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Urteil Kantonsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils BR.2006.2: Kantonsgericht

Der Text handelt von einem anwaltsrechtlichen Disziplinarverfahren, bei dem ein Rechtsanwalt in einem Strafverfahren gegen seinen Mandanten inhaftierten Vater involviert war. Der Rechtsanwalt wurde von der Anklagekammer ausgeschlossen, da er gegen standesrechtliche Pflichten verstossen hatte. Es wurde festgestellt, dass er die Beweisverfälschung in Kauf genommen hatte, indem er einen Brief für die Tochter seines Mandanten verfasste und diesen ohne Offenlegung seiner Beteiligung an die Untersuchungsbehörden weiterleitete. Die Anwaltskammer verhängte eine Geldbusse von 1.000 CHF und verpflichtete ihn, die Verfahrenskosten zu tragen. Der Rechtsanwalt legte Beschwerde ein und argumentierte, dass die Sanktion unverhältnismässig sei. Die Anwaltskammer verteidigte ihre Entscheidung und hielt die Geldbusse für angemessen, da es sich um einen mittelschweren Fall handelte.

Urteilsdetails des Kantongerichts BR.2006.2

Kanton:SG
Fallnummer:BR.2006.2
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Zivilkammern (inkl. Einzelrichter)
Kantonsgericht Entscheid BR.2006.2 vom 14.12.2006 (SG)
Datum:14.12.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 12 lit. a und 17 BGFA; Art. 4 lit. c KV; Art. 7, 15 Abs. 2 und 61 VRP. Anwaltsrechtliches Disziplinarverfahren. Keine Ausstandspflicht einer Gerichtsschreiberin, die sowohl in der anzeigenden Anklagekammer als auch in der urteilenden Anwaltskammer tätig ist, wenn sie im konkreten Fall im Verfahren vor der Anklagekammer effektiv in keiner Weise beteiligt war. Beurteilung der Einhaltung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die in der Mitteilung über die Verfahrenseröffnung seitens der Anwaltskammer vorgebrachten Informationen. Verstoss gegen die Berufsregel der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung in Analogie zu den Regeln für die private Zeugenbefragung bejaht für den Fall, dass sich aufgrund der von einem verfahrensbeteiligten Rechtsanwalt im Hintergrund vorgenommenen Redaktion einer schriftlichen Stellungnahme eines Zeugen/einer Auskunftsperson zuhanden einer Behörde die Gefahr einer Beweisverfälschung ergibt. Beurteilung der Verhältnismässigkeit der von der Anwaltskammer ausgesprochenen Sanktion (Kantonsgericht, III. Zivilkammer, 14. Dezember 2006, BR.2006.2).
Schlagwörter : Anwalt; Anwalts; Anwaltskammer; Entscheid; Verfahren; Recht; Anklagekammer; Zeugen; Gefahr; Brief; Beeinflussung; Rechtsanwalt; Untersuchungshaft; Vorgehen; Verfahren; Verfahrens; Entlassung; Beschwerdeführers; Quot; Umstände; Beruf; Vater; Kanton; Auskunft; Sanktion; Hinweis; Sachverhalt; Stellung
Rechtsnorm:Art. 29 BV ;
Referenz BGE:106 Ia 100; 127 I 196; 128 I 346; 129 II 497; 129 V 73; 131 I 113; 131 I 91; 132 I 49;
Kommentar:
Fellmann, Brunner, Kommentar zum Anwaltsgesetz, Art. 13 SR, 2011

Entscheid des Kantongerichts BR.2006.2

Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 12 lit. a und 17 BGFA; Art. 4 lit. c KV; Art. 7, 15 Abs. 2 und 61 VRP. Anwaltsrechtliches Disziplinarverfahren. Keine Ausstandspflicht einer Gerichtsschreiberin, die sowohl in der anzeigenden Anklagekammer als auch in der urteilenden Anwaltskammer tätig ist, wenn sie im konkreten Fall im Verfahren vor der Anklagekammer effektiv in keiner Weise beteiligt war. Beurteilung der Einhaltung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die in der Mitteilung über die Verfahrenseröffnung seitens der Anwaltskammer vorgebrachten Informationen. Verstoss gegen die Berufsregel der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung in Analogie zu den Regeln für die private Zeugenbefragung bejaht für den Fall, dass sich aufgrund der von einem verfahrensbeteiligten Rechtsanwalt im Hintergrund vorgenommenen Redaktion

einer schriftlichen Stellungnahme eines Zeugen/einer Auskunftsperson zuhanden einer Behörde die Gefahr einer Beweisverfälschung ergibt. Beurteilung der Verhältnismässigkeit der von der Anwaltskammer ausgesprochenen Sanktion (Kantonsgericht, III. Zivilkammer, 14. Dezember 2006, BR.2006.2).

Erwägungen

I.

  1. Der Beschwerdeführer (Rechtsanwalt) vertrat A im vom Untersuchungsamt gegen diesen geführten Strafverfahren ST.2006.3202. Gegenstand dieses Verfahrens war im Wesentlichen der Vorwurf, A habe sich am 1. Februar 2006 mit seiner Tochter B wegen deren Beziehung zu Z gestritten, diesem anschliessend telefonisch mit dem Tod gedroht und dann eine Waffe an sich genommen. Daraufhin sei er nach dem Verlassen seiner Wohnung von der Polizei angehalten worden, wobei er eine Pistole mit gefülltem Magazin auf sich getragen haben soll. A habe geltend gemacht, er habe die Waffe nur zum Waffenhändler bringen wollen und nicht beabsichtigt, Z etwas anzutun (vi-act. 1, 1 [Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 31. März 2006 im Verfahren AK.2006.85-AK; vi-act. 4a, act. 1, 1 [Antrag der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen vom 16. März 2006 im Verfahren AK.2006.85-AK]). A wurde im Zusammenhang mit diesem Vorfall in Untersuchungshaft genommen.

    Die fallführende Untersuchungsrichterin erhielt dann am 16. März 2006 ein von B unterzeichnetes, neutral gehaltenes Schreiben, das diese auch als Absenderin ausweist. Es enthält einige nähere, negative Ausführungen zur Person von Z, einen Hinweis auf die angeschlagene psychische Gesundheit ihres Vaters sowie die Bitte um dessen baldige Entlassung aus der Untersuchungshaft (vi-act. 4a, act. 1, Beilage 1; viact. 1, 1; vi-act. 4a, act. 1, 1). Dieses Schreiben wurde im Anschluss an einen Anruf von B vom Beschwerdeführer verfasst. Er liess B den Entwurf des Schreibens über deren Mutter zukommen. Sie unterzeichnete den Brief in der Folge und retournierte ihn über ihre Mutter an den Beschwerdeführer (vi-act. 4a, act. 1, Beilage 3, 2 und 4).

    Der Umstand, dass das erwähnte Schreiben vom Beschwerdeführer verfasst worden war, stellte sich für die zuständige Untersuchungsrichterin aufgrund eines zufälligerweise unmittelbar nach dessen Eintreffen mit B geführten Telefongesprächs heraus, das aus anderem Anlass erfolgt war. Die zuständige Untersuchungsrichterin befragte B noch am selben Tag näher zu diesem Sachverhalt (vi-act. 4a, act. 1, Beilagen 2 und 3).

  2. Auf dieser Grundlage und auf Antrag der Staatsanwaltschaft entschied die Anklagekammer am 31. März 2006, den Beschwerdeführer von der weiteren Mitwirkung im Strafverfahren gegen A auszuschliessen (vi-act. 1). Nach Auffassung der Anklagekammer verstiess der Beschwerdeführer mit seinem Vorgehen gegen standesrechtliche Pflichten, so dass ein Verfahrenausschluss aus wichtigen Gründen wegen Missbrauchs des Vertretungsrechts im Sinne von Art. 52 Abs. 1 lit. a des Strafprozessgesetzes [StP; sGS 962.1] notwendig sei (vgl. vi-act. 1, 5 - 7).

  3. Die Anklagekammer orientierte die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen in Anwendung von Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte [BGFA; SR 935.61] über ihren Entscheid. Die Anwaltskammer eröffnete daraufhin am 7. April 2006 ein Disziplinarverfahren, in welchem sie die Akten des Verfahrens vor der Anklagekammer sowie ein weiteres Aktenstück aus dem Strafverfahren beizog (vi-act. 2 - 4). Der Beschwerdeführer nahm am 28. April 2006 Stellung (vi-act. 6). Mit Entscheid vom 9. Juni 2006 stellte die Anwaltskammer fest, dass der Beschwerdeführer gegen Art. 12 lit. a BGFA verstossen habe, auferlegte ihm eine Geldbusse von Fr. 1'000.- und verpflichtete ihn zur Bezahlung der Kosten des Verfahrens von Fr. 1'000.-.

  4. Gegen den Entscheid der Anwaltskammer erhebt der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 6. Juli 2006 und den eingangs erwähnten Anträgen Beschwerde (B/1). Die Anwaltskammer liess sich mit Schreiben vom 21. Juli 2006 vernehmen (B/6).

II.

  1. In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer an erster Stelle eine Verletzung der Ausstandsvorschriften. Die Gerichtsschreiberin der Anwaltskammer, M. N. , hätte seiner Auffassung nach in den Ausstand treten müssen, weil sie auch in der Anklagekammer als Gerichtsschreiberin tätig ist. Es sei unzulässig, dass Mitglieder des einen anzeigenden - Spruchkörpers auch Einsitz im anderen entscheidenden - Gremium haben könnten. Das gilt seiner Meinung nach insbesondere hier, wo bereits die Anklagekammer den Vorwurf der unzulässigen Einflussnahme auf das Verfahren formuliert habe. Auch wenn ein Gerichtsschreiber unbestrittenermassen nur mit beratender Stimme mitwirke, sei die Möglichkeit der Beeinflussung des Verfahrensausgangs allemal gegeben. Aufgrund dieses Umstands sei vorliegend die Offenheit des Verfahrens nicht mehr garantiert (Beschwerde, 4 f.). Die Anwaltskammer weist darauf hin, dass M. N. zwar sowohl in der Anklagewie auch in der Anwaltskammer als Gerichtsschreiberin tätig ist, dass sie aber in der vorliegenden Angelegenheit im Rahmen des Verfahrens vor der Anklagekammer effektiv nicht beteiligt gewesen sei (Stellungnahme, 1).

    Nach der für das Verfahren vor der Anwaltskammer anwendbaren allgemeinen Verfahrensgarantie des Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV; SR 101] sowie der primär massgeblichen, sich am bundesrechtlichen Standard orientierenden Ausstandsregelung des Art. 7 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRP; sGS 951.1] (GVP 1979 Nr. 24; GVP 1983 Nr. 1; vgl. auch CAVELTI/VÖGELI,

    Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen - dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, 2. A., Rz. 191 ff.) darf ein Behördemitglied nicht am Entscheid mitwirken, wenn bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198 f. mit Hinweisen). Entsprechende Anhaltspunkte können im bestimmten Verhalten eines Behördemitglieds in äusseren Gegebenheiten auch funktioneller organisatorischer Natur begründet sein. Ein Anschein der Befangenheit kann zum Beispiel bei Vorbefassung entstehen (BGer ZBl 1999, 77 E. 2b; zur Vorbefassung im gerichtlichen Verfahren vgl. BGE 131 I 113 ff.).

    Die Gerichtsschreiberin M. N. war im Verfahren vor der Anklagekammer, welches zur Anzeige an die Anwaltskammer führte, nicht beteiligt. Dies ergibt sich bereits aus dem Rubrum des Entscheids der Anklagekammer. Auch die beigezogenen Akten dieses

    Verfahrens enthalten keinen Hinweis darauf, dass sie in irgend einer Form involviert war. Wenn M. N. in der Folge als Gerichtsschreiberin der Anwaltskammer an der anwaltsdisziplinarrechtlichen Beurteilung der Angelegenheit mitwirkte, so tat sie dies folglich ohne vorbefasst gewesen zu sein. Es trifft wohl zu, dass sich die Anklagekammer in ihrem Entscheid klar darauf festlegte, dass das Verhalten des heutigen Beschwerdeführers berufsrechtlich unzulässig war. An diesem Entscheid und der dazu führenden Meinungsbildung war M. N. aber eben nicht beteiligt, und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern sie daran in ihrer Arbeit für die Anwaltskammer hätte gebunden sein sollen. Sodann ist nicht anzunehmen, dass der ihr sowohl in der Anklagewie in der Anwaltskammer vorgesetzte Kantonsrichter Dr. Niklaus Oberholzer, der wegen seiner Beteiligung am Entscheid der Anklagekammer im Verfahren vor der Anwaltskammer nicht mitwirkte, über sie dennoch auf den Entscheid Einfluss genommen hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass M. N. vorliegendenfalls die Sachund Rechtslage eigenständig beurteilt hat. Allein aus dem funktionellen Aspekt ihrer Zugehörigkeit zur Anklagekammer kann im Übrigen nicht auf einen Anschein der Befangenheit geschlossen werden. Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich eine andere Auffassung vertreten sollte (Beschwerde, 4/5), könnte ihm nicht gefolgt werden.

  2. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, die Anwaltskammer habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie dem Entscheid einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der so ursprünglich nicht vorgeworfen worden sei und zu dem folglich nicht habe Stellung genommen werden können. Im Einzelnen argumentiert er, zu den von der Vorinstanz als Entscheidbasis herangezogenen Vorwürfen einer bewussten Falschdarstellung im für B verfassten Schreiben sowie einer direkten über das Konstrukt der Inkaufnahme von Repressalien seitens der Familie bewirkten indirekten Unterdrucksetzung von B habe er sich nicht äussern können (Beschwerde, 9). Die Anwaltskammer entgegnet hier, anlässlich der Eröffnung des Disziplinarverfahrens sei der Sachverhalt erneut kurz dargelegt worden. Dieser sei dem Beschwerdeführer zudem aus dem Urteil der Anklagekammer hinreichend bekannt gewesen (Stellungnahme, 1).

Beim anwaltsrechtlichen Disziplinarverfahren handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren (vgl. BGE 128 I 346 E. 2.2 S. 348 mit Hinweisen). Im Sinne einer bundesrechtlichen Mindestgarantie (BGE 131 I 91 E. 3.1 S. 95) besteht dabei nach Art.

29 Abs. 2 BV Anspruch auf rechtliches Gehör. Das beinhaltet im Sinne eines Teilgehaltes auch die Verpflichtung der Behörde, dem Adressaten einer in dessen Rechtsstellung eingreifenden Verfügung den entscheidwesentlichen Sachverhalt zur Kenntnis zu bringen, damit sich dieser in Kenntnis der Angelegenheit äussern kann, und erst dann zu entscheiden (vgl. zum rechtlichen Gehör im Allgemeinen BGE 129 II 497 E. 2.2 S. 504 f.; BGE 129 V 73 E. 4.1 S. 74; zum Recht auf Orientierung R. HOTZ, St. Galler Kommentar zur BV, N 27 zu Art. 29; J.P. MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 520). Kantonalrechtlich sieht Art. 4 lit. c der Kantonsverfassung (KV; sGS 111.1) vor, dass ein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Massgabe der Bundesverfassung besteht. Art. 15 Abs. 2 VRP hält im Einklang damit fest, dass Verfügungen, die erheblich belasten, nur zulässig sind, wenn die Betroffenen den wesentlichen Sachverhalt kennen und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

Den genannten Anforderungen wurde von der Anwaltskammer genügend Rechnung getragen. In ihrer Eröffungsmitteilung gab sie klar zu verstehen, dass der von der Anklagekammer in ihrem Entscheid festgestellte Sachverhalt als solcher Grundlage des Verfahrens sein würde und hob die dabei im Vordergrund stehenden Tatvorwürfe ausdrücklich hervor. Der Aspekt der bewussten Falschdarstellung ist dabei zum einen sinngemäss in den von der Anwaltskammer hervorgehobenen Tatvorwürfen enthalten, indem dort das Einholen der Auskunft bei B als Handlung bezeichnet wird, "die darauf ausgerichtet [ ] war[en], [..] in anderer Weise zur Verfälschung von Beweisen beizutragen". Zum anderen wird dieses Problem auch schon im Entscheid der Anklagekammer angesprochen. Dort ist immerhin davon die Rede, dass B die Frage der Haftentlassung nicht habe thematisieren wollen bzw. dies bei der Unterredung mit dem Beschwerdeführer gar nicht zur Sprache gekommen sei (vi-act. 1, 3 und 5), und die Anklagekammer kam unter anderem auf dieser Grundlage zum Schluss, es liege im Sinne von Art. 52 Abs. 1 lit. a StP begründeter Verdacht für einen Missbrauch der Rechte des Verteidigers vor. Auch der Vorwurf der Ausübung von direktem indirektem Druck auf B durch den Beschwerdeführer ist im weiteren Sinn von der Eröffnungsmitteilung erfasst. Die Anwaltskammer weist dort darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit der Einholung der brieflichen Auskunft Handlungen vorgenommen haben könnte, die "darauf ausgerichtet zumindest geeignet waren, Zeugen Auskunftspersonen zu beeinflussen". Richtig ist dabei wohl, dass von einer konkreten Druckausübung weder hier noch im Entscheid der Anklagekammer die

Rede ist. Entscheidend erscheint aber, dass dem Beschwerdeführer der nachher von der Anwaltskammer vorgehaltene Sachverhalt (Entscheid, 6) aufgrund des sich bei den Akten der Anklagkammer befindlichen Einvernahmeprotokolls B (vi-act. 4a, act. 1, Beilage 3) bekannt war und er bereits aufgrund von deren Entscheid (vi-act. 1, 5) wusste, dass bei der Vornahme eigener Abklärungen allgemein standesrechtlich das Problem der Druckausübung zur Diskussion stand. Dem Beschwerdeführer war denn auch klar, dass dieser Vorwurf im Raum stand, und er suchte diesen in seiner erstinstanzlichen Stellungnahme zu entkräften (vi-act. 6, 2 f.).

III.

  1. In der Sache wirft die Anwaltskammer dem Beschwerdeführer vor, er habe mit seinem Verhalten eine Beweisverfälschung zumindest in Kauf genommen und damit die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung gemäss Art. 12 lit. a BGFA verletzt (Entscheid, 8). In tatsächlicher Hinsicht geht es dabei um zwei Aspekte. Nach Auffassung der Anwaltskammer nahm der Beschwerdeführer erstens im von ihm im Anschluss an das Gespräch mit B für sie zuhanden der Untersuchungsrichterin formulierten Briefentwurf mit der Bitte um Entlassung ihres Vaters aus der Untersuchungshaft einen Punkt auf, den sie nicht angesprochen habe. Indem er ihr das Schreiben über ihre Mutter zur Unterschrift zukommen liess und das Schreiben auch auf diesem Weg an ihn zurückgelangte, setzte er B nach Meinung der Anwaltskammer einer möglichen Situation von innerfamiliärem Druck und Beeinflussungsversuchen aus. Er hat damit im Urteil der Anwaltskammer in Kauf genommen, dass sich B möglicherweise nicht ihrem wirklichen Willen gemäss äusserte, weil sie in dieser Situation die Streichung der erwähnten Passage nicht verlangte und sich so allenfalls eine Beweisverfälschung ergab (Entscheid, 6 f.). Zweitens lastet die Anwaltskammer dem Beschwerdeführer an, gegenüber den Untersuchungsbehörden seine Rolle nicht offengelegt, sondern das Schreiben so gestaltet zu haben, dass der Eindruck entstand, dieses stamme einzig und allein von B. Damit sei ebenfalls der Eindruck erweckt worden, die Aussagen inklusive jener zur Haftentlassung würden dem Willen von B entsprechen, was nachweislich nicht der Fall gewesen sei. Dadurch habe ebenfalls die Gefahr einer Beweisverfälschung und dabei insbesondere auch falscher Annahmen in

    Bezug auf die familiären Hintergründe bestanden. Dies sei vom Beschwerdeführer in Kauf genommen worden (Entscheid, 7 f.). Abgesehen davon bestand für die Anwaltskammer auch kein Grund für das gewählte Vorgehen, weil die fraglichen Informationen auch in der üblichen Form der Einvernahme hätten erhältlich gemacht werden können (Entscheid, 8).

    Der Beschwerdeführer bestreitet diese Vorwürfe und wirft der Anwaltskammer eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung und einen Missbrauch ihres Ermessens vor (Beschwerde, 14 und 25). Im Hinblick auf die Umstände der Entstehung und Unterzeichnung des Briefes bringt er vor, eine Disziplinierung sei nur möglich, wenn sich B effektiv abweichend von ihrem wirklichen Willen geäussert habe. Nur dann könne ihm vorgeworfen werden, die Beeinflussung einer Person in einem Strafverfahren in Kauf genommen zu haben (Beschwerde, 14). Das ist seiner Meinung nach aber nicht der Fall: Die von ihm zu Papier gebrachten Ausführungen entsprächen mit Ausnahme der Frage der Entlassung aus der Untersuchungshaft voll dem Gesprächsinhalt. Den Wunsch nach Entlassung aus der Untersuchungshaft habe er im Sinne einer legitimen Schlussforderung ziehen dürfen, weil B immerhin von der Notwendigkeit der Verlegung in eine Klinik gesprochen habe. B habe schliesslich den Inhalt des Briefs mit ihrer Unterschrift voll bestätigt. Dass eine Drucksituation bestanden haben könnte, ist für den Beschwerdeführer aufgrund der ihm nach eigenen Angaben bekannten Familienstruktur und der Persönlichkeit von B abwegig, damit habe er nicht rechnen müssen. Er hält daher fest, keinen Einfluss genommen zu haben (Beschwerde, 14 f., 19, 21 f., 24). Auch hinsichtlich der fehlenden Offenlegung der Herkunft des Briefes ist für ihn entscheidend, dass damit kein Beeinflussungsversuch verbunden gewesen sei (Beschwerde, 22).

  2. Die Berufsregeln des Art. 12 BGFA sprechen die Frage der Einflussnahme des Rechtsanwalts auf die Beweiserhebung und spezifisch jene des Umgangs mit möglichen Zeugen im Verfahren nicht konkret an. Es ist aber anerkannt, dass gewisse standesrechtliche Regeln bestehen, die vor allem im Hinblick auf den Zeugenkontakt formuliert sind und das allgemeine Bedürfnis der staatlichen Organe zum Ausdruck bringen, dass der Anwalt keine Handlungen vornimmt, die zu einer Verfälschung von Beweisen beitragen (N. OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. A., Rz. 406). Abgeleitet werden diese Regeln teils direkt aus der Generalklausel des Art. 12 lit.

    a BGFA, wonach der Rechtsanwalt seinen Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben hat, teils indirekt unter Rückgriff auf Art. 7 der Richtlinien des Schweizerischen Anwaltsverbands für die Berufsund Standesregeln vom 1. Oktober 2002 (H. NATER, Zur Zulässigkeit anwaltlicher Zeugenkontakte im Zivilprozess, SJZ 2006, 256 f.; vgl. weiter W. FELLMANN, in: Fellmann/Zindel (Hrsg.), Kommentar zum Anwaltsgesetz, N 14 i.V.m. N 22 f. zu Art. 12 BGFA; für eine direkte Bezugnahme BJM 2006, 47 ff., ZR 2006 Nr. 15 und ZR 2005 Nr. 62). Allgemein wird davon ausgegangen, dass direkte Kontakte zu Zeugen nur ausnahmsweise zulässig sind, falls im Einzelfall ein sachlicher Grund dafür besteht und wenn keine Beeinflussung des Zeugen erfolgt (so zusammenfassend FELLMANN, a.a.O., N 23 zu Art. 12 BGFA; NATER, a.a.O., 257;

    D. SCHRAMM, Entwicklungen bei der Strafbarkeit von privaten Zeugenbefragungen in der Schweiz durch Anwälte für ausländische Verfahren, AJP 2006, 496, je mit Hinweisen auf Lehre und Praxis). Ein sachlicher Grund für einen Kontakt mit einem Zeugen ist dabei regelmässig zu verneinen, wenn sich der Rechtsanwalt die Information auf andere Weise als durch Privatbefragung eines Zeugen beschaffen kann (ZR 1996 Nr. 43 S. 132). Weiter bedeutet das Verbot der Zeugenbeeinflussung, dass der Rechtsanwalt in der Situation einer grundsätzlich zulässigen Kontaktnahme mit dem Zeugen nach Möglichkeit sicherstellen muss, dass sein Vorgehen nicht bereits die blosse Gefahr einer Verfälschung des Beweisergebnisses beinhaltet (Vermeidung einer konkreten Gefährdung). Pflichtwidrig handelt auch der Rechtsanwalt, der eine objektiv bestehende Gefahr der Zeugenbeeinflussung nicht erkennt, obwohl er dies nach den konkreten Umständen müsste, und insofern grobfahrlässig handelt (BJM 2006, 49 f.; zum Verschuldensmassstab FELLMANN, a.a.O., N 26 zu Art. 12 BGFA). Auf die Strafbarkeit des Verhaltens des Rechtsanwalts kommt es nicht an (BJM 2006, 50; anders offenbar ZR 2005 Nr. 62; NATER, a.a.O., 257). Es bleibt schliesslich festzuhalten, dass ohne tragfähige sachliche Begründung eine Kontaktaufnahme auch dann nicht zulässig sein kann, wenn der Rechtsanwalt keine spezifische Gefahr der Beeinflussung sieht. Dazu führt die Überlegung, dass eine gewisse Beeinflussung des Zeugen nie ganz vermieden werden kann und Glaubwürdigkeit sowie Beweiskraft der Aussage bei vorgängiger Befragung regelmässig in Mitleidenschaft gezogen werden (ZR 1996 Nr. 43 S. 132) (Vermeidung einer abstrakten Gefährdung).

  3. a) Die Anwaltskammer ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass im Zusammenhang mit der Redaktion des Briefentwurfs und der Unterschrift durch B

    standesrechtlich die für eine eigentliche private Zeugenbefragung geltenden Grundsätze sachgemäss anzuwenden sind. Dieses Vorgehen wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Die Sichtweisen divergieren dann aber in der Würdigung der tatsächlichen Situation. Während die Anwaltskammer annimmt, dass angesichts der Umstände im Zeitpunkt seines Handelns objektiv die reelle Gefahr einer Beeinflussung bestand, verneint dies der Beschwerdeführer. Subjektiv unterstellt die Anwaltskammer dem Beschwerdeführer ein zumindest eventualvorsätzliches Handeln, während der Beschwerdeführer angesichts der seiner Auffassung nach fehlenden Gefährdungslage bereits ein fahrlässiges Vorgehen in Abrede stellt.

    aa) Das Vorgehen des Beschwerdeführers beinhaltete die Gefahr einer Verfälschung des Beweisergebnisses bzw. der Beeinflussung der Auskunftsperson. Der Beschwerdeführer formulierte den letzten Absatz des Briefes wie folgt: "Meinem Vater geht es nicht gut, wie ich von unserem Rechtsanwalt gehört habe. Ich glaube, er könnte sich etwas antun. Er war schon früher in der Klinik. Ich bitte Sie inständig, meinen Vater schnell aus der Untersuchungshaft zu entlassen." Aus der Einvernahme von B geht aber eindeutig hervor, dass sie die Frage der Entlassung ihres Vaters aus der Untersuchungshaft im Gespräch mit dem Beschwerdeführer nicht erwähnte, sondern lediglich sagte, ihr Vater müsse in eine Klinik verlegt werden. Ferner will sie vom schlechten Gesundheitszustand ihres Vaters nicht über den Beschwerdeführer, sondern über die Mutter erfahren haben. Nicht ganz klar ist demgegenüber angesichts der Ausführungen zur Verlegung in eine Klinik, ob das Bestehen einer Suizidgefahr besprochen wurde (vi-act. 4a, act. 1, Beilage 3, 3 f.). Was der Beschwerdeführer zu Papier brachte, entsprach somit inhaltlich eindeutig nicht voll dem Besprochenen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann zur Rechtfertigung dieser Differenzen nicht argumentiert werden, die Bitte um Entlassung aus der Untersuchungshaft habe als legitime Schlussfolgerung des Gesprächs in den Briefentwurf aufgenommen werden dürfen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die blosse Tatsache, dass hinsichtlich des Sinns des Besprochenen und des Geschriebenen ein Unterschied bestand; dieser war dem Beschwerdeführer angesichts seiner heutigen Ausführungen auch bewusst. Bereits dieser Umstand bringt die Gefahr der Beeinflussung der Auskunftsperson mit sich. Da es um diese Gefahr der Beeinflussung geht, ist im Übrigen unbeachtlich, inwiefern dann letztlich der effektiv geäusserte Wunsch nach Verlegung in eine Klinik und die "inständige Bitte um schnelle

    Entlassung aus der Untersuchungshaft" in den Augen von B ihren Willen gleichwertig zum Ausdruck brachten. Diese Gefährdungslage konnte objektiv auch nicht durch die unterschriftliche Bestätigung des Inhalts durch B aus der Welt geschafft werden. Einerseits bestand angesichts der Umstände seitens des Beschwerdeführers keinerlei Kontrolle darüber, inwiefern B den Brief nicht einfach ungelesen unterzeichnen würde. Andererseits lässt sich die von der Vorinstanz angesprochene Möglichkeit der Beeinflussung aufgrund einer innerfamiliären Drucksituation nicht wegdiskutieren. Wie die Anwaltskammer richtig ausführt (Entscheid, 6), hätte sich B in der konkreten Situation gegebenenfalls vor ihrer Mutter gegen die Entlassung ihres Vaters aus der Untersuchungshaft stellen müssen. In einer solchen Situation muss im Allgemeinen die konkrete Möglichkeit einer Beeinflussung klar bejaht werden; für diese Sichtweise braucht auch nicht auf eine kulturelle Konfliktsituation zurückgegriffen zu werden. Anhaltspunkte, welche diesen allgemeinen Befund für den vorliegenden Fall entkräften könnten, sind nicht gegeben. Namentlich handelt sich bei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Kenntnissen von Familienstruktur und Persönlichkeit von B um blosse Behauptungen. Selbst wenn im Übrigen aus diesen Umständen Argumente zugunsten des Beschwerdeführers abgeleitet werden könnten, so erscheint es doch als ausgeschlossen, dass ein Strafverteidiger einen so genauen Einblick gewinnt, dass er familieninterne Mechanismen sogar antizipieren kann.

    Das Vorgehen des Beschwerdeführers verletzt objektiv die angeführten Grundsätze zur Informationsbeschaffung bei Auskunftspersonen/Zeugen. Indem er zunächst mit der Bitte um Entlassung schriftlich weitergehende Aussagen festhielt als mündlich besprochen und er den Briefentwurf von B unter Zwischenschaltung ihrer Mutter zur Unterschrift vorlegte, schuf er die konkrete Gefahr der Verfälschung des Beweisergebnisses bzw. der Beeinflussung der Auskunftsperson.

    bb) In subjektiver Hinsicht sind drei äussere Aspekte zu berücksichtigen. Erstens bestand zwischen dem Informationsgehalt des Briefentwurfs und dem vorangehenden Gespräch mit der Einflechtung der Frage der Entlassung aus der Untersuchungshaft eine klare Diskrepanz. Zweitens ist es für den Aussenstehenden offensichtlich, dass sich ohne Vorliegen hier nicht ersichtlicher besonderer Umstände bei einer Parteinahme im Verfahren gegen den Vater unter gleichzeitiger Offenlegung dieses Umstands gegenüber der Familie ein Loyalitätskonflikt ergeben muss, der die

    Möglichkeit einer vom wirklichen Willen abweichenden Stellungnahme mit sich bringt. Drittens hatte der Beschwerdeführer mit einer Eingabe vom 2. März 2006 und somit kurz vor Eintreffen des fraglichen Briefs bei der Untersuchungsrichterin die Haftentlassung von A beantragt (vi-act. 4, Beilage 1). Angesichts dieser äusseren Umstände musste sich dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer dem effektiven Willen widersprechenden Äusserung von B als wahrscheinlich aufdrängen und lässt sich sein Verhalten zumindest als Inkaufnahme dieses Erfolgs verstehen.

    b) Die Anwaltskammer hat angesichts der für private Zeugeneinvernahmen geltenden Grundsätze auch richtigerweise die Vorgänge um die Zustellung des Briefes an die Untersuchungsbehörden unter dem Gesichtspunkt der standesrechtlich verpönten Beweisverfälschung überprüft.

    aa) Tatsache ist, dass die Initiative zum Verfassen des Schreibens vom Beschwerdeführer ausging (vi-act. 4a, act. 1, Beilage 3) und er dieses auch redigierte. Das Schreiben erweckt daher aufgrund seiner Machart (Adresse, Zustellvermerk "Kopie an den Beschwerdeführer ", neutraler Briefumschlag, Schriftart) den objektiv falschen Eindruck, B habe von sich aus, aus eigenem Antrieb und ohne Fremdbeteiligung an die Untersuchungsbehörden geschrieben. Vor allem einen Zustellvermerk hätte es dabei in keiner Weise gebraucht, nachdem das Schreiben von B's Mutter an den Beschwerdeführer retourniert wurde. An dem Gesamteindruck vermag auch der an sich zutreffende Hinweis des Beschwerdeführers, wonach das Schreiben von der Poststelle, mithin von seinem Geschäftssitz aus abgeschickt wurde, nichts zu ändern: Es wird eines bereits bestehenden Verdachtsmoments bedürfen, damit die Untersuchungsorgane als Adressaten den Poststempel näher prüfen und gegebenenfalls entsprechende Schlüsse ziehen. Das war hier offensichtlich nicht der Fall. Angesichts dieser Umstände bestand objektiv eine erhebliche Gefahr, dass die Untersuchungsbehörden den Inhalt dieses Schreibens nicht richtig gewichten würden. Es liegt auf der Hand, dass diese möglicherweise andere Schlüsse ziehen und ein anderes Vorgehen wählen, je nachdem ob das Schreiben unter Vermittlung des Rechtsanwalts des inhaftierten Vaters zustande kommt effektiv alleine von der in die Sache involvierten Tochter stammt. Der Anwaltskammer ist daher zuzustimmen, wenn sie ausführt, es habe insbesondere auch die Gefahr falscher Annahmen in Bezug auf familiäre Hintergründe bestanden (Entscheid, 8). Insgesamt lässt sich der Schluss

    ziehen, dass das Vorgehen des Beschwerdeführers die bereits mit der Redaktion des Schreibens verbundene Gefahr der Beweisverfälschung noch akzentuierte.

    bb) Es war dem Beschwerdeführer zweifellos klar, dass ein direkt von B stammendes Schreiben potenziell einen anderen Eindruck auf die Untersuchungsorgane machen würde als eines, das seine Beteiligung offenlegte. Das vom Beschwerdeführer gewählte Vorgehen kann daher subjektiv nicht anders gedeutet werden, als dass er zumindest in Kauf nahm, dass die Untersuchungsorgane aus dem fraglichen Schreiben gegebenenfalls falsche Eindrücke erhalten und unrichtige Schlüsse ziehen würden und dass sein Handeln somit die Gefahr einer Beweisvereitelung nach sich zog.

  4. Abschliessend ist in Ergänzung zu den Ausführungen der Anwaltskammer (Entscheid, 8) darauf hinzuweisen, dass das Vorgehen des Beschwerdeführers ungeachtet der vorstehenden Ausführungen (III./3.) schon deshalb standesrechtswidrig war, weil es für den Beschwerdeführer keinen sachlichen Grund gab, für die Auskunftsperson B ein Schreiben zu formulieren. Wie die Anwaltskammer zutreffend erwähnt, hätte der Beschwerdeführer die ihm gegenüber von B gemachten Äusserungen in einem eigenen Schreiben der Untersuchungsrichterin unterbreiten und ihr den Antrag auf nochmalige Einvernahme stellen können. Im Ergebnis ändert diese Feststellung allerdings nichts, ist doch diese Pflichtverletzung im weiteren Fehlverhalten mitenthalten.

IV.

  1. Die Anwaltskammer verhängte dem Beschwerdeführer gegenüber als Sanktion eine Busse von Fr. 1'000.-. Der Beschwerdeführer rügt dies als unverhältnismässig (Beschwerde, 25). Die Disziplinierung eines bestens beleumdeten Anwalts mit einer Busse von Fr. 1'000.wegen einer Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA sei absolut massiv und beruflich einschneidend (Beschwerde, 13).

  2. Bei der von der Vorinstanz ausgesprochenen Sanktion handelt es sich um einen auf Art. 17 BGFA gestützten Ermessensentscheid. Die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit kann im Beschwerdeverfahren unter dem Titel des

    Ermessensmissbrauchs als Rechtsverletzung gerügt werden (Art. 61 Abs. 1 VRP; CAVELTI/VÖGELI, a.a.O., Rz. 742 f. mit Hinweisen). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt allgemein, dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen Interesse stehenden Ziels geeignet und erforderlich ist sowie im Hinblick auf die Schwere der Einschränkung eine vernünftige Zweck-MittelRelation besteht. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren Eingriff erreicht werden kann (BGE 132 I 49 E. 7.2 S. 62 mit Hinweisen).

    Konkret ist verlangt, dass die Sanktion zu Art und Schwere der begangenen Pflichtwidrigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht und nicht über das hinausgeht, was zum Schutz der öffentlichen Interessen notwendig ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Sanktionen und die darin zum Ausdruck kommende Rangordnung. Bei einem Katalog, wie ihn das BGFA enthält, stellen Verwarnung, Verweis Busse Sanktionen für leichtere Fälle für Situationen dar, bei denen die grundsätzliche Eignung zur Berufsausübung nicht in Frage steht. (BGE 106 Ia 100 E. 13c S. 121 zur früheren, analogen Ordnung im Kanton Bern). Zu wählen ist jene Massnahme, die am ehesten geeignet erscheint, die durch das Disziplinarrecht geschützten öffentlichen Interessen vor weiterer Verletzung zu bewahren. Innerhalb dieser Optik spielen dann für die Wahl der Sanktion das Verschulden, die bisherige Berufstätigkeit und der Unrechtsgehalt der Berufsregelverletzung eine Rolle (WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, 190, vgl. auch T. POLEDNA, in: FELLMANN/ZINDEL [Hrsg.], a.a.O., N 23 - 27 zu Art. 17 BGFA).

  3. Nach Auffassung der Anwaltskammer ist vor dem Hintergrund der in Frage stehenden öffentlichen Interessen angesprochen sind die Sicherung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den Beruf des Anwalts sowie das korrekten Funktionieren des Rechtsstaats (Entscheid, 4 und 9) - die Ausfällung einer Busse notwendig. Diese Ermessensbetätigung ist nicht missbräuchlich. Die Anwaltskammer hat die massgeblichen Umstände gewichtet und davon ausgehend die ihrer Meinung nach aus dem Katalog möglicher Sanktionen angepasste Massnahme ausgewählt. Sie ist angesichts dieser Umstände vor allem sinngemäss zutreffend zum Schluss gekommen, dass eine mildere Massnahme hier nicht zum Zug kommen kann. Ein Verweis als

nächstmildere Massnahme wird als angemessen betrachtet bei leichteren Pflichtverletzungen und Fällen, die an der Grenze zu mittelschweren Pflichtverletzungen liegen (POLEDNA, a.a.O., N 32 zu Art. 17 BGFA). Hier ist aber insgesamt eindeutig von einem mittelschweren Fall auszugehen. Es genügt darauf hinzuweisen, dass einerseits die korrekte Mitwirkung des Rechtsanwalts im Verfahren und speziell das Absehen von der Einflussnahme auf die Beweislage einen hohen Stellenwert hat und dass andererseits der Beschwerdeführer die vorgeworfene Pflichtverletzung mindestens mit Eventualvorsatz begangen hat.

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Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

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