Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/45: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer hat sich zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet, nachdem sein Arbeitsverhältnis in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst wurde. Die kantonale Arbeitslosenkasse stellte ihn für 41 Tage in der Anspruchsberechtigung ein, da sie ihm ein mittelschweres Verschulden anlastete. Der Beschwerdeführer legte Einspruch ein und beantragte eine Einstellung von nur 16 Tagen, da er alles versucht hatte, eine alternative Anstellung zu finden. Die Kasse wies den Einspruch ab, woraufhin der Beschwerdeführer Beschwerde einreichte. Nach Prüfung der Umstände wurde entschieden, dass der Beschwerdeführer für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2010/45 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 09.12.2010 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 45 AVIV. Einstellung in der Anspruchsberechtigung. Reduktion von 41 auf 31 Einstelltage, da der Beschwerdeführer seine Arbeitsstelle zugunsten einer Ausbildung aufgegeben, dabei jedoch die Kündigungsfrist nicht eingehalten hat (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2010, AVI 2010/45). |
Schlagwörter : | Arbeit; Verschulden; Ausbildung; Kündigungsfrist; Anspruch; Anspruchsberechtigung; Verschuldens; Einstellung; Arbeitsverhältnis; Begründung; Wesentlichen; Kasse; Arbeitslosenversicherung; Arbeitslosigkeit; Einsprache; Umstände; Beschwerdeführers; Recht; Entscheid; Teilzeitstelle; Möglichkeit; Verfügung; Reduktion; Lösung; önne |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 9. Dezember 2010
in Sachen
S. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Robert Baumann, Waisenhausstrasse 17, Postfach, 9001 St. Gallen,
gegen
Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Einstellung in der Anspruchsberechtigung (einvernehmliche Auflösung) Sachverhalt:
A.
S. meldete sich per 1. Januar 2010 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Er gab an, eine Teilzeitstelle von höchstens 32 Stunden pro Woche bzw. 80% einer Vollzeitbeschäftigung zu suchen. Sein letztes Arbeitsverhältnis bei der A. sei am 9. Dezember 2009 in gegenseitigem Einvernehmen per 31. Dezember 2009 aufgelöst worden (act. G 3.19). Auf Aufforderung der Kantonalen Arbeitslosenkasse (nachfolgend: Kasse) teilte der Versicherte am 29. Januar 2010 mittels Formular "Verschuldensabklärung" mit, das Arbeitsverhältnis sei auf seinen Wunsch einvernehmlich aufgelöst worden. Er habe eine Weiterbildung in Angriff nehmen wollen. Eine Weiterbeschäftigung sei nicht möglich gewesen, da die Ausbildung jeden Freitag und Samstag stattfinde. Es habe keine Möglichkeit gegeben, ihn jeden Freitag und Samstag freizustellen. Die Möglichkeit, teilzeitlich als Aushilfe zu arbeiten, habe ebenfalls nicht bestanden. In anderen Filialen habe es keine freien Stellen gegeben (act. G 3.13).
B.
Mit Verfügung vom 3. Februar 2010 stellte die Kasse den Versicherten mit Wirkung ab 1. Januar 2010 für 41 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Zur Begründung hielt sie im Wesentlichen fest, da durch sein Verhalten das Arbeitsverhältnis zu Lasten der Arbeitslosenversicherung aufgelöst worden sei, müsse ihm ein Verschulden an der Arbeitslosigkeit angelastet werden, welches als mittelschwer beurteilt werde (act. G 3.12).
Gegen diese Verfügung liess der Versicherte am 3. März 2010 durch seine Rechtsschutzversicherung Einsprache erheben und beantragen, er sei für 16 Tage in der Anspruchsberechtigung einzustellen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, es werde nicht bestritten, dass eine selbstverschuldete Arbeitslosigkeit und damit ein mittelschweres Verschulden des Versicherten vorlägen. Auch die Kasse sei von einem mittelschweren Verschulden ausgegangen. Ein solches sei jedoch mit
einer Einstellung von 16 bis 30 Tagen zu sanktionieren; eine Einstellung von 41 Tagen liege bereits im Rahmen eines schweren Verschuldens. Ausserdem sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Versicherte alles Mögliche versucht habe, um bei der A. eine mit seiner Weiterbildung verträgliche Anstellungslösung zu finden. Eine Einstellung von 16 Tagen erscheine angemessen (act. G 3.7).
Mit Entscheid vom 17. März 2010 wies die Kasse die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Angabe in der Verfügung, wonach ein mittelschweres Verschulden vorliege, sei verwirrend. Wenn die Kündigungsfrist eingehalten worden wäre, wäre allenfalls eine Reduktion ins mittelschwere Verschulden möglich. Der Beschwerdeführer habe jedoch gleichzeitig die dreimonatige Kündigungsfrist nicht eingehalten, wodurch ein schweres Verschulden vorliege. Somit seien die 41 Einstell-tage angemessen (act. G 6).
C.
Mit Eingabe vom 14. April 2010 erhebt der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Baumann, Beschwerde und beantragt, der Einspracheentscheid vom 13. März 2010 sei aufzuheben. Gegenüber dem Beschwerdeführer sei eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung für die Dauer von höchstens 16 Tagen zu verfügen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, verschiedene verschuldensmindernde Umstände seien zu wenig bzw. zum Teil gar nicht berücksichtigt worden, weshalb die verfügte Dauer von 41 Einstelltagen als unangemessen anzusehen sei. Wenn im angefochtenen Entscheid ausgeführt werde, eine Reduktion ins mittelschwere Verschulden wäre möglich gewesen, falls die Kündigungsfrist eingehalten worden wäre, werde ausser Acht gelassen, dass sich der Beschwerdeführer relativ früh, anfangs September 2009, an die A. gewandt und über seine Absichten orientiert habe. Als im Dezember 2009 definitiv festgestanden habe, dass die A. dem Beschwerdeführer weder eine Verschiebung der Arbeitstage noch eine Reduktion des Arbeitspensums, auch keine Tätigkeit in einer anderen Filiale im Bürobereich ermöglichen würde, und auch keine Lösung für eine Aushilfetätigkeit vorhanden gewesen sei, der Beschwerdeführer umgekehrt gewusst habe, dass ein späterer Beginn der Ausbildung frühestens in einem Jahr wieder möglich sein würde (wenn überhaupt), habe für ihn die Möglichkeit, bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist zu arbeiten, gar nicht mehr offen gestanden. Er hätte gerne bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gearbeitet. Die A. habe allerdings darauf bestanden, dass er während der Kündigungsfrist auch jeweils freitags und samstags arbeiten würde. Dem Beschwerdeführer sei damit lediglich die Wahl offengeblieben, entweder die (in seinen Ferien) bereits begonnene Ausbildung sofort zu beenden und frühestens nach einem Jahr wieder neu zu beginnen, aber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einverständnis per Ende Dezember zu akzeptieren. Hinzu komme im Weiteren, dass er auch zuversichtlich gewesen sei, in einem anderen Betrieb eine Teilzeitstelle finden zu können (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 3. Mai 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, bei der Ausbildung handle es sich um einen persönlichen Wunsch des Beschwerdeführers, der nicht zu Lasten der Arbeitslosenversicherung gehen dürfe. Er habe die Ausbildung begonnen, ohne dass er die Zusage der A. gehabt habe, dass er sein Pensum reduzieren könne, und ohne dass er eine Teilzeitstelle gefunden habe. Es wäre ihm zumutbar gewesen, die Antwort der A. abzuwarten und dann erst die Ausbildung zu beginnen, auch wenn dies erst im nächsten Jahr der Fall gewesen wäre (act. G 3).
Mit Replik vom 18. Mai 2010 hält der Vertreter des Beschwerdeführers an seinen Anträgen fest. Es stehe nicht fest, dass der Beschwerdeführer die Ausbildung ein Jahr später hätte beginnen können. Die Ausbildnerin habe ihm erklärt, ein Ausbildungslehrgang würde erst dann wieder begonnen, wenn ausreichend Nachfrage dafür vorhanden sei, allerfrühestens nach Ablauf eines Jahrs (act. G 5).
Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf das Einreichen einer Duplik (vgl. act. G 7).
Erwägungen:
1.
Vorliegend bestreitet der Beschwerdeführer zu Recht nicht, dass er die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat und deswegen in seiner Anspruchsberechtigung einzustellen ist (vgl. Art. 30 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIG; SR 837.0]).
Umstritten und nachfolgend zu prüfen ist einzig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die von der Beschwerdegegnerin verfügten Einstelltage zu reduzieren sind.
Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt 1 bis 15 Tage bei leichtem, 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung [AVIV; SR 837.02]). Ein schweres Verschulden liegt namentlich dann vor, wenn eine versicherte Person ohne entschuldbaren Grund eine zumutbare Arbeitsstelle ohne Zusicherung einer neuen aufgegeben eine zumutbare Arbeit abgelehnt hat (Art. 45 Abs. 3 AVIV). Bei der individuellen Verschuldensbeurteilung sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, wozu u.a. die Beweggründe gehören (vgl. Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung [KS-ALE], Stand Januar 2007, Rz D64).
2.
Während sich die Beschwerdegegnerin auf den Standpunkt stellt, das Verschulden des Beschwerdeführers sei als schwer einzustufen, macht dieser geltend, seine Bemühungen, eine passende Lösung zu finden, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden, seien verschuldensmindernd zu berücksichtigen, so dass höchstens von einem mittelschweren Verschulden auszugehen sei. Für eine Verschuldensminderung spreche auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Arbeit zu Gunsten einer Ausbildung aufgegeben habe.
Wie oben (E. 1.2) dargelegt, hat die Verschuldensbeurteilung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu erfolgen. Vorliegend fällt in erster Linie ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer nicht einfach aus einer Laune heraus gekündigt hat, sondern um eine zusätzliche Ausbildung zu absolvieren, was aus arbeitsmarktlicher Perspektive an sich begrüssenswert ist. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer zudem glaubhaft dargelegt, dass er die A. frühzeitig über die beabsichtigte Ausbildung informiert hat und dass gemeinsam nach Lösungen gesucht wurde, um das Arbeitsverhältnis (wenn auch in geänderter Form) trotz Ausbildung weiterzuführen (vgl. act. G 1 und 1.3). Diese Umstände sind vorliegend
verschuldensmindernd zu berücksichtigen. Allerdings ist mit der Beschwerdegegnerin davon auszugehen, dass aufgrund der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den Beschwerdeführer insgesamt nicht von einem "nur" mittelschweren Verschulden gesprochen werden kann. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist hat nämlich zu einem höheren mutmasslichen Schaden der Beschwerdegegnerin geführt, war doch die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer in der Zeit bis Ende Dezember 2009 eine andere Arbeitsstelle finden würde, sehr gering, zumal beim Beschwerdeführer als Detailhandelsangestelltem die Unmöglichkeit, freitags samstags zu arbeiten, die Vermittelbarkeit eindeutig einschränkt. Das Verschulden des Beschwerdeführers muss damit als schwer qualifiziert werden, wobei es sich in Würdigung der Gesamtumstände rechtfertigt, die Einstelltage im untersten Bereich des schweren Verschuldens auf 31 Tage festzusetzen.
3.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, und der Beschwerdeführer ist für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung einzustellen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Indessen hat der Beschwerdeführer bei diesem Verfahrensausgang Anspruch auf eine Parteientschädigung im Umfang seines Obsiegens (Art. 61 lit. g ATSG). Diese ist auf Fr. 1'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom
17. März 2010 aufgehoben, und der Beschwerdeführer wird mit Wirkung ab 1. Januar
2010 für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung
von Fr. 1'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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