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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils FO.2014.17: Kantonsgericht

Die Ehefrau beantragt in der Berufung, dass die X SA als Arbeitgeberin ihres Ehemannes angewiesen wird, monatlich Fr. 3'000.00 direkt auf ihr Konto zu überweisen. Die Frage stellt sich, ob dieser Antrag im Berufungsverfahren zulässig ist. Die Berufungsinstanz muss über die Zulassung einer Klageänderung entscheiden. Der Antrag auf Schuldneranweisung für nacheheliche Unterhaltsbeiträge stellt eine Klageänderung dar, die jedoch aufgrund fehlender neuer Tatsachen und Beweismittel nicht zugelassen werden kann. Die Voraussetzungen für eine Klageänderung sind nicht erfüllt, daher wird auf den Antrag nicht eingetreten. Der Einzelrichter des Kreisgerichts hat bereits eine Schuldneranweisung erlassen, die jedoch nach Abschluss des Scheidungsverfahrens keine Wirkung mehr haben wird.

Urteilsdetails des Kantongerichts FO.2014.17

Kanton:SG
Fallnummer:FO.2014.17
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Zivilkammern (inkl. Einzelrichter)
Kantonsgericht Entscheid FO.2014.17 vom 15.12.2015 (SG)
Datum:15.12.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 132 ZGB, Art. 317 Abs. 2 ZPO: Ein erst in der Anschlussberufung gestellter Antrag auf Schuldneranweisung für die nachehelichen Unterhaltsbeiträge ist als Klageänderung im Sinne von Art. 317 Abs. 2 ZPO zu beurteilen, welche nur unter den entsprechenden Voraussetzungen zulässig ist (Kantonsgericht, II. Zivilkammer, 15. Dezember 2015, FO. 2014.17).
Schlagwörter : Schuldner; Schuldneranweisung; Berufung; Klage; Klageänderung; Reetz/; Hilber; Antrag; Verfahren; Reetz/Hilber; Voraussetzung; Berufungsbeklagte; Voraussetzungen; Seiler; Berufungskläger; Unterhaltsbeiträge; Anschlussberufung; Zulässigkeit; Rechtsbegehren; Begehren; Ehefrau; Tatsachen; Anspruch; Zusammenhang; Sinne; Hintergr; Ausführungen
Rechtsnorm:Art. 132 ZGB ;Art. 177 ZGB ;Art. 227 ZPO ;Art. 296 ZPO ;Art. 317 ZPO ;
Referenz BGE:137 III 193;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts FO.2014.17

Aus den Erwägungen:

( )

2. a) Die Ehefrau (Berufungsbeklagte) beantragt, die X SA als Arbeitgeberin des Ehemannes (Berufungskläger) sei anzuweisen, von dessen Lohn monatlich Fr. 3'000.00 direkt auf ihr Konto auszuzahlen. ( )

Die Ehefrau erhebt den Antrag auf Schuldneranweisung für die nachehelichen Unterhaltsbeiträge (vgl. Art. 132 Abs. 1 ZGB) erst in der Anschlussberufung. Im vorinstanzlichen Verfahren beantragte sie diese nicht. Dementsprechend bildete diese Thematik auch nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Es stellt sich die Frage, ob dieser Antrag im Berufungsverfahren zuzulassen ist nicht.

  1. Eine Klageänderung bedeutet eine inhaltliche Änderung der Klage, wie etwa die Erweiterung des Rechtsbegehrens die Zugrundelegung eines anderen Lebensvorganges (Reetz/Hilber, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm, Art. 317 N 71; Seiler, Die Berufung nach ZPO, N 1374; BGer 5P.241/2004, E. 3.1). Nach Art. 317 Abs. 2 ZPO ist im Berufungsverfahren eine Klageänderung nur noch zulässig, wenn die Voraussetzungen nach Art. 227 Abs. 1 ZPO gegeben sind (lit. a) und

    sie zudem auf neuen Tatsachen und Beweismitteln beruht (lit. b). Art. 227 Abs. 1 ZPO regelt die Zulässigkeit der Klageänderung vor erster Instanz. Dort wird diese zugelassen, wenn der geänderte neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht (lit. a) die Gegenpartei zustimmt (lit. b). Die Berufungsinstanz hat von Amtes wegen über die Zulassung der Klageänderung zu entscheiden (Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 77).

    Der erst in der Anschlussberufung geltend gemachte Antrag auf Schuldneranweisung für die nachehelichen Unterhaltsbeiträge stellt offensichtlich ein neues Rechtsbegehren dar und ist mithin als Klageänderung im Sinne von Art. 317 Abs. 2 ZPO zu beurteilen. Bei der Schuldneranweisung handelt es sich um eine privilegierte Vollstreckungsmassnahme sui generis (BGE 137 III 193, E. 1.1; 130 III 489, E. 1.2). Dabei geht es mithin nicht um die Beurteilung eines materiellrechtlichen Anspruchs, sondern um vollstreckungsrechtliche Fragen. Dies ist vorliegend deshalb von Bedeutung, weil die zur Diskussion stehende Schuldneranweisung nach Art. 132 ZGB sowohl die nachehelichen Unterhaltsbeiträge für die Berufungsbeklagte als auch die Kindesunterhaltsbeiträge für A. umfasst (BK-Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 177 ZGB N 8c; BSK ZGB I-Breitschmid/Kamp, Art. 291 N 1). Im Bereich der Untersuchungsund Offizialmaxime, welche für sämtliche Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten zur Anwendung gelangen (Art. 296 Abs. 1 und 3 ZPO), ist eine Klageänderung sofern in diesem Zusammenhang überhaupt von diesem Begriff gesprochen werden kann wegen der fehlenden Bindung der Berufungsinstanz an die Parteianträge, stets zugelassen (Seiler, a.a.O., N 1410 f.; Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 80). Es stellt sich die Frage, ob dies für die Zulässigkeit des Antrages auf Schuldneranweisung im vorliegenden Verfahren zu beachten ist. Dies ist jedoch zu verneinen, weil es wie bereits ausgeführt bei der Schuldneranweisung nicht um eine materiellrechtliche, sondern um eine vollstreckungsrechtliche Problematik geht. Vor diesem Hintergrund spielen die vorgenannten Grundsätze zur Klageänderung im Bereich der Offizialmaxime vorliegend keine Rolle. Die Zulässigkeit der neu beantragten Schuldneranweisung ist somit gestützt auf die in Art. 317 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen zu prüfen.

  2. Die Berufungsbeklagte macht keine Ausführungen dazu, weshalb sie den Antrag auf Schuldneranweisung erst im Rahmen der Anschlussberufung gestellt hat und/oder inwiefern die Voraussetzungen für eine Klageänderung erfüllt sein sollen. Das Begehren um Schuldneranweisung kann vorliegend aber schon allein deshalb nicht zugelassen werden, weil keine neuen Tatsachen und/oder Beweismittel im Sinne von Art. 317

Abs. 1 ZPO geltend gemacht und ersichtlich sind, auf die sich das Begehren stützen könnte (vgl. dazu Seiler, a.a.O., N 1402 ff.; Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 86). Der Zweck der Klageänderung liegt nämlich nicht darin, Verpasstes nachzuholen, sondern die Klage an geänderte Umstände und Bedürfnisse anzupassen (BGer 5A_793/2014,

E. 3.2.6). Dies ist vorliegend offensichtlich gerade nicht geschehen. Hinzu kommt, dass die beantragte Schuldneranweisung auch den sachlichen Zusammenhang zum bisherigen Rechtsbegehren vermissen lässt. Ein solcher wird dahingehend definiert, dass das neue Begehren auf dem gleichen sachlichen rechtlichen Grund beruhen muss wie das ursprüngliche (Seiler, a.a.O., N 1392 ff.; Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 83). Als vollstreckungsrechtliche Massnahme weist die beantragte Schuldneranweisung diese Beziehung zum bisherigen Rechtsbegehren jedoch nicht auf. Vor diesem Hintergrund nützt es der Berufungsbeklagten nichts, dass sich der Berufungskläger der Schuldneranweisung in der Anschlussberufungsantwort grundsätzlich nicht widersetzt (Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 84), denn für die Zulässigkeit einer Klageänderung müssen die Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 2 ZPO kumulativ erfüllt sein (Reetz/Hilber, a.a.O., Art. 317 N 87; Seiler, a.a.O., N 1385) und eine allfällige Zustimmung des Berufungsklägers vermag das fehlende Erfordernis der neuen Tatsachen und/oder Beweismittel im Sinne von Art. 317 Abs. 1 ZPO (Reetz/ Hilber, a.a.O., Art. 317 N 86) daher nicht zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund kann im Übrigen offen bleiben, ob der Berufungskläger die erforderliche Zustimmung zur Klageänderung überhaupt gegeben hat nicht. Immerhin beziehen sich seine entsprechenden Ausführungen lediglich auf die Schuldneranweisung für einen Betrag von Fr. 1‘750.00, wohingegen die Berufungsbeklagte eine solche für Fr. 3‘000.00 beantragt. Ebenfalls auf Grund der kumulativ zu erfüllenden Erfordernisse hilft es der Ehefrau auch nicht weiter, dass es grundsätzlich als möglich erachtet wird, eine Schuldneranweisung im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens zu prüfen (Weber, Anweisung an die Schuldner, Sicherstellung der Unterhaltsforderung und Verfügungsbeschränkung, in: AJP 2002, 235, 237; BK-Hausheer/Reusser/Geiser, Art.

177 ZGB N 9a), und damit die Voraussetzung der gleichen Verfahrensart (Art. 227 Abs.

1 ZPO) wohl erfüllt sein dürfte.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine Klageänderung nicht erfüllt sind und auf den Antrag betreffend Schuldneranweisung mithin nicht einzutreten ist.

Daran ändert zu guter Letzt auch nichts, dass der Einzelrichter der 2. Abteilung des Kreisgerichtes ( ) eine Schuldneranweisung für die Dauer des Scheidungsverfahrens erliess ( ). Diese zeitigt nämlich nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens keine Wirkungen mehr und wird also mit der Rechtskraft des vorliegenden Entscheides wegfallen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es Sache der Parteien sein wird, die angewiesene Arbeitgeberin des Ehemannes, ( ), zu gegebener Zeit über den Wegfall der Schuldneranweisung zu informieren. Da im vorliegenden Verfahren in Bezug auf diese Frage kein Antrag gestellt wurde, ist diese Thematik hier jedoch nicht weiter zu behandeln.

Als Folge des Wegfalles der aktuell noch bestehenden Schuldneranweisung steht es der Berufungsbeklagten offen, zu gegebener Zeit beim zuständigen Gericht ein erneutes Begehren um Schuldneranweisung für die nachehelichen Unterhaltsbeiträge zu stellen. In jenem Verfahren wären die Voraussetzungen für eine nacheheliche Schuldneranweisung (erneut) zu prüfen.

( )

Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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