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Urteil Obergericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils SK 05 81: Obergericht

Die Chambre des recours des Kantonsgerichts behandelt einen Rekurs von A.N.________ und B.N.________ aus Echandens gegen eine Entscheidung des Friedensrichters des Bezirks Morges in einem Nachbarschaftsstreit mit J.________. Der Friedensrichter stellte fest, dass die Frist für die Aufforderung abgelaufen war, legte die Gerichtskosten für J.________ auf 180 CHF fest und ordnete an, dass A.N.________ und B.N.________ J.________ 2'116,80 CHF zahlen müssen. Die Parteien hatten eine Vereinbarung über das Beschneiden von Bäumen getroffen, die der Richter als endgültiges und vollstreckbares Urteil akzeptierte. Der Rekurs der beiden beklagten Parteien wurde teilweise angenommen, und sie wurden verpflichtet, J.________ 980 CHF zu zahlen. Der Richter war männlich und die verlorene Partei war weiblich (d)

Urteilsdetails des Kantongerichts SK 05 81

Kanton:LU
Fallnummer:SK 05 81
Instanz:Obergericht
Abteilung:Schuldbetreibungs- und Konkurskommission
Obergericht Entscheid SK 05 81 vom 27.10.2005 (LU)
Datum:27.10.2005
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 38 Abs. 1 LugÜ. Sistierung eines Rechtsöffnungsverfahrens mit Vollstreckbarerklärung unter Ansetzung einer Frist zur Einreichung eines Rechtsbehelfs in Deutschland.
Schlagwörter : Recht; LugÜ; Rechtsbehelf; Urkunde; Vollstreckung; Rechtsöffnung; Frist; Rekurs; Deutschland; Beklagten; Vorinstanz; Rechtsbehelfs; Verfahren; Vertragsstaat; Antrag; Ordre; Einwände; Überprüfung; Einreichung; Entscheid; Vollstreckungsstaat; Rechtsbehelfsverfahren; Übereinkommen; Prüfung; Kognition; Aberkennungsklage; Möglichkeit; Vollstreckungsgegenklage; Sistierung; Vollstreckbarerklärung
Rechtsnorm:Art. 6 EMRK ;Art. 85a KG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SK 05 81

Art. 38 Abs. 1 LugÜ. Sistierung eines Rechtsöffnungsverfahrens mit Vollstreckbarerklärung unter Ansetzung einer Frist zur Einreichung eines Rechtsbehelfs in Deutschland.



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Die Klägerin liess den Beklagten für eine Forderung betreiben. Auf Gesuch der Klägerin er-klärte der Amtsgerichtspräsident die Urkunde Nr. 1122, Buchgrundschuld, ausgestellt am 5. November 2001 durch Notar X. in Frankfurt am Main, für vollstreckbar und erteilte für den in Betreibung gesetzten Betrag die definitive Rechtsöffnung. Dagegen erhob der Beklagte am 27. Juni 2005 Rekurs. Am 18. Juli 2005 reichte der Beklagte einen Rechtsbehelf nach Art. 36 ff. des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 16. September 1988 (Lugano-Übereinkommen; LugÜ) ein und beantragte darin eventualiter, es sei ihm eine Frist anzuset-zen, um in Deutschland den Rechtsbehelf einer Zwangsvollstreckungsgegenklage einzurei-chen. Das Rekursverfahren sei wie in Art. 38 LugÜ vorgesehen bis zu einem Entscheid im deutschen Verfahren zu sistieren. Die Schuldbetreibungsund Konkurskommission hat das Sistierungsgesuch gutgeheissen.



Aus den Erwägungen:

6.- Beim Rechtsbehelf nach Art. 36 LugÜ handelt es sich nicht um einen speziellen Rechts-behelf in einem besonderen Verfahren, sondern um eine staatsvertraglich eingeräumte Re-kursmöglicheit im Vollstreckungsstaat nach dessen Recht. Der Rechtsbehelf ist mithin in der Form des Rekurses gemäss § 258 ff. ZPO (Botsch. LugÜ, in: AS 1990 II 328) einzureichen, mit der prozessualen Differenzierung, dass das LugÜ eine einmonatige Rekursfrist gewährt, welche der kürzeren kantonalrechtlichen Rekursfrist vorgeht. Der Rechtsbehelf wird dem-nach als Bestandteil des Rekurses vom 27. Juni 2005 entgegengenommen.



7.1. Die Klägerin verlangt definitive Rechtsöffnung für eine nach deutschem Recht errichtete öffentliche Urkunde. Die Vollstreckbarkeit der Urkunde beurteilt sich unstreitig nach dem Lu-gÜ, das sowohl die Schweiz wie auch Deutschland ratifiziert haben. Das LugÜ regelt die Vollstreckung der in einem andern Vertragsstaat errichteten öffentlichen Urkunden in Art. 50. Diese Bestimmung verweist auf das Antragsverfahren von Art. 31 ff. LugÜ. Der Verweis er-fasst somit auch das Rechtsbehelfsverfahren von Art. 36 ff. LugÜ, insbesondere auch Art. 38 LugÜ (Jan Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., 1988, N 8 zu Art. 50 und N 19 Zu Art. 36).



7.2. Nach Art. 50 LugÜ sind öffentliche Urkunden, die in einem Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, in einem Vertragsstaat auf Antrag vollstreckbar, es sei denn, die Voll-streckung würde der öffentlichen Ordnung (Ordre public) des Vollstreckungsstaates zuwider-laufen. Im Antragsverfahren nach Art. 31 LugÜ sind mithin keine darüber hinausgehenden materiellrechtlichen Einwände, insbesondere solche gegen den der Urkunde zugrunde lie-genden Rechtsanspruch, zugelassen. Die vorinstanzliche Überprüfungsbefugnis war mithin beschränkt (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, N 9 zu Art. 50 LugÜ). Die Vorinstanz hat in diesem Sinne die vorgelegte Urkunde als im Vertragsstaat aufgenommene öffentliche Urkunde gemäss LugÜ und die Vereinbarkeit mit dem schweize-rischen Ordre public zu Recht als gegeben beurteilt. Im Rahmen der Prüfung des Ordre pub-lic ist die Vorinstanz auch ausführlich auf das Zustandekommen der Urkunde eingegangen. Die Vorinstanz ist somit den Anforderungen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach Art. 31 LugÜ rechtsgenüglich nachgekommen. Dagegen wird vom Beklagten in seinem Re-kurs denn auch nichts angeführt. Insbesondere im Rechtsbehelf wird nicht gerügt, inwiefern die dort erhobenen materiellrechtlichen Einwände eine Verletzung des schweizerischen Ord-re public einschliessen sollen, welche die Vorinstanz hätte berücksichtigen müssen.



7.3. Der Beklagte wendet sich dagegen vielmehr gegen die Art der Rechtsöffnung und kriti-siert in diesem Zusammenhang, dass die Vorinstanz den Rechtsmittelweg hätte aufzeigen und festlegen sollen. Im Rechtsbehelf bringt er zudem materiellrechtliche Einwände gegen das Zustandekommen der Urkunde bzw. den der Urkunde zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch vor. Im Verfahren nach Art. 36 LugÜ sind diese Einwände infolge um-fassender Prüfungsbefugnis zulässig (Kropholler, a.a.O., N 12 zu Art. 50). Vor dem Hinter-grund dieser umfassenden Kognition kann die vom Beklagten ins Feld geführte Problematik, ob provisorische definitive Rechtsöffnung zu erteilen sei, jedoch vernachlässigt werden. Denn für die provisorische Rechtsöffnung mit anschliessender Aberkennungsklagemöglich-keit würde vor allem gerade die durch die Aberkennungsklage ermöglichte umfassende ma-terielle Prüfungsund Einredemöglichkeit sprechen. Durch die umfassende Kognition im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 LugÜ ist diesem Bedürfnis jedoch bereits Rechnung getragen. Ausserdem geht das LugÜ ausserhalb des Rechtsbehelfsverfahrens nach Art. 36 LugÜ nicht von einer zusätzlichen materiellrechtlichen Überprüfungsmöglichkeit im Vollstreckungsstaat (d.h. in der Schweiz: Aberkennungsklage) aus, sondern setzt in Art. 38 LugÜ die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage im Errichtungsstaat der Urkun-de als Abwehrmittel voraus. Der Beklagte selber beantragt denn zu Recht auch nicht aus-drücklich (in der Rekursbegründung) die provisorische Rechtsöffnung. Auch soweit der Be-klagte nicht gegen die definitive Rechtsöffnung - (¿) opponiert, verlangt er vor allem wie-derum nur die Möglichkeit der vollumfänglichen Überprüfung auch materiellrechtlicher Ein-wände selbst für den Fall der definitiven Rechtsöffnung. Diesfalls möge ihm Frist zur Erhe-bung der Vollstreckungsgegenklage in Deutschland gesetzt werden.



Dieser Weg ist auch in Art. 38 LugÜ vorgesehen. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung kann das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht auf Antrag der Partei, die ihn eingelegt hat, das Ver-fahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung (bzw. nach Art. 50 LugÜ: die öffentliche Urkunde) ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt die Frist für einen solchen noch nicht abgelaufen ist; in letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb derer der Rechtsbehelf einzulegen ist (vgl. dazu auch: AS 1990 II 328). Im Falle einer öffentlichen Ur-kunde ergibt sich aus der Natur des Rechtsinstituts, dass gar keine solche Frist läuft, wes-halb in Anwendung von Art. 50 LugÜ, der die analoge Anwendung von Art. 38 LugÜ gebietet, auf das Fristerfordernis verzichtet werden kann. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien handelt es sich bei diesem Rechtsbehelf, dessen Einreichung vom Beklagten auch ernsthaft in Erwägung gezogen wird, um die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 D-ZPO. Dass diese Klage erst nach einem Jahr und erst im jetzigen Verfahrensstadium eingelegt werden soll, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich, sondern ergibt sich aus dem Ablauf des Vollstreckungsverfahrens. Auch dem Anspruch auf ein min-destens einmaliges kontradiktorisches, mit umfassender Kognition ausgestattetes, gerichtli-ches Überprüfungsverfahren, wie es sich aus Art. 6 EMRK und insofern auch als Teilgehalt des schweizerischen Ordre public ergeben soll, ist mit der Möglichkeit der Vollstreckungsge-genklage in Deutschland, wie sie durch Art. 38 LugÜ vorgesehen ist, hinlänglich Nachach-tung verschafft. Vor diesem Hintergrund kann auch die Frage der Gewährung einer negati-ven Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG vorerst offen bleiben.



8.- Das Obergericht setzt das Rekursverfahren aus den genannten Gründen gemäss Art. 38 Abs. 1 LugÜ aus und setzt dem Beklagten eine angesichts des fortgeschrittenen Vollstre-ckungsverfahrensstandes als angemessen erachtete Frist von zwei Monaten zur Einreichung der Vollstreckungsgegenklage gemäss Art. 38 Abs. 1 in Deutschland.



Schuldbetreibungsund Konkurskommission, 27. Oktober 2005 (SK 05 81)



Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

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