Mit Entscheid vom 21. Dezember 1992 verfügte der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen Rechtsanwalt X. Weiter erteilte der Ausschuss Rechtsanwalt X. "... die förmliche Weisung, bezüglich dieses Verfahrens die Medien nicht einzuschalten". Wegen dieser Weisung reichte Rechtsanwalt X. beim Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt am 29. Januar 1993 Strafklage ein gegen den Präsidenten der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte wegen Nötigung und Amtsmissbrauchs. In der Strafklage stellte sich Rechtsanwalt X. auf den Standpunkt, er müsse wegen der bei einer Missachtung der fraglichen Weisung möglichen Sanktionen während und insbesondere auch nach dem gegen ihn eröffneten Disziplinarverfahren davon absehen, die Medien über den Verlauf und das Ergebnis dieses Disziplinarverfahrens zu informieren. Damit werde er unter Androhung ernstlicher Nachteile in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, was als Nötigung zu qualifizieren sei. Mit Entscheid vom 26. April 1993 wies das Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt die Strafklage von X. vom 29. Januar 1993 von der Hand und überband ihm sämtliche Verfahrenskosten. Es war zum Schluss gekommen, dass die Weisung des Ausschusses der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte gemäss Entscheid vom 21. Dezember 1992 rechtmässig sei. Ein rechtmässiges Vorgehen sei aber nicht verboten und auch nicht strafbar. Gegen diesen Entscheid reichte Rechtsanwalt X. Überweisungsrekurs ein.
Dazu führte die Kriminalund Anklagekommission aus:
Vorliegend hat der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte u.a. wegen der gegen den Privatkläger vom Amtsstatthalteramt H. bei der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte eingereichten Anzeige vom 16. November 1992 in Anwendung von § 2 Abs. 2 Geschäftsordnung der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte (SRL Nr. 281) mit Entscheid vom 21. Dezember 1992 beschlossen, gegen den Privatkläger ein Disziplinarverfahren zu eröffnen. In diesem Entscheid hat der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte dem Privatkläger die "... förmliche Weisung erteilt, bezüglich dieses Verfahrens die Medien nicht einzuschalten". Diese Weisung konnte der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte dem Privatkläger erteilen. So sieht § 12 Abs. 1 Satz 2 AnwG vor, dass die Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte einem Rechtsanwalt "... nötigenfalls verbindliche Weisungen erteilen" kann. Die Befugnis zur Erteilung von Weisungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 AnwG während eines laufenden Verfahrens steht gestützt auf § 5 Geschäftsordnung der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte dem Präsidenten der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte zu. In dieser Bestimmung ist nämlich geregelt, dass der Präsident der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte zur Instruktion des Verfahrens die erforderlichen Verfügungen und Beweisvorkehren trifft. Steht somit fest, dass der Präsident der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte gestützt auf § 12 Abs. 1 AnwG und § 5 Geschäftsordnung der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte einem Rechtsanwalt verbindliche Weisungen erteilen kann, und steht auch fest, dass der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Rechtsanwalt zu beschliessen hat (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Geschäftsordnung der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte), so muss dem Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte auch die Kompetenz zukommen, bereits in einem Entscheid, der die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Rechtsanwalt zum Gegenstand hat, diesem Rechtsanwalt verbindliche Weisungen zu erteilen. Im übrigen ergibt sich auch aus § 45 VRG, der im vom Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte mit Entscheid vom 21. Dezember 1992 gegen den Privatkläger eröffneten Disziplinarverfahren sinngemäss Platz greift, dass der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte über diese Kompetenz verfügt (§ 15 Abs. 4 AnwG und § 1 Geschäftsordnung der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte). Gemäss § 45 VRG ist nämlich die "entscheidende Behörde" befugt, vorsorgliche Verfügungen zu treffen. Mithin zeigt sich also, dass es sich bei der im hier zur Diskussion stehenden Fall umstrittenen Weisung des Ausschusses der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte um eine von der Gesetzgebung ausdrücklich vorgesehene (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AnwG) und damit grundsätzlich rechtmässige Massnahme handelt. Der Präsident bzw. der Ausschuss der Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte hat sich vorliegend eines zulässigen Mittels bedient (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Bes.Teil I, 4. Aufl., Bern 1993, § 5 N 16). Dementsprechend fehlt die von Art. 181 StGB vorausgesetzte Rechtswidrigkeit der Nötigung.
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