E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils EL 2018/24: Versicherungsgericht

Die EL-Durchführungsstelle passte die Ergänzungsleistung zur IV für eine Frau an, die an verschiedenen Gesundheitsproblemen leidet. Trotzdem wurde ein hypothetisches Erwerbseinkommen von 39'532 Franken berücksichtigt. Die EL-Durchführungsstelle wies Anträge auf Änderung ab, da die Frau angeblich arbeitsfähig sei. Der Ehemann der Frau legte Einspruch ein, da er die Anrechnung des Erwerbseinkommens als unrealistisch ansah. Trotzdem wurde der Einspruch abgelehnt. In einer Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde die Abweisung der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens gefordert, was ebenfalls abgelehnt wurde. Der Beschwerdeführer verlangte die Aufhebung des Entscheids und die Anrechnung eines niedrigeren hypothetischen Erwerbseinkommens. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.

Urteilsdetails des Kantongerichts EL 2018/24

Kanton:SG
Fallnummer:EL 2018/24
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2018/24 vom 18.12.2019 (SG)
Datum:18.12.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 43 Abs. 1 ATSG. Willkürliche, aber vom BGer zu verantwortende Anwendung der Kalenderjahr-Praxis für einen einzigen von über 10'000 per
Schlagwörter : Ehefrau; Verfügung; Einsprache; EL-Bezüger; Erwerbseinkommen; EL-Bezügers; Ergänzungsleistung; Franken; Recht; Erwerbseinkommens; Einspracheverfahren; EL-Durchführungsstelle; Sachverhalt; Anspruch; Einspracheentscheid; Anrechnung; Gallen; Erhöhung; Sozialamt; Arbeitsstelle; üsste
Rechtsnorm:Art. 123 ZPO ;Art. 17 ATSG ;Art. 43 ATSG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts EL 2018/24

Jan. 2018 revidierten Fälle. Zwingende Notwendigkeit einer umfassenden Sachverhaltsabklärung analog einer erstmaligen EL-Zusprache (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. Dezember 2019, EL 2018/24).

Entscheid vom 18. Dezember 2019

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin HuberStuderus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. EL 2018/24

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Hans Frei, Kriessernstrasse 40, 9450 Altstätten,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, EL-Durchführungsstelle,

    Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin, Gegenstand Ergänzungsleistung zur IV Sachverhalt

    A.

    1. A. bezog gestützt auf einen Einspracheentscheid der EL-Durchführungsstelle vom 23. Juni 2016 (act. G 3.3.29) mit Wirkung ab dem 1. August 2014 eine Ergänzungsleistung zu einer Rente der Invalidenversicherung. Die ELDurchführungsstelle hatte bei der Anspruchsberechnung (vgl. act. G 3.3.27 ff.) unter anderem ein hypothetisches Erwerbseinkommen der Ehefrau im Betrag von 39’532 Franken respektive - unter Berücksichtigung der sogenannten „Privilegierung“ des Erwerbseinkommens von 25’354 Franken als Einnahme berücksichtigt.

    2. Im August 2016 reichte die Ehefrau des EL-Bezügers Nachweise über Stellenbemühungen ein, die sie im Juli 2016 getätigt hatte (act. G 3.3.26). Gleichzeitig erfuhr die zuständige AHV/IV-Zweigstelle, dass sich die Ehefrau des EL-Bezügers zum Bezug einer Rente der Invalidenversicherung angemeldet hatte (act. G 3.3.25). Im November 2016 reichte die Ehefrau des EL-Bezügers weitere Nachweise über Stellenbemühungen ein, die die Monate Juli bis Oktober 2016 betrafen (act. G 3.3.12). Mit einer Verfügung vom 19. Dezember 2016 passte die EL-Durchführungsstelle die laufende Ergänzungsleistung an eine Erhöhung der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung per 1. Januar 2017 an (act. G 3.3.9). Die Anspruchsberechnung wies ein unverändertes hypothetisches Erwerbseinkommen der Ehefrau von 39’532 Franken aus (act. G 3.3.10). Im März 2017 reichte die Ehefrau des EL-Bezügers weitere Stellenbemühungsnachweise ein (act. G 3.3.6). Ein Mitarbeiter des Sozialamtes wies darauf hin (act. G 3.3.6-3), dass das Sozialamt die Stellenbemühungsnachweise nur mit Blick auf eine allfällige Erhöhung der

      Ergänzungsleistung verlange, denn für das Sozialamt sei klar, dass die Ehefrau des ELBezügers wegen ihrer ungenügenden Sprachkenntnisse, ihres Alters, ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung, der fehlenden Ausbildung etc. keine Arbeitsstelle finden werde. Die Nachweise über die verlangten Stellenbemühungen hätten nur dank einer massiven Mithilfe des Sohnes erstellt werden können. Das Sozialamt sei der Ansicht, dass auf die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens wenn möglich rückwirkend verzichtet werden sollte. Im August 2017 wies das Sozialamt darauf hin, dass die Ehefrau des EL-Bezügers das 60. Altersjahr vollendet habe, weshalb gestützt auf die Art. 14a und 14b ELV kein hypothetisches Erwerbseinkommen mehr angerechnet werden dürfe (act. G 3.3.5).

    3. Im Auftrag der IV-Stelle hatte die SMAB AG am 15. Mai 2017 ein polydisziplinäres Gutachten betreffend die Ehefrau des EL-Bezügers erstellt (act. G 3.5.1). Die Sachverständigen hatten festgehalten, die Ehefrau des EL-Bezügers leide an einer arteriellen Hypertonie, anamnestisch an einem rezidivierenden Reflux, an einem Status nach einer viralen Gastroenteritis, an einer reizlosen Varikosis beidseits, an einer kleinen Nabelhernie, an einem lumbo-vertebralen Schmerzsyndrom, an einer retropatellaren Chondropathie links, an einer Adipositas sowie an einem vasomotorischen Kopfschmerz und an einem Schwindel bei einer Hypertonie. Angesichts der insgesamt geringfügigen Gesundheitsbeeinträchtigungen sei es der Ehefrau des EL-Bezügers zumutbar, ihre bisherige Tätigkeit als Hausfrau jede andere leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne Einschränkungen zu verrichten. Mit einer Verfügung vom 25. Oktober 2017 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch der Ehefrau des EL-Bezügers auf berufliche Massnahmen (act. G 3.5.5). Ein Sachbearbeiter der EL-Durchführungsstelle hatte bereits am 20. Oktober 2017 notiert (act. G 3.3.4), aus objektiver Sicht sei die Ehefrau des EL-Bezügers uneingeschränkt arbeitsfähig. Sie fühle sich aber nur noch für ein bescheidenes Arbeitspensum (wenn überhaupt) arbeitsfähig. Es gehe nicht an, nicht durchsetzbare Rentenforderungen mittels Ergänzungsleistungen zu kompensieren. Aufgrund der subjektiven Krankheitsüberzeugung der Ehefrau müsse davon ausgegangen werden, dass diese ihre Schadenminderungspflicht nicht vollumfänglich erfüllen würde, wenn ihr eine Arbeitsstelle angeboten würde. Ihre Arbeitsbemühungen seien folglich als nicht ausreichend ernsthaft zu qualifizieren, weshalb weiterhin ein hypothetisches

      Erwerbseinkommen angerechnet werden müsse. Mit einer Verfügung vom 23. Oktober 2017 wies die EL-Durchführungsstelle „das Gesuch um Ausscheidung des hypothetischen Erwerbseinkommens für die Ehefrau“ ab (act. G 3.3.3).

    4. Am 4. Dezember 2017 liess der nun anwaltlich vertretene EL-Bezüger geltend machen (act. G 3.4.12), die Fiktion, dass seine Ehefrau ein Erwerbseinkommen von 39’532 Franken erzielen könne, sei völlig unrealistisch. Die Sachverständigen der SMAB AG hätten anerkannt, dass die Ehefrau des EL-Bezügers an diversen Gesundheitsbeeinträchtigungen leide. Sie hätten diese einfach nicht als so gravierend eingeschätzt, wie sie von der Ehefrau empfunden würden. Allerdings hätten sie darauf hingewiesen, dass die Ehefrau des EL-Bezügers „compliant“ sei. Diese sei im Übrigen seit ihrer Einreise in die Schweiz im Jahr 1991 nie ausserhäuslich erwerbstätig gewesen. Da sie mittlerweile über 60 Jahre alt, in ihren Bewegungen verlangsamt und

„nicht ganz gesund“ sei, kein Deutsch verstehe und nach ihrer Schulbildung abgesehen von einer halbjährigen Anlehre zur Näherin keine Ausbildung absolviert habe, habe sie keine Chance, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu finden. Sowohl das Sozialamt als auch das regionale Arbeitsvermittlungszentrum hätten bestätigt, dass die Ehefrau des EL-Bezügers keine Arbeitsstelle mehr finden könne. Sollte die EL-Durchführungsstelle weiterhin ein hypothetisches Erwerbseinkommen berücksichtigen wollen, habe sie eine anfechtbare Verfügung zu eröffnen. Mit einer Verfügung vom 18. Dezember 2017 passte die EL-Durchführungsstelle die laufende Ergänzungsleistung an eine Erhöhung der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung per 1. Januar 2018 an (act. G 3.4.11). Bereits am 15. Dezember 2017 hatte sie dem Rechtsvertreter des EL-Bezügers mitgeteilt (act. G 3.4.8), dass sie auf sein Wiedererwägungsbegehren nicht eintreten werde. Im Sinne einer Auskunft weise sie ihn aber darauf hin, dass sie am

18. Dezember 2017 eine Verfügung betreffend den EL-Anspruch ab dem 1. Januar 2018 erlassen werde, die mit einer Einsprache angefochten werden könne. Am 29. Januar 2018 liess der EL-Bezüger eine Einsprache gegen die Verfügung vom 18. Dezember 2017 erheben (act. G 3.4.7). Sein Rechtsvertreter beantragte den Verzicht auf die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau und eventualiter die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens von 12’860 Franken. Zur Begründung führte er aus, der Ehefrau des EL-Bezügers sei es nicht

zumutbar, ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Für den Fall, dass dieser Ansicht nicht gefolgt werde, sei auf den Art. 14b ELV hinzuweisen. Dieser sehe nämlich für über 50 Jahre alte Frauen ohne minderjährige Kinder nur ein hypothetisches Erwerbseinkommen von 12’860 Franken vor. Mit einem Entscheid vom 23. März 2018 wies die EL-Durchführungsstelle die Einsprache ab (act. G 3.4.3). Zur Begründung führte sie an, der Ehefrau des EL-Bezügers sei es gemäss dem Gutachten der SMAB AG zumutbar, einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Alter, die Absenz vom Arbeitsmarkt und die fehlenden Deutschkenntnisse stünden der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Angesichts des Umstandes, dass sich die Ehefrau des EL-Bezügers gegenüber den Sachverständigen der SMAB AG als nicht arbeitsfähig präsentiert habe, müsse davon ausgegangen werden, dass sie sich gar nicht ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Selbst wenn ein entsprechender Arbeitswille vorhanden gewesen wäre, müssten die getätigten Stellenbemühungen als unzureichend qualifiziert werden, weil sich die Ehefrau des EL-Bezügers um Arbeitsstellen beworben habe, die nicht ihrem Fähigkeitsprofil entsprächen. Die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens von 39’532 Franken sei rechtmässig, weshalb die Einsprache abzuweisen sei.

B.

    1. Am 7. Mai 2018 liess der EL-Bezüger (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 23. März 2018 erheben (act. G 1). Sein Rechtsvertreter beantragte die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides und den Verzicht auf die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau sowie eventualiter die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens von 12’680 Franken. Zur Begründung führte er aus, das angerechnete Erwerbseinkommen von 39’532 Franken sei völlig unrealistisch. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei im Jahr 1991 in die Schweiz eingereist. Sie habe sich um die Erziehung der Kinder gekümmert; deshalb sei sie nie einer ausserhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sie verstehe nur sehr schlecht Deutsch und sie spreche praktisch gar kein Deutsch; für einen deutschen Text fehle ihr jegliches Leseverständnis. Ihrer Herkunft und Religion entsprechend sei sie traditionell mit einem Kopftuch, einem langen Mantel und einer Jacke gekleidet. Sie besitze keinen Führerausweis. Zudem leide sie an erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen.

      Gemäss dem Art. 14b ELV dürfe einer über 50 Jahre alten Frau nur maximal ein

      Erwerbseinkommen von 12’860 Franken angerechnet werden.

    2. Die EL-Durchführungsstelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) beantragte am 23. Mai 2018 unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Einspracheentscheid die Abweisung der Beschwerde (act. G 3).

    3. Am 28. Mai 2018 wurde dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege respektive die unentgeltliche Rechtsverbeiständung bewilligt (act. G 4).

    4. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Replik (act. G 10).

Erwägungen 1.

Bei der Verfügung vom 18. Dezember 2017 hat es sich um eine Revisionsverfügung im Sinne des Art. 17 Abs. 2 ATSG gehandelt, mit der die Beschwerdegegnerin die laufende Ergänzungsleistung ausschliesslich an eine Erhöhung der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung angepasst hat. Als echtes Rechtsmittelverfahren hätte das Einspracheverfahren keinen weiteren anderen Gegenstand als jenes Verwaltungsverfahren haben dürfen, das mit der Verfügung vom 18. Dezember 2017 abgeschlossen worden war. Mit anderen Worten hätte im Einspracheverfahren nur geprüft werden dürfen, ob es rechtmässig gewesen ist, die laufende Ergänzungsleistung per 1. Januar 2018 an eine Erhöhung der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung anzupassen. Ohne sich auch nur mit einem Wort dazu zu äussern, hat die Beschwerdegegnerin dann aber einen in der Einsprache gestellten Antrag materiell beurteilt, der keinen Zusammenhang mit dem Gegenstand der angefochtenen Verfügung vom 18. Dezember 2017, also der Erhöhung der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, aufgewiesen hat. Das bedeutet, dass die Beschwerdegegnerin die Revisionsverfügung vom 18. Dezember 2017 im Einspracheverfahren entgegen ihrer eigenen ständigen Praxis in eine sogenannte „Kalenderjahrpraxis“-Verfügung umgedeutet haben muss. Die Beschwerdegegnerin hat im Einspracheverfahren also fingiert, dass sie mit ihrer Verfügung vom 18. Dezember 2017 die Ergänzungsleistung per 1. Januar 2018 umfassend neu und ohne jede Bindung an frühere formell rechtskräftige Verfügungen festgesetzt habe, dass sie also auch die Anrechnung des hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau ab dem 1. Januar 2018 neu verfügt habe. Gemäss

der ständigen Praxis des Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen ist dieses Vorgehen als gesetzwidrig zu qualifizieren, denn die Gesetzesbestimmungen zum Einspracheverfahren sehen diese Möglichkeit einer „Umdeutung“ der einspracheweise angefochtenen Verfügung gar nicht vor und es gibt auch keine Gesetzesbestimmung, die das Erlöschen der Verbindlichkeit einer EL-Verfügung mit dem Ende des Kalenderjahres vorsähe. Selbst das Bundesgericht hat schon verschiedentlich festgehalten, dass ein EL-Ansprecher nicht mehrfach dieselben Berechnungsgrundlagen beanstanden könne, ohne sich dem Vorwurf einer mutwilligen Prozessführung auszusetzen, was rechtslogisch voraussetzt, dass eine EL-Verfügung über die Dauer eines Kalenderjahres hinaus verbindlich bleibt (z.B. Urteil 8C_94/2007 vom 15. April 2008; Urteil 9C_52/2015 vom 3. Juli 2015). Auch im Schrifttum wird selbst von Autoren, die für die sogenannte „Kalenderjahr-Praxis“ plädieren, die Auffassung vertreten, dass EL-Verfügungen teilweise über einen Kalenderjahreswechsel hinaus rechtsbeständig blieben: „Wo es aber nicht zu solchen erheblichen Änderungen kommt, geht die Verwaltungspraxis zu Recht davon aus, dass eine Verfügung über eine jährliche Ergänzungsleistung gilt, bis sich die für den Anspruch massgebenden Verhältnisse rechtserheblich ändern“ (Ulrich Meyer-Blaser, Die Anpassung von Ergänzungsleistungen wegen Sachverhaltsveränderungen, in: René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Die Revision von Dauerleistungen in der Sozialversicherung, 1999, S. 34). Allerdings ist die dabei implizit vertretene Auffassung, die Verwaltung könne willkürlich darüber entscheiden, welche Elemente verbindlich blieben und welche nicht, offensichtlich unhaltbar, denn das liefe sowohl dem Legalitätsprinzip als auch dem Gleichbehandlungsgebot zuwider. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin hat die Verfügung vom 18. Dezember 2017 also gemäss der ständigen Praxis des Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen keine umfassende Prüfung sämtlicher Anspruchspositionen erlaubt beziehungsweise erfordert. Hinsichtlich des hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau hat folglich nur geprüft werden dürfen, ob diesbezüglich eine massgebende Veränderung eingetreten war, ob also zu Unrecht keine revisionsweise Anpassung dieser Einnahmenposition erfolgt sei. Das ist nicht der Fall gewesen, weshalb die Voraussetzungen für eine revisionsweise Anpassung der entsprechenden Berechnungsposition nicht erfüllt gewesen sind. Im Ergebnis erweist sich der Einspracheentscheid vom 23. März 2018 deshalb trotz seiner gesetzwidrigen Begründung als rechtmässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

2.

Im Sinne eines obiter dictum ist auf Folgendes hinzuweisen: Die „Kalenderjahrpraxis“

des Bundesgerichts kann nur so interpretiert werden, dass bei ihrer Anwendung im

Einspracheverfahren betreffend die Verfügung vom 18. Dezember 2017 keinerlei Bindung an frühere Verfügungen bestanden hätte und dass die Beschwerdegegnerin die Ergänzungsleistung im Einspracheentscheid vom 23. März 2018 folglich wie bei einer erstmaligen Zusprache einer Ergänzungsleistung vollständig neu hätte zusprechen müssen. Selbstverständlich hätte dieser vollständigen Neufestsetzung der Ergänzungsleistung ohne jede Bindung an frühere Verfügungen in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes eine umfassende Ermittlung des gesamten für den ELAnspruch ab 1. Januar 2018 massgebenden Sachverhaltes vorausgehen müssen. Das Bundesgericht hat in ähnlich gelagerten Fällen, in denen das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im kantonalen Beschwerdeentscheid explizit auf diesen Umstand hingewiesen hatte, diese Konsequenz der „Kalenderjahr-Praxis“ aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgeblendet. Der Gegenstand des Einspracheverfahrens hätte jedenfalls - nach der Auffassung des Bundesgerichts zwingend jenem eines Verwaltungsverfahrens mit dem Ziel der erstmaligen Zusprache einer Ergänzungsleistung per 1. Januar 2018 entsprechen müssen. Demnach hätte die Beschwerdegegnerin notwendigerweise umfassende Abklärungen zu jeder in Frage kommenden Ausgabenund Einnahmenposition tätigen müssen. Andernfalls hätte eine Verletzung der Untersuchungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) vorgelegen. Dabei hätte sich die Beschwerdegegnerin in keinem Punkt auf eine frühere Sachverhaltswürdigung stützen dürfen, denn ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass sie einen früher begangenen Fehler übersehen hätte. Der gesamte Sachverhalt hätte komplett neu abgeklärt werden müssen. Es könnte offensichtlich nicht der Inhalt des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens sein, jene Abklärungen nachzuholen, welche die Beschwerdegegnerin in rechtswidriger Weise unterlassen hätte, denn die originäre Sachverhaltsabklärung kann nur die Aufgabe der Beschwerdegegnerin und nicht diejenige der Beschwerdeinstanz sein. Die Sache müsste deshalb zur umfassenden Sachverhaltsabklärung per 1. Januar 2018 an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen werden. Diese müsste den Beschwerdeführer auffordern, ein detailliertes Gesuchsformular, wie es für die erstmalige Zusprache einer Ergänzungsleistung zur Anwendung gelangt, auszufüllen und die Belege einzureichen, die erforderlich wären, um sämtliche massgebende Ausgabenund Einnahmenpositionen per 1. Januar 2018 zu ermitteln. Wenn nötig müsste die Beschwerdegegnerin anschliessend weitere Abklärungen tätigen, bis der gesamte massgebende Sachverhalt per 1. Januar 2018 abschliessend ermittelt wäre. Dann müsste die Beschwerdegegnerin über den EL-Anspruch des Beschwerdeführers ab dem 1. Januar 2018 neu entscheiden, wie wenn sie dem Beschwerdeführer erstmals eine Ergänzungsleistung zusprechen würde. Da die Beschwerdegegnerin den Gegenstand des Verfahrens erst im Einspracheverfahren von einer Leistungsrevision in

eine erstmalige Leistungszusprache „verwandelt“ hat, könnte die Sache nicht zur Durchführung eines mit einer Verfügung abzuschliessenden Verwaltungsverfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen werden. Vielmehr müsste die Beschwerdegegnerin die erforderlichen Abklärungen im Rahmen des wieder aufzunehmenden, vom Beschwerdeführer am 29. Januar 2018 angestossenen Einspracheverfahrens vornehmen und dann einen neuen Einspracheentscheid erlassen. Die Sache wäre demnach zur Weiterführung des Einspracheverfahrens im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

3.

Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Der Staat hat seinem Rechtsvertreter zufolge der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung eine Entschädigung auszurichten, die angesichts des als durchschnittlich zu qualifizierenden erforderlichen Vertretungsaufwandes praxisgemäss auf 80 Prozent (Art. 31 Abs. 3 AnwG) von 3’000 Franken, das heisst auf 2’400 Franken, festzusetzen ist. Sollten es seine wirtschaftlichen Verhältnisse dereinst gestatten, wird der Beschwerdeführer zur Rückerstattung dieser Entschädigung verpflichtet werden können (Art. 99 Abs. 2 VRP i.V.m. Art. 123 ZPO).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Der Staat hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Fr. 2’400.--

(einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.