§ 34 Abs. 2 Ziff. 2 StPO. Amtliche Verteidigung: Es besteht kein Anspruch des Angeschuldigten, dass ihm gesamthaft für alle gegen ihn laufenden Verfahren ein amtlicher Verteidiger beigegeben werde. Es ist in jedem einzelnen Fall konkret zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Offizialverteidigung erfüllt sind nicht.
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In einem Rekursverfahren betreffend einen Entscheid des Amtsstatthalters über die Beigabe eines amtlichen Verteidigers führte die Kriminalund Anklagekommission Folgendes aus:
Es ist unbestritten, dass gegen den Rekurrenten zahlreiche Strafverfahren bzw. Anzeigen beim Amtsstatthalteramt hängig sind. Nach den Angaben der Staatsanwaltschaft sind zur Zeit ca. drei Dutzend solcher Verfahren hängig. Sie weist jedoch zu Recht darauf hin, dass sich diese Anzahl relativiert, wenn beachtet wird, dass die beiden vorliegenden Verfahren zusammen sechs Anzeigen mit meist analogen Sachverhalten umfassen, die sich zudem über einen Zeitraum von rund 20 Monaten erstrecken. Der Antrag des Rekurrenten, sein Gesuch um Beigabe eines amtlichen Verteidigers sei gesamthaft gutzuheissen, ist anhand der Begründung so auszulegen, dass er eine amtliche Verteidigung für alle derzeit hängigen Strafverfahren wünscht. (....) Die Einsetzung eines amtlichen Verteidigers für alle hängigen Strafverfahren setzt voraus, dass diese (zumindest teilweise) vereinigt werden, wovon auch der Rekurrent ausgeht. Dies kann aber selbst nach seiner Auffassung nicht sinnvoll sein, da dadurch u.a. das Beschleunigungsgebot verletzt würde. Es besteht denn auch von Bundesrechts wegen kein Anspruch darauf, dass Verfahren vereinigt bzw. alle Handlungen eines Beschuldigten in einem einzigen Verfahren beurteilt werden (Urteil des Bundesgerichts vom 6.3.2003 E. 2.2; 6S.414/2002/kra). Auch die kantonale Strafprozessordnung gibt dem Angeschuldigten keinen Anspruch auf Verfahrensvereinigung (vgl. § 16 StPO). Eine Vereinigung von Verfahren darf jedenfalls nicht dazu benutzt werden, die Bestimmungen über die Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung zu umgehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 6.3.2003 E. 2.2 a.E.).
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der überaus grösste Teil der hängigen Strafverfahren bekanntlich auf die seit Jahren dauernde Auseinandersetzung zwischen X. und Y. zurückzuführen ist und die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, dass es aus Beweisgründen nur in wenigen Fällen zu Verurteilungen gekommen ist. Insbesondere aber geht es bei den meisten Anzeigen um praktisch identische Sachverhalte und Tatbestände, nämlich um Vorfälle im Zusammenhang mit der Ausübung von Eigentumsrechten einerseits und Zufahrtsrechten anderseits. Dabei wird der Rekurrent auch immer wieder mit denselben Vorwürfen wie Nötigung, Drohung, Hausfriedensbruch, Sachentziehung etc. konfrontiert. In den bisher abgeschlossenen Verfahren hat er bewiesen, dass er durchaus in der Lage ist, seine Interessen selber wahrzunehmen und sich sachgerecht gegen die Anschuldigungen des Privatklägers zu wehren. Daran können die geltend gemachten organisatorischen Schwierigkeiten z.B. in Bezug auf die Akteneinsicht, die auf dem Amtsstatthalteramt zu erfolgen hat, grundsätzlich nichts ändern. Auch im Übrigen vermag der Aspekt des fairen Verfahrens die Beigabe eines amtlichen Verteidigers für sämtliche Strafverfahren nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist in jedem einzelnen Fall konkret zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Offizialverteidigung hinsichtlich Bedeutung der Sache für den Angeschuldigten, faktische rechtliche Komplexität des Falles etc. jeweils erfüllt sind nicht. Es kann nicht angehen, bei der Prüfung dieser Kriterien den möglichen Ausgang aller hängigen Verfahren als Massstab heranzuziehen, da dies auf eine Umgehung der Vorschriften über die amtliche Verteidigung gemäss § 34 Abs. 2 Ziff. 2 StPO hinauslaufen würde.
Kriminalund Anklagekommission, 2. Dezember 2003 (KA 03 116)
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