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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils BZ.2003.85: Kantonsgericht

Der Kläger arbeitete seit 1989 in einem Bäckereigrossbetrieb und wurde 2002 gekündigt. Er beantragte Krankentaggeld ab August 2002 aufgrund von Arbeitsunfähigkeit. Die Vorinstanz gab seiner Klage statt, die Beklagte legte Berufung ein. Es wurde angezweifelt, ob die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bewiesen sei. Es gab Diskussionen über die Diagnosen und den Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte argumentierte, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei, besonders aufgrund des zeitlichen Ablaufs. Letztendlich wurde festgestellt, dass die Arbeitsunfähigkeit während der Kündigungsfrist nicht nachgewiesen wurde.

Urteilsdetails des Kantongerichts BZ.2003.85

Kanton:SG
Fallnummer:BZ.2003.85
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid BZ.2003.85 vom 10.09.2004 (SG)
Datum:10.09.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 OR. Anforderungen an den Inhalt eines Arztzeugnisses, wenn damit eine Arbeitsunfähigkeit bewiesen werden soll. Das Arbeitszeugnis hat sich insbesondere darüber zu äussern, ob der Arbeitnehmer die konkrete, im Betrieb zu leistende Arbeit zu erbringen vermag oder nicht und inwiefern dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zumutbar sind (Kantonsgericht, III. Zivilkammer, 10. September 2004, BZ. 2003.85).
Schlagwörter : Arbeit; Quot; Arbeitsunfähigkeit; Arztzeugnis; Kündigung; Klägers; Beweis; Kündigungsfrist; Beschwerden; Diagnose; Beruf; Beklagten; Vorinstanz; Berufung; Arztzeugnisse; Untersuchung; Arbeitnehmer; Bericht; Arztzeugnisses; Magen; Betrieb; Arbeitgeber; Arbeitsfähigkeit; üglich
Rechtsnorm:Art. 324a OR ;Art. 336c OR ;Art. 343 OR ;Art. 40 ZPO ;Art. 8 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Art. 101 OR, 1999
-, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Art. 343 OR, 1996
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts BZ.2003.85

Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 OR. Anforderungen an den Inhalt eines Arztzeugnisses, wenn damit eine Arbeitsunfähigkeit bewiesen werden soll. Das Arbeitszeugnis hat sich insbesondere darüber zu äussern, ob der Arbeitnehmer die konkrete, im Betrieb zu leistende Arbeit zu erbringen vermag nicht und inwiefern dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zumutbar sind (Kantonsgericht, III. Zivilkammer, 10. September 2004, BZ.2003.85).

Erwägungen

I.

  1. Der Kläger arbeitete seit dem 1. September 1989 im Bäckereigrossbetrieb der Beklagten. Mit der Zeit belasteten zunehmend Schwierigkeiten das Arbeitsverhältnis. Die Beklagte wies den Kläger in Aussprachen mehrfach darauf hin, dass sie mit seinen Arbeitsleistungen und mit seinem Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten

    nicht zufrieden sei und ermahnte ihn verschiedentlich zur Besserung. Am 16. Juli 2001 wurde erneut ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger geführt. Die Beklagte erstellte hierüber ein Verwarnungsprotokoll, das vom Kläger aber nicht unterzeichnet wurde. Da die bestehenden Unstimmigkeiten nicht beseitigt werden konnten, kündigte die Beklagte dem Kläger am 31. Juli 2002 unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist auf den 31. Oktober 2002. Ab dem 31. Juli 2002, das heisst mit dem Tag der Kündigungsmitteilung, wurde der Kläger freigestellt.

  2. Mit Schreiben vom 20. Februar 2003 ersuchte der Kläger die Beklagte darum, ihm vom 1. August 2002 an infolge Arbeitsunfähigkeit Krankentaggeld auszuzahlen. Der Kläger legte dem Schreiben ein auf den 11. Dezember 2002 datiertes ärztliches Zeugnis bei. Da die Beklagte kein Krankentaggeld auszahlte, reichte der Kläger am 1. April 2003 Klage beim Arbeitsgericht ein.

  3. Im Urteil vom 21. August/7. Oktober 2003 hiess die Vorinstanz die Klage vollumfänglich gut und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von Fr. 22'750.brutto zuzüglich Kinderzulagen.

  4. Mit Eingabe vom 7. November 2003 erhob die Beklagte Berufung mit dem Antrag, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Klage des Klägers vollumfänglich abzuweisen, unter Entschädigungsfolge zu Lasten des Klägers. Der Kläger seinerseits beantragte in der Berufungsantwort vom 15. Dezember 2003, die Berufungsklage sei vollumfänglich abzuweisen, unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Berufungsklägerin.

  5. Am 15. Januar 2004 reichte die Beklagte eine vom Gericht angeforderte zusätzliche Eingabe ein betreffend ihre Vertretung durch M, Rechtskonsulent des L. Ausserdem reichte die Beklagte mit Eingabe vom 16. Februar 2004 ein vom Gericht eingefordertes zusätzliches Beweisstück ein, nämlich den um die bislang fehlende Rückseite ergänzten ärztlichen Bericht von Dr. X vom 7. Februar 2003. Mit Beweisbeschluss vom

  6. April 2004 beschloss das Gericht den Beizug der Akten der Invalidenversicherung betreffend den Kläger. Am 5. Juli 2004 beziehungsweise am 17. August 2004 reichten die Rechtsvertreter der Parteien ihre schriftlichen Beweiswürdigungen ein.

II.

Der Kläger machte in der Berufungsantwort geltend, die Beklagte sei nicht rechtsgenüglich vertreten. Dies trifft offensichtlich nicht zu: Die Beklagte lässt sich durch die Zentralverwaltung vertreten. Für diese Vertretung ist eine Vollmacht erteilt worden. Für die Zentralverwaltung wiederum handelt M, der ebenfalls bevollmächtigt ist. Des Weiteren liegt keine berufsmässige Vertretung im Sinne von Art. 10 des Anwaltsgesetzes vor (vgl. auch Art. 40 Abs. 3 ZPO), die einem Rechtsanwalt mit Anwaltspatent vorbehalten wäre.

III.

  1. a) Die Beklagte macht geltend, eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 1. August 2002 bis zum 31. Januar 2003 sei nicht bewiesen. Der vom Kläger ins Recht gelegte Bericht von Dr. X vom 7. Februar 2003, mit dem dieser sein Arztzeugnis vom 11. Dezember 2002 erläuterte, würde zwar ein Indiz für die Arbeitsunfähigkeit darstellen, jedoch würden andere Indizien den Beweiswert erschüttern. Als solche den Beweiswert des Arztzeugnisses erschütternde Indizien nennt die Beklagte unter anderem: Die späte Anzeige der Arbeitsunfähigkeit; die Hintergründe der Entlassung des Klägers; den Umstand, dass Dr. X nicht darlegte, inwiefern die von ihm diagnostizierten Erscheinungen den Kläger konkret bei den Verrichtungen an seinem Arbeitsplatz beeinträchtigen würden; die Beurteilung von anderen Ärzten, wonach eine Arbeitsunfähigkeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Januar 2003 nicht ausgewiesen und nicht zu begründen sei. Zudem gehe dem fraglichen Arztzeugnis bzw. Arbeitsunfähigkeitsattest insbesondere infolge der Rückdatierung um rund 4 ½ Monate vom 11. Dezember 2002 auf den 1. August 2002 jeglicher Beweiswert ab.

    b) Der Kläger seinerseits hält in der Berufungsantwort daran fest, dass sich durch die Arbeitsunfähigkeit die Kündigungsfrist um 180 Tage auf Ende April verschieben würde und die Beklagte daher im vorinstanzlichen Urteil zu Recht zur Lohnfortzahlung verpflichtet wurde.

  2. a) Wird der Arbeitnehmer unverschuldet arbeitsunfähig, darf der Arbeitgeber während der Sperrfrist nicht kündigen (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR). Die Sperrfrist beträgt im ersten Dienstjahr 30 Tage, ab dem zweitem bis zum fünftem Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage (Art. 336c Abs. 1 lit. b). Ist die Kündigung vor Beginn der Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336c Abs. 2, 2. Teilsatz OR). Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich die Kündigungsfrist bis zum nächsten Endtermin (Art. 336c Abs. 3 OR).

b) Dem Kläger wurde per 31. Juli 2002 unter Einhaltung der massgebenden dreimonatigen Kündigungsfrist auf den 31. Oktober 2002 gekündigt. Der Kläger stand im 13. Dienstjahr. Würde davon ausgegangen, der Kläger sei gemäss seinen Vorbringen am 1. August 2002, somit innerhalb der Kündigungsfrist, krank geworden und es habe eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 1. August 2002 bis zum

31. März 2003 bestanden, würde sich die dreimonatige Kündigungsfrist um die Maximalfrist von 180 Tagen verschieben.

  1. Somit ist zu prüfen, ob innerhalb der Kündigungsfrist (1. August bis 31. Oktober 2002) eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen ist.

    1. Beweise sind nach freiem Ermessen zu würdigen (Art. 343 Abs. 4 OR). Hinsichtlich des Beweismasses gilt das Erfordernis des sog. strikten Beweises. Demnach muss der Beweis zur vollen Überzeugung des Gerichts erbracht werden (CHRISTOPH LEUENBERGER/BEATRICE UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, N 4b zu Art. 101). Es gilt sodann die Beweislastregel von Art. 8 ZGB (REHBINDER, N 26 zu Ar. 343 OR; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Bern/Stuttgart/Wien 1996, N 10 zu Art. 343 OR). Ein allenfalls fehlender Nachweis der Krankheit wirkt sich somit zu Lasten des Klägers aus.

    2. In Bezug auf die Beweiswürdigung von Arztzeugnissen ist von Folgendem auszugehen: Es liegt im Ermessen des Gerichts, ob es auf ein Arztzeugnis abstellen will nicht. Zweifelt das Gericht an der Schlüssigkeit eines Arztzeugnisses, kann es

    vom ausstellenden Arzt eine Erläuterung verlangen ein Obergutachten eines zweiten Arztes erstellen lassen (BRÜHWILER, N 9 zu Art. 324a OR). Arztzeugnisse, die nur auf Patientenschilderungen abstellen und keine eigenen objektiven Feststellungen des Arztes enthalten erst Monate später ausgestellt worden sind, haben kaum Beweiskraft (BRÜHWILER, N 9 zu Art. 324a OR; CHRISTOPH SCHÖNENBERGER, Das

    Erschleichen der Lohnfortzahlung unter Berufung auf Krankheit, Bern 2001, 115). Das Arztzeugnis hat sich auch darüber auszusprechen, ob der Arbeitnehmer die konkrete, im Betrieb zu leistende Tätigkeit ausüben könnte (BRÜHWILER, N 9 zu Art. 324a OR). Eine Rückdatierung eines Arztzeugnisses ist nur ausnahmsweise, nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig. Eine erheblich weitergehende Rückdatierung eines Attestes ohne plausible Begründung bewirkt, dass dem Arztzeugnis der Beweiswert abgeht, da es lediglich medizinisch nicht überprüfbare Vermutungen des Arztes enthält (SCHÖNENBERGER, 116). Kein rückdatiertes Arztzeugnis liegt hingegen vor, wenn es erst Monate nach einer erfolgten Untersuchung ausgestellt wird. Dessen Beweiseignung kann hingegen auch abgesprochen werden, wenn sich der Arzt anhand der Krankengeschichte nicht mehr hinreichend an die damaligen Verhältnisse erinnern kann (SCHÖNENBERGER, 117).

  2. Seit der Kläger der Beklagten das Arztzeugnis von Dr. X vom 11. Dezember 2002 vorgelegt hat, ergaben sich diverse weitere Informationen hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes bzw. der Arbeitsunfähigkeit des Klägers:

  1. Am 21. Januar 2003 nahm Dr. Z zuhanden der B, Abteilung Taggeld, eine medizinische Untersuchung des Klägers vor. Dr. Z diagnostizierte folgende Erscheinungen:

    • Colon irritabile mit Obstipation (Reizdarm-Syndrom mit Verstopfung)

    • COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease; auf deutsch übersetzt: chronisch obstruktive Lungenerkrankung; umgangssprachlich wird von "Raucherlunge" gesprochen)

    • Adipositas (übermässige Ansammlung von Fettgeweben im Körper).

      Er konnte jedoch keine Aussage darüber machen, ob aus retrospektiver Sicht eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 1. August 2002 an gegeben war. Dr. Z hielt immerhin fest, dass der Kläger seiner Meinung nach ab dem 1. Februar 2003 wieder voll arbeitsfähig sei.

  2. Datierend vom 7. Februar 2003 erstellte Dr. X, der Hausarzt des Klägers, einen ärztlichen Bericht bezüglich der von ihm mit dem Zeugnis vom 11. Dezember 2002 attestierten Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Darin diagnostizierte Dr. X:

    • arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)

    • schwere chronische obstruktive Lungenkrankheit (COPD bzw. umgangssprachlich "Raucherlunge")

    • Adipositas (übermässige Ansammlung von Fettgeweben im Körper)

      Auch führte Dr. X als Anamnese (Vorgeschichte der Krankheit) an, dass der Kläger seit Mitte Juli 2002 zunehmend unter Magenund Analschmerzen litt. Ausserdem verwies Dr. X auf den Status nach ("St.n.") einer bereits erfolgten Analoperation (aus den übrigen Krankendaten ergibt sich, dass die Operation im Jahr 2000 stattfand). Der Kläger sei vom 1. August 2002 bis zum 31. Januar 2003 zu 100% arbeitsunfähig gewesen. Ab 1. Februar 2003 sei wieder volle Arbeitsfähigkeit gegeben (Antwort zu Frage 7: "Mit der vollen Arbeitsfähigkeit ab 01.02.2003 bin ich sehr einverstanden".). Dr. X führte weiter aus, dass er bereits am 8. August 2002 den Kläger untersucht und ihm gestützt auf diese Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeit ab 1. August 2002 attestiert habe. Die Untersuchung sei jedoch ohne vorherige Anmeldung durch den Kläger erfolgt. Daher sei die Untersuchung nicht in den Akten (Krankengeschichte), sondern nur im PC vermerkt worden. Ebenfalls im PC sei die Abgabe des ausgestellten Arbeitsunfähigkeitszeugnisses vermerkt worden.

  3. Zu diesem Bericht von Dr. X vom 7. Februar 2003 liess die Beklagte eine Stellungnahme bei Dr. Y, einem B-Vertrauensarzt, einholen. Dr. Y hatte sich insbesondere dazu zu äussern, ob im Lichte der Diagnose von Dr. X eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 1. August 2002 bis auf weiteres als gerechtfertigt

    erscheint. Dr. Y kam in seiner Beurteilung zum Ergebnis, dass die Diagnose von Dr. X keinen Rückschluss auf eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers erlaube. Die von Dr. X diagnostizierten Beschwerden vermöchten "eine Arbeitsunfähigkeit nicht zu rechtfertigen". Insbesondere sei "eine Arbeitsunfähigkeit während rund sechs Monaten nicht gerechtfertigt".

  4. In einem Schreiben vom 15. April 2003 richtete die Beklagte einige Zusatzfragen an Dr. X, die von Letzterem am 25. April 2003 beantwortet wurden. Entgegen seinem früheren Bericht vom 7. Februar 2003, wo er volle Arbeitsfähigkeit ab 1. Februar 2003 attestiert hatte, bestätigte er nun eine Arbeitsunfähigkeit bis in den Mai 2003 hinein (Frage 7). Auf die Frage "Wie hat die Mitarbeitende/der Mitarbeiter ihren/seinen konkreten Arbeitsplatz und die damit verbundenen Anforderungen

    beschrieben" (Frage 6) antwortete er: "Nein, dies wird jedoch jetzt Gegenstand der Besprechung in den nächsten Wochen sein".

    Mit einem auf den 10. Juni 2003 datierten Schreiben reichte Dr. X auf Aufforderung der Vorinstanz hin schliesslich eine weitere tabellarische Übersicht zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers ein. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass bei der Konsultation vom 8. August 2002 folgender medizinischer Befund aufgenommen wurde:

    • Magenschmerz/Abdominalschmerz mit schwerer Obstipation

    • schwere obstruktive Bronchitis

    Gestützt auf diesen Befund wurde dem Kläger rückwirkend auf den 1. August 2002 Arbeitsunfähigkeit attestiert. Die medizinischen Befunde und die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden bei verschiedenen Konsultationen des Klägers bis zum 27. Mai 2002 gleichbleibend wiederholt. Dr. X verwies zudem darauf, dass der Kläger seit August 2002 auch bei spezialärztlichen Untersuchungen (8. und

    16. Oktober 2002) und im Frühjahr 2003 auch zweimal hospitalisiert war (am 4. Februar 2003 und dann stationär vom 24. Februar bis zum 5. März 2003). Die Vorinstanz unterschied in der von ihr erstellten Tabelle die Kolonnen "Arbeitsunfähigkeit in %" und

    "Arbeitsunfähigkeit betreffend folgender Tätigkeiten". Die Kolonne "Arbeitsunfähigkeit betreffend folgender Tätigkeiten" wurde von Dr. X nicht ausgefüllt.

  5. Mit einem Bericht vom 29. August 2003 nahm Dr. S, FMH für innere Medizin (speziell Gastroenterologie) zu Fragen der Vorinstanz Stellung. Dr. S behandelte den Kläger seit August 2000 wegen seinen anhaltenden Bauchund Magenproblemen. Dr. S führte aus, dass er den Kläger im November und Dezember 2000 wegen einer chronischen Analfissur (Afterriss; Verletzung in der Afterschleimhaut) und einer Analfistel (Eitergänge zwischen dem Afterkanal und der Afterumgebung) hospitalisieren liess. Nach den im Spital erfolgten operativen Eingriffen seien jedoch beide Befunde vollständig abgeheilt. Bei den immer noch anhaltenden Bauchund Magenbeschwerden des Klägers würde es sich um "unangenehme, aber harmlose sogenannt funktionelle gastrointestale Beschwerden (Reizmagen, Reizdarm)" handeln. Nebenbei würde der Kläger an einer chronischen Bronchitis, erhöhtem Blutdruck und an massivem Übergewicht leiden. Weiter führte Dr. S aus, dass er nie zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers Stellung zu nehmen hatte. Immerhin sei der Kläger im Anschluss an die beiden genannten Hospitalisationen Ende 2000 sicher während ein bis zwei Wochen arbeitsunfähig gewesen. Eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit habe aus gastroenterologischer Sicht aber "eindeutig nicht" bestanden. Zudem sei der Kläger im Zusammenhang mit seinen chronischen Magen-Darm-Beschwerden sicher in der Lage gewesen, eine neue Stelle zu suchen. In einem ergänzenden Telefongespräch vom 18. September 2002 mit der a.o. Gerichtsschreiberin des Arbeitsgerichtes bestätigte Dr. S, dass der Kläger am

    8. und 16. Oktober 2002 bei ihm in der Praxis gewesen sei. Dabei sei jeweilen eine Darmspiegelung durchgeführt worden. Dies habe an den genannten Daten zu einer Arbeitsunfähigkeit von je einem halben einem ganzen Tag geführt. Bei diesem Telefongespräch wiederholte Dr. S, dass aufgrund seines (spezialärztlichen) Befundes keine längere Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte. Da der Kläger verschiedene gesundheitliche Probleme habe, sei eventuell durch deren Zusammenwirken Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen. Dies zu beurteilen sei aber nicht seine Sache.

  6. Im Berufungsverfahren reichte der Kläger sodann eine Verfügung der IV-Stelle vom

11. November 2003 ein, worin diese als Abklärungsergebnis festhält, der Kläger sei seit 01.08.2002 in seiner Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt und nicht mehr erwerbsfähig, und ihm wurde ab 01.08.2003 eine volle IV-Rente zugesprochen.

5. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers während der Kündigungsfrist (1. August bis 31. Oktober 2002) ist nicht nachgewiesen:

  1. Dieser fehlende Nachweis ergibt sich allerdings nicht aus einer Rückdatierung des Arztzeugnisses von Dr. X, wie die Beklagte ursprünglich geltend machte. Wird den Angaben von Dr. X gefolgt, war der Kläger bereits am 8. August 2002 bei ihm in Konsultation und wurde ihm bereits damals eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. August 2002 attestiert. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass diese Angaben des Hausarztes nicht stimmen würden. Das Arztzeugnis vom 11. Dezember 2002 ist demnach nicht um rund 4 ½ Monate rückdatiert, sondern geht von einem Befund am 8. August aus. Somit liegt eine Rückdatierung von lediglich rund einer Woche vor (vom 8. auf den 1. August), was aber nicht genügt, um die Beweiskraft des Arztzeugnisses entscheidend zu erschüttern. Im Übrigen muss aufgrund der Angaben X davon ausgegangen werden, dass er bereits bei der Konsultation am 8. August 2002 ein Arztzeugnis ausstellte.

  2. Massgeblich sind vielmehr folgende Überlegungen:

aa) Dr. X attestierte dem Kläger für die fragliche Zeit ab 1. August 2002 "Raucherlunge", Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Magenschmerzen mit Verstopfungen. Dabei ist die wesentliche Frage die, inwiefern diese gesundheitlichen Beschwerden geeignet waren, den Kläger vom 1. August bis 31. Oktober 2002 von seiner als Betriebsarbeiter bei der Beklagten zu verrichtenden Arbeit abzuhalten. In diesem Sinne gehört es zum erforderlichen Inhalt eines Arztzeugnisses, dass es Stellung dazu nimmt, ob der Arbeitnehmer die konkrete, im Betrieb zu leistende Arbeit zu erbringen vermag nicht und inwiefern dem Arbeitnehmer andere Arbeiten zumutbar sind (BRÜHWILER, N 9 zu Art. 324a OR; SCHÖNENBERGER, 74 f. und 115).

Da die Regelung von Art. 336c Abs. 2, 2. Teilsatz OR, wonach die Sperrfristen nach Art. 336c Abs. 1 OR auch während der Kündigungsfrist Wirkung entfalten, im Wesentlichen darum besteht, weil eine Anstellung des Arbeitnehmers durch einen neuen Arbeitgeber auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist im Hinblick auf die Ungewissheit über Fortdauer und Ausmass der Arbeitsunfähigkeit höchst unwahrscheinlich erscheint (Botschaft Kündigungsschutz vom 9. Mai 1984, in: BBl 1984 II, S. 605; Entscheid des Obergerichts Zürich vom 23. März 1979, in: ZR 79 Nr.

56), sind die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden auch darauf zu prüfen, inwiefern sie die Einstellungschancen des Stellensuchenden reduzieren. In diesem Zusammenhang ergibt sich allerdings, dass die Beurteilung der gesundheitlichen Beschwerden im Hinblick auf allfällige Einstellungschancen starke Überschneidungen aufweist mit der Beurteilung der aktuellen Einsatzfähigkeit im noch beschäftigenden Betrieb. Denn auch der mögliche zukünftige Arbeitgeber wird den Stellensuchenden danach beurteilen, inwiefern er bei ihm einsatzfähig ist.

Dr. X substantiierte jedoch auch auf wiederholte Nachfrage nicht, inwiefern sich die von ihm attestierten gesundheitlichen Beschwerden auf die konkrete Arbeit auswirken würden, beziehungsweise ob und welche andere Arbeiten dem Arbeitnehmer allenfalls zumutbar gewesen wären. Auf Nachfrage der Beklagten, die darauf abzielte, die Beeinträchtigung des Klägers bei der konkreten Arbeit zu eruieren, verwies er lediglich auf künftig zu führende Gespräche. Im Folgenden forderte ihn die Vorinstanz ausdrücklich auf, in einer von ihr erstellten Tabelle konkret anzugeben, in Bezug auf welche Tätigkeiten sich eine Arbeitsunfähigkeit ergebe. Diese Tabelle füllte Dr. X wie erwähnt nicht aus. Darauf wird im angefochtenen Entscheid nicht eingegangen. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass der Kläger seit 1997 bei Dr. X Patient gewesen sei und dieser offenbar gewusst habe, dass er bei A angestellt sei. Aus den Unterlagen der B betreffend eine frühere Abklärung vom 26. Januar 2001 ergebe sich, dass dem Hausarzt die berufliche Tätigkeit des Klägers bekannt gewesen sei. Die entsprechende Frage lautete: "Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf als Betriebsarbeiter" Daraus ergibt sich zwar mit der Vorinstanz, dass Dr. X bekannt war, dass der Kläger Betriebsarbeiter bei der Beklagten war. Betriebsarbeiter in einer Grossbäckerei ist jedoch ein sehr weiter Begriff, der sehr unterschiedliche Anforderungen enthalten kann.

Zusammenfassend ergibt sich, dass der erforderliche Inhalt eines Arztzeugnisses nicht gegeben ist. Dem Arztzeugnis von Dr. X kommt somit nur eine beschränkte Beweiskraft zu, zwar nicht in Bezug auf die medizinische Diagnose, jedoch hinsichtlich der notwendig damit verknüpften Aussage zur Arbeitsunfähigkeit.

bb) Weitere Zweifel bezüglich der Folgerungen zur Arbeitsunfähigkeit ergeben sich daraus, dass Dr. Y, der Vertrauensarzt der Beklagten, zum Schluss kommt, gestützt auf

die Diagnose von Dr. X sei keine Arbeitsunfähigkeit und insbesondere keine Arbeitsunfähigkeit während rund sechs Monaten gerechtfertigt. Nicht überzeugend sind in dieser Hinsicht die Ausführungen der Vorinstanz, welche bemängelte, dass Dr. Y nicht selber eine Untersuchung vorgenommen habe, sondern sich "nur" auf die Diagnosen von Dr. X gestützt habe. Vorerst ist festzuhalten, dass Dr. Y nicht im Nachhinein die Diagnose selber zu stellen hatte. Diese setzte er als im Grundsatz richtig voraus. Es ging einzig darum, die Plausibilität der daraus abgeleiteten Arbeitsunfähigkeit nachzuvollziehen. Auch dafür kann unter Umständen die direkte Untersuchung im relevanten Zeitraum von Bedeutung sein, je nach Art der diagnostizierten Krankheit erscheint es aber auch möglich, dass ein ausgewiesener Arzt retrospektiv gültige Aussagen machen kann (SCHÖNENBERGER, 104). Hier ging es um die Schlüsse aus den Diagnosen "Raucherlunge", Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Magenschmerzen/Verstopfung. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Wirkungen von allgemeinen gesundheitlichen Belastungen wie Raucherlunge, Fettleibigkeit und Bluthochdruck auch von einem Drittarzt im Nachhinein in etwa beurteilt werden können. Etwas schwieriger erscheinen gastroenterologische Beschwerden. Diesbezüglich hat jedoch der Facharzt Dr. S gegenüber der Vorinstanz bestätigt, dass sich nach zwei Hospitalisationen im Jahr 2000 keine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit begründen liess. Insbesondere bei den anhaltenden Magenund Bauchbeschwerden handle es sich um unangenehme, aber harmlose sogenannte "funktionelle gastrointestinale Beschwerden (Reizmagen, Reizdarm)", der Kläger sei trotz diesen Beschwerden "sicher in der Lage gewesen, eine neue Stelle zu suchen".

cc) Zweifel an der behaupteten Arbeitsunfähigkeit ergeben sich sodann auch aus der Tatsache, dass der Kläger seine Krankheit während der Kündigungsfrist nicht meldete und erst einiges später mitteilte. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Krankheiten innerhalb der Kündigungsfrist diese dem Arbeitgeber anzuzeigen. Anzeigeund Nachweisungspflicht sind Ordnungsvorschriften. Deren Verletzung allein lässt daher die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nicht untergehen. Sie soll jedoch dem Arbeitgeber ermöglichen, Umdispositionen zu treffen und Missbräuche zu verhindern (MANFRED REHBINDER, Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, in: Festschrift für OSCAR VOGEL, Freiburg 1991, 183 ff., 184). Der Arbeitgeber kann dadurch insbesondere den Arbeitnehmer während noch bestehendem Arbeitsverhältnis durch einen Vertrauensarzt untersuchen lassen (vgl. auch Ziff. 4.4.2 Personalreglement A).

Im Einzelnen ist bezüglich der zeitlichen Verhältnisse von Folgendem auszugehen: Die Beklagte behauptet, der Kläger habe ihr gegenüber erstmals mit seinem Schreiben vom 20. Februar 2003, welchem er das Arztzeugnis vom 11. Dezember 2002 beigelegt habe, die Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht. Die Vorinstanz nahm gestützt auf die von ihr bei der B beigezogenen Unterlagen an, diese habe bereits Ende Dezember 2002 von der Arbeitsunfähigkeit gewusst. Es sei daher anzunehmen, dass der Kläger bereits vor dem 20. Februar 2003 seine Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht habe. Die Darstellung des Sachverhalts durch den Kläger im Klageformular bestand aus einem einzigen Satz. Hingegen legte er 11 Beweisdokumente bei, mit welchen er seinen Anspruch belegen wollte. Aus diesen ergibt sich somit massgeblich, welchen Sachverhalt der Kläger ursprünglich darlegen wollte. Relevant sind vor allem die kläg. act. 3 ("Austrittsmeldung aus der Firma - B" vom 12.11.2002), kläg. act. 6 (Schreiben B/Kläger vom 15. Januar 2003; "Krankmeldung vom 1.8.2002, Versicherten-Nr.... Übertritt aus Kollektiv A") und schliesslich kläg. act. 10 (Schreiben Kläger/Beklagte vom 20.02.2003 ("Taggeldversicherung"). Der Kläger selber beruft sich damit einzig auf die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Beklagten durch das Schreiben vom

20. Februar 2003. Er wies sodann auch darauf hin, dass er das Arztzeugnis nur dem RAV, nicht der Beklagten überbracht habe. Dem entspricht der Hinweis auf dem Arztzeugnis vom 11.12.2002 ("Ärztliches Zeugnis z.Hd. v. RAV"). Der Kläger wurde durch die Beklagte schriftlich darauf hingewiesen, dass er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der Kollektivversicherung in eine Einzelversicherung bei der B übertreten könne. Die entsprechende Anmeldung nahm der Kläger offenbar vor, denn mit dem Schreiben der B vom 15. Januar 2003 nahm diese auf den "Übertritt aus Kollektiv A" Bezug. Gleichzeitig bezog sie sich auf die Krankmeldung vom 1.8.2002. Offenbar hatte der Kläger mit seiner Übertrittsmeldung auch auf seine Arbeitsunfähigkeit seit 1.8.2002 verwiesen. Dem entspricht auch in zeitlicher Hinsicht

- der Hinweis der B im Formular an den Vertrauensarzt Dr. Y, wonach ihr der Fall erst Ende Dezember 2002 angemeldet wurde. Es ist somit davon auszugehen, dass zwar die B Ende Dezember 2002 aufgrund der Meldung zum Policenwechsel von der behaupteten Arbeitsunfähigkeit ab 1.8.2002 wusste, dass jedoch der Kläger gegenüber der Beklagten seine Arbeitsunfähigkeit erst am 20. Februar 2003 geltend machte.

Mit der späten Mitteilung wurde der Beklagten objektiv verunmöglicht, die Arbeitsunfähigkeit noch während laufendem Arbeitsverhältnis überprüfen zu lassen, wie

es dem Gesetzeszweck entsprechen würde. Dies gereicht dem Kläger zum Nachteil und ist bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob er sich subjektiv im Klaren war, dass er das Arztzeugnis trotz Freistellung einreichen musste, ob die Unterlassung also verschuldet war. Anders könnte man einzig entscheiden, wenn man annähme, die Arbeitgeberin hätte umgekehrt eine

Informationsund Aufklärungspflicht gehabt, deren Verletzung dazu führt, dass sie sich die fehlende Einreichung des Arztzeugnisses letztlich selber zuzuschreiben hätte. Davon geht die Vorinstanz aus. Das erscheint jedoch als zu weit gehend.

dd) Vor allem entstehen auch Zweifel aufgrund des zeitlichen Ablaufs: Am 31. Juli 2002 wurde dem Kläger mit sofortiger Freistellung gekündigt. Für die Zeit ab dem 1. August 2002 macht der Kläger sodann eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit geltend. Mit anderen Worten war der Kläger bis zum 31. Juli 2002 arbeitsfähig, aber am Tag nach der Entlassung (1. August 2002) soll die Arbeitsunfähigkeit eingesetzt haben. Dies stellt einen höchst abrupten Übergang in den Krankheitszustand dar, der von aussen ohne weitere Angaben nicht nachvollzogen werden kann. Zu erwarten wäre, dass es am Abend vom 31. Juli am 1. August 2002 einen besonderen Vorfall gegeben hätte. Der Kläger legt hingegen nicht überzeugend dar, weshalb er just ab dem 1. August 2002 krank bzw. arbeitsunfähig war. Nicht überzeugend ist insbesondere sein Argument, dass die gesundheitlichen Beschwerden schon vor der Kündigung vorhanden gewesen seien, er sich jedoch wegen Angst um Verlust des Arbeitsplatzes nicht getraut habe, die Beschwerden der Beklagten anzuzeigen: Es ist erwiesen, dass der Kläger auch zuvor während des Arbeitsverhältnisses nicht eingeschüchtert war, gesundheitliche Beschwerden anzuzeigen, die zu mehrmonatiger Arbeitsunfähigkeit führten.

ee) Zusammenfassend ergibt sich, dass aufgrund der bis zum vorinstanzlichen Urteil vorliegenden Anhaltspunkte und Akten kein Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Kündigungsfrist vom 1. August bis zum 31. Oktober 2002 erbracht wurde.

Der Kläger hat nun jedoch neu im Berufungsverfahren eine IV-Verfügung vom 11. November 2003 eingereicht. Diese bescheinigt dem Kläger rückwirkend eine erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit seit dem 1. August 2002, also bereits während der

hier relevanten Zeit, und spricht ihm eine volle Rente zu. Nachdem in der Verfügung auf eigene Abklärungen der IV-Stelle verwiesen wurde, beschloss das Gericht gestützt auf den Untersuchungsgrundsatz, ein Beweisantrag lag nicht vor -, die Unterlagen der IV ebenfalls noch beizuziehen. Die IV-Akten ergaben indessen für den fraglichen Zeitraum keine neuen Anhaltspunkte:

Der Entscheid der IV erging (vgl. die Aktennotiz der Sachbearbeiterin vom 10. Oktober 2003 und die zweizeilige - Antwort des Regionalen ärztlichen Dienstes vom 22. Oktober 2003 aufgrund der Unterlagen des Hausarztes und der behandelnden Psychiaterin, insbesondere jener der Psychiaterin ["AUF seither 100%, dies vor allem aus psychiatrischen Gründen"]). Eigene Abklärungen wurden nicht getätigt. Der Bericht der Psychiaterin datiert vom 14. August 2003. Sie bescheinigt eine depressive Störung mit schweren und mittelgradigen Episoden, "zur Zeit schwere Episode". Sie selbst behandelte den Kläger erst seit 21. März 2003. Sie verweist jedoch darauf, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben und einem Bericht des Kantonsspitals bereits seit drei Jahren an diesen Beschwerden leide. Bei den Akten befinden sich zwei Berichte des Kantonsspitals, ein Sprechstundenbericht vom 24. Februar 2003 und der Austrittsbericht vom 11. März 2003. Der Sprechstundenbericht gibt indessen bezüglich einer depressiven Störung einzig die Angaben des Klägers selber wieder ("Bei näherer Befragung des Patienten berichtet er zusätzlich über ein ausgeprägtes neuropsychologisches Beschwerdebild mit Depressionsneigung, rascher Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen und allgemeiner Schwäche") ohne zeitliche Angaben. Im Schlussbericht vom 11. März 2003 erwähnt die Klinik für Chirurgie des Kantonsspitals als Diagnose "Depressive Episode seit ca. 3 Jahren". Es ist nicht ersichtlich, auf welche psychiatrischen Abklärungen sie sich als Klinik für Chirurgie dürfte sie kaum über eigene Fachkunde in Psychiatrie verfügen bei dieser Diagnose abstützt. Mehr als die im Sprechstundenbericht erwähnten eigenen Angaben des Klägers sind nicht substantiiert. In ihrer Stellungnahme zuhanden der Sozialversicherungsanstalt vom 26. September 2003 erwähnt die Klinik denn auch, dass der Patient wegen anhaltenden Rückenund rechtsseitigen Kniebeschwerden (ein neues Leiden, das bislang noch nicht diagnostiziert worden war) um eine Anmeldung bei der IV nachgekommen sei. "Im Weiteren leide er unter einer chronischen Depression". Mit dieser Formulierung gab sie somit nur die Angaben des Patienten wieder, ohne diese objektiv zu bestätigen. Objektiv bestätigt sie einzig die vorgenommene Operation wegen eines primären

Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüse) und erwähnt einzig, dass "depressive Zustandsbilder mit einem Hyperparathyreoidismus vergesellschaftet sein können". Von einer depressiven Erkrankung welche für die IV massgeblich war für die Zusprechung der Rente im hier relevanten Zeitraum zwischen dem 1. August und

dem 31. Oktober 2002 kann somit nicht ausgegangen werden. Dies wird selbst durch die Angaben des Hausarztes Dr. X in dessen Arztbericht an die IV vom 19.08.2003 bestätigt. Bei den "Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit" führt er "schwere Depression" an, seit April 2003. Und im Beiblatt dazu erläutert er zusätzlich: "Der Patient hat sich durch seine diversen Beschwerden in ein eigentliches Denken geflüchtet er sei schwer krank und könne nicht mehr arbeiten. Schliesslich macht er neu Depressionen, sodass er an Frau Dr. C, FMH Psychiatrie, weitergewiesen

wird ..." (Hervorhebung beigefügt).

In Bezug auf die übrigen oben behandelten Leiden ergibt sich aus dem Arztbericht von Dr. X an die IV vom 19. 08. 2003 schliesslich eher eine Relativierung seiner früheren Ausführungen. Im Formular wird unterschieden zwischen Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit und solchen ohne Auswirkung. Von den im früheren Arztzeugnis vom 7. Februar 2003 zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit erwähnten Diagnosen arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), schwere chronische obstruktive Lungenkrankheit (Raucherlunge) und Adipositas (Fettleibigkeit) sowie den Bauchund Analbeschwerden (vgl. oben Ziff. 5.b) erwähnt er bei den Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit noch die chronische Lungenkrankheit und die chronischen Bauchund Analbeschwerden. Auch hier zeigt sich, dass er abgesehen von den neueren Erkrankungen im Frühling 2003 (Depression etc.) keine massgebliche Veränderung für den hier interessierenden Zeitraum bescheinigt. Vielmehr bezeichnet er diese Beschwerden als chronisch und gibt bei der Frage nach den zeitlichen Verhältnissen einzig "Sommer 1997" an. Bestätigt wird dies in Bezug auf die Lungenkrankheit auch durch den durch Dr. X bei Frau Dr. D eingeholten Bericht. Diese führte in ihrem Schreiben vom 13.06.03 aus, sie habe bereits 1999 ein "mittelschweres Lungenemphysem im Rahmen einer chronischen Bronchitis bei Nikotinabusus" festgestellt. Die erneute Lungenfunktionsprüfung bestätige "ein leichtes Lungenemphysem, hingegen haben sich die Werte gegenüber 1999 eher verbessert".

6. Insgesamt ist somit eine Arbeitsunfähigkeit während der Kündigungsfrist nicht nachgewiesen. Zu prüfen bleibt einzig, ob dem Kläger Ansprüche zustehen, weil er am

8. Oktober und am 16. Oktober 2002 eine Darmspiegelung in der Praxis von Dr. S durchführen liess. Dr. S bestätigte auf Anfrage der Vorinstanz, dabei seien die meisten Patienten einen halben Tag vor der Darmspiegelung arbeitsunfähig und auch am Tag der Darmspiegelung seien sie oft müde. Eine Arbeitsunfähigkeit von einem halben einem ganzen Tag sei demzufolge an diesen Daten gegeben. Der Kläger selber berief sich nicht ausdrücklich auf diese Arbeitsverhinderung; die Frage ist jedoch von Amtes wegen zu prüfen.

Ein blosser Wahleingriff stellt keinen Tatbestand dar, der gemäss Art. 336c OR Kündigungsschutz auslöst. Entscheidend ist vielmehr, ob der Gesundheitszustand derart war, dass ein Eingriff zwingend war und das Ende der Kündigungsfrist nicht abgewartet werden konnte. So wurde zum Beispiel Kündigungsschutz bejaht in einem Fall, da die Arbeitsverhinderung während der Kündigungsfrist auf eine zwar nicht notfallmässige, aber infolge Schmerzen und Gefahr der Schadenvergrösserung unaufschiebbare Operation mit in der Folge rund zweimonatiger Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen war (JAR 2001, 282; MANFRED REHBINDER/WOLFGANG PORTMANN, Basler Kommentar, N 7 zu Art. 336c OR). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Dr. S beschrieb die chronischen Magenund Darmbeschwerden des Klägers als "harmlose sogenannt funktionelle gastrointestinale Beschwerden." Die Untersuchung führte auch nicht etwa zu einer anschliessenden Hospitalisation. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht das in zwei bis drei Wochen bevorstehende Ende der Kündigungsfrist hätte abwarten können. Der Kläger selber führte dazu in der Berufungsantwort denn auch nur aus, zwischenzeitlich sei er beim Spezialarzt Dr. S in Untersuchung gewesen, welcher die Diagnosen bestätigt habe. Die durchgeführten Darmspiegelungen sind somit im Sinn von Art. 336c OR nicht zu berücksichtigen.

Damit ist die Berufung zu schützen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

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