Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO; Art. 669 Abs. 1 OR. Erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung verneint wegen Rückstellung.
Der Einzelrichter des Bezirksgerichts verpflichtete die Gesuchsgegnerin zur Leistung einer Sicherheit für die Parteientschädigung in Höhe von Fr. 100000.—. Die Gesuchsgegnerin beantragte mit Beschwerde beim Obergericht die Aufhebung dieses Entscheids.
Aus den Erwägungen:
5.1. Die Gesuchsgegnerin rügt, die ZPO erlaube im konkreten Fall keine Kautionierung. Es könne nicht von einer erheblichen Gefährdung der Prozessentschädigung im Sinn von Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO ausgegangen werden. Die vorinstanzliche Entscheidung verkehre die gesetzliche Regelung in ihr Gegenteil, indem sie von einer nachweislich aufrecht stehenden und sich korrekt verhaltenden Klägerin eine Sicherheitsleistung verlange, obschon diese anerkanntermassen gerade im Hinblick auf eine allenfalls drohende Verpflichtung zur Zahlung einer Prozessentschädigung umsichtig gehandelt und Fr. 84000.— im Sinn von Art. 669 Abs. 1 OR zurückgestellt habe. Gemäss Art. 669 Abs. 1 OR liege es keineswegs im Belieben einer Aktiengesellschaft bzw. deren Organe, über die Vornahme die Auflösung von Rückstellungen frei zu entscheiden. Die Gesuchsgegnerin macht demnach eine falsche Rechtsanwendung geltend.
Die Gesuchstellerin entgegnet, es gebe keine Garantie, dass die von der Gesuchsgegnerin angeführte Rückstellung bestehen bleibe und tatsächlich für dieses Verfahren verwendet werde. Diese könne ohne Weiteres jederzeit aufgelöst werden.
5.2. Die Vorinstanz führte aus, diese Rückstellung von Fr. 84000.— stelle keine Sicherheit dafür dar, dass diese Reserven bis zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Hauptprozesses noch vorhanden sein müssten. Die Reserven könnten jederzeit aufgelöst für andere Verbindlichkeiten eingesetzt werden, ohne dass die Gesuchstellerin auf deren Verwendung Einfluss nehmen könnte. Die Gesuchsgegnerin verfüge über keine Banklizenz mehr und habe damit diese seit 2002 bestehende Geschäftstätigkeit eingestellt. Ausserdem habe sie ihr Aktienkapital von Fr. 10 Mio. auf Fr. 100000.— herabgesetzt. Sie habe einen Verlust von Fr. 190000000.— erlitten. Unbekannt sei, welche Aktiven und Passiven sich derzeit gegenüberstünden. Die Patronatserklärung des «Grossmutterkonzerns» stelle auch keine genügende Sicherheit dar.
5.3. Nach Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen. In lit. a bis c zählt das Gesetz konkrete Umstände auf, welche die Sicherstellung rechtfertigen. Diese Umstände sind unterschiedlicher Natur. Lit. a und c sprechen je einen gleichsam formal feststellbaren Umstand an (Wohnsitz/Sitz im Ausland bzw. ausstehende Zahlung von Prozesskosten aus früheren Verfahren); alsdann sind die Voraussetzungen einer Sicherstellung ohne Weiteres gegeben. Dagegen enthält lit. b unter Nennung von Beispielen den offeneren Tatbestand, dass der Prozessgegner zahlungsunfähig erscheint.
Lit. d enthält eine Generalklausel. Danach ist eine Sicherheitsleistung anzuordnen, wenn Umstände nachgewiesen sind, aus welchen auf eine erhebliche Gefahr der zukünftigen Nichtleistung der Parteientschädigung zu schliessen ist. Neben den bereits in lit. b aufgezählten Beispielen der Zahlungsunfähigkeit (eröffneter Konkurs, Nachlassverfahren, Verlustschein) bleiben nur noch wenige Tatbestände, die geeignet sind, eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung im Sinn von lit. d zu begründen, wie etwa Zahlungsflucht, betrügerische Handlungen zum Nachteil der Gläubiger, Verheimlichung von Vermögenswerten, Scheitern eines Nachlassvertrags, Übertragung von Aktiven unter ihrem Wert auf eine Auffanggesellschaft (sog. asset stripping) paulianisch anfechtbare Transaktionen (Schmid, in: Kurzkomm. Schweizerische Zivilprozessordnung [Hrsg. Oberhammer], Basel 2010, Art. 99 ZPO N 12).
Die Gefahr der Nichtleistung muss erheblich sein, was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit einer Nichtleistung klar und eindeutig höher einzuschätzen ist als die Wahrscheinlichkeit einer Leistung. Die nachgewiesenen bzw. unbestrittenen Umstände sind insgesamt zu würdigen. Die Feststellung der Umstände bildet eine Tatfrage, deren Würdigung im Hinblick darauf, ob sie eine erhebliche Gefahr der Nichtleistung darstellen, eine Rechtsfrage. Ergibt die Prognose, dass die in Zukunft allenfalls entstehende Verpflichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden wird, ist die Sicherheitsleistung anzuordnen. Bei dieser Beurteilung spielt das richterliche Ermessen eine bedeutende Rolle.
5.4. Die Vorschrift in Art. 669 Abs. 1 OR bezweckt, eine korrekte und dem Vorsichtsprinzip Rechnung tragende Darstellung der finanziellen Lage der Gesellschaft sicherzustellen (Urteil des Bundesgerichts 4C.192/2004 vom 11.8.2004 E. 2.4). Eine vorgenommene Rückstellung im Sinn des Art. 669 Abs. 1 OR kann somit nur dann aufgelöst werden, wenn sie unnötig geworden ist, d.h. wenn das mit ihr gedeckte Risiko dahin fällt (vgl. Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., S. 1083; Bauen/Bernet, Schweizer Aktiengesellschaft; Aktienrecht, Fusionsrecht, Börsenrecht, Steuerrecht, Zürich 2007, S. 380). Andernfalls wäre das Institut der Rückstellung ohne Sinn.
Aufgrund ihres bisherigen Verhaltens ist davon auszugehen, die Gesuchsgegnerin werde sich auch in Zukunft gesetzeskonform verhalten, d.h. den Massstab des sorgsamen Kaufmanns anwenden, und dafür sorgen, dass die erfolgte Rückstellung von Fr. 84000.— bis zum Prozessabschluss erhalten bleibt. Die Gesuchstellerin widerspricht sich in der Beschwerdeantwort im Übrigen selber, wenn sie einerseits ausführt, gesetzeswidriges Verhalten werde niemandem vorgeworfen, und gleichzeitig vorbringt, der Verwaltungsrat der Gesuchsgegnerin könne heute schon die Auflösung der Rückstellung beschliessen.
Schliesslich ist festzustellen, dass die konkrete Höhe der Rückstellung unter dem Gesichtspunkt des sorgsamen Kaufmanns als angemessen zu betrachten ist, nachdem die Vorinstanz unter Hinweis auf die Schwierigkeit der Bestimmung des Streitwerts von einem sicherzustellenden Betrag von Fr. 100000.— ausging und sich dabei offenbar an der Rückstellung der Gesuchsgegnerin orientierte.
Da die Gesuchsgegnerin unbestritten eine aufrecht stehende Gesellschaft mit Tätigkeiten im Finanzbereich ist und eine Rückstellung von Fr. 84000.— für die allfällige Pflicht zur Leistung einer Prozessentschädigung an die Gesuchstellerin vorgenommen hat, sind die Voraussetzungen einer erheblichen Gefährdung im Sinn des Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO nicht erfüllt. Offen bleiben kann, ob sich die Gefahr der Nichtleistung i.S.v. Art. 99 Abs. 1 lit. d ZPO allein auf die Frage des wirtschaftlichen Könnens aber auch auf die blosse Frage des Wollens bezieht. Denn streitig ist allein die Frage der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gesuchsgegnerin. Ihre grundsätzliche Zahlungswilligkeit steht insbesondere aufgrund der unbestritten vorgenommenen Rückstellung ausser Frage.
5.5. Dass die Gesuchsgegnerin im Februar 2010 als (der FINMA unterstellte) Bank mit einem Verlust von rund Fr. 190 Mio. konfrontiert wurde, spielt keine Rolle. Dieser Verlust konnte offenbar aufgefangen werden und führte jedenfalls nicht zur Liquidation der Gesuchsgegnerin.
Die Herabsetzung des Aktienkapitals von Fr. 10 Mio. auf Fr. 100000.— ist erst beschlossen, aber noch nicht vollzogen. Sie ist in Bezug auf die Gefährdung daher nicht von Relevanz. Im Übrigen beeinflusst die Herabsetzung des Aktienkapitals die bestehende Rückstellung nicht.
6. - Zusammenfassend ist die Beschwerde gutzuheissen und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
1. Abteilung, 8. Mai 2012 (1C 12 15)