Art. 31 Abs. 1 SVG. Erforderliches Mass an Aufmerksamkeit.
======================================================================
Der alkoholisierte Angeklagte fuhr innerorts auf einer Hauptstrasse und wollte links abbiegen. Zu diesem Zweck war er auf die Einspurstrecke in der Mitte der Fahrbahn gefahren. Parallel zu ihm auf der rechten Fahrspur fuhr, leicht nach vorne versetzt, das Fahrzeug von X. Als der Angeklagte bereits am Abbiegen war, rannte der Privatkläger von rechts auf die Strasse wurde vom Fahrzeug von X. frontal erfasst und vor das Fahrzeug des Angeklagten geschleudert. Der Privatkläger wurde vom Fahrzeug des Angeklagten überrollt und mehrere Meter mitgeschleift.
Aus den Erwägungen
3.2.1. Der Privatkläger wirft dem Angeklagten mangelnde Aufmerksamkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeugs im Sinne von Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV vor, weil er den Privatkläger vor dem Aufprall nicht gesehen habe. Zudem habe er aufgrund seiner Alkoholisierung bzw. generell zu spät reagiert und den Privatkläger zu lange mitgeschleift. Die Kollision und die Verletzungen seien vermeidbar gewesen. Der notwendige Anhalteweg wäre bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit viel kürzer gewesen.
Die Vorinstanz erblickt hingegen in der Tatsache, dass der Angeklagte den Privatkläger bis zum Zeitpunkt des Aufpralls auf der Motorhaube seines Fahrzeuges nicht gesehen hat, keine Sorgfaltspflichtverletzung. Dies insbesondere deshalb nicht, da der Angeklagte seine visuelle Aufmerksamkeit nach links zu richten gehabt habe, da er links in eine Quartierstrasse habe abbiegen wollen. Von der rechten Strassenseite habe der Angeklagte nicht mit einer Gefahr rechnen müssen, da sich unmittelbar neben ihm das Fahrzeug von X. befunden habe, welcher korrekt gefahren sei. Dieser Ansicht ist auch der Angeklagte. Es stellt sich deshalb zunächst die Frage, ob es eine Pflichtverletzung darstellt, dass der Angeklagte den Privatkläger nicht schon vor dem Aufprall bemerkte.
3.2.2. Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG muss der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 VRV). Das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeugführer verlangt wird, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen. Wenn er sein Augenmerk im Wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten hat, kann ihm für andere eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden (BGE 103 IV 104 ff. E. 2b und c). Der Lenker hat seine Aufmerksamkeit in erster Linie auf die zu erwartenden Gefahren von Art. 26 Abs. 2 SVG abgesehen zu richten und daneben höchstens sekundär auf ungewöhnliche und abwegige Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer (BGE 122 IV 228 E. 2c). Wer folglich am Steuer eines Fahrzeugs in eine Abzweigspur wechselt, um danach nach links in eine Quartierstasse zu biegen, hat sich in erster Linie darauf zu konzentrieren, ob er die Strasse überqueren kann, ohne das Vortrittsrecht eines Verkehrsteilnehmers, der sich auf der vortrittsberechtigten Strasse befindet, zu beeinträchtigen. Der Angeklagte hatte somit seine Hauptaufmerksamkeit nach links zu richten, zumal er bereits am Abbiegen war. Er war insbesondere nicht verpflichtet, vorsorglich nach Verkehrsteilnehmern Ausschau zu halten, die sich in krasser Verletzung der Verkehrsregeln in den Verkehr einfügen. Von der rechten Strassenseite her hatte er zudem nach dem Vertrauensgrundsatz (Art. 26 Abs. 1 SVG) vernünftigerweise auch mit keiner Gefahr rechnen müssen, insbesondere deshalb nicht, da vor ihm parallel auf der rechten Spur der Personenwagen von X. korrekt fuhr. Dass der Angeklagte den Privatkläger nicht vor dem Aufprall gesehen hatte, stellt somit keine Sorgfaltspflichtverletzung dar.
II. Kammer, 27. November 2007 (21 07 80)