen, dass der Arzt die Ein schränkung der Arbeitsfähigkeit hauptsächlich auf psychische Faktoren zurückführt. Er hält denn auch in einem Schreiben an die Krankentaggeldversicherung vom
1. September 2009 die Schlussfolgerungen von Dr. E. für nicht nachvollziehbar,
während über die erhobene Symptomatik Einigkeit besteht.
Indessen ist nicht zu übersehen, dass auch andere, somatische Leiden diagnostiziert worden sind. Im Arztbericht vom 20. Mai 2009 waren von Dr. B. als Diagnosen (nebst der psychiatrischen) unter anderem eine somatische Reaktion mit Durchfall, Gewichtsverlust von 10 kg und Zahnproblemen, ein Tinnitus und Schwer hörigkeit bds., eine Kniearthrose bds., operiert 2004, und ein Ulcus ventriculi genannt worden. Am 14. November 2008 hatte der Arzt berichtet, es sei innert eines Monats ein Gewichtsverlust von 15 kg aufgetreten, dazu dunkler Durchfall, Appetitlosigkeit, totale Erschöpfung. Der Beschwerdeführer leide etwa an Schlafstörungen, Schweissaus brüchen und Weinkrämpfen. Die Magen-/Darmproblematik sei nicht klassifizierbar. Gemäss dem FI-Gesprächsprotokoll vom 19. Januar 2009 schliesslich hatte Dr. B. erklärt, es lägen neben der depressiven Verstimmung und Überlastungsreaktion
Magen-/Darmprobleme und im Hintergrund eine Alkoholproblematik vor. Der Beschwerdeführer werde mit Sertragen, Pantozol und Isoket behandelt, letzteres wegen einer früheren AP, die derzeit nicht im Vordergrund stehe. Am 8. Mai 2009 hatte Dr. B. auch zunehmende Schulter- (und Knie-) Schmerzen beschrieben.
Wegen der Magen-/Darmproblematik war eine Panendoskopie veranlasst worden. Dem Bericht von Dr. C. vom 3. September 2008 war zu entnehmen, dass allgemein eine Infektanfälligkeit und eine ausgedehnte Parodontose bestünden. Die Koloskopie sei abgesehen von zwei Polypenknospen unauffällig gewesen. Die Fachärztin schlug indessen vor, Abklärungen im Hinblick auf eine allfällige exokrine Pankreasinsuffizienz zu tätigen. Ob solche erfolgt sind, ist nicht bekannt.
Dem somatischen Aspekt hat der RAD zwar wie erwähnt insofern Rechnung getragen, als er die Kniearthrosen des Beschwerdeführers bei der Beschreibung der adaptierten Tätigkeiten berücksichtigt hat. Das genügt indessen vorliegend nicht. Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ist insgesamt, d.h. unter Beachtung der Ein schränkungen der psychischen und der somatischen Leistungsfähigkeit, zu beurteilen. Es kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass sich aus den somatischen Leiden auch quantitative - Beeinträchtigungen der Arbeitsfähig keit ergeben könnten. Beim Beschwerdeführer kommen nach der vorhandenen Akten lage (abgesehen vom zumindest einstweilen endoskopisch abgeklärten Magen-/Darm problem) immerhin Knieund Schulterbeschwerden, ein (wenn auch nach hausärztlicher Einschätzung nicht im Vordergrund stehendes) Herz-/Kreislaufproblem (vgl. entsprechende Medikation; nach Angaben des Beschwerdeführers mit Ateminsuffizienz), Schwerhörigkeit und Parodontose (ohne Möglichkeit, eine Prothese einzusetzen) zusammen. Ob Infektanfälligkeit, Appetitlosigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Schweissausbrüche, Weinkrämpfe und depressive Verstimmung (allein) psychisch bedingt seien, wird nicht ersichtlich. Es erscheint denkbar, dass körperliche Ursachen (wie z.B. eine kardiologische, endokrine metabolische Erkrankung medikamentöse Wirkungen) die psychischen Störungen auslösen begünstigen.
Der Sachverhalt erweist sich somit namentlich bezüglich der Arbeitsfähigkeit des
Beschwerdeführers unter somatischem Aspekt als abklärungsbedürftig. Entscheidend
wird in der Folge sein, welche Arbeitsfähigkeit ihm unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte (der somatischen und der psychiatrischen) medizinisch zugemutet werden kann.
Da sich aufgrund der gegebenen Aktenlage nicht genügend zuverlässig beurteilen lässt, ob eine zumutbare Arbeitsfähigkeit allenfalls deshalb nicht vorliegt, weil eine Arbeitsaufnahme zur erneuten Dekompensation führen müsste, und weil auch nicht von vornherein absehbar ist, dass Arbeitsmöglichkeiten dem Beschwerdeführer selbst auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt und selbst bei weitreichender voller Arbeits fähigkeit in adaptierter Tätigkeit realistischerweise nicht offen stehen würden, kann von solchen ergänzenden medizinischen Abklärungen nicht abgesehen werden.
5.
Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 28. Oktober 2009 teilweise zu schützen und die Sache ist zu ergänzenden medizinischen Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zu ent sprechender neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Eine Rückweisung zur weiteren Abklärung der Streitsache und anschliessender neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin stellt praxisgemäss aus prozessualer Sicht in Bezug auf die Kosten ein vollständiges Obsiegen dar (vgl. SVR 1995 IV Nr. 51
S. 143; ZAK 1987 S. 266 E. 5a). Angesichts des Unterliegens der Beschwerdegegnerin sind ihr die Gerichtskosten, die nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert festgelegt werden (Art. 69 Abs. 1bis IVG), gesamthaft aufzuerlegen (vgl.
Art. 95 Abs. 1 VRP/SG). Eine Entscheidgebühr von Fr. 600.-erscheint angemessen. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten.
Der Beschwerdeführer hat bei vollem Obsiegen Anspruch auf Ersatz der Parteikosten, die vom Gericht ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen werden (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. VRP). Der Bedeutung der Streitsache und dem
Aufwand angemessen erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.--
(einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom
28. Oktober 2009 aufgehoben und die Sache wird zu ergänzenden medizinischen Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zu entsprechender neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.-zu bezahlen.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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