Zusammenfassung des Urteils EL 2009/30: Versicherungsgericht
Die Beschwerdeführerin hatte Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur IV, die aufgrund einer Überprüfung jedoch ab Dezember 2007 abgelehnt wurden. Es kam zu Einsprachen und einer Neuberechnung, bei der die Kinderrente für den Sohn berücksichtigt wurde. Nach weiteren Änderungen im Sachverhalt wurde die EL ab November 2007 eingestellt, da ein Einkommensüberschuss vorlag. Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde gegen diese Entscheidung, die jedoch abgewiesen wurde. Der Richter entschied, dass die Beschwerdegegnerin im Recht war und die Beschwerdeführerin keine Ansprüche mehr auf EL hatte. Der Betrag der Gerichtskosten beträgt CHF 2'000.-.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | EL 2009/30 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | EL - Ergänzungsleistungen |
Datum: | 09.12.2009 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 17, 25 ATSG; Art. 4, 9, 10; 11 ELG; Art. 7, 27 ELV. Die Kinder einer geschiedenen Ehefrau mit Zusatzrente werden in die Berechnung einbezogen, solange ihr Einkommen ihre Ausgaben nicht übersteigt. Die Entschädigungen aus der EO sind als Erwerbsersatzeinkommen anzurechnen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen, EL 2009/30). |
Schlagwörter : | Verfügung; Anspruch; Einsprache; EL-act; Kinder; Berechnung; EL-Anspruch; Kinderrente; Rückforderung; Recht; Entschädigung; Verrechnung; Einnahmen; EO-Entschädigung; Einspracheentscheid; Revision; Erwerb; Ergänzungsleistung; Höhe; EL-Durchführungsstelle; Kanton; Ausgabe; Erwerbs; Leistung; Zusatzrente; Ergänzungsleistungen; Sohnes; Ausgaben |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 288 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 9. Dezember 2009
in Sachen B. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Roland Hochreutener, St. Leonhard-Strasse 20, Postfach, 9001 St. Gallen,
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.
Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Ergänzungsleistung zur IV (Anpassung); Rückerstattung und Verrechnung Sachverhalt:
A.
B. (geb. 1960) ist seit 25. Januar 1990 von ihrem damaligen Ehemann geschieden. Dieser ist IV-Rentner. Der Versicherten wurde eine Zusatzrente für Ehegatten sowie die Kinderrenten für die gemeinsame Tochter (geb. 1985) und den gemeinsamen Sohn (geb. 1986) ausbezahlt. Seit längerem bezog die Versicherte auch Ergänzungsleistungen (EL) zur IV-Zusatzrente für Ehegatten (EL-act. 77). Im Jahr 2007 erhielt die Versicherte gestützt auf die Verfügung vom 29. Dezember 2006 monatlich EL in der Höhe von Fr. 1'095.--, davon Fr. 715.-ordentliche und Fr. 380.-ausserordentliche EL (EL-act. 35). Im Juni 2007 absolvierte der Sohn erfolgreich die Matura und rückte ab Oktober 2007 in den obligatorischen Militärdienst zur Rekrutenschule ein (EL-act. 27 und 32).
Im Oktober 2007 führte die EL-Durchführungsstelle des Kantons St. Gallen eine periodische Überprüfung der Ergänzungsleistungen durch. Dabei gab die Versicherte an, sie habe neben ihrem Erwerbseinkommen von Fr. Fr. 69'785.-eine IV-Rente von Fr. 5'220.-sowie zweimal Fr. 6'600.-als Kinderrente pro Jahr zur Verfügung. Dazu notierte sich der Sachbearbeiter auf dem Fragebogen, dass die Kinderrente des Sohnes auf den 7. Juli 2007 wegen Ausbildungsende weggefallen sei (EL-act. 28). Mit Verfügung vom 5. Dezember 2007 wies die EL-Durchführungsstelle den EL-Anspruch ab 1. Dezember 2007 ab. Sie gab an, die Neuberechnung ohne Kinderrente für den Sohn habe zu einem Einnahmenüberschuss geführt. Die rückwirkende Berechnung werde die Versicherte zu einem späteren Zeitpunkt erhalten (EL-act. 26). Gegen diese Verfügung erhob die Versicherte am 27. Dezember 2007 Einsprache (EL-act. 24). Am
14. Januar 2008 verfügte die EL-Durchführungsstelle die in Aussicht gestellte Rückforderung für August bis November 2007 in der Höhe von insgesamt Fr. 3'501.05. Sie führte aus, aus den ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen gehe hervor, dass der Sohn der Versicherten seit 1. August 2007 keine Kinderrente mehr erhalte. Die EL werde daher rückwirkend ab diesem Datum neu berechnet. Daraus folge, dass ihre Einnahmen die Ausgaben überstiegen hätten, weshalb die zuviel ausbezahlte EL
zurückzufordern seien (EL-act. 23). Auch gegen diese Verfügung erhob die Versicherte durch ihren Rechtsvertreter am 25. Januar 2008 Einsprache. Sie führte aus, die Kinderrente werde rückwirkend ausgerichtet werden, wenn sie nachweisen könne, dass der Sohn im September 2008 mit dem Studium beginne. Sie bitte deshalb um Sistierung des Verfahrens (EL-act. 21 und 17). Am 21. April 2008 sistierte die ELDurchführungsstelle das Einspracheverfahren bis Ende 2008 (EL-act. 15).
Am 10. November 2008 reichte die Versicherte die Immatrikulationsbestätigung des Sohnes ein (EL-act. 14). Daraufhin wurde die Kinderrente rückwirkend ab August 2007 wieder ausbezahlt (vgl. EL-act. 8 und 9).
Die EL-Durchführungsstelle teilte am 23. Januar 2009 dem Sozialversicherungsamt des Kantons A. mit, dass die Versicherte ab November 2007 keinen Anspruch auf EL mehr habe. Zudem sei die IV-Zusatzrente auf den
31. Dezember 2007 eingestellt worden. Die beiden Kinder würden jedoch keinen eigenen EL-Anspruch begründen. Ab. 1. Januar 2008 müsse der EL-Anspruch der Kinder deshalb über den Hauptrentner, der im Kanton A. wohne, berechnet und ausbezahlt werde. Sie erlaube sich also, den Fall rückwirkend ab 1. Januar 2008 an das zuständige Amt im Kanton A. abzutreten. Gleichzeitig werde um Verrechnung des noch offenen Restbetrags ihrer EL-Rückforderung vom 14. Januar 2008 in der Höhe von Fr. 324.80 gebeten (EL-act. 9).
Mit Verfügung vom 29. Januar 2009 sprach die EL-Durchführungsstelle der Versicherten für den Zeitraum von 1. August bis 31. Oktober 2007 eine EL in der Höhe von Fr. 1'132.-pro Monat zu. Sie führte aus, die EL sei auf Grund der Einsprache neu berechnet worden. Fr. 219.75 würden mit der zuviel ausbezahlten Individuellen Prämienverbilligung August bis Oktober 2007 und Fr. 3'176.25 mit der ELRückforderung vom 14. Januar 2008 verrechnet (EL-act. 5). Gleichentags verfügte die EL-Durchführungsstelle die Abweisung des EL-Anspruchs der Versicherten mit Wirkung ab 1. Dezember bis 31. Dezember 2007. Sie fügte als Begründung an, diese Verfügung ersetze ihre EL-Abweisungsverfügung vom 5. Dezember 2007 (EL-act. 5).
Die am 20. April 2009 dagegen erhobene Einsprache (EL-act. 2 und 4) wies die EL-Durchführungsstelle mit Entscheid vom 6. Juli 2009 ab. Sie führte dazu aus, die
Verfügungen vom 29. Januar 2009 ersetzten die Verfügung vom 5. Dezember 2007 sowie die Rückforderungsverfügung vom 14. Januar 2008, weshalb die Einsprachen gegen die beiden letztgenannten Verfügungen infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben seien. Sodann werde festgestellt, dass die Versicherte ab November 2007 keinen EL-Anspruch mehr habe. Schliesslich werden die Einsprachen gegen die beiden Verfügungen vom 29. Januar 2009 abgewiesen. Betreffend die Verfügung vom
29. Januar 2009 für den Zeitraum August bis Ende Oktober 2007 treffe zwar zu, dass eine Rückforderung auf Grund der wieder ausgerichteten Kinderrente nicht mehr gerechtfertigt sei. Allerdings ergebe sich ein neuer Grund für eine Rückforderung, weil der Sohn der Versicherten wegen seines Militärdienstes ab November 2007 EOEntschädigung erhalten habe. Auch bei der Vergleichsberechnung ohne Kind resultiere ein Einnahmenüberschuss von Fr. 207.--. Demnach seien der Versicherten für November 2007 zu Unrecht EL in der Höhe von Fr. 1'095.-ausgerichtet worden. Sie habe ab November 2007 keinen EL-Anspruch mehr. Weil fälschlicherweise der Mietzins der Tochter statt der Höchstbetrag des Mietzinses von Fr. 20'000.-als Ausgabe eingesetzt worden sei, ergebe sich eine kleine Korrektur für den EL-Anspruch von August bis Oktober 2007. Dieser betrage neu Fr. 1'132.--, also Fr. 37.-mehr pro Monat. Der nachzuzahlende Betrag betrage somit Fr. 111.--. Dem stehe ein Rückforderungsbetrag von Fr. 1'095.-gegenüber. Eine EL-Rückforderung könne mit fälligen EL verrechnet werden, weshalb es nicht notwendig sei, dass sich die Verrechnung auf eine rechtskräftige Verfügung stütze. Schliesslich liege kein Anwendungsfall der Regelung gemäss Schreiben des BSV vom 16. November 2007 vor, weil die Versicherte ab November 2007 keinen Anspruch auf EL mehr habe. Der allfällige Anspruch der Kinder auf EL sei deshalb ab Januar 2008 über den Vater zu berechnen, weshalb die Fallabtretung rechtmässig sei (EL-act. 82).
B.
Gegen diesen Entscheid lässt die Versicherte am 4. September 2009 Beschwerde erheben. Sie beantragt die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 6. Juli 2009 und die Rückweisung zur Neuberechnung der EL-Ansprüche an die Beschwerdegegnerin. Sodann sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin für die Beurteilung der Streitsache weiterhin örtlich zuständig sei. Schliesslich sei die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren und ihr als Vertreter der unterzeichnende
Rechtsanwalt zu bestellen. Die Beschwerdeführerin gibt an, weil sie gegen die Verfügung vom 14. Januar 2008 fristgerecht Einsprache erhoben habe, sei die Verrechnung allein schon aus formellen Gründen (mangels Rechtskraft der genannten Verfügung) nicht statthaft. Darüber hinaus fehle es auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an einer Grundlage für die geltend gemachte Verrechnung, nachdem mit der rückwirkenden Zusprache der IV-Kinderrente der Grund für diese Verrechnung weggefallen sei. Der errechnete EL-Anspruch für die Zeit vom 1. August bis
31. Oktober 2007 sei daher auszubezahlen. Nach wie vor seien auch die Voraussetzungen für eine gemeinsame Berechnung im Sinn von Art. 7 Abs. 1 ELV gegeben, weil keine der im Schreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 16. November 2007 genannten Fälle für eine getrennte Berechnung zutreffe. Sodann wohne der Sohn als Wochenaufenthalter während den Wochenenden und der Semesterferien nach wie vor bei der Beschwerdeführerin. Gemäss dem BSV seien deshalb im Sinn von mildernden Massnahmen weiterhin EL auszurichten, wenn mindestens ein Kind, für welches eine Kinderrente beansprucht werde, im gemeinsamen Haushalt mit dem geschiedenen Ehegatten lebe. Bestritten werde weiter, dass die EO-Entschädigung des Sohnes für die Berechnung des EL-Anspruchs berücksichtigt werden dürfe. Bei der Berechnung des EL-Anspruchs dürften nicht verschiedene Bemessungsperioden nach Belieben herangezogen und vermischt werden. Sodann sei das zusätzlich anrechenbare Einkommen von Fr. 19'710.-- nicht sachgerecht, da mit einer solchen Berechnung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit falsch beziehungsweise deutlich zu hoch eingestuft werde. Die Angelegenheit sei deshalb zur Neuberechnung zurückzuweisen. Schliesslich habe die Beschwerdegegnerin die Weisungen des BSV missachtet, indem sie den vorliegenden Fall zur Berechnung und Ausrichtung der EL an den Kanton A. abgetreten habe, und dies erst noch rückwirkend (G act. 1).
Die Beschwerdegegnerin beantragt unter Verweis auf die Erwägungen im Einspracheentscheid am 11. September 2009 die Abweisung der Beschwerde (G act. 3).
Die Beschwerdeführerin verzichtet auf eine Replik (G act. 4).
Erwägungen:
1.
Mit Verfügung vom 29. Dezember 2006 hat die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin einen EL-Anspruch von Fr. 1'095.-pro Monat für das Jahr 2007 zugesprochen. Diese Verfügung ist rechtskräftig geworden. Im Oktober 2007 hat eine ordentliche Revision stattgefunden. In Rahmen dieses Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin erfahren, dass der Sohn die Mittelschule beendet hatte, weshalb ihm wegen Ausbildungsende die Kinderrente per Ende Juli 2007 eingestellt worden ist. Dies stellt eine nachträgliche Änderung des Sachverhaltes dar, die gemäss Art. 17 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) zu einer Anpassung der Verfügung vom 29. Dezember 2006 ab 1. August 2007 (Revisionstermin) führen muss. Die EL ist ab August 2007 nun ohne Sohn zu berechnen, weil dieser nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301) bei der Berechnung ausser Betracht fällt, diese also nur noch für die Beschwerdeführerin und deren Tochter gemacht wird. Die neue Berechnung hat zu einem Einnahmeüberschuss geführt, weshalb der EL-Anspruch der Beschwerdeführerin dahingefallen ist. Die Beschwerdegegnerin hat nun mit Verfügung vom 5. Dezember 2007 (EL-act. 26) nicht wie erwartet die EL auf den 31. Juli 2007 eingestellt, sondern auf den 30. November 2007, obwohl zu diesem Zeitpunkt keine revisionsrelevante Sachverhaltsveränderung eingetreten ist. Die Einstellung auf den
30. November 2007 stellt eine "vorsorgliche Massnahme" während des laufenden Revisionsverfahrens dar, damit der Schaden an unrechtmässig bezahlter EL bis zum Abschluss des Verfahrens nicht noch grösser werde. Mit Verfügung vom 14. Januar 2008 hat die Beschwerdegegnerin das Ausmass des Schadens berechnet und EL für August bis November 2007 in der Höhe von Fr. 3'501.05 zurückgefordert (EL-act. 23). In dieser Verfügung ist die "definitive" Revision der Verfügung vom 29. Dezember 2006 enthalten (Einstellung der EL ab August 2007). Die Verfügung vom 14. Januar 2008 beseitigt damit auch die Verfügung vom 5. Dezember 2007, weil der Zweck der "vorsorglichen Massnahme" erfüllt worden ist. Die Beschwerdegegnerin ist allerdings davon ausgegangen, dass die Verfügung vom 5. Dezember 2007 erst mit der Verfügung vom 29. Januar 2009 ersetzt worden ist (bezüglich EL-Anspruch ab Dezember 2007). Ungeachtet der unterschiedlichen Interpretation steht fest, dass die Einsprache gegen die Verfügung vom 5. Dezember 2007 gegenstandslos geworden ist.
Die Beschwerdegegnerin hat denn auch zu Recht die Einsprache gegen die Verfügung
vom 5. Dezember 2007 in ihrem Einspracheentscheid vom 6. Juli 2009 abgeschrieben.
Gegen die Verfügung vom 14. Januar 2008 hat die Beschwerdeführerin ebenfalls Einsprache erhoben. Das Verfahren wurde sistiert. Im November 2008 hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sich der Sachverhalt erneut geändert habe, weil die Kinderrente rückwirkend ab August 2007 wieder ausbezahlt werde. Der Sohn habe nämlich seine Ausbildung auf Universitätsstufe fortgesetzt. Die EL wurde deshalb ab dem Revisionszeitpunkt vom 1. August 2007 noch einmal neu berechnet. Gestützt darauf wurden der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29. Januar 2009 für August bis Oktober 2007 wiederum monatliche EL in Höhe von Fr. 1'132.-zugesprochen. Dies stellt einen Widerruf (während des hängigen Einspracheverfahrens) der noch nicht rechtskräftigen Verfügung vom 14. Januar 2008 und ein Ersatz dieser Verfügung dar. Die Beschwerdegegnerin hat somit zu Recht auch die Einsprache gegen die Verfügung vom 14. Januar 2008 im Einspracheentscheid vom 6. Juli 2009 abgeschrieben. Anfechtungsgegenstand ist also allein die Verfügung vom 29. Januar 2009 betreffend die Revision der EL ab 1. August 2007 beziehungsweise der sie ersetzende Einspracheentscheid vom 6. Juli 2009.
Nicht einzutreten ist auf das Feststellungsbegehren betreffend örtlicher
Zuständigkeit, weil diesbezüglich keine anfechtbare Verfügung ergangen ist.
2.
Auf den 1. Januar 2008 ist das neue Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) in Kraft getreten. Das neue ELG ersetzt dasjenige Gesetz vom 19. März 1965 in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung. In Bezug auf die vorliegend umstrittenen Fragen des Anspruchs auf EL, der Berechnung und allfälligen Verrechnung von Nachzahlungsmit Rückforderungsansprüchen hat sich die Rechtslage materiell jedoch nicht geändert.
3.
Anspruch auf EL haben getrennte Ehegatten und geschiedene Personen mit
Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, wenn sie eine Zusatzrente der
AHV der IV beziehen (Art. 4 Abs. 2 ELG; Art. 1 ELV). Leben die Kinder, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV IV begründen, mit einem Elternteil zusammen, der rentenberechtigt ist für den Anspruch auf eine Zusatzrente der AHV besteht, so wird die EL zusammen mit diesem Elternteil festgelegt (Art. 7 Abs. 1 lit. b ELV). Die jährliche EL entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG; Art. 3a Abs. 1 aELG). Die anerkannten Ausgaben und die anrechenbaren Einnahmen, worin in bestimmtem Umfang auch das Vermögen einbezogen ist, werden nach den in Art. 10 und 11 ELG (Art. 3b und 3c aELG) sowie Art. 11 bis 18 ELV festgelegten Bestimmungen ermittelt. Als Einnahmen anzurechnen sind nach Art. 11 Abs. 1 ELG (Art. 3c Abs. 1 aELG) insbesondere Einkünfte aus dem Erwerb (lit. a). Nach Art. 9 Abs. 4 ELG (aArt. 3a Abs. 6 ELG) fallen Kinder, deren anrechenbare Einnahmen die anerkannten Ausgaben übersteigen, für die Berechnung der jährlichen EL ausser Betracht.
Vorliegend hat die Beschwerdeführerin für den Zeitraum August bis Oktober 2007 einen eigenen EL-Anspruch geltend machen können, weil sie noch eine Zusatzrente zur IV-Rente ihres geschiedenen Ehegatten bezogen hat. Ihre beiden Kinder haben noch bei ihr gewohnt und Kinderrente bezogen. Diejenige des Sohnes wurde rückwirkend ab August 2007 wieder ausgerichtet. Die Kinder sind deshalb in die Berechnung der jährlichen EL einzubeziehen. Die Tochter wohnt unter der Woche für ihr Studium in
C. . Ihre Mietkosten sind zu berücksichtigen. Insgesamt sind Mietkosten von Fr. 20'000.-- (Höchstbetrag) anzurechnen. Die Berechnung führt somit zu einem ELAnspruch von Fr. 1'132.-pro Monat, wie die Beschwerdegegnerin korrekt ermittelt hat (vgl. EL-act. 10). Weil der Beschwerdeführerin gestützt auf die Verfügung vom
29. Dezember 2006 lediglich Fr. 1'095.-an monatlichen EL ausgerichtet worden sind (EL-act. 35), hat sie für August bis Oktober 2007 insgesamt Fr. 111.-zu wenig bekommen. Sie kann allerdings nicht verlangen, dass ihr der gesamte neu berechnete Betrag von Fr. 3'396.-- (nochmals) ausbezahlt wird, denn sie hat keine EL zurückerstattet, und die Rückforderungsverfügung ist widerrufen worden. Indessen besteht damit auch kein Anlass zur Verrechnung einer "Nachzahlung" mit einer Rückforderung, wie die Verfügung vom 29. Januar 2009 fälschlicherweise festhält. Für den Zeitraum August bis Oktober 2007 stellt sich kein Verrechnungsproblem, und die Anordnung der Verrechnung kann gar keine Wirkung entfalten.
Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin auch ab November 2007 einen Anspruch auf EL hat. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Erwerbsausfall-Entschädigung (EO) des Sohnes dürfe bei der Berechnung des EL-Anspruchs nicht berücksichtigt werden. Einerseits würden damit verschiedene Bemessungsperioden miteinander vermischt, andererseits würde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit der Anrechnung eines zusätzlichen Einkommens von Fr. 19'710.-zu hoch eingestuft. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist Ende Oktober 2007 in den Militärdienst eingerückt und hat pro Diensttag Fr. 54.-an EO-Entschädigung erhalten. Für den Monat November beträgt die Bruttoentschädigung Fr. 1'620.-- (EL-act. 81). Diese Tatsache stellt eine erneute Veränderung des Sachverhalts dar, die nachträglich berücksichtigt werden muss (Art. 17 ATSG). Der zweite Revisionszeitpunkt betrifft deshalb den Anspruch auf EL ab November 2007. Die Anrechnung von EO-Entschädigung ist weder im ELG noch in der ELV ausdrücklich geregelt. Die EO-Entschädigung ist wie das Wort schon sagt ein Ersatz dafür, dass während des Militärdienstes keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und Einkommen erzielt werden kann. Gemäss der grammatikalischen Auslegung ist die EO-Entschädigung deshalb als Erwerbs(ersatz)einkommen nach Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG zu betrachten, die in der Berechnung der EL zu berücksichtigen ist. Dies hat denn auch das BSV in seiner Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) so bestimmt. Gemäss Rz 2082 WEL sind Leistungen aus der Erwerbsausfallentschädigung als Erwerbseinkommen anzurechnen (siehe auch Ralph Jöhl, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV; Soziale Sicherheit,
2. Auflage, Rz 169). Die EO-Entschädigung stellt keine öffentliche Leistung mit ausgesprochenem Fürsorgecharakter dar, weshalb sie nicht unter die Ausnahmebestimmungen betreffend nicht anrechenbare Einkommen fällt (Art. 11 Abs. 3 lit. c ELG). Um den Anspruch der jährlichen EL zu berechnen (Grundlage für die monatlich auszurichtenden Leistungen), ist auch die EO-Entschädigung auf ein Jahr hochzurechnen. Dies ergibt ein Ersatzerwerbseinkommen des Sohnes von Fr. 19'440.-im Jahr. Wird dies zum Erwerbseinkommen der Beschwerdeführerin hinzugerechnet, so beträgt das Gesamteinkommen inklusive Renten Fr. 70'029.--. Dem gegenüber stehen anrechenbare jährliche Ausgaben von insgesamt Fr. 65'680.--, weil hier der maximale Abzug für Mietkosten vom Fr. 20'000.-zu berücksichtigen ist. Daraus resultiert ein Überschuss von Fr. 4'349.--. Wird der Anspruch der Beschwerdeführerin
ohne ihren Sohn (aber inklusive Tochter) berechnet, so stehen Ausgaben von Fr. 48'596.-- Einnahmen von Fr. 48'803.-gegenüber, woraus ein Überschuss von Fr. 207.-resultiert. Daraus folgt, dass der Sohn für die EL-Berechnung der Beschwerdeführerin ausser Betracht fällt (Art. 9 Abs. 4 ELG). Die Berücksichtigung der EO-Entschädigung stellt keine Vermischung von verschiedenen Bemessungsperioden, sondern eine Anpassung an einen veränderten Sachverhalt nach Art. 17 ATSG und Art. 25 Abs. 1 lit. c ELV dar. Weil die Beschwerdeführerin ab November 2007 einen Einkommensüberschuss hat, endigt ihr Anspruch auf EL Ende Oktober 2007. Daraus folgt, dass ihr für November 2007 Fr. 1'095.-zuviel an EL ausbezahlt worden ist.
Gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG sind unrechtmässige Leistungen zurückzuerstatten. Die korrekte Berechnung ergibt, dass der Rückforderungsbetrag von Fr. 1'095.-sich um den Betrag von Fr. 111.-reduziert, weil der Beschwerdeführerin für die Monate August bis Oktober Fr. 111.-zuwenig an EL ausbezahlt worden sind. Diese Beträge dürfen miteinander verrechnet werden (Art. 27 ELV). Im Einspracheentscheid vom 6. Juli 2009 hat die Beschwerdegegnerin die Frage der Rückforderung zu Recht offen gelassen, denn eine Verfügung ist dazu noch nicht ergangen. Entsprechend ist auch im Beschwerdeverfahren über eine Rückforderung nicht zu befinden. Die Einsprache gegen die Verfügung vom 29. Januar 2009 aber hat die Beschwerdegegnerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
4.
Zusammenfassend erweist sich der Einspracheentscheid betreffend die Abschreibung der Einsprachen gegen die Verfügungen vom 5. Dezember 2007 und
14. Januar 2008 als korrekt. Sodann fällt der EL-Anspruch der Beschwerdeführerin ab
1. November 2007 dahin, wie die Beschwerdegegnerin richtig festgestellt hat. Schliesslich erweist sich die befristete Leistungszusprache in der (Revisions)-Verfügung vom 29. Januar 2009 als richtig, und die Beschwerdeführerin hat die Einsprache dagegen zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom
6. Juli 2009 ist daher abzuweisen. Auf den Feststellungsantrag betreffend die örtliche Zuständigkeit ist mangels Verfügung nicht einzutreten.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). Der unterliegenden Beschwerdeführerin kann keine Parteientschädigung zulasten der Beschwerdegegnerin zugesprochen werden (Art. 61 lit. g Satz 1 ATSG). Es ist der Beschwerdeführerin jedoch die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu bewilligen, weshalb ihr Rechtsbeistand gegenüber dem Staat einen Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten hat (Art. 61 lit. f ATSG). Die Entschädigung beläuft sich auf 80% des Honorars (vgl. Art. 31 Abs. 3 des Anwaltsgesetzes; sGS 963.70). Dieses bemisst sich nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses (Art. 61 lit. g Satz 2 ATSG). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erweist sich vorliegend eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Gekürzt um 20% beträgt sie Fr. 2'000.--. Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse es gestatten, kann die Beschwerdeführerin jedoch zur Nachzahlung der vom Staat übernommenen Kosten verpflichtet werden (Art. 288 Abs. 1 ZPO/SG i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VRP/SG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Der Staat entschädigt den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Fr.
2'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
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