E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils ZK1-17-96: Kantonsgericht Graubünden

Ein Rechtsanwalt erhielt die unentgeltliche Prozessführung für einen Klienten im Eheschutzverfahren, verzichtete jedoch später darauf. Der Anwalt stellte dem Gericht eine Rechnung über CHF 5'562.00 für seine bisherigen Bemühungen. Das Gericht entschied, dass der Verzicht des Klienten zur Aufhebung der unentgeltlichen Rechtspflege führt und der Anwalt sein Honorar vom Klienten einfordern muss. Der Anwalt legte Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden ein, da er der Ansicht war, dass sein Honorar vom Staat zu zahlen sei. Das Gericht entschied zugunsten des Anwalts und wies den Fall zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZK1-17-96

Kanton:GR
Fallnummer:ZK1-17-96
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid ZK1-17-96 vom 02.11.2017 (GR)
Datum:02.11.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsvertretung
Schlagwörter : Recht; Entscheid; Rechtspflege; Beschwerde; Maloja; Entschädigung; Honorar; Regionalgericht; Verzicht; Entzug; Rechtsbeistand; Rüegg; Kanton; Staat; Daniel; Wuffli; Schweizerische; Kantons; Kantonsgericht; Graubünden; Rechtsanwalt; Zivilprozessordnung; Kommentar; Rechtsvertreter; Vorinstanz
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 110 ZPO ;Art. 118 ZPO ;Art. 120 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 320 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 327 ZPO ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE: BGE
125 II;
Kommentar:
Dieter Freiburghaus, Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Kommentar zur Schwei- zerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Art. 320 ZPO, 2016
Brunner, Gasser, Schwander, Kommentar zur Schwei- zerischen Zivilprozessordnung, Art. 120 ZPO, 2016
Karl Spühler, Schweizer, Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Art. 327 ZPO, 2017
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts ZK1-17-96

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni

Ref.:
Chur, 02. November 2017
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK1 17 96
06. November 2017
Entscheid

I. Zivilkammer
Vorsitz
Pedrotti
Aktuar ad hoc
Knupfer

In der zivilrechtlichen Beschwerde
des lic. iur. et oec. X.___, Beschwerdeführer,
gegen
den Entscheid des Einzelrichters am Regionalgericht Maloja, vom 9. August 2017,
in Sachen des Beschwerdeführers,
betreffend Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsvertretung,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Mit Verfügung vom 17. März 2017 wurde A.___ im Eheschutzverfahren
gegen B.___ vom Einzelrichter des Regionalgerichts Maloja die unentgeltliche
Prozessführung mit Rechtsvertretung durch Rechtsanwalt X.___ bewilligt.
B.
Im Schreiben an das Regionalgericht Maloja vom 27. Juni 2017 teilte
A.___ mit, nicht mehr anwaltlich vertreten zu sein. Er verzichte auf die unent-
geltliche Rechtspflege und werde mit Rechtsanwalt X.___ eine Einigung betref-
fend die in der Zwischenzeit entstandenen Kosten suchen.
C.
Am 29. Juni 2017 stellte Rechtsanwalt X.___ gestützt auf den Entscheid
vom 17. März 2017 dem Regionalgericht Maloja für seine anwaltschaftlichen Be-
mühungen den Betrag von CHF 5'562.00 in Rechnung.
D.
Das Regionalgericht Maloja setzte am 9. August 2017 Rechtsanwalt
X.___ darüber in Kenntnis, dass der Verzicht seitens A.___ ohne weiteres
zum Erlöschen der entsprechenden Wirkung der unentgeltlichen Rechtspflege
führe. Demnach habe er sein Honorar direkt gegenüber seinem Mandanten
A.___ geltend zu machen.
E.
Am 14. August 2017 erhob Rechtsanwalt X.___ (nachfolgend: Be-
schwerdeführer) Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden gegen die
Verfügung des Regionalgerichts Maloja vom 9. August 2017 und stellte folgende
Anträge:
"1. Die angefochtene Verfügung des Einzelrichters in Zivilsachen des Re-
gionalgerichtes Maloja vom 09.08.2017 sei aufzuheben und es sei die
Honorarrechnung von RA X.___ zu genehmigen.

2.
Eventualiter sei die Angelegenheit an den Einzelrichter in Zivilsachen
des Regionalgerichtes Maloja zum Entscheid über die Honorarrech-
nung zurückzuweisen.

3.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge."
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die unentgeltliche Verbei-
ständung ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen dem Staat und Rechtsan-
walt darstelle und damit einen Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegenüber
dem Staat, nicht aber gegenüber dem Mandanten begründe. Dieser sei denn auch
nicht legitimiert, das Vertragsverhältnis zwischen Staat und Rechtsanwalt aufzulö-
sen. Ohnehin könne ein Verzicht der Partei auf die unentgeltliche Rechtspflege
nur Wirkung für die Zukunft entfalten, bereits erbrachte Leistungen seien davon
nicht betroffen.
Seite 2 — 10

F.
Auf die weitergehenden Ausführungen in den Rechtsschriften sowie im an-
gefochtenen Entscheid wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägun-
gen eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen das Schreiben des Regio-
nalgerichts Maloja vom 9. August 2017 betreffend Entschädigung des unentgeltli-
chen Rechtsvertreters für dessen Bemühungen im Rahmen eines Eheschutzver-
fahrens. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei diesem
Schreiben nicht um einen Entscheid betreffend Entzug der unentgeltlichen
Rechtspflege, gegen welchen gemäss Art. 121 der Schweizerischen Zivilprozess-
ordnung (ZPO; SR 272) in Verbindung mit Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO Beschwerde
geführt werden könnte (vgl. KG act. A.1, S. 3). Die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege stellt eine verwaltungsrechtliche Verfügung dar, die grundsätzlich bis
zum Abschluss des Hauptverfahrens wegen ursprünglicher nachträglicher
Fehlerhaftigkeit abänderbar ist (Stefan Meichssner, Das Grundrecht auf unentgelt-
liche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV]; Daniel Wuffli, Die unentgeltliche Rechts-
pflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Bern, Zürich 2015,
Rz. 626). Ein Entzug kommt in Frage, wenn im Laufe des Prozesses die Bedürf-
tigkeit dahingefallen ist wenn sich herausstellt, dass sie gar nie bestanden
hat (Lukas Huber, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Kommentar zur Schwei-
zerischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Zürich 2016, N 3 zu Art. 120 ZPO). Vom
Entzug ist das Erlöschen der unentgeltlichen Rechtspflege durch Ausscheiden der
Person aus dem Prozess infolge Verzichts der berechtigten Person zu unter-
scheiden (Lukas Huber, a.a.O., N 28 zu Art. 118 ZPO, N 3 zu Art. 120 ZPO). Im
vorliegenden Fall wurde die Bedürftigkeit von A.___ nicht in Zweifel gezogen.
Vielmehr stützte sich das Regionalgericht Maloja auf das Schreiben von A.___
vom 27. Juni 2017, mit welchem er ausdrücklich auf die unentgeltliche Rechtspfle-
ge verzichtete (KG act. B.3). Abgesehen davon ist anzumerken, dass dem Be-
schwerdeführer im Falle eines Entzugs der unentgeltlichen Rechtspflege vorlie-
gend gestützt auf Art. 121 ZPO keine Beschwerdelegitimation zukommen würde.
Diese steht in erster Linie der Person zu, die um unentgeltliche Rechtspflege er-
sucht hat der sie entzogen worden ist (Lukas Huber, a.a.O., N 6 zu Art. 121
ZPO). Der Rechtsvertreter ist im Rahmen von Art. 121 ZPO nur zur Beschwerde
im eigenen Namen berechtigt, sofern seine Einsetzung als Rechtsbeistand aus
persönlichen fachlichen Gründen verweigert wird, dieser unter Missachtung
Seite 3 — 10

des Ablehnungsrechts als unentgeltlicher Rechtsbeistand ernannt wird, seine
Auswechslung verweigert im Gegenteil eine solche gegen seinen Willen
durchgeführt
wird
(Frank
Emmel,
in:
Sutter-Somm/Hasenböhler/
Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO],
3. Aufl., Zürich 2016, N 2 zu Art. 121 ZPO; Alfred Bühler, in: Hausheer/Walter
[Hrsg.], Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, Art. 1-149 ZPO, Bern 2012, N 12 ff.
zu Art. 120 ZPO; Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 878). Vorliegend ist keine der genann-
ten Streitfragen tangiert. Indessen steht dem Rechtsvertreter im Zusammenhang
mit der Höhe des Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Staat bzw. der Ge-
genpartei, welche der obsiegenden, unentgeltlich prozessführenden Partei eine
Parteientschädigung zu entrichten hat, selbst die Beschwerde zu (vgl. Daniel
Wuffli, a.a.O., Rz. 451; Alfred Bühler, a.a.O., N 12f f. zu Art. 120 ZPO; Frank Em-
mel, a.a.O., N 8 zu Art. 122 ZPO; Viktor Rüegg/Michael Rüegg, in: Spühler/
Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung,
3. Aufl., Basel 2017, N 3 zu Art. 110 ZPO; Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 878). Durch
die Festsetzung der staatlichen Entschädigung wird das Rechtsschutzinteresse
des unentgeltlichen Rechtsbeistandes selbst tangiert, weshalb dieser legitimiert
ist, den diesbezüglichen Entscheid anzufechten (vgl. Alfred Bühler, a.a.O., N 46 zu
Art. 122 ZPO mit weiteren Hinweisen; Viktor Rüegg/Michael Rüegg, a.a.O., N 3 zu
Art. 110 ZPO, N 8 zu Art. 122 ZPO). Der Entschädigungsentscheid stellt einen
Kostenentscheid im Sinne von Art. 110 ZPO und damit einen anderen erstinstanz-
lichen Entscheid gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO dar (Lukas Huber, a.a.O., N 27
zu Art. 122 ZPO). Der Erlass eines selbständigen Entschädigungsentscheides
ändert nichts daran, dass dieser gleich wie der zusammen mit dem Endent-
scheid ergangene Entschädigungsentscheid mit Beschwerde gemäss Art. 319 ff.
ZPO angefochten werden kann (Alfred Bühler, a.a.O., N 42 f. zu Art. 122 ZPO).
Indem das Regionalgericht Maloja den Beschwerdeführer zur Einforderung des
Honorars an A.___ verwies, aberkannte es faktisch den Honoraranspruch des
Beschwerdeführers gegenüber dem Staat. Der Einzelrichter am Regionalgericht
Maloja begründete sein Vorgehen unter Bezugnahme auf die Lehre. Obschon die
angefochtene Verfügung in Briefform und ohne Rechtsmittelbelehrung ergangen
ist, handelt es sich dabei um einen Entscheid im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 1
ZPO. Mithin kann nach Treu und Glauben das Schreiben vom 9. August 2017 als
das Verfahren betreffend die unentgeltliche Rechtspflege erledigenden Entscheid
betrachtet werden. Es ist zudem anzumerken, dass die Vorinstanz innert der vom
Kantonsgericht von Graubünden angesetzten Frist zur eingereichten Beschwerde
keine Stellungnahme eingereicht hat und auch aufgrund dessen davon auszuge-
Seite 4 — 10

hen ist, dass sie mit dem mehrmals zitierten Schreiben tatsächlich über die den
unentgeltlichen Rechtsvertreter betreffenden Kosten entschieden hat. Der Be-
schwerdeführer wird dadurch in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt,
weshalb dessen Beschwerdelegitimation zu bejahen und auf die fristgerecht ein-
gereichte Beschwerde einzutreten ist.
2.
Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung sowie die offen-
sichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden (Art. 320 ZPO).
Der Begriff der unrichtigen Rechtsanwendung umfasst jeden Verstoss gegen ge-
schriebenes und ungeschriebenes Recht (vgl. Dieter Freiburghaus/Susanne Af-
heldt, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schwei-
zerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl., Zürich 2016, N 3 zu Art. 320 ZPO).
Die Beschwerdeinstanz überprüft entsprechende Rügen mit freier Kognition (vgl.
Dieter Freiburghaus/Susanne Afheldt, a.a.O., N 4 zu Art. 320 ZPO). Unrichtige
Rechtsanwendung beinhaltet dabei auch die Unangemessenheit, weshalb die Be-
schwerdeinstanz auch die Angemessenheit eines Kostenentscheides frei überprü-
fen kann (vgl. PKG 2012 Nr. 11 mit zahlreichen Hinweisen). Hinsichtlich des von
der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts gilt demgegenüber eine eingeschränkte
Kognition. Letzteren überprüft die Beschwerdeinstanz nur unter dem Gesichts-
punkt einer offensichtlich unrichtigen, also willkürlichen Feststellung (vgl. statt vie-
ler Dieter Freiburghaus/Susanne Afheldt, a.a.O., N 5 zu Art. 320 ZPO). Im Be-
schwerdeverfahren gilt die Rügepflicht; der Beschwerdeführer hat daher in der
Beschwerdeschrift im Einzelnen darzulegen, an welchen Mängeln der angefoch-
tene Entscheid leidet und auf welche Beschwerdegründe er sich beruft (vgl. wie-
derum Dieter Freiburghaus/Susanne Afheldt, a.a.O., N 15 zu Art. 321 ZPO). Was
nicht gerügt wird, hat Bestand.
3.1.
Im angefochtenen Entscheid weist die Vorinstanz den Beschwerdeführer
an, seinen Honoraranspruch direkt gegenüber seinem Mandanten geltend zu ma-
chen. Der Verzicht von A.___ führe ohne weiteres zum Erlöschen der entspre-
chenden Wirkung der unentgeltlichen Rechtspflege (KG act. B.3). Die Vorinstanz
nimmt keine weiteren Differenzierungen vor und geht damit davon aus, dass die
Verzichtserklärung vom 27. Juni 2017 die unentgeltliche Rechtspflege rückwirkend
aufgehoben hat. Wie die Beendigung des Prozesses und das Ausscheiden aus
dem Prozess, stellt der nachträgliche Verzicht einen ordentlichen Beendigungs-
grund der unentgeltlichen Rechtspflege dar (Stefan Meichssner, a.a.O., S. 169 ff.).
Obschon Lehre und Rechtsprechung die Wirkungen des nachträglichen Verzichts
nicht näher umschreiben, ist gestützt auf teleologische Überlegungen nicht einzu-
sehen, weshalb ein Verzicht im Gegensatz zu den anderen ordentlichen Beendi-
Seite 5 — 10

gungsgründen zum rückwirkenden Wegfall der unentgeltlichen Rechtspflege füh-
ren sollte.
3.2.
Nichts anderes ergibt sich unter sinngemässer Anwendung der Regelungen
zum ausserordentlichen Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 120
ZPO (vgl. Stefan Meichssner, a.a.O., S. 172; Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 625). Ge-
mäss Art. 120 ZPO entzieht das Gericht die erteilte Bewilligung, wenn der An-
spruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht mehr besteht nie bestanden hat.
Entfällt die Mittellosigkeit im Verlaufe des Verfahrens, ist die unentgeltliche
Rechtspflege mit Wirkung für die Zukunft zu entziehen. Obschon theoretisch
denkbar, ist ein rückwirkender Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege mit Blick
auf den Vertrauensschutz problematisch (Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 629 ff.). Folg-
lich ist nur ausnahmsweise eine Rückwirkung anzunehmen. Namentlich erscheint
eine solche als angemessen, wenn die Bejahung der Mittellosigkeit von Beginn
weg unrichtig war, von dieser aber aufgrund falscher unvollständiger Anga-
ben des Gesuchstellers ausgegangen werden musste (Daniel Wuffli, a.a.O.,
Rz. 633). Probleme ergeben sich bei einem rückwirkenden Entzug, sofern bereits
ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wurde. Im Hinblick auf das besondere
Verhältnis zwischen Staat und unentgeltlichem Rechtsvertreter darf der Entschä-
digungsanspruch nicht entzogen werden, sofern dem Rechtsvertreter kein bös-
mutwilliges Verhalten vorzuwerfen ist. Vielmehr ist er bis zum Entzugsent-
scheid für seine Bemühungen zu entschädigen (Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 636;
Stefan Meichssner, a.a.O., S. 175). Zusammenfassend ist selbst ein rückwirken-
der Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege nur in Ausnahmefällen - die mit den
vorliegend zu beurteilenden Geschehnissen nicht gleichzusetzen sind möglich,
und auch diesfalls ist der unentgeltliche Rechtsvertreter grundsätzlich bis zum
Entzugsentscheid für seine Bemühungen zu entschädigen.
3.3.
In diesem Zusammenhang ist zudem daran zu erinnern, dass unentgeltliche
Rechtsbeistände mittels hoheitlicher Verfügung bestellt werden und diese zum
Staat in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis stehen. Gestützt auf dieses Son-
derstatusverhältnis wird der Anwalt verpflichtet, mit der bedürftigen Partei ein pri-
vatrechtliches Auftragsverhältnis über die Interessenwahrung in einem rechtlichen
Verfahren einzugehen (Daniel Wuffli, a.a.O., Rz. 407). Die Honorierung bildet da-
bei nicht Gegenstand des Auftragsverhältnisses, sondern des Verhältnisses des
Rechtsbeistands zum Staat (Viktor Rüegg/Michael Rüegg, a.a.O., N 9 zu Art. 118
ZPO). Da es dem unentgeltlichen Rechtsbeistand verwehrt ist vom Vertretenen
Kostenvorschüsse zu verlangen, ist mit dem Beschwerdeführer anzumerken, dass
bei Annahme einer Rückwirkung die Zahlung der Honorarnote vom Verhalten des
Seite 6 — 10

Vertretenen abhängen würde (vgl. Viktor Rüegg/Michael Rüegg, a.a.O., N 16 zu
Art. 118 ZPO; KG act. A.1, S. 4). Wie wohl vorliegend der Fall, bestünde zudem
die Gefahr eines Verzichts trotz fortwährender Mittellosigkeit, was die Uneinbring-
lichkeit der Honorarforderung zur Folge haben würde. Aus den genannten Grün-
den ist abschliessend festzuhalten, dass ein nachträglicher Verzicht auf die unent-
geltliche Rechtspflege nicht zum rückwirkenden Wegfall des Entschädigungsan-
spruchs des Rechtsbeistands führen darf, ausser diesem wäre bösoder mutwilli-
ges Verhalten anzulasten. Vorliegend lassen die Akten nicht auf eine solche Ver-
haltensweise schliessen, weshalb der Beschwerdeführer vom Staat bis zum Zeit-
punkt der Kenntnisnahme der Verzichtserklärung zu entschädigen ist.
4.
Die Beschwerdeinstanz entscheidet in der Regel aufgrund der Akten
(Art. 327 Abs. 2 ZPO). Der Beschwerdeentscheid ist grundsätzlich kassatorischer
Natur (Karl Spühler, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar,
Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017, N 5 zu Art. 327 ZPO).
Soweit die Beschwerdeinstanz die Beschwerde gutheisst, hebt sie den Entscheid
die prozessleitende Verfügung auf und weist die Sache an die Vorinstanz
zurück (Art. 327 Abs. 3 lit. a ZPO). Anstelle der Rückweisung kann die Beschwer-
deinstanz die Sache aber auch gleich selber entscheiden, mithin einen reformato-
rischen Entscheid fällen, sofern die Angelegenheit spruchreif ist, d.h. sofern sie
über alle für einen Sachentscheid notwendigen Grundlagen verfügt (Dieter Frei-
burghaus/Susanne Afheldt, a.a.O., N 11 zu Art. 327 ZPO). Entgegen dem eng ge-
fassten Wortlaut des Gesetzes kommt der Beschwerdeinstanz hinsichtlich der
Entscheidart Ermessen zu, da die Frage der Spruchreife im Einzelfall unterschied-
lich beurteilt werden kann (Dieter Freiburghaus/Susanne Afheldt, a.a.O., N 10 zu
Art. 327 ZPO). Der Beschwerdeführer beantragt vorliegend, die Honorarrechnung
sei - unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu genehmigen und ihm
eine Entschädigung in Höhe von CHF 5'562.00 zu entrichten, was auf die Fällung
eines reformatorischen Entscheides hinausläuft (vgl. KG act. A.1, S. 2; KG act. 5,
S. 3). Die Vorinstanz hat die geltend gemachte Honorarrechnung nicht geprüft.
Nur sie ist aber in der Lage, die einzelnen Kostenpositionen, insbesondere die
Teilnahme an der ausgewiesenen Einigungsverhandlung sowie die Angemessen-
heit der verschiedenen, nicht näher beschriebenen Besprechungen zwischen dem
Beschwerdeführer und seinem Mandanten zu beurteilen. Dies trifft insbesondere
auf Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung zu, bei deren Festsetzung mit der
Verhältnismässigkeit einhergehend dem richterlichen Ermessen grosse Bedeu-
tung zukommt (vgl. Viktor Rüegg/Michael Rüegg, a.a.O., N 7 zu Art. 122 ZPO). Es
erscheint demnach angemessen, der Vorinstanz in Anwendung der eigenen Pra-
Seite 7 — 10

xis die Möglichkeit zu geben, diesen Ermessensentscheid zu fällen. Dem Be-
schwerdeführer steht auf diese Weise bei einer allfälligen weiteren Beschwerde
der ganze Instanzenzug offen, in welchem sich das Kantonsgericht von Graubün-
den gestützt auf die vorinstanzliche Beurteilung der ihm bislang unbekannten Kos-
tenpositionen einen reformatorischen Entscheid zu fällen befähigt sieht.
5.1.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Beschwerde-
verfahrens in der Höhe von CHF 1'000.00 (vgl. Art. 10 der Verordnung über die
Gerichtsgebühren in Zivilverfahren [VGZ; BR 320.210]) zu Lasten des Kantons
Graubünden (Art. 106 Abs. 1 ZPO), der den Beschwerdeführer für den mit der Be-
schwerde verbundenen Aufwand aussergerichtlich zu entschädigen hat. Nachdem
sich der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung seiner Entschädigung als un-
entgeltlicher Rechtsbeistand selbständig und ohne Beizug eines anwaltlichen Ver-
treters zur Wehr gesetzt hat, kann er zwar keine Parteientschädigung im Sinne
von Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO beanspruchen. Der um sein Honorar streitende un-
entgeltliche Rechtsvertreter nimmt indessen nicht bloss persönliche Interessen
wahr, sondern vertritt seinen Anspruch auf eine Entschädigung für die Erfüllung
einer beruflichen Aufgabe, die er im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Auftrags-
verhältnisses wahrnimmt (vgl. Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden ERZ 14
401 vom 15. April 2015 E. 3a). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes-
gerichts steht ihm daher für diese Interessenwahrung sowohl im bundesgerichtli-
chen als auch im kantonalen Beschwerdeverfahren eine anhand des erforderli-
chen Aufwandes zu bemessende Parteientschädigung zu, und zwar ohne dass die
besonderen Voraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung an
eine in eigener Sache prozessierende Partei erfüllt sein müssen (vgl. etwa Urteil
des Bundesgerichts 6B_439/2012 vom 2. Oktober 2012 E. 2 mit Hinweis auf BGE
125 II 518 sowie 1P.599/1999 vom 19. Januar 2000 E. 3c). Der Streit um die Ent-
schädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes gehört demnach zu den be-
gründeten Fällen im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO, in welchen der nicht be-
rufsmässig vertretenen Partei eine Parteientschädigung in Form einer angemes-
senen Umtriebsentschädigung zuzusprechen ist. Andernfalls würde die Entschä-
digung des Rechtsbeistandes, deren Festsetzung er erfolgreich angefochten hat,
durch die Aufwendungen im Beschwerdeverfahren indirekt wieder herabgesetzt
(vgl. zum Ganzen Alfred Bühler, a.a.O., N 49 zu Art. 122 ZPO).
5.2.
Was die Bemessung der Umtriebsentschädigung anbelangt, kann die bis-
herige Praxis des Kantonsgerichts herangezogen werden. Die dem in eigener Sa-
che tätigen Rechtsanwalt zustehende Entschädigung ist demzufolge nach den
Umständen des Falles und den Grundsätzen der Billigkeit zu bemessen. Dabei
Seite 8 — 10

können die einschlägigen Bestimmungen über die Honorierung von Rechtsanwäl-
ten in einem ersten Schritt wohl beigezogen werden. Das sich auf diese Weise
ergebende Honorar ist sodann aber angemessen zu reduzieren, wobei die Ermäs-
sigung nach der Gerichtspraxis rund 50% beträgt. Mit dieser Berechnungsmetho-
de ist gewährleistet, dass in aller Regel ein allfälliger Verdienstausfall gebührend
berücksichtigt ist (vgl. dazu PKG 2005 Nr. 11 E. 3b mit weiteren Hinweisen sowie
Benedikt Suter/Cristina von Holzen, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger
[Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl., Zü-
rich 2016, N 41 f. zu Art. 95 ZPO, welche allerdings eine Reduktion von einem
Drittel erwähnen). Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde keine An-
gaben zu seinem Aufwand. Ausgehend von einem mittleren Stundenansatz von
CHF 240.00 (Art. 3 Abs. 1 der Verordnung für die Bemessung des Honorars der
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte [HV; BR 310.250]) und in Anwendung der
beschriebenen Grundsätze, ist der Beschwerdeführer mit pauschal CHF 300.00 zu
entschädigen. Ein Zuschlag für die Mehrwertsteuer ist hierbei nicht zu berücksich-
tigen (vgl. Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden ERZ 14 401 vom 15. April
2015 E. 3b).
6.
Da die Beschwerde offensichtlich begründet ist, fällt deren Behandlung ge-
mäss Art. 18 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG; BR 173.000) und
Art. 7 Abs. 2 lit. b des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessord-
nung (EGzZPO; BR 320.100) in die einzelrichterliche Kompetenz des Vorsitzen-
den der I. Zivilkammer.
Seite 9 — 10

III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Regionalgerichts
Maloja vom 9. August 2017 aufgehoben und die Sache zur neuen Ent-
scheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 1'000.00 verbleiben beim
Kanton Graubünden, welcher X.___ zudem aussergerichtlich mit
CHF 300.00 zu entschädigen hat. Die Entschädigung wird aus der Ge-
richtskasse des Regionalgerichts Maloja bezahlt.
3.
Der von X.___ geleistete Kostenvorschuss von CHF 1'500.00 wird ihm
vom Kantonsgericht von Graubünden zurückerstattet.
4.
Gegen diese, einen Streitwert von weniger als CHF 30'000.00 betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72 und Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Beschwer-
de in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne
14, geführt werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu-
tung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss
Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fällen ist das Rechtsmittel dem Bun-
desgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Aus-
fertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen
Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
Seite 10 — 10

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.