Zusammenfassung des Urteils IV 2007/364: Versicherungsgericht
Der Versicherte, ein Mann jugoslawischer Nationalität, war aufgrund eines anhaltenden somatoformen Schmerzsyndroms arbeitsunfähig und erhielt daher Anspruch auf volle Taggelder gemäss der Krankentagegeldversicherung. Die Versicherungsgesellschaft, vertreten durch die Y.________ Versicherungen, hatte zu Unrecht die Leistungen verweigert, basierend auf einem fehlerhaften Gutachten eines Psychiaters. Die Gerichte kamen zu dem Schluss, dass die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund seines Gesundheitszustandes gerechtfertigt war. Die Versicherungsgesellschaft wurde daher verpflichtet, die ausstehenden Leistungen zu zahlen. Der Richter in diesem Fall war Herr Neu, die Gerichtskosten betrugen CHF 0, und die unterlegene Partei war die Y.________ Versicherungen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2007/364 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 22.12.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 16 ATSG, aArt. 28 Abs. 1 IVG. Invaliditätsbemessung. Anforderungen an medizinische Gutachten. Trotz Indikation wurde im Rahmen der IV-Begutachtung keine Kernspintomographie der Wirbelsäule der Beschwerdeführerin veranlasst. Rückweisung, um dies nachzuholen und je nach Ergebnis weitere medizinische Abklärungen zu veranlassen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Dezember 2008, IV 2007/364). |
Schlagwörter : | IV-act; Arbeit; Rente; Gutachten; Wirbelsäule; Beurteilung; Arbeitsfähigkeit; Bericht; Arztbericht; Syndrom; Verfügung; Bezug; Klinik; Diagnose; Begutachtung; Gericht; Befunde; Invalidität; Untersuch; Bereich; Facharzt; Medizin; Diagnosen; Gonarthrose |
Rechtsnorm: | Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ; |
Referenz BGE: | 121 V 366; 125 V 261; 125 V 352; 127 V 467; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 22. Dezember 2008 in Sachen
M. ,
Beschwerdeführerin, gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Rente
Sachverhalt:
A.
M. , Jahrgang 1957, meldete sich im September 2004 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) an und beantragte Berufsberatung, Umschulung und Rente (IV-act. 1). Dr. med. A. , Facharzt FMH für Innere Medizin und Rheumatologie, hatte im zuhanden der Krankentaggeldversicherung ausgestellten Arztbericht vom 8. Juli 2004 folgende Diagnosen gestellt: chronisches lumbospondylogenes Syndrom, mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom, wiederholt aktivierte Gonarthrose bei Genu valgum beidseits, Adipositas und arterielle Hypertonie. Im Moment bestehe keine Möglichkeit, selbst leichte Arbeit wiederaufzunehmen (IV-act. 9-9). Die Internistin Dr. med. B. bestätigte sowohl die Diagnosen als auch die Arbeitsfähigkeitsschätzung von Dr. A. im Arztbericht vom
12. Oktober 2004 (IV-act. 9-2 f.). Dr. med. C. , Fachärztin FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation, wies im Arztbericht vom 18. November 2004 darauf hin, vordergründig sei die depressive Verstimmung der Versicherten arbeitseinschränkend. Ebenso bestünden weitere Probleme mit beiden Knien sowie lumbospondylogene Ausstrahlungen im oszilierenden Ausmass (IV-act. 15-4). Vom 3. bis 30. November 2005 befand sich die Versicherte stationär in der Klinik Gais. Im Austrittsbericht vom
Dezember 2005 werden insbesondere die Diagnosen mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom, Panikstörung, Gonarthrose beidseits und chronisches lumbospondylogenes Syndrom genannt. Trotz leichter Verbesserung des Zustands sei die Versicherte weiterhin voll arbeitsunfähig (IV-act. 56-11 f.).
Im Auftrag der IV-Stelle erstatteten Dr. med. D. , Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie Dr. med. E. , Facharzt FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Rheumatologie am 22. und 28. Oktober 2006 Gutachten. Dr. D. hielt fest, aus psychiatrischer Sicht keine krankheitsrelevante Diagnose stellen zu können. Bei entsprechender Willensanspannung bzw. Motivation wäre der Versicherten durchaus eine vollschichtige leichte und sie intellektuell nicht überfordernde Tätigkeit zumutbar (IV-act. 31-23 f.). Dr. E. diagnostizierte chronisch unspezifische Rückenund Kniebeschwerden, radiologisch eine Varusgonarthrose beidseits und eine lumbo-
degenerative Segmenterkrankung L4-S1. Eine Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit für
körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten resultiere daraus nicht (IV-act. 33-9 f.).
Dr. med. F. , Facharzt FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation, nannte im Arztbericht vom 29. Januar 2007 insbesondere die Diagnosen chronisches Reizknie beidseits bei medialer Gonarthrose, chronisches lumbospondylogenes Syndrom bei fortgeschrittener Osteochondrose, chronisches Cervicovertebralsyndrom bei Fehlhaltung der Wirbelsäule und muskulärer Dysbalance, statische Fussbeschwerden bei Senk-Spreizfuss und Knickfussdeformation und plantarer Fersensporn beidseits, depressive Entwicklung mit Panikstörung. Aufgrund der rheumatologischen Situation halte er die Versicherte in adaptierter Tätigkeit für 50% arbeitsfähig bei halber Berentung (IV-act. 39). Am 12. März 2007 diagnostizierte Dr. med. G. , Fachärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom, eine Panikstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine ängstlich-abhängige Persönlichkeitsstruktur. Die Versicherte sei aufgrund dieser Störungen in jeglicher beruflichen Tätigkeit in der freien Marktwirtschaft zu 100% arbeitsunfähig (IV-act. 44).
A.d Nach von der Vertretung der Versicherten geäusserter Kritik an den Gutachtern
Dr. E. und Dr. D. gab die IV-Stelle eine weitere polydisziplinäre Begutachtung bei ihrem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) in Auftrag. Im RAD-Gutachten vom 10. Mai 2007 werden insbesondere folgende Diagnosen genannt: chronisches lumbospondylogenes Syndrom links, leichte bis mässige Varus-Gonarthrosen beidseits, links mehr als rechts, ausgeprägtes, inadäquates Schmerzverhalten und Symptomausweitung sowie mangelhafte Kooperation. Die Versicherte sei in adaptierter Tätigkeit voll arbeitsfähig. Zu empfehlen sei eine leichte Wechselbelastung ohne repetitives Handheben von Lasten über fünf bis zehn kg, ohne Zwangspositionen und ohne ununterbrochenes Stehen und Gehen. Die Zeichen der Symptomausweitung würden als IV-fremd gelten und dürften bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht als einschränkend berücksichtigt werden (IV-act. 57-6 f.).
A.e Mit zwei Vorbescheiden vom 20. Juni 2007 kündigte die IV-Stelle der Versicherten an, sie gedenke, Ansprüche auf Rente und auf Berufsberatung zu verneinen (IV-act. 69 f.). Im Einwand vom 16. Juli 2006 wies der Vertreter der Versicherten unter anderem
darauf hin, diese befinde sich zurzeit in intensiver psychiatrischer Behandlung in der
Klinik Schlössli in Oetwil (IV-act. 71). Seitens der Klinik wurden im Arztbericht vom
August 2007 insbesondere schwere rezidivierende depressive Episoden ohne psychotische Symptome diagnostiziert, bestehend seit dem Jahr 2000. Aufgrund der psychischen Beschwerdesymptomatik würden deutliche Einschränkungen der Belastbarkeit und Ausdauer resultieren. Die Versicherte sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht arbeitsfähig (IV-act. 75).
A.f Nach Rückfrage beim RAD stellte die IV-Stelle bei der Invaliditätsbemessung dennoch auf das RAD-Gutachten ab und verweigerte mit Verfügung vom
12. September 2007 die Kostengutsprache für Berufsberatung (IV-act. 79). Mit Verfügung vom 13. September 2007 verneinte sie einen Rentenanspruch der Versicherten bei einem Invaliditätsgrad von 0% (IV-act. 80).
B.
Gegen die Rentenverfügung vom 13. September 2007 erhob die Versicherte am
1. Oktober 2007 Beschwerde. Diese wies der zuständige Abteilungspräsident des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen wegen diffamierender Formulierungen unter Ansetzung einer Nachfrist zurück. Am 22. Oktober 2007 ging dem Gericht die korrigierte Fassung der Beschwerdeschrift zu. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache einer ganzen Invalidenrente. Ihr sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen. Sie habe sich vom Tag der IV-Anmeldung an ungerecht behandelt gefühlt. Die Beschwerdegegnerin habe die eingereichten Arztberichte nicht berücksichtigen wollen und eine Begutachtung durch einen Rheumatologen und einen Psychiater angeordnet. Auf die Begutachtung bei Dr. E. habe sie lange gewartet. Der Begutachtungsbericht sei über 19 Monate nach der Auftragserteilung verfasst worden. Es wäre interessant zu überprüfen, wieso sie unbedingt von Dr. E. habe begutachtet werden müssen und wieso sich diese Angelegenheit so lange verzögert habe. Bei der Begutachtung durch Dr. D. habe sie sich verängstigt und unterdrückt gefühlt und es sei keinesfalls ein Vertrauensverhältnis erstellt worden. Die RAD-Ärzte hätten sie schliesslich als voll arbeitsfähig empfunden. Alle anderen Berichte, die ihre Arbeitsunfähigkeit beweisen würden, habe man ignoriert. Kein einziger behandelnder Arzt sei befangen gewesen. Die
Beschwerdeführerin habe auf die Ärzte weder Einfluss nehmen wollen, noch habe sie Möglichkeit dazu gehabt. Obwohl sie psychisch erkrankt und praktisch Analphabetin sei, sei schliesslich auch keinen Leidensabzug anerkannt worden (act. G 3). Am
16. November 2007 reichte die Beschwerdeführerin das Gesuchsformular für die unentgeltliche Prozessführung samt Beilagen ein (act. G 6).
In der Beschwerdeantwort vom 26. November 2007 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Soweit Ärzte ohne eine fachärztliche psychiatrische Qualifikation die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin (auch) aufgrund von psychiatrischen Diagnosen bestimmen würden, könne darauf von Vornherein nicht abgestellt werden. Deswegen sei auf die Berichte B. , C. und A. nicht näher einzugehen. Der Austrittsbericht Gais überzeuge bezüglich der Arbeitsfähigkeitsschätzung nicht. Aufgrund des Umstands, dass die Beschwerdeführerin während der Rehabilitation bewusstseinsklar sowie allseits orientiert gewesen sei und sich keine Hinweise auf Halluzinationen IchStörungen gefunden hätten, sei die attestierte volle Arbeitsunfähigkeit nicht nachvollziehbar. Die Klinik Gais habe zudem empfohlen, dass eine polydisziplinäre Begutachtung durchgeführt werden sollte, was die Arbeitsfähigkeitsschätzung zusätzlich relativiere. Auch der Bericht G. enthalte keine psycho-pathologischen Befunde, die die festgestellte volle Arbeitsunfähigkeit untermauern könnten. Zudem mache dieser Bericht keine Angaben über die Anamnese, weshalb allein aus diesem Grund nicht darauf abgestellt werden könne. Schliesslich überzeuge auch der Austrittsbericht der Klinik Schlössli nicht. Die Klinik habe keine Kenntnis der vollständigen medizinischen Vorakten gehabt, ansonsten sie nicht von einer vollen Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin seit 2003 hätte ausgehen können. In somatischer Hinsicht vermöge der Arztbericht F. nicht zu überzeugen. Auch dieser Arzt habe keine Kenntnis der Vorakten gehabt und sich daher auch nicht mit dem ausführlichen Gutachten E. auseinandergesetzt. Zudem leuchte seine Arbeitsfähigkeitsschätzung aus somatischer Sicht von 50% in einer adaptierten Tätigkeit nicht ein, weil bei der Beschwerdeführerin vor allem ätiologischpathogenetisch unerklärliche syndromale Leidenszustände im Vordergrund stehen würden, denen infolge der fehlenden Objektivierbarkeit keine invalidisierende Wirkung zukomme. Die Ausführungen im RAD-Gutachten seien schlüssig, weshalb auf die dortige Arbeitsfähigkeitsschätzung abzustellen sei. Selbst wenn unter diesen
Umständen bei der Bemessung des Invalideneinkommens ein Abzug von 10% anerkannt würde, hätte die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf eine Invalidenrente (act. G 7).
Die Beschwerdeführerin hält in ihrer Replik vom 11. Dezember 2007 an ihren Anträgen fest. Erneut listet sie Angaben mehrerer Ärzte auf. Ihr gehe es immer schlechter und bis jetzt hätten die Behandlungen keine Verbesserung gebracht. Dass alle Ärzte, die bei ihr eine volle Arbeitsunfähigkeit festgestellt hätten, befangen seien, könne kein Mensch mit gesundem Verstand akzeptieren. Wegen ihrer schweren Erkrankung und Analphabetismus sollte man einen Leidensabzug von 25% anerkennen. Auch sei zu betonen, dass die Beschwerdegegnerin keine beruflichen Massnahmen durchgeführt habe, um die unterschiedlichen ärztlichen Meinungen auf praktischer Ebene "abzuwerten" (act. G 10).
Die Beschwerdegegnerin verzichtete am 19. Dezember 2007 auf die Einreichung
einer Duplik (act. G 12). Erwägungen:
1.
Am 1. Januar 2008 sind mit der 5. IVG-Revision verschiedene Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft getreten. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil bei der Beurteilung ferner auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung vom 13. September 2007 eingetretenen Sachverhalt abzustellen ist (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind vorliegend die bis zum 31. Dezember 2007 geltenden materiellen Bestimmungen anzuwenden.
2.
Im vorliegenden Verfahren ist der Rentenanspruch der Beschwerdeführerin zu überprüfen. Die Verfügung vom 12. September 2007, mit der ein Anspruch auf Berufsberatung abgewiesen wurde, ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
3.
Unter Invalidität wird bei als Gesunden voll erwerbstätigen Personen die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit verstanden (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Erwerbsunfähigkeit ist dabei der durch eine Beeinträchtigung der körperlichen geistigen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 ATSG). Der Grad der für einen allfälligen Rentenanspruch massgebenden Invalidität wird gemäss Art. 16 ATSG durch einen Einkommensvergleich ermittelt, bei dem das Einkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der notwendigen und zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt wird zum Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Nach Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2007 in Kraft gestandenen Fassung besteht der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie wenigstens zu 60% invalid ist. Liegt ein Invaliditätsgrad von mindestens 50% vor, so besteht Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem IV-Grad von mindestens 40% auf eine Viertelsrente (aArt. 28 Abs. 1 IVG).
Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 261 Erw. 4). Das Gericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und demnach zu prüfen, ob die vorliegenden Beweismittel eine zuverlässige Beurteilung des strittigen Leistungsanspruchs gestatten. Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden ist, in der
Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Bei einander widersprechenden medizinischen Berichten muss das gesamte Beweismaterial gewürdigt werden und es sind die Gründe anzugeben, warum auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abgestellt wird.
Im Folgenden sind die vorhandenen medizinischen Unterlagen zu würdigen, wobei mit der somatischen Situation zu beginnen ist. Mehrere Ärzte diagnostizierten bei der Beschwerdeführerin ein chronisches lumbospondylogenes Syndrom einerseits sowie eine Gonarthrose beidseits andererseits.
Am Institut für Radiologie des Kantonsspitals St. Gallen wurde am 13. November 2003 eine vertebro-spinale Kernspintomographie durchgeführt. Dr. med. H. , Facharzt FMH für Radiologie, erwähnte im radiologischen Untersuchungsbericht vom
14. November 2003 eine Diskusdegeneration mit Dehydratation L3/4 und L4/5 sowie Dehydratation und beginnende Höhenverminderung L5/S1. Weiter berichtete er von einem Riss im Anulus fibrosus L3/4 links extraforaminal und einer diskreten Retroposition L4 gegen L5 um 1-2 mm sowie einer kleinvolumigen, nicht komprimierenden Diskushernie L4/5 mit Riss im Anulus fibrosus links-lateral extraforaminal. In diesen Segmenten erkannte er zudem eine beginnende Spondylarthrose und Ligamenta-flava-Hypertrophie. Im Segment L5/S1 lag zudem ein Malalignement mit Retroposition von L5 gegenüber S1 um 5 mm sowie eine kleinvolumige breitbasige Diskushernie und eine mässige Spondylarthrose, ebenfalls mit Ligamenta-flava-Hypertrophie vor. Zudem ist die Rede von einer spondylophytär- und discoligamentär-bedingten Einengung des Neuroforamens beidseits, jedoch ohne Nervenwurzelkompressionen. Dr. H. beobachtete weiter multiple, bis 5 mm grosse Wirbelkörperhämangiome. Im Übrigen sei das Kernspintomogramm altersentsprechend normal (IV-act. 56-1).
Dr. A. erwähnte in seinem Bericht vom 8. Juli 2004 die Kernspintomographie vom November 2003. Auf ein chirurgisches Vorgehen sei verzichtet worden. Weiter verwies Dr. A. auf eine CT der LWS vom 3. November 2000, die eine kleine mediolaterale Diskushernie L4/5 und L5/S1 ohne Einengung des Spinalkanals und der
Neuroforamina gezeigt habe. In seinen Ausführungen zur Prognose zum Heilungsverlauf machte Dr. A. geltend, dass mit den radiologischen Abklärungen keine Korrelate für die Rückenbeschwerden hätten eruiert werden können. Er schätzte die Beschwerdeführerin dennoch für voll arbeitsunfähig (IV-act. 9-8 f.). Dr. C. wies am 18. November 2004 auf eine eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und auf Druckempfindlichkeit sämtlicher Dornfortsätze der LWS sowie paravertebral in den unteren drei Segmenten hin. In Bezug auf die Knie attestierte sie eine leichte Valguskniestellung beidseits sowie eine Einschränkung in der Beweglichkeit endphasig durch Schmerzen (IV-act. 15-4).
Bei seiner Untersuchung am 7. Juni 2006 konnte Dr. E. keine Hinweise auf eine regionale Haltungs-, Bewegungsoder reaktive Spannungsstörung im Rücken finden (IV-act. 33-7). Die Beschwerdeführerin habe ein auffällig inadäquates, die körperliche Untersuchund Beurteilbarkeit zeitweise verunmöglichendes Schmerzerleben und -verhalten beobachten lassen. Den Rückenbeschwerden könne kein funktionsoder strukturpathologisches Korrelat zugeordnet werden (IV-act. 33-9). An den Kniegelenken würden sich bescheidene klinisch-physikalische Befunderhebungen diagnostizieren lassen. Es bestünden beidseits Genua valga von
6-8°, die gelenknahen Weichteile seien nicht überwärmt, die Gelenke im Rahmen der Adipositas verplumpt, eine pathologische Flüssigkeitsansammlung sei nicht festzustellen (IV-act. 33-7). In seiner Beurteilung hielt Dr. E. fest, für ein die Funktionsund Lebensqualität namhaft einschränkendes Kniebzw. Arthroseleiden bestünden derzeit keine Indizien (IV-act. 33-9). Das Gutachten von Dr. E. ist knapp abgefasst. Die medizinischen Vorakten werden nur lückenhaft wiedergegeben, eine Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen findet so gut wie nicht statt. Auf die Erkenntnisse der Kernspintomographie der Wirbelsäule vom 13. November 2003 ging er nicht ein; offenbar lagen ihm weder der entsprechende Bericht noch die Bilder vor. Obwohl er die Beurteilung von Dr. A. vom 8. Juli 2004 kannte und daraus auch ersehen konnte, dass aus den Jahren 2000 und 2003 MRI-Bilder der Wirbelsäule existierten, griff er dies nicht auf und forderte weder die Bilder an noch äusserte er sich sonst zu den dort erkennbaren Befunden. Offenbar zog er noch nicht einmal die vorhandenen Röntgenbilder der Wirbelsäule bei, verwies er unter dem Titel "Bildgebende Diagnostik" doch lediglich auf drei die Knie betreffende Bilder vom Mai 2004 (IV-act. 33-8). Anamnestisch gab Dr. E. zwar die Angabe der
Beschwerdeführerin wieder, wonach die Probleme mit der Wirbelsäule immer schlimmer würden, nahm dies aber nicht zum Anlass für weitere Abklärungen, z.B. mit bildgebenden Verfahren. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie er zur Auffassung gelangen konnte, das Schmerzerleben und -verhalten der Beschwerdeführerin sei inadäquat. Zumindest in Bezug auf die Wirbelsäulenproblematik ist das Gutachten von Dr. E. klar unzureichend.
Dr. F. wies im Bericht vom 29. Januar 2007 auf lumbosacrale Schmerzen hin mit Ausstrahlungen ins linke Bein bis zur Ferse reichend, verbunden mit Dysästhesien bei unisegmentaler, jedoch recht fortgeschrittener Osteochondrose mit Foramenstenose L5 und S1 ohne Hinweis auf radikuläre Beteiligung. Er erkannte Arthralgien im Bereich der oberen Sprunggelenke sowie in beiden Füssen bei SenkSpreizfussdeformität und berichtete von periartikulären Schmerzen im Bereich beider Hüftgelenke. Aus rein rheumatologischer Sicht schätzte er die Arbeitsfähigkeit auf 50% (IV-act. 39).
Dr. med. I. , Klinik für Chirurgie und Orthopädie des Spitals Grabs, äusserte im Schreiben vom 12. Oktober 2006 seinen Eindruck, dass bei der Beschwerdeführerin die Schmerzen im Bereich der LWS überwiegen würden. Aus Röntgenbildern, die offenbar im September 2006 erstellt worden waren, konnte er mässige degenerative Veränderungen der LWS sowie eine leichte beginnende Coxarthorse an den Hüftgelenken erkennen. Dr. I. vereinbarte für die Beschwerdeführerin einen Termin für eine Computertomographie (CT) der LWS mit der Frage nach Bandscheibenvorfällen bzw. Spinalkanalstenose, Wurzelkompressionen (IV-act. 56-16). Offenbar hielt Dr. B. eine CT nicht für notwendig, worauf Dr. I. in einem an sie gerichteten Schreiben vom 27. Oktober 2006 bekräftigte, er sei absolut der Meinung, dass die Schmerzen im Bereich der LWS im Augenblick im Vordergrund stünden, und zwar so massiv, dass er noch nicht einmal richtig die Kniegelenke untersuchen könne. Zwar sei vor fünf bzw. sogar sechs Jahren eine CT der LWS durchgeführt worden. In diesem Zeitraum könnte sich jedoch die Pathologie im Bereich der LWS durchaus verschlechtert haben. Er denke nicht, dass er der Beschwerdeführerin helfe, indem er ihr zwei neue Kniegelenke implantiere und sie keine Beschwerdelinderung dadurch erfahre. Aus diesem Grund habe er nochmals eine CT im Bereich der LWS veranlasst. Diese sei leider abgesagt worden. Dr. I. bat daraufhin Dr. B. , für die
Beschwerdeführerin nochmals einen Termin für eine CT auszumachen und sie je nach Befund im Spital Grabs bei gravierendem Befund direkt in der Wirbelsäulenchirurgie im Kantonsspital anzumelden (IV-act. 56-17). Im Untersuchungsbericht vom 20. Dezember 2006 wies Dr. med. K. , Chirurgie und Orthopädie am Spital Grabs, darauf hin, anamnestisch sei die Beschwerdeführerin bereits zu einer Magnetresonanztomographie (MRT = Kernspintomographie) der LWS in St. Gallen angemeldet. Falls dies jedoch nicht der Fall sein sollte, bitte man darum, einen solchen Untersuch in die Wege zu leiten (IV-act. 56-19).
Der RAD-Arzt Dr. med. L. , Facharzt FMH für Rheumatologie, Physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Innere Medizin, liess am 27. April 2007 zwar ein Röntgenbild der LWS ap./seitlich erstellen (vgl. IV-act. 56-21), gab jedoch keine MRT CT in Auftrag. Gemäss Gutachten vom 10. Mai 2007 erkannte er eine normale Beweglichkeit der Halswirbelsäule trotz aktivem Gegenspannen. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule sei kaum überprüfbar (IV-act. 57-4). Die neuen Röntgenbilder vom
27. April 2007 hätten im Vergleich zur Voruntersuchung vom 7. Juni 2006 eine leichte Progredienz der Osteochondrose, eine leichte Spondylose L5/S1 und eine mässige Spondylarthrose L5/S1 ergeben. Auch die Bildgebung der Knie habe eine leichte Progredienz der medialen Gonarthrosen beidseits mit leicht progredienter Gelenkspaltverschmälerung und leichten osteophytären Ausziehungen sowie leichter Femoropatellararthrose ergeben (IV-act. 57-5). Trotz der festgestellten Progredienz bezeichnet Dr. L. das Ausmass der geschilderten Beschwerden und das Schonverhalten als in keiner Weise erklärbar. Zudem würden echte neurologische sowie krankheitstypische Befunde etwa in Form von Triggerpunkten im Bereich der Beckenkammmuskulatur fehlen, die angesichts der vorgetragenen Schwere des Leidens kaum fehlen dürften (IV-act. 57-6). Den Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine ordentliche Untersuchung nicht zugelassen habe, sei auf mangelhafte Kooperation, auf ein ausgeprägtes, inadäquates Schmerzverhalten und auf eine Symptomausweitung zurückzuführen (IV-act. 57-7). Diese Schlussfolgerung erscheint
in Anbetracht der übrigen medizinischen Akten als vorschnell. Dr. L. ging in seinem Gutachten auf die Kernspintomographie vom 13. November 2003 samt Befunden nicht ein. Wie bereits Dr. E. hatte er zwar Einsicht in den Bericht von Dr. A. vom 8. Juli 2004 und zitierte daraus sogar, dass im November 2003 eine MRT angefertigt worden sei; auch er zog die Bilder jedoch nicht bei. Dr. A. , der offenbar als einziger in die IV-
Beurteilung irgendwie involvierter Arzt jene Bilder gesehen hatte, war immerhin von einer umfassenden Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ausgegangen (wenn auch nicht isoliert wegen der Wirbelsäulensituation). Die MRT vom 13. November 2003 hatte immerhin zwei Diskushernien sowie Risse im Anulus fibrosus L3/4 sowie L4/5 sichtbar gemacht. Zwar können Diskushernien in seltenen Fällen von allein wieder verschwinden; dies müsste jedoch bildgebend verifiziert werden. Neben den lädierten Bandscheiben waren an zwei Stellen Retropositionen sichtbar. Bei diesen Befunden ist kaum verständlich, warum insbesondere die beiden beigezogenen Gutachter keine Kernspintomographie veranlassten. Die Einschätzungen von Dr. I. und Dr. K. , eine solche müsse dringend durchgeführt werden, sind nachvollziehbar. Röntgenbilder erscheinen für die vorliegend notwendige Beurteilung nicht als ausreichend, zumal damit weder Diskushernien noch Anulusrisse direkt sichtbar gemacht werden können. Auch über die im November 2003 multipel festgestellten Wirbelkörperhämangiome geben Röntgenbilder keine Aufschlüsse. Solche Hämangiome können jedoch lokale radikuläre Schmerzen und Rückenmarkkompressionen verursachen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl., 2004, S. 1960). Eine MRT CT drängt sich somit auf. Bevor nicht sämtliche sinnvollen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ein organisches Korrelat für die doch massiven Schmerzschilderungen der Beschwerdeführerin zu finden, geht es nicht an, der Beschwerdeführerin Symptomausweitung mangelnde Kooperation vorzuwerfen.
3.3.7 Die Sache ist gemäss den oben stehenden Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese insbesondere die Wirbelsäulensituation der Beschwerdeführerin mittels MRT CT sorgfältig abkläre. Je nach Ergebnis der bildgebenden Verfahren sind allenfalls weitere Abklärungen auch in Bezug auf die Knieproblematik, möglicherweise auch in Bezug auf die von Dr. F. erwähnten Fussbeschwerden, notwendig.
3.4 Bei diesem Ergebnis braucht auf die psychiatrische Seite nicht näher eingegangen zu werden. Die Gutachten von Dr. D. und Dr. N. erscheinen zwar grundsätzlich als sorgfältig. Sollte die Bildgebung jedoch in Bezug auf die somatische Situation neue Erkenntnisse bringen, so hätte dies auch auf die psychiatrische Beurteilung Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf die attestierte Symptomausweitung,
Schmerzverarbeitungsstörung und dergleichen. Gegebenenfalls wäre auch hier eine neue Beurteilung einzuholen.
4.
Gemäss den obenstehenden Erwägungen ist die angefochtene Verfügung in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Die Sache ist an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese im Sinn der Erwägungen weitere Abklärungen vornehme, insbesondere eine MRT CT der Wirbelsäule veranlasse, und je nach Befunden im Anschluss weitere medizinische Begutachtungen in Auftrag gebe. Daraufhin ist über den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin neu zu verfügen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.bis
Fr. 1000.festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.erscheint
als angemessen. Die Rückweisung zur Neubeurteilung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen (ZAK 1987 S. 268 Erw. 5a). Somit unterliegt die Beschwerdegegnerin vollumfänglich, sodass ihr als nicht von der Pflicht zur Übernahme amtlicher Kosten befreiter selbstständiger öffentlich-rechtlicher Anstalt die ganze Gerichtsgebühr aufzuerlegen ist.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung teilweise gutgeheissen und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen, damit diese im Sinn der Erwägungen weitere Abklärungen vornehme und anschliessend über den Rentenanspruch der Beschwerdeführerin neu verfüge.
Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.zu bezahlen.
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