Art. 112 StGB. Mord am Ehegatten.
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Am Mittag des 30. Dezember 2004 folgte der Angeklagte seiner von ihm getrennt lebende Ehefrau in die Unterführung des Bahnhofs Sempach-Neuenkirch, ergriff sie dort und stach, trotz ihrer Gegenwehr mit einem Pfefferspray, mehrere Male mit einem Taschenmesser auf sie ein. Dabei fügte er ihr 13 Stichverletzungen am Kopf, im Brustbereich, an den Armen und am Rücken zu; ein massiver Stich in ihre linke Brust verursachte ihren Tod. Der 49-jährige Angeklagte stammt wie seine 33-jährige Ehefrau aus Mazedonien. Während er seit 1978 in der Schweiz lebt, ist die Ehefrau erst sechs Jahre nach der 1996 in Mazedonien geschlossenen Ehe zusammen mit dem gemeinsamen Sohn (geb. 1996) zu ihm in die Schweiz gezogen und hat sich anders als der Angeklagte integriert.
Aus den Erwägungen:
Aufgrund des Beweisergebnisses steht fest, dass der Angeklagte seine Ehefrau tötete, weil sie ihm den nach seiner Überzeugung als Ehefrau geschuldeten Gehorsam schon seit längerem verweigerte, sich von ihm getrennt, ihm den Sohn weggenommen, ein gerichtliches Kontaktverbot erwirkt und sich erfolgreich ein eigenes Leben ohne ihn aufgebaut hatte (eigene Wohnung, eigene Arbeit, gute Deutschkenntnisse, eigene Aufenthaltsbewilligung). Diese ganze Vorgeschichte versetzte den Angeklagten in eine so masslose Wut, dass er den Widerstand seiner Ehefrau für immer brechen und sie für den zunehmenden Ungehorsam gemäss seinen schon zahlreich geäusserten Drohungen mit dem Tod bestrafen wollte. Aus der Sicht des Angeklagten kam noch hinzu, dass sie es wagte, gegen ihn einen Pfefferspray einzusetzen, was das "Fass zum Überlaufen" brachte und alle Hemmungen bei ihm beseitigte. Dieser Beweggrund des Angeklagten ist als krass egoistisch und besonders verwerflich zu qualifizieren. Daran vermag auch sein kultureller Hintergrund nichts zu ändern. Wie in dem BGE 127 IV 10, 17 ff. zu Grunde liegenden Fall ist zwar auch hier die Tat vor dem Hintergrund einer stark konfliktgeladenen Täter-Opfer-Beziehung geschehen, und die Tat selber kann daher auch in der Konsequenz einer katastrophalen Ehegatten-Beziehung begriffen werden. Es ist jedoch nicht eine Kultur zu beurteilen, sondern eine Tat und ihr Täter. Dabei können tatbezogene heimatliche Anschauungen des Ausländers wie des Inländers grundsätzlich als innere Tatsachen (Beweggründe) bei der Gesamtwürdigung erheblich werden. Kulturen geben aber keine Auskunft zum tatsächlichen individuellen Handeln. Die Verwerflichkeit beurteilt sich nach der ethischen Qualität des Beweggrundes, nicht nach seiner Herkunft (BGE 127 IV 10, 17 E. 1d mit Verweisen). Die zweifellos vorhandene Migrationsund Integrations-Problematik ist kein Grund, einen Mord in abstrakter Weise wegen vermeintlicher heimatlicher Auffassungen des Angeklagten zu verneinen, steht doch fest, dass dieser mit seinem gesamten Verhalten (körperliche und sexuelle Misshandlungen der Ehefrau während der Ehe, monatelange Verfolgung, persönliche und telefonische Belästigungen und [Todes-] Drohungen nach ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung) ganz wesentlich zur Eskalation der Situation beigetragen und durch die erneute Verfolgung seiner Ehefrau am 30. Dezember 2004 Anlass zur Auseinandersetzung gegeben hat, welche letztlich die Tat auslöste. Mit der Tötung seiner Ehefrau hat der Angeklagte seine Sicht der Dinge durchgesetzt, wie er sie am 5. April 2004 der Polizei gegenüber dargelegt hatte: "Meine Frau wird nie lebend von mir weg gehen." Eine solche Einstellung aber ist objektiv weder in der Schweiz noch in der Heimat des Angeklagten gerechtfertigt. Der Beweggrund des Angeklagten, seine Ehefrau für ihren anhaltenden "Ungehorsam" und wachsenden Widerstand mit dem Tod zu bestrafen, ist als krass egoistisch und menschenverachtend zu qualifizieren, hat er damit doch ganz allein über ihr Leben bzw. ihren Tod entschieden. Der Angeklagte zeichnet sich durch eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung der eigenen Absichten aus.
Auch das Tatvorgehen ist als besonders verwerflich zu qualifizieren. Schon auf der Rampe zur Unterführung nahm der Angeklagte sein Messer aus der Jackentasche, öffnete dieses mit beiden Händen und bewegte diejenige Hand, in welcher er schliesslich das Messer hielt, 20 bis 30 Mal gegen seine Ehefrau. Auf diese Weise fügte er ihr insgesamt 13 Stichund Schnittverletzungen zu. Obwohl die Angegriffene laut schrie, sich wehrte und sich mit den mitgeführten Taschen und den blossen Armen gegen die Messerattacke zu schützen versuchte, stach der Angeklagte immer wieder auf sie ein und fügte ihr zwei Stiche im Brustbereich (wovon einer tödlich), sechs scharfe, teilweise entstellende Stichbzw. Schnittverletzungen im Kopfbereich, vier scharfe Verletzungen am linken Arm (Abwehrverletzungen) und zuletzt, als seine Ehefrau bereits zu fliehen versuchte, einen Stich in den Rücken zu. Vor allem die Messerstiche ins Gesicht und in den Rücken zeugen von besonderer Brutalität und Gefühlskälte, hat doch der Angeklagte dadurch seiner Ehefrau mehr physische Schmerzen zugefügt, als mit ihrer Tötung notwendigerweise verbunden waren (vgl. Schwarzenegger, Basler Komm., 1. Aufl., N 18 zu Art. 112 StGB). Die Verletzungen belegen, dass der Angeklagte die als Bestrafung gedachte Tötung seiner Ehefrau konsequent und besonders grausam zu Ende führen wollte.
Schliesslich zeichnen auch das tatbezogene Vorleben und das Verhalten des Angeklagten nach der Tat (er überliess seine schwer verletzte, blutüberströmte und vor Schmerzen laut schreiende Ehefrau gleichgültig ihrem Schicksal und verliess den Tatort ohne soziale Regungen) das Bild eines besonders gefühlskalten und primitiv egoistischen Menschen, der sich zur Verfolgung eigener Interessen rücksichtslos über das Leben anderer hinwegsetzt.
In Würdigung all dieser inneren und äusseren Umstände der Tat ist die vorsätzliche Tötung durch den Angeklagten als Mord im Sinne von Art. 112 StGB zu qualifizieren.
II. Kammer, 17. Oktober 2007 (21 07 70)