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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:EL 2018/16
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2018/16 vom 21.08.2019 (SG)
Datum:21.08.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 11 ELG. Vermögensverbrauch. Vermögensverzicht. Folgen einer objektiven Beweislosigkeit hinsichtlich der Frage, ob ein einmal vorhandener Vermögenswert verbraucht worden ist (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. August 2019, EL 2018/16).
Schlagwörter : Franken; Vermögen; Vermögens; Beschwerde; Ausgaben; Ergänzungsleistung; Beschwerdeführer; Betrag; Anspruch; EL-act; Ergänzungsleistungen; Postbüchlein; EL-Ansprecher; Dezember; Überweisung; Rechtsprechung; Altersrente; Verzicht; Anspruchs; Franken; Einsprache; Einnahme; Steuer; Müsse; Mietzins; Entsprechen; Einnahmen; Ordentliche; Anrechenbare
Rechtsnorm: Art. 115 BV ; Art. 14 VVG ;
Referenz BGE:140 V 267; 140 V 538;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 21. August 2019

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber- Studerus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. EL 2018/16

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse,

Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand Ergänzungsleistung zur AHV Sachverhalt

A.

A.a A. meldete sich am 23. Januar 2017 zum Bezug von Ergänzungsleistungen zu seiner seit dem 1. März 2011 ausgerichteten Altersrente der AHV an (EL-act. 24). Er gab an, der Mietzins seiner Wohnung belaufe sich auf 1’752 Franken pro Monat (vgl. EL-act. 28-1). Nebst der Altersrente der AHV im Betrag von 2’106 Franken pro Monat erziele er keine Einnahmen. Der Stand seines Vermögens belaufe sich auf 20’237 Franken (vgl. EL-act. 26-1). Am 1. März 2011 habe er eine Kapitalauszahlung der beruflichen Vorsorge von 487’920 Franken erhalten (vgl. EL-act. 25-1). Die EL- Durchführungsstelle forderte in der Folge beim zuständigen Steueramt die Steuerveranlagungsverfügungen für die Jahre 2010-2014 ein (EL-act. 17-1). Diesen liess sich entnehmen (EL-act. 18 ff.), dass der EL-Ansprecher im Jahr 2010 ein Erwerbseinkommen von 64’884 Franken erzielt und über ein Sparvermögen von 1’777 Franken verfügt hatte; im Jahr 2011 hatte er ein Erwerbseinkommen von 11’798 Franken erzielt, Rentenleistungen der AHV von 20’790 Franken erhalten und - per 31. Dezember 2011 - über ein Sparvermögen von 333’717 Franken sowie über ein neues Motorfahrzeug im Wert von 13’000 Franken verfügt; der Stand des Sparvermögens hatte sich per 31. Dezember 2012 auf 294’435 Franken, per 31. Dezember 2013 auf

202’015 Franken und per 31. Dezember 2014 auf 126’584 Franken belaufen.

A.b Am 12. Mai 2017 forderte die EL-Durchführungsstelle den EL-Ansprecher auf anzugeben (EL-act. 14), ob er in den vergangenen Jahren Vermögen veräussert habe, und nachzuweisen, wofür er sein Vermögen ausgegeben habe. Der EL-Ansprecher antwortete am 24. Mai 2017 (EL-act. 13). Er führte aus, er habe dem Steueramt 64’000 Franken bezahlen müssen. Für 28’000 Franken habe er sich ein neues Auto gekauft. Den Rest des Geldes habe er für seinen Lebensunterhalt und für eine neue Wohnungseinrichtung ausgegeben. Er verfüge leider nicht über entsprechende Belege beziehungsweise Quittungen. Er habe aber nichts verschenkt, sondern alles für sich

selbst verbraucht. Ein Auto und der Lebensunterhalt kosteten bekanntlich Geld, wenn man viel auf Reisen sei, aber das habe sich gelegt, da er die schöne Schweiz jetzt gesehen habe. Am 2. Juni 2017 teilte die EL-Durchführungsstelle dem EL-Ansprecher mit (EL-act. 12), dass sie bei der EL-Anspruchsberechnung angesichts des erheblichen Vermögensrückgangs in den Jahren 2011-2016 einen Vermögensverzicht berücksichtigen werde. Den Betrag des Verzichtsvermögens werde sie wie folgt berechnen: Sie werde für jedes Jahr von 2011 bis 2016 eine EL-Anspruchsberechnung durchführen, bei der sie die vom ELG anerkannten Ausgaben und die AHV-Altersrente als Einnahme berücksichtigen werde. Das jeweilige Ergebnis werde sie um eine Pauschale von 10’000 Franken pro Jahr erhöhen. Die Differenz zwischen dem Resultat dieser Berechnung und dem effektiven Vermögensverbrauch im jeweiligen Jahr werde sie als ein Verzichtsvermögen anrechnen. Der EL-Ansprecher erhalte aber nochmals die Gelegenheit, seine Ausgaben zu belegen. Am 16. Juni 2017 gingen der EL- Durchführungsstelle weitere Belege zu (EL-act. 11). Diesen liess sich entnehmen, dass der EL-Ansprecher für die Kapitalleistung der beruflichen Vorsorge eine Kapitalsteuer von 34’631 Franken (Kantons- und Gemeindesteuern) plus 10’326 Franken (direkte Bundessteuer) hatte bezahlen müssen, dass er sich im März 2011 für 18’000 Franken einen B. gekauft hatte und dass er diesen im April 2012 gegen einen C. eingetauscht hatte. Beim Eintausch war für das ältere Fahrzeug ein Wert von 9’700 Franken berücksichtigt worden. Da der Preis für das neuere Fahrzeug 19’700 Franken betragen hatte, hatte der EL-Ansprecher nochmals 10’000 Franken bezahlen müssen.

A.c Die EL-Durchführungsstelle berechnete den Betrag des Verzichtsvermögens in der Folge unter Berücksichtigung der zusätzlichen Angaben neu (EL-act. 10). Sie berücksichtigte für die Jahre 2011-2016 jeweils die Prämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, den effektiven Mietzins sowie die Pauschale für den allgemeinen Lebensbedarf als Ausgaben und die Altersrente sowie den tatsächlichen Vermögensertrag als Einnahmen. Den resultierenden Ausgabenüberschuss zog sie jeweils als „anerkannten Verbrauch“ vom Stand des Vermögens per 31. Dezember des Vorjahres ab. Als weitere Ausgaben berücksichtigte sie für das Jahr 2011 die Kapitalsteuern, wobei sie fälschlicherweise den Betrag der einfachen Steuer zu den Beträgen für die Kantons- und Gemeindesteuer und für die direkte Bundessteuer hinzurechnete, und den Preis für das im Jahr 2011 gekaufte Motorfahrzeug. Für das Jahr 2012 berücksichtigte sie den Mehrpreis für das neue Motorfahrzeug als Ausgabe.

Für jedes Jahr berücksichtige sie eine zusätzliche Ausgabenpauschale von 10’000 Franken. Die Differenz zwischen der Summe dieser Ausgaben und der tatsächlichen Reduktion des Vermögens rechnete sie als Vermögensverzicht an. Dieses belief sich auf 61’904 Franken für das Jahr 2011, auf 20’776 Franken für das Jahr 2012, auf 68’370 Franken für das Jahr 2013, auf 49’576 Franken für das Jahr 2014, auf 41’939 Franken für das Jahr 2015 und auf 6’072 Franken für das Jahr 2016. Bei der Anspruchsberechnung für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 (EL-act. 9) berücksichtigte die EL-Durchführungsstelle die kantonale Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung, den Maximalbetrag für den Mietzins sowie die Pauschale für den allgemeinen Lebensbedarf als Ausgaben, was ein Ausgabentotal von 37’362 Franken ergab. Als Einnahmen rechnete sie einen Zehntel des anrechenbaren Vermögens, die Altersrente der AHV sowie tatsächliche und hypothetische Vermögenserträge an. Das anrechenbare Vermögen berechnete sie wie folgt: Sie addierte zum per 31. Dezember 2016 effektiv vorhandenen Vermögen von 20’236

Franken und dem Restwert des Fahrzeugs von 4’800 Franken einen Vermögensverzicht von 198’636 Franken. Davon zog sie den Freibetrag von 37’500 Franken ab. Das ergab ein anrechenbares Vermögen von 186’172 Franken und einen anrechenbaren Vermögensverzehr von 18’617 Franken. Das Einnahmentotal belief sich auf 44’108 Franken. Mit einer Verfügung vom 7. Juli 2017 wies die EL-Durchführungsstelle das Begehren des EL-Ansprechers um eine Ergänzungsleistung mit der Begründung ab, die Anspruchsberechnung habe keinen anspruchsbegründenden Ausgabenüberschuss ergeben (EL-act. 8).

A.d Am 31. Juli 2017 erhob der EL-Ansprecher eine Einsprache gegen die Verfügung vom 7. Juli 2017 (EL-act. 6). Er machte geltend, er habe seine damalige Lebenspartnerin gepflegt, die an Demenz erkrankt sei; bis vor vier Jahren habe er eine schwere Zeit durchgemacht. Er sei für den gesamten Lebensunterhalt aufgekommen und habe noch ausserordentliche Ausgaben begleichen müssen. Als die Partnerin in ein Heim habe eintreten müssen, habe er umziehen und sich eine neue Wohnungseinrichtung besorgen müssen. Er habe nicht auf Vermögen verzichtet. Seine finanzielle Situation sei desolat. Er benötige dringend Ergänzungsleistungen. Mit einem Entscheid vom 13. März 2018 wies die EL-Durchführungsstelle die Einsprache ab (EL- act. 3). Zur Begründung führte sie aus, da der Verbrauch des Vermögens nicht habe belegt werden können, müsse das Vermögen gemäss der Rechtsprechung des

Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen als immer noch vorhanden qualifiziert werden. In der Verfügung scheine zwar ein falscher Betrag des Verzichtsvermögens auf (nämlich 248’636 Franken statt 248’626 Franken), aber dieser Fehler falle nicht ins Gewicht, weil auch bei einer entsprechenden Reduktion des hypothetischen Vermögensverzehrs um einen Franken noch immer ein Einnahmenüberschuss resultiere. Im Ergebnis erweise sich die angefochtene Verfügung folglich als rechtmässig.

B.

B.a Am 19. März 2018 erhob der EL-Ansprecher (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 13. März 2018 (act. G 1). Er beantragte sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides und die Zusprache einer Ergänzungsleistung. Zur Begründung führte er an, er könne die Berechnung nicht nachvollziehen. Mittels eines Postbüchleins könne er belegen, dass er kein Geld verschenkt, sondern normal gelebt habe. Der Eingabe lagen eine Rechnung eines Musikhauses vom 20. Februar 2016 für ein „Schwyzerörgeli“ im Betrag von 4’500 Franken (act. G 1.2), eine Quittung vom 8. März 2011 über den Kauf einer Digitalkamera samt Zubehör im Betrag von 713.90 Franken (act. G 1.3) und eine Rechnung vom 9. August 2011 für ein Kameraobjektiv im Betrag von 880.95 Franken (act. G 1.4) bei.

B.b Die EL-Durchführungsstelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) beantragte am

29. März 2018 die Abweisung der Beschwerde (act. G 3). Zur Begründung verwies sie auf die Erwägungen im angefochtenen Einspracheentscheid. Ergänzend machte sie geltend, auch wenn die erst bei der Beschwerdeerhebung geltend gemachten und belegten Ausgaben anerkannt würden, würde noch ein Einnahmenüberschuss resultieren. Es sei „doch etwas verwunderlich“, dass der Beschwerdeführer ein Jahr vor der Anmeldung zum EL-Bezug noch eine Investition von 4’500 Franken getätigt habe, obwohl bereits damals absehbar gewesen sei, dass die laufenden Ausgaben die monatlichen Einnahmen überstiegen.

B.c Der Beschwerdeführer reichte am 11. April 2018 drei Postbüchlein ein und er

führte aus (act. G 5), das Geld für den Kauf des „Schyzerörgeli“ stamme aus dem

Verkauf eines Autos drei Jahre davor. Es handle sich um eine einmalige Ausgabe; er habe das seinem „Enkelchen“ schon lange versprochen gehabt. Das erste Postbüchlein enthielt Quittungen für Überweisungen in der Zeit vom 1. Februar 2011 bis zum 17. Dezember 2012 (act. G 5.4). Die Zahlungen betrafen alltägliche Ausgaben, kleinere Anschaffungen und Steuerforderungen. Die Summe der quittierten Überweisungen belief sich für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 31. Dezember 2011 auf 27’820.30 Franken und für das Jahr 2012 auf 20’361.25 Franken. Das zweite Postbüchlein enthielt Quittungen für Überweisungen in der Zeit vom 24. Dezember 2012 bis zum 10. Juni 2015 (act. G 5.5). Auch die in diesem Büchlein quittierten Zahlungen betrafen alltägliche Ausgaben, kleinere Anschaffungen und

Steuerforderungen. Die Summe der Überweisungen im Jahr 2012 belief sich auf 447.10 Franken, sodass mit den beiden ersten Postbüchlein zusammen Überweisungen im Gesamtbetrag von 20’808.35 Franken belegt waren. Für das Jahr 2013 belegte das Postbüchlein Überweisungen im Gesamtbetrag von 17’783.75 Franken. Der Gesamtbetrag der Überweisungen im Jahr 2014 belief sich gemäss dem Postbüchlein auf 16’281.35 Franken. Die Summe der in diesem Postbüchlein belegten Überweisungen im Jahr 2015 belief sich auf 10’687.05 Franken. Das dritte

Postbüchlein betraf den Zeitraum vom 18. Juni 2015 bis zum 19. März 2018 (act. G 5.6). Die Überweisungen betrafen wiederum alltägliche Ausgaben, kleinere Anschaffungen und Steuerforderungen. Die Summe der im Jahr 2015 erfassten Überweisungen belief sich auf 5’325.90 Franken, sodass mit den Postbüchlein für das Jahr 2015 Überweisungen im Gesamtbetrag von 16’012.95 Franken belegt waren. Der Gesamtbetrag der Überweisungen im Jahr 2016 belief sich gemäss dem Postbüchlein auf 14’582.20 Franken.

B.d Die Beschwerdegegnerin machte am 1. Juni 2018 geltend (act. G 8), aus den Ausführungen des Beschwerdeführers ergebe sich, dass es sich beim

„Schwyzerörgeli“ um ein Geschenk und damit um einen Vermögensverzicht gehandelt habe. Die in den Postbüchlein ausgewiesenen Ausgaben fielen hauptsächlich unter die allgemeine Lebensbedarfspauschale. Als ausserordentliche Ausgaben erschienen lediglich eine Überweisung an einen Optiker im Jahr 2011 über 1’355 Franken, wobei nicht bekannt sei, in welchem Umfang sich die Krankenkasse an den entsprechenden Kosten beteiligt habe, eine Überweisung an ein Reiseunternehmen im Jahr 2011 über 1’156 Franken und eine Überweisung im Jahr 2012 über 2’303.10 Franken, deren

Zweck nicht bekannt sei. Selbst wenn diese Ausgaben vom Verzichtsvermögen abgezogen würden, würde noch ein Einnahmenüberschuss resultieren.

B.e Der Beschwerdeführer machte am 26. Juni 2018 geltend (act. G 10.1), die Optikerrechnung betreffe eine Brille, die er sich gekauft habe, als er noch erwerbstätig gewesen sei. Die Überweisung von 2’303.10 Franken sei an ein Umzugsunternehmen gegangen. Die Rechnung des Reiseunternehmens habe eine Reise betroffen, die er damals mit seiner Lebenspartnerin unternommen habe. Die späteren Reisen habe er ausschliesslich innerhalb der Schweiz unternommen. Er hätte nie gedacht, dass er sich im . Lebensjahr noch so mühen müsse, um Ergänzungsleistungen zu erhalten.

Erwägungen 1.

Gegenstand des mit dem angefochtenen Entscheid abgeschlossenen Einspracheverfahrens ist die Prüfung einer erstmaligen Anmeldung zum Ergänzungsleistungsbezug gewesen. Die Beschwerdegegnerin hat also im Einspracheverfahren (wie auch im vorangegangenen Verwaltungsverfahren) umfassend prüfen müssen, ob und allenfalls in welcher Höhe ein Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Ergänzungsleistung zur Altersrente der AHV bestanden hat. Da dieses Beschwerdeverfahren die Prüfung des angefochtenen Einspracheentscheides auf dessen Rechtmässigkeit bezweckt, muss sein Gegenstand zwingend jenem des Einspracheverfahrens entsprechen, was bedeutet, dass auch in diesem Beschwerdeverfahren umfassend zu prüfen ist, ob und allenfalls in welcher Höhe ein Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Ergänzungsleistung zur Altersrente der AHV besteht.

2.

Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 4 ELG sind erfüllt, denn der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz (vgl. Art. 4 Abs. 1 ELG) und er bezieht eine Altersrente der AHV (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a ELG). Da sich der Beschwerdeführer im Januar 2017 zum Bezug einer Ergänzungsleistung angemeldet hat und da kein Anwendungsfall des Art. 12 Abs. 2

ELG vorliegt, hätte ein Anspruch auf eine Ergänzungsleistung frühestens am 1. Januar 2017 entstehen können (Art. 12 Abs. 1 ELG). Der Gegenstand des Einspracheverfahrens als echtes Rechtsmittelverfahren darf gemäss der ständigen Rechtsprechung des St. Galler Versicherungsgerichtes nicht weiter als der Gegenstand jenes Verwaltungsverfahrens sein, das mit der im Einspracheverfahren zu überprüfenden Verfügung abgeschlossen worden ist (vgl. statt vieler den Entscheid

EL 2016/34 vom 21. November 2017, E. 1.1, mit zahlreichen Hinweisen). In diesem Beschwerdeverfahren ist folglich ausschliesslich zu prüfen, ob der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Sachverhaltsentwicklung für die Zeit bis zum Erlass der (einspracheweise angefochtenen) Verfügung vom 7. Juli 2017 einen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung zu seiner Altersrente der AHV gehabt hat. Da die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ist entscheidend, ob die Anspruchsberechnung für die Zeit bis zum 7. Juli 2017 einen Ausgabenüberschuss ergibt, denn eine allfällige Ergänzungsleistung würde dem Betrag entsprechen, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG); bei einem geringen Ausgabenüberschuss würde allerdings ein Anspruch auf die sogenannte Minimalgarantie bestehen, die der kantonalen Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung entsprechen würde (Art. 9 Abs. 5 lit. g ELG und Art. 26 ELV).

3.

Als Ausgaben sind die Pauschale für den allgemeinen Lebensbedarf (Art. 10 Abs. 1 lit. a Abs. 1 ELG) von 19’290 Franken (vgl. AS 2014 3341), der gesetzliche Maximalbetrag für den Wohnungsmietzins (Art. 10 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ELG) von 13’200 Franken (da der tatsächliche Mietzins höher ist; vgl. EL-act. 28) sowie die kantonale Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (Prämienregion

2) von 4’872 Franken (AS 2016 4176) zu berücksichtigen. Das ergibt ein Ausgabentotal

von 37’362 Franken.

4.

    1. Als Einnahmen sind die Altersrente der AHV im Betrag von 25’272 Franken, ein

      hypothetischer Vermögensverzehr von einem Zehntel des anrechenbaren Vermögens

      und Vermögenserträge anzurechnen. Für die Berechnung des hypothetischen Vermögensverzehrs von einem Zehntel des anrechenbaren Vermögens (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG) muss zuerst der Betrag des anrechenbaren Vermögens ermittelt werden. Das per 31. Dezember 2016 effektiv vorhandene Sparvermögen hat sich auf 20’236 Franken belaufen (= 18’144 + 1’892 + 200 Franken; vgl. EL-act. 26). Der buchhalterische Wert des Motorfahrzeugs des Beschwerdeführers hatte im Jahr 2015 noch 6’000 Franken betragen. Die Beschwerdegegnerin hat zu Recht eine Abschreibung von 20 Prozent berücksichtigt und einen Betrag von 4’800 Franken angerechnet.

    2. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren namhaften Vermögenswerte angegeben. Aus den Akten ergibt sich aber, dass er im Jahr 2011 eine Kapitalleistung der beruflichen Vorsorge im Betrag von 487’920 Franken erhalten hat (EL-act. 25), weshalb sich die Frage stellt, was mit der Differenz zwischen diesem Betrag und dem per 31. Dezember 2016 noch vorhandenen Vermögen von 20’236 Franken geschehen ist. Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, er habe dieses Geld - also 467’684 Franken - in der Zeit zwischen der Auszahlung der Kapitalleistung im März 2011 und dem 31. Dezember 2016 verbraucht (was einem durchschnittlichen Verbrauch von über 80’000 Franken pro Jahr in dieser Zeit entsprechen würde). Von diesem behaupteten Verbrauch hat der Beschwerdeführer aber nur einen Teil belegen können. Als ausserordentliche Ausgaben sind die Steuern für die Kapitalleistung von total 34’631 + 10’326 = 44’957 Franken (EL-act. 11-7 f.), der Kauf zweier Motorfahrzeuge für insgesamt 18’000 + 10’000 = 28’000 Franken (vgl. dazu aber die nachstehende E. 5.3), die Anschaffung einer Foto-Ausrüstung für insgesamt 714 + 881 = 1’595 Franken, der Kauf einer Brille für 1’355 Franken, Ausgaben von 1’156 Franken für eine Reise, die Kosten von 2’303 Franken für einen Mobiliartransport und der Kauf eines

„Schwyzerörgeli“ für 4’500 Franken (vgl. dazu aber die nachstehende E. 5.3) zu berücksichtigen. Der Betrag für die einfache Steuer (EL-act. 11-6) darf selbstverständlich nicht zusätzlich berücksichtigt werden, denn er hat ja nur die Basis für die Berechnung der Kantons- und Gemeindesteuer von 34’631 Franken gebildet. Damit ist ein Vermögensverbrauch von 83’866 Franken für ausserordentliche Ausgaben belegt. Natürlich hat sich der Beschwerdeführer in den Jahren 2011-2016 auch mit ordentlichen Ausgaben für die Wohnungsmiete, die obligatorische Krankenpflegeversicherung und den allgemeinen Lebensbedarf (inkl. Steuern)

konfrontiert gesehen. Diesbezüglich erweist sich die Aktenlage als lückenhaft, denn es ist nicht bekannt, wie hoch der Mietzins gewesen ist, den der Beschwerdeführer vor seinem Umzug in die aktuelle Wohnung per September 2012 für seine damalige Wohnung bezahlt hat. Das schadet allerdings nicht, da sich der Betrag des damaligen Mietzinses nur dann auf das Gesamtergebnis auswirken könnte, wenn er - als Mietzins für eine Luxuswohnung - exorbitant hoch gewesen wäre, was unwahrscheinlich ist. Selbst wenn der Mietzins exorbitant hoch gewesen wäre, würde das nichts ändern, da die Differenz zwischen einem solchen exorbitant hohen Mietzins und einem angemessenen Mietzins als ein Verzicht im Sinne des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG zu qualifizieren wäre. Die Beschwerdegegnerin hat für die Zeit von März 2011 bis und mit August 2012 den gesetzlichen Maximalbetrag angerechnet. Dieser Betrag ist überwiegend wahrscheinlich zu tief gewesen, denn der Beschwerdeführer hat bis und mit August 2012 zusammen mit seiner Lebenspartnerin und ab September 2012 alleine gewohnt. Der Mietzins vor September 2012 (für eine von zwei Personen bewohnte Wohnung) ist überwiegend wahrscheinlich mindestens so hoch wie der aktuelle Mietzins (für eine allein bewohnte Wohnung) gewesen. Für die hypothetische Verbrauchsberechnung ist folglich für den gesamten Zeitraum der aktuelle Mietzins anzurechnen. Weiter ist nicht bekannt, wie hoch die effektiven Prämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung in der Zeit zwischen März 2011 und Dezember 2016 gewesen sind. Auch das schadet nicht, da die effektive Prämie für das Jahr 2017 tiefer als die kantonale Durchschnittsprämie gewesen ist (vgl. EL-act. 29), so dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer auch in den Jahren 2011-2016 keine die jeweilige kantonale Durchschnittsprämie übersteigenden Prämien bezahlt hat. Wenn der Beschwerdeführer sich in seiner Lebensführung auf das ergänzungsleistungsrechtliche Existenzminimum beschränkt hätte, wären ihm also in den Jahren 2011-2016 ordentliche Ausgaben von 43’746 Franken (= 3’912 + 20’784 + 19’050 Franken; Jahr 2011), 43’902 Franken (=

4’068 + 20’784 + 19’050 Franken; Jahr 2012), 44’122 Franken (= 4’128 + 20’784 +

19’210 Franken; Jahr 2013), 44’266 Franken (= 4’272 + 20’784 + 19’210 Franken; Jahr

2014), 44’562 Franken (= 4’488 + 20’784 + 19’290 Franken; Jahr 2015)

beziehungsweise 44’742 Franken (= 4’668 + 20’784 + 19’290 Franken; Jahr 2016) entstanden. Das hätte ein Total der ordentlichen Ausgaben in der Zeit zwischen März 2011 und Dezember 2016 im Betrag von 258’049 Franken ergeben (von den jährlichen

Ausgaben für das Jahr 2011 dürfen nur zehn Zwölftel angerechnet werden, da die Zeit ab März 2011 massgebend ist). Der Beschwerdeführer hat den Wohnungsmietzins und die Krankenkassenprämie jeweils mittels eines Dauerauftrages bezahlt. Mit den Postbüchlein hat er für den Zeitraum von März 2011 bis Dezember 2016 Ausgaben von 113’288 Franken (= 27’820 + 20’808 + 17’784 + 16’281 + 16’013 + 14’582 Franken)

belegt, worin allerdings auch die Ausgaben für eine Brille (1’355 Franken), für eine Reise (1’156 Franken), für einen Mobiliartransport (2’303 Franken) und für den Kauf eines „Schwyzerörgeli“ (4’500 Franken) enthalten sind, die bereits oben als ausserordentliche Ausgaben berücksichtigt worden sind. Zieht man diese Beträge ab, erhält man ein mittels den Postbüchlein belegtes Ausgabentotal von 103’974 Franken. Dieses erreicht nicht einmal ganz das Total der für diesen Zeitraum massgebenden Pauschalen für den allgemeinen Lebensbedarf von 111’925 Franken (= 19’050 ÷ 12 × 10 + 19’050 + 19’210 + 19’210 + 19’290 + 19’290 Franken). Anhand der Postbüchlein ist damit kein Vermögensverbrauch belegt, der über den Lebensbedarf bei einer sich auf das ergänzungsleistungsrechtliche Existenzminimum beschränkenden Lebensführung hinausgehen würde. Da der Beschwerdeführer aber effektiv weit mehr Vermögen verbraucht hat, als er mit den Postbüchlein hat belegen können, ist für die Berechnung des als effektiv verbrauchten Vermögens nicht mit dem Total der Postbüchlein-Quittungen, sondern mit der allgemeinen Lebensbedarfspauschale zu rechnen (was sich im Ergebnis zugunsten des Beschwerdeführers auswirkt). Insgesamt ist also für ordentliche Ausgaben ein Betrag von 258’049 Franken und für ausserordentliche Ausgaben ein Betrag von 83’866 Franken zu berücksichtigen. Einen Teil dieser Ausgaben hat der Beschwerdeführer mit seiner Altersrente der AHV decken können. Er hat in der Zeit zwischen März 2011 und Dezember 2016 nämlich Rentenleistungen von insgesamt 146’610 Franken (= 20’790 + 24’948 + 25’164 + 25’164 + 25’272 + 25’272 Franken) erhalten. Hinzu kommen die effektiven Vermögenserträge in dieser Zeit, die sich gemäss den Steuerunterlagen auf 2’400 + 2’900 + 2’263 + 2’108 + 1’521 + 21 = 11’213 Franken belaufen haben. Zusammenfassend ist folglich lediglich ein Vermögensverbrauch von 258’049 + 83’866

  • 146’610 - 11’213 = 184’092 Franken nachgewiesen. Effektiv hat sich das Sparvermögen des Beschwerdeführers gemäss den Bankkontoauszügen aber um 467’684 Franken reduziert. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, was mit der Differenz von 283’592 Franken geschehen ist. Da der Beschwerdeführer wiederholt

    (angesichts der obigen Ausführungen aktenwidrig) behauptet hat, er habe keine weiteren Ausgaben getätigt, ist in Bezug auf den Verbleib dieses Teils des Vermögens von weiteren Abklärungen in antizipierender Beweiswürdigung kein wesentlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen (vgl. statt vieler den Entscheid

    EL 2012/43 des St. Galler Versicherungsgerichtes vom 17. Dezember 2013, E. 1.3) muss dieses Vermögen als effektiv noch vorhanden qualifiziert werden. Die Beschwerdegegnerin hat zwar offenbar Notiz von dieser Rechtsprechung genommen, aber sie hat aus nicht nachvollziehbaren Gründen jenen Teil des Vermögens, dessen Verbrauch nicht nachweisbar war, als - amortisierbares (vgl. Art. 17a ELV) - Verzichtsvermögen angerechnet. Das ist falsch gewesen, weil nicht mit dem e forderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Beschwerdeführer auf dieses Vermögen verzichtet hätte; es ist ja nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, dass sich dieses Vermögen nicht mehr im Besitz des Beschwerdeführers befindet, denn er könnte es beispielsweise auf ein anderes (nicht angegebenes) Bankkonto transferiert oder zuhause in bar aufbewahrt haben. Somit ist es nicht zulässig, den Betrag des fraglichen Teils des Vermögens als Verzichtsvermögen zu berücksichtigen und entsprechend jedes Jahr um 10’000 Franken zu reduzieren (vgl. Art. 17a ELV). Richtigerweise muss dieses Vermögen zum nachgewiesenermassen noch vorhandenen Vermögen addiert werden, das heisst in der Anspruchsberechnung muss ein effektiv vorhandenes Vermögen von 20’236 + 4’800 + 283’592 = 308’628 Franken berücksichtigt werden.

    5.

      1. Zu prüfen bleibt, ob im Zusammenhang mit der Anschaffung der beiden Motorfahrzeuge und dem Kauf eines „Schwyzerörgeli“ ein Verzicht auf Vermögenswerte vorliegt. Zu dieser Frage existiert eine langjährige, konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung, laut der ein Vermögensverzicht im Sinne des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG vorliegt, wenn ein EL-Ansprecher oder ein EL-Bezüger für eine Vermögenshingabe keinen ökonomisch adäquaten Gegenwert erhalten hat (vgl. etwa BGE 140 V 267 E 2.2 S. 270 mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde haben sich allerdings neue Gesichtspunkte gezeigt, die zu einer neuen, besseren Erkenntnis des Gesetzeszwecks geführt haben. Diese muss gemäss der

        entsprechenden bundesgerichtlichen Praxis zu einer Rechtsprechungsänderung führen (vgl. etwa BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit zahlreichen Hinweisen). Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Vermögensverzicht lässt sich nämlich aus den nachfolgenden Gründen nicht mehr nur aus teleologischer, sondern auch aus systematischer Sicht nicht mit dem Regelungsinhalt des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG vereinbaren.

      2. Die Ergänzungsleistungen entsprechen weitgehend der (wirtschaftlichen) Sozialhilfe: Zum Einen bezwecken sie - ausschliesslich - die Deckung des Existenzbedarfs zur Verhinderung des Eintrittes des sozialen Risikos der Armut; zum Andern werden sie nicht mit Prämien, sondern von der Allgemeinheit mittels Steuern finanziert. Auf den ersten Blick handelt es sich deshalb bei den Ergänzungsleistungen nicht um Sozialversicherungsleistungen, sondern vielmehr um eine spezifische Form von Sozialhilfeleistungen. Nun verfügt der Bundesgesetzgeber aber (mit Ausnahme der Regelung der Zuständigkeit gemäss Art. 115 BV) über keine verfassungsrechtliche Kompetenz zum Erlass eines Bundesgesetzes betreffend Sozialhilfeleistungen. Die Verfassungskonformität des ELG kann also nur bejaht werden, wenn die Ergänzungsleistungen als Sozialversicherungsleistungen zu qualifizieren sind. Selbstverständlich reicht es nicht aus, wenn der Gesetzgeber die Ergänzungsleistungen als Sozialversicherungsleistungen bezeichnet; vielmehr müssen sie die wesensmässigen Charakteristika von Sozialversicherungsleistungen aufweisen. Das System der Ergänzungsleistungen muss sich also wenigstens in einem Punkt von jenem der Sozialhilfeleistungen unterscheiden, das heisst es muss wenigstens in einem Punkt ein typisches Merkmal einer Versicherungsleistung aufweisen. Tatsächlich springt ein wesentlicher Unterschied zwischen den Sozialhilfeleistungen und den Ergänzungsleistungen ins Auge: Das System der Sozialhilfeleistungen deckt nicht nur einen (versicherungsspezifisch gesprochen) zufällig eingetretenen (Armuts-) „Schaden“, sondern auch einen selbstverschuldet herbeigeführten (Armuts-) „Schaden“ ab, was dem Wesen eines Versicherungsverhältnisses völlig widerspricht; die Ergänzungsleistungen decken dagegen nur einen zufällig respektive unverschuldet eingetretenen (Armuts-) „Schaden“ ab, was typisch für ein Versicherungsverhältnis ist (wie beispielsweise der Art. 14 VVG klar zeigt). So wird beispielsweise eine Hausratsversicherung ihre Leistung verweigern, wenn die geschädigte Person den Brand in ihrem Wohnzimmer selbst gelegt und sich damit den Schaden selbst zugefügt

        hat. Im Ergänzungsleistungsrecht ergibt sich die Abgrenzung zwischen einem unverschuldet und einem selbstverschuldet eingetretenen (Armuts-) „Schaden“ aus dem Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG, der eine sanktionsweise Herabsetzung (oder Verweigerung) einer Ergänzungsleistung bei einer Verletzung der - versicherungstypischen - Schadenverhinderungspflicht eines Leistungsbezügers vorsieht. Mit anderen Worten ist es der Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG, der die Ergänzungsleistungen wesensmässig zu Sozialversicherungsleistungen macht, denn nur die darin enthaltene Sanktionsmöglichkeit bei einer Verletzung der Schadenverhinderungspflicht unterscheidet die Ergänzungsleistungen wesensmässig von den Sozialhilfeleistungen. Diese für die Definition des Wesens der Ergänzungsleistungen grundlegende Funktion kann der Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG allerdings nur erfüllen, wenn er so angewendet wird, dass eine Verletzung einer Schadenverhinderungspflicht auch tatsächlich wirksam sanktioniert wird. Das ist nicht der Fall, wenn man sich bei der Interpretation des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG nach der oben erwähnten, langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung richtet. Das lässt sich anhand eines einfachen Beispiels zeigen (vgl. etwa ZAK 1990 S. 353, mit Hinweisen): Eine bei der AHV versicherte, aber nicht beruflich vorsorgeversicherte Person gibt kurz vor dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters ihr gesamtes Sparvermögen von 200’000 Franken für eine Weltreise aus; der Marktwert der Dienstleistungen, die sie auf dieser Weltreise in Anspruch nimmt, entspricht diesem Betrag, weil es sich um eine Luxusreise handelt. Kurze Zeit später, nach dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters, meldet sich diese Person zum Bezug einer Altersrente der AHV und einer Ergänzungsleistung an. Wendet man die bundesgerichtliche Rechtsprechung an, hat der Verbrauch des gesamten Sparvermögens keinerlei Auswirkungen auf die Höhe der Ergänzungsleistung. Der Umstand, dass die nun bestehende Armut (bei einer nicht existenzsichernden Altersrente der AHV als einziger Einnahme) von der versicherten Person selbstverschuldet herbeigeführt worden ist, erweist sich damit als irrelevant, was bedeutet, dass die Ergänzungsleistung in diesem Beispiel vollständig wie eine Sozialhilfeleistung (d.h. ohne eine Sanktion hier in der Form eines hypothetischen Vermögens) und nicht wie eine Versicherungsleistung festgesetzt wird. Bei der bundesgerichtlichen Interpretation des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG fehlt den Ergänzungsleistungen der Versicherungscharakter; es ist ein System, das sich in nichts von der wirtschaftlichen Sozialhilfe unterscheidet. Mit diesem Aspekt

        hat sich die Rechtsprechung bislang noch nicht auseinandergesetzt. Er erscheint als so zentral, dass sich eine Rechtsprechungsänderung aufdrängt.

      3. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Vermögensverzicht führt aber nicht nur in systematischer, sondern auch in teleologischer Hinsicht zu einem unhaltbaren Auslegungsergebnis. Sie erlaubt es beispielsweise einem EL-Ansprecher oder einem EL-Bezüger, sein ganzes Vermögen im Wissen darum zu verschwenden, dass er für die Zukunft auf Kosten der Allgemeinheit (die die Ergänzungsleistungen mit Steuern finanziert) wird leben können. Dazu muss er für seine Vermögensverschwendung jeweils nur einen ökonomisch adäquaten Gegenwert erhalten haben. Derjenige, der einen Familienangehörigen in Not unterstützt hat, muss sich dagegen ein Verzichtsvermögen anrechnen lassen, weil er für seine Vermögenshingabe keinen ökonomisch adäquaten Gegenwert erhalten, sondern damit lediglich eine moralisch- sittliche Pflicht erfüllt hat (vgl. das unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichtes P 25, 26/98 vom 21. Oktober 1998). Aus der Sicht des Ergänzungsleistungsrechtes darf es aber keine Rolle spielen, wofür ein EL-Ansprecher oder ein EL-Bezüger sein Vermögen verbraucht (sofern es nicht um zwingende Ausgaben geht). Die Allgemeinheit, die die Ergänzungsleistungen finanziert, interessiert sich natürlich nicht dafür, ob der EL- Ansprecher oder der EL-Bezüger für seine Luxusreise den Marktpreis oder aber zu viel bezahlt hat. Ergänzungsleistungsrechtlich massgebend ist nur, dass ein EL-Ansprecher oder ein EL-Bezüger seine Fähigkeit, seinen zukünftigen Lebensbedarf soweit möglich aus eigenen Mitteln zu bestreiten, auf eine Art und Weise gemindert hat, die ein anschliessendes Begehren um eine das entsprechende Manko kompensierende Ergänzungsleistung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt (Ralph Jöhl/Patricia Usinger, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 176 ff. und 200 ff.). Eine solche rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Ergänzungsleistungen liegt vor, wenn der EL-Ansprecher oder der EL-Bezüger sein

        „Vorsorgekapital“ vermindert hat, wobei mit „Vorsorgekapital“ jenes Vermögen gemeint ist, mit dem der EL-Ansprecher oder der EL-Bezüger - in der Form des Vermögensverzehrs und des Vermögensertrages - später seinen Existenzbedarf hätte decken können. Vermögenstransaktionen, bei denen das „Vorsorgekapital“ erhalten bleibt, fallen also offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG. Vermögenstransaktionen, die zu einer Reduktion des „Vorsorgekapitals“ führen,

        müssen dagegen im Lichte des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG überprüft werden: Hat der EL- Ansprecher oder der EL-Bezüger notwendige Auslagen finanziert oder hat er sein Vermögen verschwendet Die Reduktion des „Vorsorgekapitals“ für notwendige Auslagen lässt nämlich ein späteres Begehren um eine das entstehende Manko kompensierende Ergänzungsleistung - anders als eine Verschwendung des Vermögens

  • nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Da der Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG nur eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Ergänzungsleistungen verhindern will, muss diese Abgrenzung im Einzelfall zwingend vorgenommen werden. Diese Abgrenzung kann zwar bisweilen schwierige Rechtsanwendungsfragen aufwerfen, aber das bedeutet nicht, dass man deshalb auf ein einfacher zu handhabendes, aber dem Sinn und Zweck des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG nicht gerecht werdendes Abgrenzungskriterium wie den adäquaten ökonomischen Gegenwert ausweichen dürfte. Warum einzig die Sanktionierung der Vermögensverschwendung eine die persönliche Freiheit beeinträchtigende „Lebensführungskontrolle“ sein soll, wie das Bundesgericht annimmt, lässt sich nicht nachvollziehen. Bei genauer Betrachtung stellt nämlich jeder mögliche Anwendungsfall des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG eine - allerdings nur nachträgliche - „Lebensführungskontrolle“ dar, die Verschwendung des

Vermögens ebenso wie beispielsweise der Verbrauch des Vermögens zu sozialen Zwecken (z.B. zur Unterstützung eines einnahmenlosen erwachsenen Kindes), der Verzicht auf die Verwertung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit bzw. auf die Erzielung eines Erwerbseinkommens oder der Verzicht auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf familienrechtliche Unterhaltsbeiträge. Die EL-Ansprecher und EL-Bezüger haben selbstverständlich die völlige Freiheit, wie sie ihr Leben führen wollen. Nur können sie die Folgen eines verschwenderischen Lebenswandels nicht auf die Allgemeinheit überwälzen. Bei der Anwendung des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG geht es offensichtlich nicht darum, einer bestimmten Lebensführung nachträglich einen „moralischen Stempel“ aufzudrücken, sondern - wie in jedem anderen Sozialversicherungszweig auch - die vorwerfbare Schadensherbeiführung soweit als nötig von der Versicherungsdeckung auszunehmen.

    1. Der Bundesgesetzgeber hält die bundesgerichtliche Rechtsprechung offensichtlich ebenfalls für nicht überzeugend, denn er sieht die Schaffung einer neuen Regelung vor (Art. 11a Abs. 3 E-ELG), wonach ein Verbrauch von mehr als zehn Prozent des Vermögens pro Jahr ohne einen wichtigen Grund einen Vermögensverzicht darstelle

      (vgl. BBl 2016 7566). Hinter dieser neuen Regelung kann nur der Gedanke stehen, dass die oben erwähnten systematischen und teleologischen Aspekte zu einer Korrektur der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG zwingen. Mit dem neuen Art. 11a Abs. 3 E-ELG bringt der Bundesgesetzgeber folglich zum Ausdruck, dass er die systematische und teleologische Interpretation des Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG des Versicherungsgerichtes des Kantons St. Gallen als überzeugender erachtet als jene des Bundesgerichtes. Bei dieser Interpretation handelt es sich nicht um eine Vorwegnahme respektive Vorwirkung des neuen Rechts, sondern um die Korrektur einer falschen Praxis zum noch geltenden Recht.

    2. Bei der Schenkung eines „Schwyzerörgeli“ an einen Enkel handelt es sich auch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ganz offensichtlich um einen Vermögensverzicht. Da die Schenkung im Jahr 2016 erfolgt ist, ist für die Anspruchsberechnung ab Januar 2017 der volle Schenkungsbetrag von 4’500 Franken anzurechnen (vgl. Art. 17a Abs. 2 ELV). Nach der oben erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung dürfte im Zusammenhang mit dem Kauf der beiden Motorfahrzeuge kein Vermögensverzicht angenommen werden, weil der Beschwerdeführer beide Male einen ökonomisch adäquaten Gegenwert für sein Geld erhalten hat. Aus

„vorsorgerechtlicher“ Sicht erweist sich der Ersatz des gerade einmal ein Jahr alten Motorfahrzeugs durch ein praktisch identisches Motorfahrzeug als eine unnötige Reduktion des „Vorsorgekapitals“, weshalb der Kauf des zweiten Motorfahrzeugs im Jahr 2012 als ein Vermögensverzicht qualifiziert werden muss. Gemäss dem Art. 17a Abs. 2 ELV hätte bei der Berechnung eines EL-Anspruchs für das Jahr 2013 der volle Verzichtsbetrag berücksichtigt werden müssen; für das Jahr 2014 hätte sich der Betrag um 10’000 Franken verringert; für das Jahr 2015 hätte er sich nochmals um 10’000 Franken verringert. Da das zweite Motorfahrzeug weniger als 20’000 Franken gekostet hat, hat für die Anspruchsberechnung ab Januar 2017 augenscheinlich kein entsprechendes Verzichtsvermögen mehr berücksichtigt werden können. Der Gesamtbetrag des anrechenbaren Verzichtsvermögens beläuft sich damit auf 4’500 Franken.

6.

Bei der EL-Anspruchsberechnung sind die Altersrente der AHV im Betrag von 25’272 Franken, ein hypothetischer Vermögensverzehr von einem Zehntel des anrechenbaren Vermögens und Vermögenserträge anzurechnen. Der Gesamtbetrag des anrechenbaren Vermögens beläuft sich auf 308’628 + 4’500 - 37’500 = 275’628 Franken. Der hypothetische Vermögensverzehr beträgt folglich 27’562 Franken. Zusammen mit der Altersrente der AHV ergibt sich bereits ein das Ausgabentotal von 37’362 Franken deutlich übersteigendes Einnahmentotal von 52’834 Franken, weshalb der Betrag der Vermögenserträge nicht berechnet werden muss. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum ab dem 1. Januar 2017 keinen Anspruch auf eine Ergänzungsleistung gehabt, weshalb sich der angefochtene Einspracheentscheid im Ergebnis als rechtmässig erweist. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.

7.

    1. Rein betragsmässig muss der angefochtene Einspracheentscheid zu Ungunsten des Beschwerdeführers abgeändert werden. Darin könnte eine sogenannte reformatio in peius erblickt werden, die dem Beschwerdeführer vom Versicherungsgericht hätte angedroht werden müssen. Wäre nämlich die aktuelle Anspruchsberechnung auch im Rahmen einer künftigen Neuanmeldung zum Leistungsbezug massgebend, könnte der Beschwerdeführer ausgehend von der Berechnung der Beschwerdegegnerin wohl schon relativ bald unter Umständen einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben; ausgehend von der Berechnung des Versicherungsgerichtes dürfte es dagegen eher länger dauern, bis die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Allerdings kann eine Verfügung, ein Einspracheentscheid oder ein Gerichtsurteil, deren beziehungsweise dessen Dispositiv sich auf eine blosse Abweisung eines Leistungsbegehrens beschränkt, nach der ständigen Praxis des Versicherungsgerichtes keine Dauerwirkung für die Zukunft entfalten (vgl. statt vieler etwa den Entscheid IV 2010/428 vom 5. November 2012, E. 1.2). Das bedeutet, dass ein allfälliges künftiges Leistungsbegehren von der Beschwerdegegnerin ohne jede Bindung an dieses Urteil zu prüfen sein wird, weshalb in der Korrektur der Anspruchsberechnung zu Ungunsten des Beschwerdeführers keine reformatio in peius erblickt werden kann.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

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