Zusammenfassung des Urteils 7W 13 51 / 7W 13 52: Kantonsgericht
Die Cour de Cassation pénale hat am 30. November 2009 über die Rechtsmittel von A.G.________ und B.G.________ gegen das Urteil des Strafgerichts des Bezirks La Côte vom 6. Oktober 2009 verhandelt. A.G.________ und B.G.________ wurden in einem Verfahren wegen Betrugs und Vertrauensmissbrauchs verurteilt. A.G.________ hat eine Reliefanfrage gestellt, die jedoch abgelehnt wurde. Die Gerichtskosten wurden zur Hälfte B.G.________ und zur Hälfte dem Staat auferlegt. Der Richter war M. Creux, der Betrag der Gerichtskosten beträgt 1'170 CHF.
| Kanton: | LU |
| Fallnummer: | 7W 13 51 / 7W 13 52 |
| Instanz: | Kantonsgericht |
| Abteilung: | 4. Abteilung |
| Datum: | 09.12.2014 |
| Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
| Leitsatz/Stichwort: | Berufskostenabzug: Die Kombination von privatem Fahrzeug und öffentlichen Verkehrsmitteln erscheint jedenfalls dann als zulässig und zumutbar, wenn einer kurzen Wegstrecke, die mit dem Privatfahrzeug zurückgelegt wird, eine markant längere Distanz gegenübersteht, die mit den öffentlichen Transportmitteln bewältigt wird. |
| Schlagwörter : | Verkehr; Verkehrs; Verkehrsmittel; Arbeit; Reise; Benützung; Privatfahrzeug; Reisezeit; Privatfahrzeugs; Verbindung; Route; Berufskosten; Verkehrsmitteln; Urteil; Twix-Route; Strecke; Fahrt; Park; Ride; Arbeitsstätte; Abzug; Regel; Vergleich; Zeitersparnis; Verwaltungsgericht; ürzeste |
| Rechtsnorm: | - |
| Referenz BGE: | - |
| Kommentar: | - |
Aus den Erwägungen:
2.
2.2.
2.2.1.
Gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) können als Berufskosten insbesondere die notwendigen Kosten für Fahrten zwischen Wohnund Arbeitsstätte abgezogen werden. Näheres regelt die Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über den Abzug von Berufskosten der unselbständigen Erwerbstätigkeit bei der direkten Bundessteuer (Berufskostenverordnung, SR 642.118.1).
2.2.1.1.
Bei Benützung eines privaten Verkehrsmittels können als Berufskosten im Sinn von Art. 26 Abs. 1 lit. a DBG grundsätzlich nur jene Kosten berücksichtigt werden, die bei Verwendung der öffentlichen Verkehrsmittel anfallen würden (Art. 5 Abs. 1 und 2 Berufskostenverordnung). Mit der gesetzlichen Regelung und der Rechtspraxis wird eine gewisse Lenkungswirkung beabsichtigt, indem nicht die persönlichen Vorlieben, sondern die in der Regel als zumutbar angesehene Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigt werden soll (LGVE 2004 II Nr. 23 E. 4b: Knüsel, in: Komm. zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [Hrsg. Zweifel/Athanas], 2. Aufl. 2008, Art. 26 DBG N 19). Einzig wenn kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht wenn dessen Benützung der steuerpflichtigen Person objektiv nicht zumutbar ist, können die Kosten des privaten Verkehrsmittels gemäss den Pauschalansätzen im Anhang zur BKV angerechnet werden (Art. 5 Abs. 3 Berufskostenverordnung; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Komm. zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl. 2013, § 26 StG ZH N 121). Unzumutbar ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels insbesondere dann, wenn es dem Steuerpflichtigen aus gesundheitlichen Gründen (Gebrechlichkeit, Krankheit, Alter usw.) nicht möglich ist, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, die nächste Haltestelle weit von der Wohnoder Arbeitsstätte entfernt ist, Arbeitsbeginn bzw. Arbeitsschluss nicht zu fahrplanmässigen Zeiten erfolgen der Pflichtige für seine Berufsausübung auf ein Motorfahrzeug angewiesen ist (vgl. etwa BGer-Urteil 2C_807/2011 vom 9.7.2012 E. 2.3.1; StE 2003 B 22.3 Nr. 76 E. 3.3; RDAF 2008 II 528 E. 5.3; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., Art. 26 DBG N 16; Knüsel, a.a.O., Art. 26 DBG N 19).
Die blosse Möglichkeit, durch Benützung eines Privatfahrzeugs Zeit einzusparen, gilt noch nicht als hinreichende Rechtfertigung, um die damit verbundenen Kosten abzuziehen. Nur eine markante Reduktion der täglichen Reisezeit dank dem privaten Verkehrsmittel darf berücksichtigt werden (Locher, a.a.O., Art. 26 DBG N 13 mit Hinweisen). Die Zumutbarkeitsregel wird in der Praxis der Luzerner Steuerbehörden dahingehend ausgelegt, dass der Zeitaufwand bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel bis zu einer Stunde grösser sein darf als im Vergleich zur Reise mit dem Auto, wobei der Zeitaufwand für beide Wege (Hinund Rückfahrt) insgesamt gemessen wird (LU StB, Weisungen StG, § 33 Nr. 1 Ziff. 3; LGVE 2004 II Nr. 23 E. 4c; vgl. auch BGer-Urteile 2C_343/2011 vom 25.10.2011 E. 2.4 und 2C_393/2007 vom 27.8.2007 E. 1.2).
2.2.1.2.
Die Zeitersparnis von einer Stunde pro Tag stellt einen Richtwert dar, der zwar nicht sklavisch zu befolgen ist, aber auch nicht beliebig ausgedehnt werden darf (vgl. AGVE 2009 S. 145 f. E. 4.1, AGVE 2005 S. 363 ff. E. 3). Bei einem Vergleich zwischen dem Zeitbedarf für den Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel und demjenigen beim Gebrauch eines Privatfahrzeugs ist in erster Linie eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich (Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern A 06 27 / A 06 28 vom 25.7.2006 E. 4d, A 03 90 / A 03 91 vom 15.12.2003 E. 4d). Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Quantität (Fahrplandichte) und Qualität (direkte Verbindungen, S-Bahn Bummelzüge) des Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln, die Umsteigeverhältnisse und die Distanzen zu den Haltestellen. Lässt sich bei Benützung des Privatfahrzeugs mehr als eine Stunde sparen, so deutet dies indessen auf ungenügende öffentliche Verbindungen hin (vgl. AGVE 2005, S. 363 ff. E. 3).
Ob und in welcher Hinsicht einem Aufteilungsmodell Rechnung getragen werden kann, indem sowohl die Kosten des öffentlichen Verkehrs wie die Fahrkosten für die Benützung des eigenen Autos Fahrrads entsprechend der optimalen Wegplanung berücksichtigt werden, hat das Kantonsgericht (bzw. das frühere Verwaltungsgericht) bislang offengelassen (Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern A 06 27 / A 06 28 vom 25.7.2006 E. 4d, A 03 90 / A 03 91 vom 15.12.2003 E. 4d). Im Urteil A 06 27 / A 06 28 vom 25. Juli 2006 hatte es immerhin ein von den Steuerbehörden vorgeschlagenes Aufteilungsmodell (Nutzung öffentlichen Verkehrsmitteln an gewissen Tagen und von Privatfahrzeug und Park & Ride bzw. Fahrrad in Verbindung mit den Transportmitteln des öffentlichen Verkehrs an anderen Tagen) zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht lehnte diese Aufteilung jedoch einerseits deswegen ab, weil die Zeitersparnis bei der Benutzung des Privatfahrzeugs bereits an drei von fünf Wochentagen mehr als eine Stunde betrug. Andererseits berücksichtigte es, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine alleinerziehende Mutter handelte, welche die eingesparte Zeit dafür einsetzte, ihre Kinder weitgehend selbst zu betreuen anstatt sie fremdbetreuen zu lassen. Deswegen erachtete das Gericht es als gerechtfertigt, der Beschwerdeführerin den Fahrkostenabzug für die Benützung des Privatfahrzeugs auch für die übrigen beiden Arbeitstage zu gewähren.
2.2.2.
Dass der Beschwerdeführer täglich ein Verkehrsmittel benützen muss, um von seinem Wohnort in Z zur Arbeitsstätte Y zu gelangen, ist offensichtlich. Beide Orte sind an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden, so dass der Beschwerdeführer grundsätzlich die Möglichkeit hat, den Arbeitsweg mit den öffentlichen Transportmitteln zurückzulegen, zumal er keine gesundheitlichen Gründe geltend macht, die ihn daran hindern würden.
2.2.2.1.
Die Frage der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Eine individuell mögliche Veränderung der Reisezeit mit dem Privatfahrzeug, z.B. wegen flexiblen Arbeitszeiten aber wegen Staus etc. ist daher nicht zu berücksichtigen (ebensowenig wie auf allfällige Verspätungen im öffentlichen Verkehr Rücksicht zu nehmen wäre). Der Vergleich muss anhand der üblichen und durchschnittlichen Reisezeiten getroffen werden. Aus Gründen der Praktikabilität und der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen ist deshalb grundsätzlich auf die Berechnung der Reisezeiten gemäss Twix-Route abzustellen. Gibt es verschiedene Strecken, um mit dem Motorfahrzeug den Arbeitsort zu erreichen, wird die Veranlagungsbehörde in der Regel die kürzeste Distanz berücksichtigen. Ist der kürzeste Weg jedoch zeitintensiv schwierig zu befahren, darf die Veranlagungsbehörde in Würdigung der konkreten Situation entweder auf einen Mittelwert aber, was den tatsächlichen Verhältnissen in der Regel am besten entspricht, auf die schnellste Verbindung abstellen (zum Ganzen: LGVE 2004 II Nr. 23 E. 5b).
Vorliegend ergibt sich aus Twix-Route, dass der Beschwerdeführer für die schnellste Strecke [ ] vom Wohnort zum Arbeitsort pro Weg 54 min Reisezeit benötigt, mithin pro Tag 108 min bzw. 1 h 48 min (bei einer Distanz von 69 km). Als kürzeste Strecke (57 km) gibt Twix-Route den Weg über [ ] an; der Hinweg dauert 98 min (1 h 38 min) und der Rückweg 99 min (1 h 39 min), insgesamt beträgt die Reisezeit somit 197 min (3 h 17 min). Auf welche Strecke abzustellen wäre, kann offen gelassen werden, weil wie noch zu zeigen sein wird auch der Zeitvergleich mit der schnellsten Route dem Beschwerdeführer nicht weiterzuhelfen vermag.
2.2.2.2.
Weil der Beschwerdeführer in der Steuererklärung (nebst dem Abzug für die Kosten des Privatfahrzeugs) einen Abzug für seinen Anteil am (vom Arbeitgeber verbilligten) Generalabonnement erster Klasse [ ] geltend machte, geht die Vorinstanz davon aus, dass er für die Fahrt zur Arbeit die öffentlichen Verkehrsmittel benützt.
Der Beschwerdeführer hält zutreffend fest, dass die ÖV-Verbindung ab der nächstgelegenen Bushaltestelle [in Z] markant mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Fahrt mit dem Privatfahrzeug. Konkret dauert die Hinreise je nach Verkehrsverbindung gemäss SBB-Fahrplan (www.sbb.ch) zwischen 1 h 25 min und 1 h 45 min und die Rückreise zwischen 1 h 21 min und 1 h 33 min, zuzüglich Fusswege. Im Mittel kann hier eine Gesamtreisezeit von ca. 3 h täglich angenommen werden. Weiterungen erübrigen sich, denn der Vergleich mit der Fahrzeit der schnelleren Route zeigt, dass bei Benützung des Privatautos eine Stunde mehr Reisezeit eingespart werden kann (immerhin würde die Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aber ungefähr gleich lange dauern wie der Weg über die kürzeste Strassenroute).
Allerdings weist die Vorinstanz darauf hin, dass ab dem benachbarten X zahlreiche und gute Zugsverbindungen nach Y bestehen, und dass es dem Beschwerdeführer zuzumuten sei, die "Park & Ride"-Parkplätze in X zu benützen. Die Reisezeit von X nach Y beträgt auf dem Hinweg am frühen Morgen (je nach Verbindung) 42 min 1 h 1 min; später [...] wird eine Fahrzeit von 1 h 9 min [bzw.] 50 min angegeben. Die Rückreise am Abend nimmt 41 min 57 min in Anspruch. Die Fahrt mit dem PW vom Wohnort in Z zum Bahnhof X bzw. zurück dauert gemäss Twix-Route 6 min pro Weg (4,2 km), für das Umsteigen ("Park & Ride") setzt die Vorinstanz je 10 min ein, was so übernommen werden kann, und der Fussweg vom Bahnhof [ ] in Y zum Arbeitsplatz beansprucht gemäss Twix-Route je 4 min. Die Reisezeiten bei der Benutzung des "Park & Ride"-Angebots und die Zeitersparnis bei ausschliesslicher Nutzung des Privatfahrzeugs berechnen sich daher wie folgt:
[Die Zeitersparnis gegenüber der schnellsten Zugsverbindung beträgt 15 min, gegenüber der langsamsten Zugsverbindung 58 min.]
Die kurze Fahrt mit dem Privatauto von Z nach X und die Nutzung des dortigen "Park & Ride"-Angebots ermöglichen es dem Beschwerdeführer somit, einen grossen Teil des Arbeitswegs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, ohne dass sich die Reisezeit übermässig verlängern würde. Selbst wenn der Beschwerdeführer für beide Wege jeweils die langsamste ÖV-Verbindung ab/nach X wählte, betrüge der zeitliche Mehraufwand, wie die Aufstellung zeigt, nur 58 min und läge damit noch im Bereich des Zumutbaren. Die Kombination von privatem Fahrzeug und öffentlichen Verkehrsmitteln erscheint jedenfalls dann als zulässig und zumutbar, wenn wie hier - der kurzen Wegstrecke, die mit dem Privatfahrzeug zurückgelegt wird, eine markant längere Distanz gegenübersteht, die mit den öffentlichen Transportmitteln bewältigt wird (vgl. AGVE 2005 S. 363 ff. E. 4c). Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch massgeblich vom Sachverhalt, der dem Bundesgerichtsurteil vom 24. April 1964 zugrunde lag: Dort erachtete es das Bundesgericht als nicht zumutbar, dass der Steuerpflichtige mit seinem Auto 4 km weit bis zur nächsten Bahnstation fährt, um dann für eine verhältnismässig kurze Strecke von ca. 9 km die Bahn zu benützen und den verbleibenden Weg zur Arbeitsstätte von 1 km zu Fuss zurückzulegen (ASA 33, S. 276 ff.; vgl. Locher, a.a.O., Art. 26 DBG N 13). Durch eine Mischrechnung wie der hier vorgenommenen wird zudem dem Grundsatz Rechnung getragen, dass primär die öffentlichen Verkehrsmittel als Fahrkosten zum Abzug zuzulassen sind; ausserdem entspricht sie durchaus der Realität, nutzen doch täglich zahlreiche erwerbstätige Personen das "Park & Ride"-Angebot, um zum Arbeitsort zu gelangen (vgl. AGVE 2005 S. 363 ff. E. 4c).
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