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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils BZ.2009.64: Kantonsgericht

Der Kläger arbeitete seit 1991 für die Beklagte und stieg intern in verschiedenen Positionen auf. Nach Reorganisationsmassnahmen wurde sein Arbeitsverhältnis im Mai 2008 beendet. Die genauen Umstände der Kündigung waren strittig. Der Kläger erhob Klage wegen missbräuchlicher Kündigung und forderte eine Entschädigung. Das Arbeitsgericht sprach ihm eine Entschädigung von Fr. 5'500.- zu. Die Beklagte legte Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde. Es wurde festgestellt, dass die Kündigung missbräuchlich war, da die Beklagte ihre erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzte. Der Kläger hatte Anspruch auf eine Entschädigung und ein korrektes Arbeitszeugnis.

Urteilsdetails des Kantongerichts BZ.2009.64

Kanton:SG
Fallnummer:BZ.2009.64
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid BZ.2009.64 vom 15.12.2009 (SG)
Datum:15.12.2009
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 330a, Art. 336, Art. 336a, Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 Satz 2 OR (SR 220). Missbräuchliche Kündigung (im besonderen Fall bejaht). Unterbrechung der Kündigungsfrist wegen Krankheit. Vertrauensärztliche Untersuchung: Voraussetzungen und Folgen der fehlenden Mitwirkung. Arbeitszeugnis (auch mit Erwägungen zum Streitwert) (Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, 15. Dezember 2009, BZ.2009.64).
Schlagwörter : Kündigung; Quot; Klage; Beklagten; Kündigungsfrist; Berufung; Arbeitsverhältnis; Klägers; Recht; Vorinstanz; Urteil; Monats; Brief; Vertrauensarzt; Arbeitszeugnis; Zeugnis; Monatslohn; Umstände; Zeitpunkt; Untersuchung; Streitwert; Anschluss; Problem; Probleme
Rechtsnorm:Art. 224 ZPO ;Art. 234 ZPO ;Art. 324a OR ;Art. 328 OR ;Art. 330a OR ;Art. 335c OR ;Art. 336 OR ;Art. 336a OR ;Art. 336b OR ;Art. 337c OR ;Art. 339 OR ;Art. 343 OR ;Art. 75 ZPO ;Art. 76 ZPO ;Art. 8 ZGB ;
Referenz BGE:132 III 115;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts BZ.2009.64

Erwägungen

I.

1. Der Kläger absolvierte 1986/87 ein Praktikum im Betrieb der Beklagten und trat per

  1. Juni 1991 bei dieser eine Vollzeitstelle an (Klage, 3; Urteil, 4). Er wurde zunächst als Kunststoffspritzer eingesetzt, arbeitete sich in der Folge betriebsintern hoch, war später als Informatik-, Arbeitsvorbereitungsund Logistik-Manager tätig und übernahm Mitte November 2007 interimistisch die Leitung der Abteilung Logistik (Klage, 3 und 9, unbestritten; kläg. act. 1-3 und 15.1). Zuletzt bezog der Kläger einen monatlichen Bruttolohn von Fr. 5'500.zuzüglich 13. und 14. Monatslohn (kläg. act. 4 f.; Klage, 3, unbestritten).

    In den Jahren 2007/2008 unterzog sich die Beklagte wegen wirtschaftlicher Probleme Reorganisationsund Umstrukturierungsmassnahmen. Sie zog in diesem Zusammenhang ein externes Wirtschaftsberaterteam unter der Leitung von E bei und trennte sich von verschiedenen Kadermitarbeitern (insbes. Klage, 6; Klageantwort, 7 f.; vi-act. 45, 2; Berufung, 6). Nach übereinstimmender Darstellung der Parteien löste sie

    per Ende Mai 2008 auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auf. Umstritten sind die näheren Umstände der Kündigung: Nach seiner eigenen Darstellung bezog der Kläger ab dem 18. Februar 2008 einen ihm von der Beklagten in Anerkennung seiner Dienste gewährten dreimonatigen Urlaub, als ihn diese am 28. Februar 2008 in den Betrieb bestellte, das Arbeitsverhältnis unter Übergabe des Kündigungsschreibens kläg. act. 7 auflöste und ihn per sofort freistellte (Klage, 4). Die Beklagte behauptet hingegen, E habe das Arbeitsverhältnis bereits am 18. Februar 2008 mündlich gekündigt und der Kläger sei bereits ab diesem Zeitpunkt freigestellt worden (Klageantwort, 3). Im Kündigungsschreiben führte die Beklagte aus, die Entlassung erfolge "aufgrund innerbetrieblicher Umstrukturierungen" (kläg. act. 7). Im Verlauf der späteren Korrespondenz gab sie als weiteren Kündigungsgrund an, der Kläger sei "den Anforderungen an seine Position als Leiter der Logistik nicht gewachsen" gewesen (kläg. act. 12 = bekl. act. 4).

    Mit Schreiben vom 26. Mai 2008 wandte sich der damalige Rechtsvertreter des Klägers an die Beklagte. Er machte geltend, die Kündigung sei missbräuchlich, erhob Einsprache im Sinne von Art. 336b OR und teilte der Beklagten zudem mit, der Kläger befinde sich wie schon direkt angezeigt seit dem 13. Mai 2008 "im

    Krankenstand" (bekl. act. 3). Die Beklagte reagierte darauf mit Brief ihres Rechtsvertreters vom 6. Juni 2008. Sie wies den Vorwurf der missbräuchlichen Kündigung zurück und forderte den Kläger auf, bis zum 14. Juni 2008 ihren Vertrauensarzt zu konsultieren (kläg. act. 12 = bekl. act. 4). In seinem Antwortschreiben vom 10. Juni 2008 hielt der Vertreter des Klägers am Vorwurf der missbräuchlichen Kündigung fest. Zudem teilte er dem Vertreter der Beklagten mit, er habe den Kläger angewiesen, sich beim Vertrauensarzt anzumelden, er ersuche aber die Beklagte, "vorab die gesetzlichen bzw. vertraglichen Grundlagen offen zu legen" (kläg. act. 16.1). Der Vertreter der Beklagten reagierte darauf mit Brief vom 13. Juni 2008 (kläg. act. 16.2). Dieser ging dem Vertreter des Klägers erst am 16. Juni 2008 zu (vgl. kläg. act. 16.3), wobei sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt beim Vertrauensarzt der Beklagten, mit dem er zuvor einen Termin vereinbart hatte, mangels einer Antwort auf den Brief vom 10. Juni 2008 bereits wieder abgemeldet hatte (vgl. kläg. act 16.2+3). Im Rahmen der nachfolgenden Korrespondenz zwischen den Parteivertretern blieb die Missbräuchlichkeit der Kündigung umstritten; ebenso, ob der Kläger zum Besuch des Vertrauensarztes verpflichtet und inwieweit eine krankheitsbedingte Sperrfrist

    ausgewiesen sei (kläg. act. 16.3 ff.). Zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung kam es in der Folge nicht. Dennoch entlöhnte die Beklagte den Kläger für die Zeit bis Ende Juni 2008 (kläg. act. 4).

  2. Mit Eingabe vom 2. September 2008 (vi-act. 1.1 = Klage) gelangte der Kläger an das Arbeitsgericht. Er brachte vor, die Kündigungsfrist sei zwischen dem 13. Mai und dem 18. Juli 2008 wegen Krankheit unterbrochen worden, weshalb das Arbeitsverhältnis erst am 31. August 2008 beendet worden und der Lohn bis zu diesem Zeitpunkt geschuldet sei; zudem ersuchte er um Zusprechung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung nebst Zins und um Änderung/Ergänzung des ausgestellten Arbeitszeugnisses (Klage, 2 ff.). Dabei reduzierte er zur Wahrung der sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts seine Geldforderungen implizit auf insgesamt Fr. 27'750.-, so dass sich zusammen mit dem Streitwert des Begehrens auf Ausstellung des Arbeitszeugnisses, den er auf Fr. 2'250.- (½Monatslohn) bezifferte, nach seiner Berechnung ein Betrag von Fr. 30'000.ergab. An der Hauptverhandlung modifizierte er seine Anträge dann im Sinne der eingangs zitierten Rechtsbegehren (Urteil, 2). Die Beklagte ersuchte in der Klageantwort und an der Hauptverhandlung um vollumfängliche Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei (vi-act. 9.1 und 12

    = Klageantwort; Urteil, 2). Mit Entscheid vom 26. Mai 2009 hiess die Vorinstanz die Forderungsklage im Umfang von Fr. 12'833.35 brutto (Lohn für die Monate Juli und August 2008 samt Anteil 13. und 14. Monatslohn) abzüglich Fr. 3'565.45 netto (bereits erhaltene Taggeldleistungen) sowie Fr. 5'500.- netto (Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung) gut; zudem verpflichtete sie die Beklagte, dem Kläger ein Arbeitszeugnis im Sinne der Erwägungen auszustellen (vi-act. 46 = Urteil).

  3. Am 24. Juli 2009 erhob die Beklagte Berufung mit dem Antrag, der Entscheid des Arbeitsgerichts sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (B/1 = Berufung). In seiner Berufungsantwort vom 1. September 2009 ersuchte der Kläger um Abweisung der Berufung. Zugleich erhob er Anschlussberufung und erneuerte insoweit, als die Vorinstanz die Klage abgewiesen hatte, seine erstinstanzlichen Anträge (B/7 = Berufungsantwort/Anschlussberufung). In ihrer Anschlussberufungsantwort vom 2. Oktober 2009 ersuchte die Beklagte um Abweisung der Anschlussberufung, soweit darauf einzutreten sei (B/11 = Anschlussberufungsantwort).

II.

  1. Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen

    ergibt, dass diese erfüllt sind (Art. 79, 225 und 229 ZPO; Art. 224 aZPO i.V.m. Ziffer III/1 Abs. 1 des IV. Nachtrags zum Gerichtsgesetz). Auf die Berufung ist einzutreten.

  2. Bei der Bemessung des Streitwerts eines Begehrens um Ausstellung Berichtigung des Arbeitszeugnisses steht dem Richter ein grosses Ermessen zu. Dabei ist es zulässig, auch dem Schutzzweck von Art. 343 OR Rechnung zu tragen (Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, N 4e zu Art. 75 ZPO; Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., N 6 zu Art. 330a OR). Hier hat die Vorinstanz den Streitwert der Zeugnisberichtigung auf einen halben Monatslohn festgesetzt, was entgegen der Ansicht der Beklagten (Berufung, 3 f.) nicht zu beanstanden ist. Zwar wird im Kanton St. Gallen bei Zeugnisprozessen in Anlehnung an die zürcherische Praxis häufig ein Streitwert in der Höhe eines ganzen Monatslohns angenommen. Die Vorinstanz hat ihre davon abweichende Streitwertbemessung aber nachvollziehbar damit begründet, dass letztlich nur die Bereinigung von Differenzen zwischen dem Ende März 2008 ausgestellten Arbeitszeugnis (kläg. act. 15.2 i.V.m. Klage, 8) und dem Zwischenzeugnis vom Sommer 2007 (kläg. act. 15.1 i.V.m. Klage 8) zur Debatte steht (Urteil, 3). Dem kann ohne weiteres gefolgt werden, womit sich ergibt, dass der Streitwert im massgeblichen Zeitpunkt der Klageeinleitung (vgl. Art. 76 Abs. 1 ZPO) den Betrag von Fr. 30'000.- nicht überstieg, weshalb weder die Zuständigkeit der Vorinstanz (Art. 10 Abs. 1 aZPO) noch die Anwendbarkeit von Art. 343 OR anzuzweifeln ist.

  3. Die Beklagte ersucht um Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Berufung, 2). Eine solche ist nur anzuordnen, wenn dies zweckmässig zur Wahrung der Parteirechte als geboten erscheint (Art. 234 Abs. 1 ZPO). Hier ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Verhandlung angezeigt wäre, weshalb dem Begehren nicht stattzugeben ist. Beizufügen bleibt, dass zwar nach Art. 234 Abs. 3 lit. a ZPO in Forderungsstreitigkeiten mit einem Streitwert von über Fr. 20'000.grundsätzlich ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen ist,

wenn keine Berufungsverhandlung stattfindet. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.sind davon nach ständiger Praxis des Kantonsgerichts aber ausgenommen, da sie von Bundesrechts wegen in einem einfachen und raschen Verfahren zu beurteilen sind (Art. 343 Abs. 2 OR; vgl. dazu GVP 2005 Nr. 67).

III.

1. Die Parteien sind sich einig, dass die Beklagte die Kündigung per Ende Mai 2008 ausgesprochen hat. Umstritten ist hingegen, ob der Kläger während der Kündigungsfrist erkrankte, diese dadurch unterbrochen wurde und das Arbeitsverhältnis daher erst Ende August 2008 endete (Art. 336c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 lit. b OR).

  1. Die Beweislast für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit trägt nach der allgemeinen Beweislastregel von Art. 8 ZGB der Arbeitnehmer. Der Beweis wird in der Regel durch ein ärztliches Zeugnis erbracht. Hat der Arbeitgeber begründeten Anlass, die Richtigkeit des ihm vom Arbeitnehmer vorgelegten Arztzeugnisses in Frage zu stellen, ist er nach herrschender - und richtiger - Auffassung auch ohne entsprechende vertragliche Grundlage berechtigt, den Arbeitnehmer anzuhalten, sich vom Vertrauensarzt untersuchen zu lassen, und der Arbeitnehmer im Sinne einer Obliegenheit verpflichtet, dieser Anordnung Folge zu leisten. Verweigert der Arbeitnehmer den Besuch beim Vertrauensarzt, obschon die Aufforderung sachlich gerechtfertigt war, darf er im Allgemeinen als gesund gelten und besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wobei einzelne Autoren verlangen, dass eine Abmahnung vorausgegangen ist. In jedem Fall aber ist die Verweigerung einer vertrauensärztlichen Untersuchung geeignet, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nahezulegen (Adrian Staehelin, Zürcher Kommentar, N 9 und 10 zu Art. 324a OR, Jürg Brühwiler, Kommentar zu Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., N 9 zu Art. 324a OR; Wolfgang Portmann, Basler Kommentar, N 25 zu Art. 324a OR und Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 12 zu Art. 324a/b OR, alle mit Hinweisen auf die Lehre und Rechtsprechung).

  2. Hier stellte der Hausarzt dem Kläger am 13. Mai 2008 zuhanden der Arbeitgeberin ein Arztzeugnis aus, wonach er vom 13. bis zum 31. Mai 2008 wegen Krankheit arbeitsunfähig sei (kläg. act. 10.1). In zwei weiteren Arztzeugnissen vom 30. Mai und

30. Juni 2008 bescheinigte der Hausarzt dem Kläger für die Zeit von 30. Mai bis 30. Juni 2008 bzw. 30. Juni bis 18. Juli 2008, dass er weiterhin krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei (kläg. act. 10.2+3). Nachdem der Kläger die Beklagte aufgrund des ersten Zeugnisses offenbar zunächst persönlich und danach erneut mit Brief seines Rechtsvertreters vom 26. Mai 2008 über die bestehende Arbeitsunfähigkeit informiert hatte und der Beklagten zudem auch das zweite Zeugnis vom 30. Mai 2008 zugegangen war, liess diese den Kläger mit Brief ihres Rechtsvertreters vom 6. Juni 2008 auffordern, ihren Vertrauensarzt zu konsultieren (bekl. act. 3; kläg. act. 12 = bekl. act. 4). Dazu war sie nach dem Gesagten auch ohne vertragliche Grundlage (eine solche bestand soweit ersichtlich nicht) berechtigt; der Kläger kann daher nichts zu seinen Gunsten aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte auf die Aufforderung seines Vertreters im Antwortschreiben vom 10. Juni 2008, vorab die "gesetzlichen vertraglichen Grundlagen offen zu legen" (kläg. act. 16.1), nicht sofort reagierte, was dazu führte, dass er den bereits vereinbarten Termin beim Vertrauensarzt wieder absagte (oben Erw. I.1). Auch muss der Beklagten zugebilligt werden, dass sie berechtigten Anlass hatte, den Kläger zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung anzuhalten. Zwar ist aktenkundig und auch nachvollziehbar, dass der Kläger in der letzten Phase des Arbeitsverhältnisses am Arbeitsplatz erhöhtem Druck ausgesetzt war und ihn die Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses und die darauffolgende Arbeitssuche massiv belasteten, was so der Hausarzt zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Sinne einer "akuten Anpassungsstörung" "affektiven Störung" führte (Urteil, 8 und 10; kläg. act. 9 und 14; vi-act. 37.1+2). Der Beklagten muss aber zugestanden werden, dass die besonderen zeitlichen Umstände - die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde erst in der Endphase der dreimonatigen Kündigungsfrist und Freistellungsdauer geltend gemacht geeignet waren, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Arztzeugnisse zu wecken, weshalb die Anordnung einer vertrauensärztlichen Untersuchung aus objektiver Sicht berechtigt war.

Dass der Kläger eine Untersuchung durch den Vertrauensarzt verweigerte, legt im Lichte des Gesagten weniger Zweifel an einer die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankung als solcher als vielmehr an deren Dauer nahe. Davon ging offenbar auch

die Beklagte aus. So führte ihr Vertreter in seinem Brief vom 13. Juni 2008 an den Anwalt des Klägers wörtlich aus, im Falle einer Verweigerung der vertrauensärztlichen Untersuchung trage der Kläger "insofern" das "Risiko", als die Beklagte "die Lohnzahlungen nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einstellen" werde, "sofern sie die Arztzeugnisse nicht als stichhaltig " betrachte (kläg. act. 16.2, 2). Dass die Beklagte dem Kläger in der Folge den Junilohn 2008 zunächst vorbehaltlos ausbezahlte (kläg. act. 4.1), obschon sie damit rechnen musste, dass dieser eine vertrauensärztliche Abklärung endgültig verweigern könnte, kann im Lichte dieses Hinweises nur dahingehend verstanden werden, dass sie aufgrund der vorgelegten Arztzeugnisse eine krankheitsbedingte Verlängerung der Kündigungsfrist bis Ende Juni 2008 als ausgewiesen betrachtete. Dabei ist sie zu behaften, woran auch nichts zu ändern vermag, dass sie in einem späteren - Schreiben ihres Anwaltes vom 11. Juli 2008 doch noch ausführen liess, sie behalte sich die Rückforderung des Junilohnes vor (kläg. act. 16.5, 2). Mit dem zitierten Hinweis im Brief vom 13. Juni 2008 zeigte die Beklagte dem Kläger auf der anderen Seite aber auch unmissverständlich die Konsequenzen auf, mit denen er im Falle der Verweigerung einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu rechnen habe. Da eine solche letztlich an der Mitwirkung des Klägers scheiterte, wurden die wie dargelegt berechtigten - Zweifel der Beklagten an der Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeräumt, weshalb nach dem in Erw. a) Ausgeführten ein Lohnanspruch für die Zeit nach Juni 2008 nicht ausgewiesen ist. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Krankentaggeldversicherung aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen offenbar davon ausging, die Arbeitsunfähigkeit sei bis 18. Juli 2008 ausgewiesen (vi-act. 30); ebensowenig, dass der Vertreter der Beklagten im Brief vom 11. Juli 2008 ausführte, mittlerweile erübrige sich aus deren Sicht eine vertrauensärztliche Untersuchung

(kläg. act. 16.5, 2), setzte er doch dabei voraus, das Arbeitsverhältnis sei spätestens Ende Juni 2008 beendet worden. Soweit der Lohnanspruch für Juli und August 2008 betroffen ist, ist die Klage demnach abzuweisen.

2. Im Berufungsverfahren ist weiterhin umstritten, ob die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung missbräuchlich war und dem Kläger eine entsprechende Entschädigung zusteht.

  1. Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht vom Grundsatz der Kündigungsfreiheit ausgeht. Doch ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie aus bestimmten in Art. 336 OR aufgeführten Gründen ausgesprochen wird. Die Aufzählung in Art. 336 OR ist nicht abschliessend. Sie konkretisiert vielmehr das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot, und die nachfolgenden Bestimmungen gestalten es mit auf den Arbeitsvertrag zugeschnittenen Rechtsfolgen aus. Es sind daher - neben den in Art. 336 OR aufgeführten weitere Missbrauchstatbestände denkbar. Der Vorwurf der Missbräuchlichkeit setzt allerdings voraus, dass die geltend gemachten Gründe eine Schwere aufweisen, die mit jener der in Art. 336 OR aufgeführten vergleichbar ist (BGE 132 III 115 Erw. 2.1, mit Hinweisen; Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 3 zu Art. 336 OR und Wolfang Portmann, Basler Kommentar, N 21 zu Art. 336 OR, je mit Hinweisen). Die Missbräuchlichkeit einer Kündigung kann sich nicht nur aus den Kündigungsmotiven, sondern auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Selbst wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtausübung beachten. Insbesondere kann ein vertragswidriges Verhalten im Umfeld einer Kündigung, wie etwa eine Verletzung der aus Art. 328 OR fliessenden Fürsorgepflicht, diese im Einzelfall als missbräuchlich erscheinen lassen. Ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten des Arbeitgebers genügt hingegen nicht, um eine missbräuchliche Kündigung anzunehmen (BGE 132 III 115 Erw. 2.2., 2.3; Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 4 zu Art. 336 OR und Portmann, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 336 OR, je mit Hinweisen).

  2. Die Frage, ob eine Kündigung missbräuchlich war, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BGE 132 III 115 Erw. 2.5). Hier ist in dieser Hinsicht folgendes in Erwägung zu ziehen:

aa) Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dem Vorwurf einer missbräuchlichen Kündigung stehe schon der Umstand entgegen, dass sie eine Kündigungsfrist von drei Monaten beachtet habe, obschon mit dem Kläger eine solche von nur einem Monat vereinbart gewesen sei (vi-act. 45, 2; Berufung, 6). Dazu fällt folgendes in Betracht: Gemäss Art. 335c OR kann das Arbeitsverhältnis im ersten Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von einem Monat, im zweiten bis neunten Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten und danach mit einer Kündigungsfrist von drei

Monaten je auf das Ende eines Monats gekündigt werden (Abs. 1). Eine Kürzung dieser Fristen im Einzelarbeitsvertrag ist zwar zulässig, bedarf aber der Schriftform, wobei eine minimale Kündigungsfrist von einem Monat zu beachten ist (Abs. 2). Hier unterzeichneten die Parteien im Februar 1995 - der Kläger war damals noch im Stundenlohn in der Spritzerei tätig rückwirkend per 1. Juni 1991 einen schriftlichen Arbeitsvertrag; sie vereinbarten u.a. eine Kündigungsfrist von einem Monat mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach deren Ablauf, was offenbar auch der Regelung im Reglement entsprach, auf welches Ziffer 9 des Arbeitsvertrages verwies (kläg. act. 1; kläg. act 17). Mit Brief vom 9. Januar 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde rückwirkend per 1. Januar 1998 "in das Angestelltenverhältnis aufgenommen" und sein Gehalt betrage nunmehr Fr. 4'400.brutto im Monat zuzüglich

13. Monatslohn (kläg. act. 18). Zu einer neuen Abrede bezüglich der Kündigungsfrist kam es zwar in diesem Zusammenhang soweit ersichtlich nicht. Dennoch fragt sich, ob im Zeitpunkt der Entlassung des Klägers im Jahre 2008 tatsächlich noch die im Jahre 1995 vereinbarte einmonatige Kündigungsfrist galt, ob nicht aus dem Umstand, dass im Januar 1998 zwar das Arbeitsverhältnis eine grundlegende Änderung erfuhr, zur Kündigungsfrist aber nichts besonderes vereinbart wurde, geschlossen werden muss, dass in dieser Hinsicht fortan die gesetzliche Regelung gelten sollte. Jedenfalls im Zeitpunkt der Kündigung ging denn auch offensichtlich die Beklagte selbst von einer dreimonatigen Kündigungsfrist aus: In ihrem dem Kläger am 28. Februar 2008 übergebenen Kündigungsschreiben (kläg. act. 7; Klage, 4) führte sie nämlich nicht nur aus, sie kündige das Arbeitsverhältnis "unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum

31. Mai 2008"; sie fügte vielmehr auch an, die Kündigung gelte "zum nächst zulässigen Termin", falls "die Kündigungsfrist aus irgendeinem Grund nicht gewahrt sein" sollte, was nur Sinn machte, wenn auch tatsächlich die Gefahr bestand, dass die Kündigungsfrist nicht eingehalten sein könnte. Dies wiederum wäre bei einer Kündigungsfrist von nur einem Monat ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen. Der Einwand der Beklagten, sie habe dem Kläger freiwillig eine dreistatt nur eine einmonatige Kündigungsfrist eingeräumt, genügt vor diesem Hintergrund aus der Sicht der Parteien war die Rechtslage zumindest unklar - nicht, um eine missbräuchliche Kündigung auszuschliessen.

bb) Es ist unumstritten, dass sich die Beklagte zur relevanten Zeit Reorganisations-

und Umstrukturierungsmassnahmen unterzog und es in diesem Zusammenhang auch

zur Trennung von verschiedenen (Kader-) Mitarbeitern kam (Erw. I.1). Es liegt in der Natur der Sache und ist (sofern kein Tatbestand nach Art. 336 Abs. 2 lit. c OR vorliegt, was hier soweit ersichtlich nicht der Fall war) auch statthaft, dass wirtschaftliche Massnahmen zur Stabilisierung und Optimierung eines Betriebs mit grundlegenden personellen Veränderungen einhergehen und demgemäss auch mit Kündigungen verbunden sind. Im Falle des Klägers lassen die Akten allerdings keine Zweifel offen (weiterer Erhebungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht), dass seine Entlassung nicht nur aus betrieblichen Überlegungen erfolgte, sondern im unmittelbaren Vorfeld der Kündigung aufgetretene Differenzen mit anderen Mitarbeitern und Abteilungen, seine in diesem Kontext gegenüber der Arbeitgeberin eingenommene kritische Haltung sowie Unstimmigkeiten bei der Kalkulation und der Inventur weitere Gründe dafür waren. Es ist in dieser Hinsicht zunächst auf den aktenkundigen E-MailVerkehr vom Ende 2007/Anfang 2008 zu verweisen, aus dem sich ergibt, dass der Kläger verschiedene Vorgesetzte über dahingehende Probleme informierte und sich dabei auch über betriebliche Schwachstellen, Überbelastung sowie darauf zurückzuführende gesundheitliche Probleme beklagte (kläg. act. 9 und 14). Zudem wirft die Beklagte dem Kläger selbst vor, seine Arbeitsqualität habe zu wünschen übrig gelassen und er sei insbesondere der Position als Leiter Logistik nicht gewachsen gewesen, was u.a. zu Problemen bei der Inventur geführt habe (insbes. kläg. act. 12, 2, Klageantwort, 8 f. und Berufung, 6 f.). Hinzu kommt, dass sich die Beklagte bis heute darüber ausschweigt, weshalb sie den Kläger im Zuge der Kündigung per sofort freistellte, obschon dies wie sie an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung selbst einräumte (vi-act. 45, 1 f.) während der laufenden Inventur nicht vernünftig war. Es ist daher anzunehmen, dass weniger betriebliche Gründe als vielmehr persönliche Vorbehalte gegenüber dem Kläger dafür verantwortlich waren; eine andere plausible Erklärung für die erfolgte Freistellung ist nicht ersichtlich. In diesem Gesamtzusammenhang fällt nun allerdings zugunsten des Klägers in Betracht, dass er die Leitung der Abteilung Logistik erst Mitte November 2007 also relativ kurz vor der Kündigung interimistisch übernommen hatte (Klage, 3 und 9; kläg. act. 3); ebenso, dass zur massgebenden Zeit nicht nur für die Inventur ein neues System eingeführt wurde, sondern wie die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren selbst einräumte im Betrieb ein "Chaos" herrschte (Urteil, 8 und 10). Es liegt daher vor allem auch im Lichte des dem Kläger noch im Sommer 2007 ausgestellten, in jeder Hinsicht

hervorragenden Zwischenzeugnisses (kläg. act. 15.1 i.V.m. Klage, 8) auf der Hand, dass vermeintlich in der Person des Klägers liegende Unzulänglichkeiten weniger diesem anzulasten waren als vielmehr im Verantwortungsbereich der Beklagten lagen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der erstinstanzlichen Befragung des Zeugen F, der als Geschäftsführer der damaligen Revisionsstelle der Beklagten Einblick in die Inventaraufnahme hatte (vi-act. 44); er konnte gerade nicht bestätigen, dass die in diesem Zusammenhang aufgetretenen Probleme vom Kläger zu vertreten waren (insbes. S. 3 f.).

cc) Wie erwähnt sind sich die Parteien uneinig, ob der Kläger ab dem 18. Februar 2008

einen ihm von der Beklagten gewährten dreimonatigen Urlaub bezog, als ihn diese am

28. Februar 2008 in den Betrieb bestellte und das Arbeitsverhältnis unter Übergabe des Kündigungsschreibens kläg. act. 7 auflöste und ihn per sofort freistellte (so der Kläger), ob E das Arbeitsverhältnis schon am 18. Februar 2008 mündlich gekündigt hatte und der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt freigestellt gewesen war (so die Beklagte; oben Erw. I.1). Es kann offen bleiben, welche Variante den Tatsachen entspricht; denn im einen wie im anderen Fall wäre der Beklagten vorzuwerfen, dass sie sich im Zuge der Entlassung des Klägers in einer Art und Weise verhielt, die den besonderen Umständen nicht angemessen war: Wie die Vorinstanz richtig ausführt, traf die Beklagte gegenüber dem Kläger als langjährigem Mitarbeiter eine erhöhte Fürsorgepflicht; dies umso mehr, als sich dieser seine berufliche Position und die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerbetrieblich erarbeitet bzw. angeeignet hatte, was seine Stellung auf dem Arbeitsmarkt erschwerte, und die Beklagte zudem darüber informiert war, dass er gesundheitliche Probleme hatte (kläg. act. 9 und 14.1). Hinzu kommt, dass die Parteien nicht nur ein ausgesprochen langjähriges Arbeitsverhältnis verband, sondern der Kläger während der Zusammenarbeit (wenn auch allenfalls unterbrochen durch krankheitsund unfallbedingte Absenzen, vgl. Berufung, 6 f. und Urteil, 5 f.) einen überdurchschnittlichen Einsatz geleistet hatte, was sich nicht zuletzt in einer hohen Zahl von Überstunden sowie im Zwischenzeugnis vom Sommer 2007 niederschlug (Klage, 3 unten [unbestritten]; kläg. act. 15.1). Im Lichte dieser besonderen Umstände und der dadurch erhöhten Fürsorgepflicht wäre von der Beklagten zu erwarten gewesen, dass sie vor der Kündigung mit dem Kläger das Gespräch gesucht und zunächst den Versuch unternommen hätte, den aufgetretenen Problemen auf den Grund zu gehen und die im Raum stehenden persönlichen

Differenzen zu entschärfen. Ebenso, dass sie sich, hätte dies zu keiner Lösung geführt und wäre es gleichwohl zur Kündigung gekommen, darum bemüht hätte, den Kläger im Hinblick auf sein berufliches Fortkommen zu unterstützten wie etwa mit einem auf den Zeitpunkt der Kündigung aktualisierten Arbeitszeugnis ihm ihre diesbezügliche Unterstützung zumindest anzubieten. Dies alles hat die Beklagte auch nach ihren eigenen Vorbringen zu schliessen (sie behauptet nichts Entsprechendes) - unterlassen; stattdessen enthält sie dem Kläger wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt (unten Erw. 3) - noch heute das gesetzlich geschuldete Schlusszeugnis vor. Sollte die Darstellung des Klägers zutreffen, wonach die Kündigung am 28. Februar 2008 ausgesprochen wurde, träfe die Beklagte somit der Vorwurf, dass sie nicht nur jedes klärende Gespräch und im Anschluss an die ausgesprochene Kündigung jede Unterstützung des Klägers unterliess, sondern sich nicht einmal die Mühe nahm, diesen im Rahmen eines Vorgesprächs auf die Entlassung vorzubereiten. Folgt man hingegen der Darstellung der Beklagten, wonach die Kündigung bereits am 18. Februar 2008 durch E mündlich ausgesprochen wurde, fällt

in Betracht, dass dieser gemäss Handelsregisterauszug nie zur Geschäftsleitung gehörte und auch keine Unterschriftsberechtigung besass. In der Anschlussberufungsantwort relativiert die Beklagte ihre Darstellung zur Kündigung denn auch immerhin insofern, als sie von einer "formnichtigen" mündlichen Kündigung bzw. einer am 18. Februar 2008 (bloss) "mündlich angekündigten" Kündigung spricht, wobei sie vorliegend zu behaften ist (S. 4 f.). Damit müsste zwar der Beklagten folgt man ihrer Darstellung zugestanden werden, dass die (formgültige) Kündigung vom

28. Februar 2008 nicht unvermittelt erfolgte, sondern der Kläger vororientiert war. Indem sie indes die mündliche Ankündigung der Entlassung - die im Lichte des Gesagten nach einem besonderen Einfühlungsvermögen verlangte einem externen Berater überliess, der den Kläger und dessen Werdegang nicht näher kannte (das Personaldossier war in dieser Hinsicht offenbar wenig aufschlussreich, vgl. unten Erw.

3) und auch nie mit diesem zusammengearbeitet hatte, liess sie jedes Fingerspitzengefühl für ein den Umständen angemessenes Vorgehen vermissen. Auch hier wäre der Beklagten zudem vorzuhalten, dass sie sowohl ein klärendes Gespräch wie auch im Anschluss an die Entlassungserklärung jede Unterstützung des Klägers unterliess. Im einen wie im anderen Fall trifft die Beklagte daher der Vorwurf, dass sie

im Rahmen der Kündigung ihre erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzte.

dd) Im Ergebnis ist der Vorinstanz aufgrund des Gesagten beizupflichten, dass sich die Beklagte im Zuge der Kündigung in einer Art und Weise verhielt, die über ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten hinausging. Sie hat die den Umständen angemessene Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger nicht wahrgenommen, das Gebot schonender Rechtsausübung verletzt und die Kündigung unter Begleitumständen ausgesprochen, die mit den in Art. 336 OR aufgeführten Gründen vergleichbar sind, womit die Kündigung als missbräuchlich erscheint.

ee) Damit - und da der Kläger gemäss Art. 336b OR rechtzeitig Einsprache und Klage erhob steht ihm nach Art. 336a OR eine Entschädigung zu. Diese ist in Würdigung aller Umstände festzusetzen, darf aber sechs Monatslöhne nicht übersteigen (Art. 336a Abs. 2 OR). Die Vorinstanz hat dem Kläger eine Entschädigung von Fr. 5'500.zugesprochen, entsprechend einem Monatslohn ohne Anteile 13. und 14. Monatslohn (Urteil, 10). Entgegen der Ansicht des Klägers besteht kein Anlass, diesen Betrag zu erhöhen. Er trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass kein krasser Missbrauchsfall vorliegt und der Beklagten im Lichte des Gesagten sie befand sich zur massgebenden Zeit in einer Reorganisationsphase und wirtschaftlich schwierigen Lage und die Kündigung war auch betrieblich motiviert kein grobes Verschulden anzulasten ist. Das verlangte Zinsbetreffnis von 5% ab 1. September 2008 ist auf diesem Betrag ausgewiesen (Art. 102 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1, Art, 339 OR; Jürg Brühwiler, a.a.O., N 1 zu Art. 339 OR). Die Entschädigung hat zu einem wesentlichen Teil Genugtuungscharakter, weshalb sie entgegen der Auffassung der Beklagten (Berufung, 13) ohne jeden Abzug, auch ohne Quellensteuerabzug, auszubezahlen ist (vgl. Art. 83 ff. i.V.m. Art. 24 lit. g DBG und Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 2 und 8 zu Art. 336a OR sowie N 17 zu Art. 337c OR analog).

3. Die Vorinstanz hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein Arbeitszeugnis gemäss der Formulierung auf den Seiten 12 und 13 ihres Entscheids auszustellen. Die Beklagte hält im Berufungsverfahren zwar weiterhin daran fest, dass die Klage auch in diesem Punkt abzuweisen sei. Sie setzt sich allerdings in keiner Art mit dem von der Vorinstanz redigierten Zeugnistext und den dazugehörigen Erwägungen auseinander, weshalb

insoweit auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden kann (Urteil, 10-12). Anzupassen ist die Formulierung der Vorinstanz bloss bezüglich der Dauer des Arbeitsverhältnisses, welches nach dem in Erw. 1 Gesagten am 30. Juni (statt 31. August) 2008 endete. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren als einzigen - Einwand vorbringt, der Kläger habe den Zeugnisberichtigungsanspruch verwirkt, da er der Personalassistentin den ihm am 3. April 2008 per E-Mail unterbreiteten Zeugnisentwurf am 6. April 2008 ohne die heute geltend gemachten Änderungen zurückgeschickt habe (Berufung, 12 f.; vgl. dazu bekl. act. 6 und 7), erweist sich ihr Standpunkt als unbegründet: Mit dem E-Mail vom 3. April 2008 bat die Personalassistentin den Kläger unter Zusendung eines rudimentären, aus einigen Textbausteinen zusammengewürfelten und unbeholfen anmutenden Entwurfs, seine Hauptaufgaben einzusetzen (was dieser in der Folge auch tat), wobei sie den Hinweis beifügte: "Falls du sonst noch etwas geändert haben möchtest kein Problem, einfach nur dazu schreiben" (bekl. act. 6). Es befremdet zunächst schon, dass die Beklagte aufgrund des Personaldossiers nicht in der Lage war, die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten selbst zusammenzustellen. Sie hat sich aber offensichtlich auch sonst in keiner Weise darum bemüht, einen auf den besonderen Fall zugeschnittenen Zeugnistext zu redigieren, der dem langjährigen Einsatz des Klägers gebührend Rechnung getragen hätte und dem noch im Sommer 2007 ausgestellten, ausführlichen Zwischenzeugnis (kläg. act. 15.1; vgl. auch Klage, 8) gerecht geworden wäre. Dass sie dieses eigene Ungenügen heute zum Anlass nimmt, dem Kläger vorzuhalten, der Berichtigungsanspruch sei verwirkt, und ihm das gesetzlich geschuldete, dem langjährigen Einsatz gebührende und wohlverdiente Arbeitszeugnis vorenthalten will, ist nicht nur unverständlich und schikanös, sondern auch missbräuchlich, setzt sie doch damit implizit voraus, dass der Kläger das Arbeitszeugnis weitgehend selbst hätte redigieren müssen, obschon dies in erster Linie ihre eigene Aufgabe gewesen wäre. Die Berufung ist in diesem Punkt ohne weiteres abzuweisen, soweit nicht das Enddatum des Arbeitsverhältnisses zu korrigieren ist.

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Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

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