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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:EL 2018/20
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2018/20 vom 21.08.2019 (SG)
Datum:21.08.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 5 Abs. 1 ELG. Karenzfrist. Ununterbrochener Aufenthalt in der Schweiz in den zehn Jahren vor der Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. August 2019, EL 2018/20).
Schlagwörter : Schweiz; Beschwerde; Ergänzungsleistung; Unterbrochen; Ausland; Karenzfrist; Ununterbrochen; Beschwerdeführer; Hätte; Aufenthalt; EL-Ansprecher; Auslandsaufenthalt; Monate; Anspruch; Einsprache; Anmeldung; Zwingend; Ehefrau; Herkunftsland; Medizinisch; EL-Durchführungsstelle; Affinität; Behandlung; Ergänzungsleistungen; Seinem; Kommen; Aufgehalten
Rechtsnorm: Art. 13 ATSG ; Art. 190 BV ; Art. 61 AIG ; Art. 64 KVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 21. August 2019

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber- Studerus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. EL 2018/20

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, EL-Durchführungsstelle,

Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin, Gegenstand Ergänzungsleistung zur AHV Sachverhalt

A.

A.a Am 1. Juli 2015 ging der AHV/IV-Zweigstelle B. eine Anmeldung von A. zum Bezug einer Ergänzungsleistung zu einer Altersrente der AHV zu (act. G 3.1.16). Im bereits im März 2015 ausgefüllten Beiblatt 5 zum Anmeldeformular („Auslandaufenthalt“) hatte der EL-Ansprecher angegeben (act. G 3.1.16-16), dass er sich vom 5. März 2014 bis November 2014 in seinem Herkunftsland aufgehalten habe. Als Zweck hatte er einen „Besuch“ angegeben, bei dem es sich um eine „Ausnahme“ gehandelt habe, die vom Migrationsamt bewilligt worden sei. Vom 14. Juni 2015 bis

„ca.“ 15. Juli 2015 werde er sich nochmals für „Ferien/Besuch“ in seinem

Herkunftsland aufhalten. Im Anmeldeformular hatte er vermerkt, dass er bereits seit März 1986 in der Schweiz lebe (act. G 3.1.16-1). Seine Ehefrau lebe seit Januar 1995 in der Schweiz (act. G 3.1.16-2); sie habe sich in den vergangenen zehn Jahren nicht im Ausland aufgehalten (act. G 3.1.16-15). Die EL-Durchführungsstelle teilte dem EL- Ansprecher am 3. Juli 2015 mit, dass sie die Anmeldung erhalten habe und dass sie diese nun prüfen werde (act. G 3.1.15). Mit einer Verfügung vom 22. Juli 2015 trat die EL-Durchführungsstelle nicht auf die Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen ein (act. G 3.1.14). Zur Begründung führte sie an, mangels eines Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und dem Herkunftsland des

EL-Ansprechers müsse dieser eine Karenzfrist von zehn Jahren erfüllen, um einen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung haben zu können. Mit dem rund neun Monate dauernden Besuchsaufenthalt in seinem Herkunftsland im Jahr 2014 habe der EL- Ansprecher seinen massgebenden Aufenthalt in der Schweiz unterbrochen, weshalb die Karenzfrist nicht erfüllt sei. Folglich könne er keinen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung haben. Im Januar 2016 erkundigte sich der EL-Ansprecher nach

dem Stand des Verfahrens (act. G 3.1.12). Die EL-Durchführungsstelle stellte ihm in der Folge die Verfügung vom 22. Juli 2015 nochmals zu (act. G 3.1.11).

A.b Am 16. Februar 2016 erhob der EL-Ansprecher eine Einsprache gegen diese Verfügung (act. G 3.1.7). Er beantragte, auf seine Anmeldung zum Ergänzungsleistungsbezug sei einzutreten. Zur Begründung führte er aus, sein

„vorwiegend gesundheitlich bedingter“ Auslandsaufenthalt könne die Karenzfrist nicht unterbrochen haben. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen habe im November 2014 erwogen, das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung festzustellen. Im Rahmen dieses Verfahrens habe er unter anderem geltend gemacht, dass er nie seinen Wohnsitz in der Schweiz habe aufgeben wollen. Er habe die Wohnungsmiete und die Krankenkassenprämien weiterhin bezahlt. Der Zweck des Auslandsaufenthaltes habe darin bestanden, verschiedene medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen, die in seinem Herkunftsland deutlich billiger als in der Schweiz seien. Der Aufenthalt habe vor allem mit dem Gesundheitszustand seiner Ehefrau zusammengehängt. Das Migrationsamt habe in der Folge mitgeteilt, dass die Niederlassungsbewilligungen weiterhin gültig blieben. Das Kriterium des „ununterbrochenen Aufenthaltes“ im Art. 5 Abs. 1 ELG könne nicht anders als migrationsrechtlich interpretiert werden. Da das Migrationsamt von einem ununterbrochenen Aufenthalt in der Schweiz ausgegangen sei, könne auch die Karenzfrist des Art. 5 Abs. 1 ELG nicht unterbrochen sein. Der Einsprache lag eine Eingabe an das Migrationsamt vom 16. Januar 2015 bei (act. G 3.1.9), in welcher der EL-Ansprecher unter anderem geltend gemacht hatte, er habe sich vom 5. März 2014 bis „ca.“ Dezember 2014 für „Ferien“ in seinem Herkunftsland aufgehalten. Während dieser Ferien hätten er und seine Ehefrau medizinische Behandlungen in Anspruch genommen, die in der Schweiz viel teurer gewesen wären. In der Klinik C. seien verschiedene Kuren absolviert worden. Entsprechende Belege seien vorhanden. Mit einem Entscheid vom 4. April 2016 wies die EL- Durchführungsstelle die Einsprache ab (act. G 3.1.4). Zur Begründung führte sie aus, die Karenzfrist des Art. 5 Abs. 1 ELG gelte als unterbrochen, wenn sich ein EL- Ansprecher ohne einen triftigen oder zwingenden Grund länger als drei Monate im Ausland aufhalte. Hier liege weder ein triftiger noch ein zwingender Grund für den Auslandsaufenthalt im Jahr 2014 vor. Eine medizinische Behandlung, die auch in der Schweiz durchgeführt werden könnte, rechtfertige rechtsprechungsgemäss keine

Verlängerung der „Toleranzfrist“. Die migrationsrechtliche Beurteilung sei nicht

massgebend.

A.c Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess eine gegen diesen Einspracheentscheid der EL-Durchführungsstelle erhobene Beschwerde mit einem Urteil vom 3. Oktober 2017 (EL 2016/30) gut (vgl. act. G 3.2.2). Es hielt fest, die EL- Durchführungsstelle habe die Anmeldung zum Leistungsbezug ganz offensichtlich materiell geprüft. Sie sei folglich de facto auf die Anmeldung eingetreten und hätte deshalb keinen Nichteintretensentscheid mehr erlassen dürfen. Richtigerweise hätte sie das Leistungsbegehren also abweisen müssen. Im Einspracheverfahren habe sie ihren Fehler nicht korrigiert, sondern das Nichteintreten bestätigt. Da der Einspracheentscheid nicht in einen abweisenden Entscheid uminterpretiert werden könne, müsse er aufgehoben werden. Im Sinne eines obiter dictum sei festzuhalten, dass der EL-Ansprecher die zehnjährige Karenzfrist im Jahr 2014 wohl tatsächlich unterbrochen habe. Die Sache sei jedenfalls zur materiellen Entscheidung an die EL- Durchführungsstelle zurückzuweisen.

A.d Mit einer Verfügung vom 4. Dezember 2017 wies die EL-Durchführungsstelle das Leistungsbegehren mangels Erfüllung der Karenzfrist ab (act. G 3.2.1). Am 19. Januar 2018 erhob der EL-Ansprecher eine Einsprache gegen die Verfügung vom 4. Dezember 2017 (act. G 3.3.6). Er beantragte die Zusprache einer Ergänzungsleistung spätestens ab Juni 2015. Zur Begründung führte er an, er weise zweifellos eine ausreichende Affinität zur Schweiz auf. Immerhin lebe er seit dem Jahr 1986 hier in der Schweiz. Er habe hier seine Kinder grossgezogen und gearbeitet. Bei der Anmeldung zum Bezug einer Ergänzungsleistung dürften nicht die gleich strengen Kriterien wie bei einem Auslandsaufenthalt während eines laufenden EL-Bezuges zur Anwendung kommen. Der Eingabe lagen zwei Rechnungen des C. bei (act. G 3.3.8). Eine der beiden Rechnungen betraf den EL-Ansprecher. Sie datierte vom 17. Januar 2017. Der Rechnungsbetrag lautete auf 10 × 22 = 220 Euro für den Zeitraum vom 10. bis zum 20. November 2014. Die andere Rechnung betraf die Ehefrau des EL-Ansprechers. Sie datierte vom 17. Januar 2018. Der Rechnungsbetrag lautete auf 10 × 22 = 220 Euro und betraf ebenfalls den Zeitraum vom 10. bis zum 20. November 2014. Mit einem Entscheid vom 6. März 2018 wies die EL-Durchführungsstelle die Einsprache ab (act. G 3.3.3). Zur Begründung führte sie aus, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung

werde die Karenzfrist bei einem mehr als drei Monate dauernden Auslandsaufenthalt nur dann nicht unterbrochen, wenn dieser entweder auf zwingende krankheits- oder unfallbedingte Gründe oder aber auf „höhere Gewalt“ zurückzuführen sei. Der EL- Ansprecher habe keine solchen Gründe geltend gemacht. Sein Kuraufenthalt und auch jener seiner Ehefrau seien nicht zwingend erforderlich gewesen. Eine entsprechende Kur hätte auch in der Schweiz durchgeführt werden können.

B.

B.a Am 23. April 2018 liess der EL-Ansprecher (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 6. März 2018 erheben (act. G 1). Er liess die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides und die Zusprache einer Ergänzungsleistung mit Wirkung ab Juni 2015 beantragen. Zur Begründung liess er anführen, das Migrationsamt habe den Auslandsaufenthalt bewilligt. Er befinde sich seit dem Jahr 1986 in der Schweiz. Er habe hier seine Kinder grossgezogen und auch „immer“ gearbeitet. Die besondere Affinität zur Schweiz sei ausgewiesen. Aus finanziellen Gründen hätten die Badekuren und Meerbäder nicht in der Schweiz absolviert werden können. Die Diagnose hätte wohl nicht für die Bewilligung einer Badekur auf Kosten der Krankenkasse ausgereicht, zumal seine Ehefrau und er ja nicht mehr erwerbstätig gewesen seien. Die Dreimonatsfrist gemäss der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) sei nicht massgebend, da der Auslandsaufenthalt nicht während eines laufenden EL-Bezuges, sondern vor der Anmeldung zum EL-Bezug erfolgt sei.

B.b Die EL-Durchführungsstelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) beantragte am

8. Mai 2018 unter Verweis auf die Erwägungen im angefochtenen Einspracheentscheid die Abweisung der Beschwerde (act. G 3).

B.c Der Beschwerdeführer liess keine Replik einreichen (vgl. act. G 4).

Erwägungen 1.

Den Gegenstand des mit dem angefochtenen Entscheid abgeschlossenen Einspracheverfahrens und des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens hat die Frage gebildet, ob der Beschwerdeführer (erstmals) einen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung zu seinerAltersrente der AHV gehabt hat. Diese Frage hat umfassend geprüft werden müssen. Das Dispositiv des Rückweisungsurteils EL 2016/30 des Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 3. Oktober 2017 hat sich nämlich auf die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur materiellen Prüfung der am 1. Juli 2015 bei der AHV/IV-Zweigstelle eingegangenen Anmeldung zum EL-Bezug beschränkt. Jenes Urteil hat deshalb für das nun hängige Beschwerdeverfahren keine massgebende (bzw. präjudizierende) Bedeutung. Auch in diesem Beschwerdeverfahren muss folglich umfassend geprüft werden, ob der Beschwerdeführer im massgebenden Zeitraum ab Juni 2015 einen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung gehabt hat.

2.

    1. Laut dem klaren Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 ELG haben Ausländer nur dann einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie sich rechtmässig in der Schweiz aufhalten und wenn sie sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, ab dem die Ergänzungsleistung verlangt wird, während zehn Jahren ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben. Zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Herkunftsland des Beschwerdeführers besteht kein Sozialversicherungsabkommen, das eine vom Art. 5 Abs. 1 ELG abweichende Regelung zur sogenannten Karenzfrist enthielte. Der Sinn und Zweck der Karenzfrist besteht offenkundig darin, jene Personen vom Bezug einer Ergänzungsleistung auszuschliessen, die zwar die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 4 ELG erfüllen, aber keine intensive Bindung zur Schweiz aufweisen (vgl. Ralph Jöhl/Patricia Usinger, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 32). An sich müsste die Prüfung der Frage, ob eine ausreichende Affinität zur Schweiz vorliegt, anhand sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls geprüft werden. Wohl aus Beweiserleichterungsgründen hat der Gesetzgeber sich aber gegen eine solche umfassende Prüfung des Einzelfalles entschieden und stattdessen ein weitgehend formalisiertes Kriterium aufgestellt, indem er entweder die Schweizer Staatsangehörigkeit oder aber einen ununterbrochenen Aufenthalt in der Schweiz

      vorausgesetzt hat, der unmittelbar vor der Anmeldung mindestens zehn Jahre angedauert haben muss. Die hohe Hürde eines ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthaltes in der Schweiz unmittelbar vor der Anmeldung zum Leistungsbezug, die nur von Ausländern gemeistert werden muss, verletzt das Gleichbehandlungsgebot und erweist sich somit als verfassungswidrig. Gemäss dem Art. 190 BV sind aber auch verfassungswidrige Bestimmungen eines Bundesgesetzes für die Gerichte und für die rechtsanwendenden Behörden verbindlich. In der Lehre ist für eine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 ELG plädiert worden, die immerhin die schwerwiegendste Ungleichbehandlung beseitigen würde: „Wer sich bereits seit zehn Jahren oder mehr ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten und damit eine ausreichende Affinität zur Schweiz entwickelt hat, der soll sich mit einem triftigen Grund bis zu einem Jahr im Ausland aufhalten können ( ) In diesen Fällen ist der Begriff ‚unmittelbar‘ nicht wörtlich zu nehmen“ (Jöhl/Usinger, a.a.O., Rz. 33). Ausgehend vom Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 ELG (ausreichende Affinität zur Schweiz) und im Interesse einer möglichst verfassungskonformen Auslegung ist diese Auffassung zwar nachvollziehbar, aber der eindeutige Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 ELG, der die Erfüllung der Karenzfrist ohne jede Ausnahme unmittelbar vor der Anmeldung zum Leistungsbezug verlangt, schliesst eine solche Interpretation aus, denn diese hätte zur Folge, dass dieser Teil des Art. 5 Abs. 1 ELG völlig ignoriert werden müsste. Bei der Anspruchsprüfung darf es also einzig darauf ankommen, ob sich ein EL-Ansprecher, der kein Schweizer Staatsangehöriger ist, in den zehn Jahren vor dem Zeitpunkt, ab dem die Ergänzungsleistungen verlangt werden, ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten hat.

    2. Würde man den Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 ELG auch in Bezug auf das Wort ununterbrochen als absolut klar betrachten, müsste jedes Verlassen der Schweiz, auch nur für wenige Stunden oder sogar Minuten, den Lauf der Karenzfrist unterbrechen, so dass diese zehnjährige Frist wieder von Neuem zu laufen begänne. Nähme man das Wort ununterbrochen völlig ernst, wären die EL-Ansprecher also gezwungen, sich selbst in der Schweiz „einzusperren“, und zwar bereits zu einer Zeit, in der sie noch gar nicht wissen könnten, dass sie einmal in die Lage kommen würden, ihren Existenzbedarf nur noch dank Ergänzungsleistungen decken zu können. Angesichts des Zweckes der Karenzfrist, durch deren Erfüllung die Fiktion einer ausreichenden Affinität zur Schweiz entstehen zu lassen, kann das Wort ununterbrochen nicht dem wahren Willen des Gesetzgebers entsprechen, denn die Affinität zur Schweiz geht nicht

verloren, nur weil die betreffende Person einige Stunden ins Ausland geht, um dort einzukaufen, weil sie einige Tage im Ausland verbringt, um Verwandte oder Bekannte zu besuchen, oder weil sie zwei oder drei Wochen im Ausland Ferien macht. Das Wort ununterbrochen ist also teleologisch so zu interpretieren, dass der Gesetzgeber damit eigentlich ohne längeren Unterbruch gemeint hat (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar,

3. Aufl. 2015, Art. 13 N 27: „[ ] dass Art. 13 Abs. 2 ATSG unter gewöhnlichem Aufenthalt den effektiven Aufenthalt versteht, der nach dem Willen der versicherten Person während einer gewissen Zeit aufrechterhalten bleiben soll“). Anders als beim Erfordernis der Erfüllung der Karenzfrist unmittelbar vor dem möglichen Anspruchsbeginn wird das Wort ununterbrochen durch diese Abweichung von seinem engsten Begriffskern nicht zum toten Buchstaben, denn dem entsprechenden Anliegen des Gesetzgebers wird in einer dem Sinn und Zweck der Karenzfrist Rechnung tragenden Interpretation vollumfänglich nachgekommen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann diese teleologische Interpretation des Wortes ununterbrochen nicht in einer analogen Anwendung der migrationsrechtlichen Regelung bestehen, denn diese verfolgt einen anderen Zweck als der Art. 5 Abs. 1 ELG und enthält dementsprechend andere Vorgaben bezüglich der Dauer des Unterbruchs des Aufenthaltes in der Schweiz, die eine Niederlassungsbewilligung erlöschen lässt (vgl. Art. 61 Abs. 2 AIG). Das Bundesamt für Sozialversicherungen als Aufsichtsbehörde hat den EL-Durchführungsstellen eine Interpretation des Wortes ununterbrochen vorgegeben, indem es in seiner Wegleitung über die Ergänzungsleistungen (WEL) eine analoge Anwendung der Weisungen im Zusammenhang mit der Aufhebung einer laufenden Ergänzungsleistung bei einem Unterbruch des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz vorgesehen hat (Rz. 2410.02 WEL). Diese Weisungen ordnen an (Rz.

2330.01 ff. WEL), dass eine laufende Ergänzungsleistung aufzuheben sei, wenn sich ein EL-Bezüger ohne einen triftigen oder zwingenden Grund mehr als drei Monate (bzw. wenigstens 92 Tage am Stück) im Ausland aufhalte. Als triftige Gründe kämen nur berufliche Zwecke oder eine Ausbildung in Frage; als zwingende Gründe gälten nur gesundheitliche Gründe oder andere Formen höherer Gewalt, die eine Rückkehr in die Schweiz verunmöglichten. Diese Verwaltungsweisung ist zwar das Ergebnis einer sehr versichertenfreundlichen Interpretation des Wortes ununterbrochen durch das Bundesamt für Sozialversicherungen, dürfte aber durch den Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 ELG abgedeckt sein; zumindest entspricht das einer langjährigen

höchstrichterlichen Rechtsprechung. Für den hier zu beurteilenden Fall ist deshalb davon auszugehen, dass die Interpretation des Bundesamtes für Sozialversicherungen, laut der erst ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten zu einem Unterbruch der Karenzfrist führt, sofern nicht triftige oder zwingende Gründe eine frühere Rückkehr in die Schweiz verunmöglicht haben, im Einklang mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung steht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat nicht nur die Maximaldauer von drei Monaten, sondern auch die Fiktion, dass jeder Auslandsaufenthalt von weniger als drei Monaten den Aufbau einer ausreichenden Affinität zur Schweiz nicht zu hindern vermöge, als mit dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 ELG konform akzeptiert. Diese Auffassung überzeugt, da die Karenzfrist selbst ja ebenfalls eine Fiktion, nämlich das Bestehen einer ausreichenden Affinität zur Schweiz nach einem zehnjährigen Aufenthalt in der Schweiz, aufstellt. Der Beschwerdeführer hat zwar geltend gemacht, für die Karenzfrist müsse eine grosszügigere Regelung als für den Unterbruch einer laufenden Ergänzungsleistung zur Anwendung kommen, aber eine überzeugende Begründung für diese noch weiter vom Begriffskern des Wortes ununterbrochen entfernte Interpretation hat er nicht zu liefern vermocht. Bei einem Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten muss nach dieser Interpretation davon ausgegangen werden, dass in Fällen wie dem hier zu beurteilenden ein EL-Ansprecher an seinem ausländischen Aufenthaltsort eine

„gewisse Zeit“ bleiben will, dass er also dort, wenn auch nur vorübergehend seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben will. Da ein EL-Ansprecher nach dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 ELG seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht gleichzeitig in der Schweiz und im Ausland haben kann, muss der gewöhnliche Aufenthalt in der Schweiz notwendigerweise am Reisetag enden, denn am folgenden Tag hat der EL-Ansprecher, der sich mehr als drei Monate an einem bestimmten Ort im Ausland aufhalten will, seinen gewöhnlichen Aufenthalt an diesem neuen Ort.

2.3 Der Beschwerdeführer hat sich gemäss den Akten von März bis Dezember 2014 in seinem Herkunftsland aufgehalten. Dieser Auslandsaufenthalt hat also etwa neun Monate und damit deutlich länger als drei Monate gedauert. Der Beschwerdeführer hat keinen triftigen oder zwingenden Grund für diesen langen Auslandsaufenthalt anführen können. Zunächst hat er (auch gegenüber dem Migrationsamt) angegeben, es habe sich um einen Ferien- und Besuchsaufenthalt gehandelt. Später hat er zwar ergänzend geltend gemacht, er und seine Ehefrau hätten im Herkunftsland auch medizinische

Behandlungen in Anspruch genommen, die sie sich in der Schweiz nicht hätten leisten können. Aber das bedeutet nicht, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau sich zwingend ununterbrochen neun Monate lang aus rein medizinischen Gründen hätten im Herkunftsland aufhalten müssen. Immerhin hat der Beschwerdeführer ja selbst eingeräumt, dass weder er noch seine Ehefrau an einer Gesundheitsbeeinträchtigung gelitten hätten, die von der Krankenkasse als behandlungsbedürftig qualifiziert worden wäre. Es mag zwar in Einzelfällen vorkommen, dass die Krankenkasse eine Kostengutsprache verweigert, obwohl eine gewisse Behandlungsbedürftigkeit besteht, aber es ist undenkbar, dass die Krankenkasse eine Kostengutsprache verweigert, obwohl medizinisch zwingend eine ununterbrochen neun Monate dauernde Behandlung notwendig wäre. Wenn eine derart intensive medizinische Behandlung erforderlich gewesen wäre, dann hätte zumindest eine teilweise Kostengutsprache der Krankenkasse erwartet werden können. Im Anwendungsbereich des KVG spielt die Frage, ob eine versicherte Person erwerbstätig ist, übrigens keine Rolle. Wenn die Krankenkasse eine Kostengutsprache für einen Kuraufenthalt erteilt hätte, hätte das Ehepaar lediglich die Kostenbeteiligung gemäss dem Art. 64 KVG selbst tragen müssen. Die Kosten wären also auch bei einer Behandlung in der Schweiz überschaubar gewesen. Da der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur der medizinischen Behandlung, sondern auch Besuchs- und Ferienzwecken gedient habe, da er eingeräumt hat, dass weder er noch seine Ehefrau an einer Gesundheitsbeeinträchtigung gelitten hätten, die eine Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung hätte begründen können, und da die von ihm eingereichten - nicht übersetzten - Unterlagen lediglich einen zehntägigen Kuraufenthalt des Ehepaares im November 2014 belegen, steht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Dauer des Auslandsaufenthaltes nicht zwingend medizinisch begründet gewesen ist. Der Beschwerdeführer hat sich folglich im Jahr vor der Anmeldung zum Ergänzungsleistungsbezug aus freiem Willen für deutlich mehr als drei Monate ausserhalb der Schweiz aufgehalten. Die Karenzfrist ist damit unterbrochen worden und hat am Rückreisetag neu zu laufen begonnen. Da die zehnjährige Frist am Tag, ab dem der Beschwerdeführer Ergänzungsleistungen beansprucht hat, offensichtlich noch nicht erfüllt gewesen ist, hat kein Anspruch auf eine Ergänzungsleistung bestanden.

Der angefochtene Einspracheentscheid erweist sich folglich als rechtmässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

3.

Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

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