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Urteil Obergericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils OG 1995 23: Obergericht

Der Richter hat entschieden, dass der Beschwerde nicht stattgegeben wird, da die erforderliche Gerichtskosten-Vorauszahlung nicht geleistet wurde. Die Partei, die gegen die Entscheidung des Invalidenversicherungsamtes des Kantons Waadt vorgegangen ist, hat es versäumt, die geforderte Vorauszahlung zu leisten, obwohl ihr dafür mehrfach Fristen gesetzt wurden. Da keine Erklärung für die Nichtzahlung der Vorauszahlung abgegeben wurde und auch keine Beantragung von gerichtlicher Unterstützung erfolgte, wurde die Beschwerde als unzulässig erklärt. Die Gerichtskosten werden nicht erhoben und es werden keine Entschädigungen gewährt.

Urteilsdetails des Kantongerichts OG 1995 23

Kanton:LU
Fallnummer:OG 1995 23
Instanz:Obergericht
Abteilung:Gesamtobergericht
Obergericht Entscheid OG 1995 23 vom 19.07.1995 (LU)
Datum:19.07.1995
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§§ 74-76 ZPO. Weisung an die Amtsgerichte, das Arbeitsgericht und die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht betreffend Zustellungsordnung gemäss neuer Zivilprozessordnung. Die Zustellung durch die Post hat Vorrang. Bedeutung des gesetzlich verankerten Grundsatzes der fingierten Zustellung (E. 1 und E. 2). Die Zustellung durch Publikation im Kantonsblatt soll nur ausnahmsweise erfolgen (E. 3). Vorgehen in Fällen, in denen eine Person während des Verfahrens ohne Adressangabe verreist (E. 4).
Schlagwörter : Zustellung; Verfahren; Gericht; Publikation; Verfahrens; Fälle; Gerichtsurkunde; Urkunde; Entscheid; Verfahrensprotokoll; Zustellungen; Sendung; Vermerk; Frist; Kantonsblatt; Urkunden; Regel; Zustellungsort; Mitteilung; Aufenthalt; Vollstreckung; Urteil; Zivilprozessordnung; Ausland; Empfang; Grundsatz
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
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Entscheid des Kantongerichts OG 1995 23

1. - Die Zivilprozessordnung regelt die Zustellung von gerichtlichen Urkunden in den §§ 74-76. § 74 ZPO enthält die allgemeinen Grundsätze, während § 75 ZPO (Zustellungen im Ausland) und § 76 ZPO (Zustellung durch Publikation) besondere Tatbestände normiert. § 74 ZPO einerseits und die §§ 75 und 76 ZPO andererseits stehen damit zueinander im Verhältnis von Regel-Ausnahme. Für die vorliegende Problematik ist in erster Linie § 74 Abs. 3 ZPO massgebend. Danach gilt eine Zustellung auch dann als erfolgt, wenn der Empfang schuldhaft verhindert wird. Damit hat der Grundsatz der fingierten Zustellung in der Luzerner Zivilprozessordnung Gesetzescharakter erhalten. Das Verfahrensrecht muss garantieren, dass die Durchführung eines Prozesses Verfahrens nicht scheitert, weil sich eine Partei der ordentlichen postalischen Zustellung von Gerichtsurkunden zu entschlagen sucht. Die Rechtsprechung hat daher in den letzten Jahrzehnten konsequent Fälle herausgearbeitet, in denen von einer rechtsgenüglichen Zustellung auszugehen ist. Es sei hier auf die LGVE 1983 I Nr. 29 und 1993 I Nr. 15 sowie die dort zitierten bundesgerichtlichen Präjudizien verwiesen.

2. - § 74 Abs. 1 ZPO schreibt vor, dass in der Regel alle Zustellungen durch die Post zu erfolgen haben. Das Institut der fingierten Zustellung, die nun ebenfalls als allgemeiner Grundsatz gesetzlich verankert wurde, bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die effektive, auf tatsächliche Übergabe der Gerichtsurkunde ausgerichtete Zustellung in den Hintergrund getreten ist. Wann immer eine Partei den Empfang eines gerichtlichen Schriftstücks schuldhaft verhindert, gilt die Zustellung als vollendet. Wird eine Sendung eingeschrieben in der besonderen Form einer Gerichtsurkunde zugesandt und kommt die Sendung mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" "Annahme verweigert" zurück, ist die Zustellung gestützt auf § 74 Abs. 3 ZPO erfolgt. Wird einer Abholungseinladung keine Beachtung geschenkt, so darf fingierte Zustellung gemäss Rechtsprechung und heutigem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ("schuldhaft verhindert") freilich nur dann angenommen werden, wenn der Adressat Kenntnis vom Verfahren hatte und mit der Zustellung von Schriftstücken gerichtlichen Urkunden rechnen musste. Ist das der Fall und hat eine Partei gegenüber dem Gericht einmal ein Zustellungsdomizil zu erkennen gegeben (z.B. indem auf die Klage eine Klageantwort eingereicht wird), dann müssen sämtliche weiteren gerichtlichen Zustellungen an diese Adresse erfolgen, selbst wenn sie immer wieder mit dem Vermerk "nicht abgeholt" zurückgesandt werden.

3. - Eine Zustellung durch Publikation kommt nur in Frage, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist (§ 76 ZPO). Hier geht es um die Fälle, wo von Anfang an kein postalischer Zustellungsort bekannt ist und das Verfahren der Prozess nur durch das Mittel der Publikation gegenüber der betreffenden Partei eröffnet werden kann. Dies geht schon daraus hervor, dass nach § 76 ZPO eine Frist anzusetzen ist, innert welcher die betreffende Partei die Gerichtsurkunde auf der Gerichtskanzlei abholen kann. Der Gesetzgeber geht hier klar von der Idee aus, dass die betreffende Person die Möglichkeit haben muss, von der in der Publikation genannten Mitteilung tatsächlich Kenntnis zu nehmen. Zu denken ist etwa an eine Scheidungsklage, die der beklagten Partei, die unbekannten Aufenthalts ist, "rechtlich bekanntgegeben" werden muss. Die Publikation im Kantonsblatt ist jedoch klar die Ausnahme; diese Zustellungsart ist vor allem dann nicht anwendbar, wenn die fragliche Partei gegenüber dem Gericht der Behörde einen fingierten Zustellungsort geschaffen hat.

4. - Eine Schwierigkeit besteht in jenen Fällen, wo eine Partei zwar um das Verfahren weiss, jedoch während der Verfahrenshängigkeit ohne Angabe einer neuen Adresse das bisherige Domizil verlässt. Eindeutig erscheint, dass bezüglich der Sendung, bei welcher der Vermerk "ohne Adressangabe verreist" erstmals angebracht ist, die entsprechende Urkunde gemäss § 74 Abs. 3 ZPO als zugestellt gelten muss. Unterschiedliche Auffassungen herrschen aber offenbar darüber, ob ein Gericht auch eine zweite dritte Zustellung an die frühere Adresse veranlassen darf. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass die Postorgane unter der fraglichen Adresse gar keinen Zustellungsort mehr führen und deshalb auch eine postalische Zustellung (mit Abholungseinladung) unmöglich ist. Die Partei verhindert damit nicht nur eine konkrete Zustellung durch die Post, sondern verhindert generell, dass Gerichtsurkunden auf dem Postweg zugestellt werden können. Sie verzichtet damit konkludent auf gerichtliche Zustellungen. Unter der Herrschaft der alten ZPO sind jeweils in diesen Fällen die Entscheide auf dem Wege der Publikation eröffnet worden, folgerichtig mit der Verfügung, dass der Entscheid mit dieser Mitteilung als eröffnet gelte. Eine Frist zur Kenntnisnahme wurde weil nutzlos richtigerweise nicht gesetzt, und die rechtliche Wirkung bestand denn auch darin, dass allfällige Rechtsmittelfristen sogleich zu laufen begannen. § 76 ZPO hingegen verlangt eine Fristansetzung und ist deshalb wie unter Ziff. 3 ausgeführt auf diese Fälle gar nicht anwendbar. Eine Publikation im Kantonsblatt kommt daher nicht in Frage. Vielmehr ist wie folgt vorzugehen:

a) Das Gericht soll den Sachverhalt im Verfahrensprotokoll (Manual) vormerken. Ebenso ist festzuhalten, wann die letzte postalische Zustellung erfolgen konnte bzw. wann die Postorgane eine Sendung mit dem Vermerk "ohne Adressangabe verreist" dem Gericht zurückgesandt haben. Diese Briefsendung ist ungeöffnet dem Verfahrensprotokoll einzufügen. Hinsichtlich weiterer Urkunden, die eröffnet werden müssen, ist dann im Verfahrensprotokoll jeweils festzuhalten, dass die betreffende Partei ohne Mitteilung an das Gericht den bisherigen Wohnsitz bzw. Aufenthalt aufgegeben habe und damit ein Zustellungsversuch unterbleiben könne. Die entsprechende Urkunde gilt dann gegenüber der betreffenden Partei mit dem Datum des Eintrags im Verfahrensprotokoll als zugestellt.

b) Ist mit Blick auf eine mögliche Vollstreckung des Urteils Entscheids mit Schwierigkeiten zu rechnen (z.B. wenn anzunehmen ist, die Partei habe sich ins Ausland abgesetzt), so ist ausnahmsweise das Urteil bzw. der Entscheid im Kantonsblatt zu publizieren. In diesem Fall ist aber auf eine Fristansetzung zu verzichten, und es ist anzuordnen, dass der Rechtsspruch mit der Publikation als zugestellt gilt.

In der Regel ist damit im Vollstreckungsverfahren sichergestellt, dass der Vollstreckungskläger eine allfällige Einrede, das Sachurteil sei überhaupt nicht aber nicht rechtsgenüglich zugestellt worden, durch Edition des Verfahrensprotokolls erfolgreich entkräften kann. Eine restriktive, nur auf Ausnahmefälle beschränkte Praxis, Urteile und Entscheide im Kantonsblatt zu publizieren, schützt die redliche Partei, die sich dem Verfahren unterzieht und das Ihre zu seiner fristgerechten Erledigung beiträgt. Sie ist auch unter den Gesichtspunkten der Kostenund Zeitersparnis gerechtfertigt.





Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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