Zusammenfassung des Urteils BE.2011.50: Kantonsgericht
In einem Mieterausweisungsverfahren vor dem Kreisgericht stellte A ein Ausstandsgesuch gegen Richterin Y, welches abgelehnt wurde. A legte Beschwerde ein, da ihm die Stellungnahme der Richterin nicht mitgeteilt wurde. Das Kantonsgericht trat auf die Beschwerde ein und stellte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs fest. Die Beschwerde wurde abgewiesen, da A sein Ablehnungsrecht verwirkt hatte, indem er nicht unverzüglich den Ausstand der Richterin verlangte.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | BE.2011.50 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | Kantonsgericht |
Datum: | 19.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 29 Abs. 2 BV (SR 101) und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (SR 0.101). Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist formeller Natur und führt in der Regel ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Ausnahmsweise können solche Mängel aber geheilt werden (Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter im Obligationenrecht, 19. Dezember 2011, BE.2011.50). |
Schlagwörter : | Stellung; Stellungnahme; Entscheid; Recht; Ausstand; Kreisrichterin; Kreisgericht; Ausstandsgesuch; Gesuch; Kantonsgericht; Verletzung; Möglichkeit; Einzelrichter; Gehör; Einzelrichterin; Eingabe; Kreisgerichtspräsident; Gehörs; Rechtspflege; Verfahrens; Natur; Anspruchs; Freiburghaus/Afheldt; Hinweisen; Vorderrichter |
Rechtsnorm: | Art. 29 BV ;Art. 321 ZPO ; |
Referenz BGE: | 126 V 130; 133 I 98; |
Kommentar: | - |
In einem vor Kreisgericht hängigen Mieterausweisungsverfahren stellte A gegen die mit dem Fall befasste Einzelrichterin Y ein Ausstandsgesuch, zu welchem diese mit Eingabe vom 7. November 2011 Stellung nahm.
Mit Entscheid vom 14. November 2011 wies der Kreisgerichtspräsident das Gesuch ab, ohne die Stellungnahme der Richterin dem Gesuchsteller zur Kenntnis gebracht zu haben.
Auf diesen Entscheid hin erhob A mit Eingabe vom 28. November 2011 Beschwerde beim Kantonsgericht. Er rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil ihm die Vernehmlassung zum Ausstandsgesuch nicht übermittelt wurde, und er stellt den Antrag, diese sei ihm zuzustellen, damit er seine Beschwerde noch näher begründen diese formell zurückziehen könne. Ferner ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde insofern formlos entsprochen, als auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zwecks Beschleunigung des Verfahrens verzichtet wurde.
Der Kreisgerichtspräsident verzichtete auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2011 wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Kreisrichterin übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu umgehend Stellung zu nehmen; er hat sich bis heute nicht vernehmen lassen.
II.
Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen (Art. 59 f., Art. 319 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 2 und Art. 321 Abs. 2 ZPO) ergibt, dass diese erfüllt sind. Auf die Beschwerde ist einzutreten. Zuständig ist - da der Streit in der Hauptsache obligationenrechtlicher Natur ist - der Einzelrichter im Obligationenrecht (Art. 15 Abs. 1 lit. b EG-ZPO; Art. 14 Abs. 2 Ziff. 4 Al. 3 GO).
III.
Nach Art. 320 lit. a ZPO kann mit der Beschwerde u.a. unrichtige Rechtsanwendung geltend gemacht werden. Darunter fällt auch die vom Beschwerdeführer gerügt Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Freiburghaus/Afheldt, in: Sutter-Somm/ Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 320 N 7 mit Hinweisen).
Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet. Indem es der Vorderrichter unterlassen hat, die Stellungnahme der Kreisrichterin vom 4. November 2011 vor seinem Entscheid dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen, verletzte er dessen Gehörsanspruch (zum sog. "Replikrecht" vgl. BGE 133 I 98 Erw. 2). Die Verletzung dieses Anspruchs, der formeller Natur ist, führt in der Regel ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheides. Ausnahmsweise können solche Mängel aber geheilt werden, nämlich dann, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, welche sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 126 V 130, Erw. 2 b mit Hinweisen).
Vorliegend wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Kreisrichterin
vom
November 2011 vom Kantonsgericht nachträglich zugestellt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Auch kann das Kantonsgericht die Rechtslage in freier Kognition überprüfen (Art. 320 lit. a ZPO; Freiburghaus/Afheldt, a.a.O.). Gleiches gilt zwar nicht für die Überprüfung des Sachverhaltes, bei welchem nur eine offensichtlich unrichtige Feststellung gerügt werden kann (Art. 320 lit. b ZPO), doch macht der Beschwerdeführer diesen Beschwerdegrund hier zu Recht - nicht geltend. Er bestätigt sogar ausdrücklich, das Ausstandsgesuch "erst nach 4 Woche [n]" gestellt zu haben; er beantragt auch nicht die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Von einer Rückweisung zur ordnungsgemässen Durchführung des Verfahrens und anschliessender Neubeurteilung kann daher abgesehen werden.
Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, sich innert nützlicher Frist, nämlich umgehend (vgl. BGE 133 I 98 Erw. 2.2), zur nachträglich übermittelten Stellungnahme der Einzelrichterin vom 4. November 2011 vernehmen zu lassen, weshalb der Fall nunmehr spruchreif ist. Die Überprüfung des Ausstandsentscheides vom 14. November 2011 ergibt sodann, dass dieser nicht zu beanstanden ist; weil der Beschwerdeführer nämlich nicht unverzüglich nach Kenntnisnahme von der Befassung der Kreisrichterin Y mit seinem Fall deren Ausstand verlangte, sondern damit rund vier Wochen zugewartet hat, hat er sein Ablehnungsrecht entgegen seiner Auffassung verwirkt. Es kann dazu auf die zutreffenden Ausführungen des Vorderrichters (Entscheid, S. 2 f. Erw. 4), die hier nicht wiederholt zu werden brauchen, verwiesen werden.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
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