Entscheid vom 28. April 2023
Referenz ZK1 23 60
Instanz I. Zivilkammer
Besetzung Michael Dürst, Vorsitzende
Nydegger und Richter
Arpagaus, Aktuarin ad hoc
Parteien A.___
Beschwerdeführerin
Gegenstand Behandlung ohne Zustimmung
Anfechtungsobj. Anordnung der B.___ (B.___)
vom 03.04.2023
Mitteilung 4. Mai 2023
Sachverhalt
A. Mit ärztlich verfügter Einweisung vom 29. März 2023 wurde A.___, geboren am ___ in der Klinik B.___ (nachfolgend: B.___) zur Behandlung fürsorgerisch untergebracht. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheid vom 11. April 2023 abgewiesen (ZK1 23 53).
B. Am 3. April 2023 ordnete die Klinik B.___ eine Behandlung ohne Zustimmung an. Hiergegen erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 18. April 2023 Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden.
C. Am 19. April 2023 ersuchte die Vorsitzende der I. Zivilkammer die Klinik B.___ um einen kurzen Bericht zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, zur Art der Behandlung und insbesondere darüber, inwiefern die Voraussetzungen für eine Behandlung ohne Zustimmung aus ärztlicher Sicht gegeben seien. Die Klinik B.___ reichte den angeforderten Bericht mitsamt den wesentlichen Klinikakten über die Beschwerdeführerin am 20. April 2023 beim Kantonsgericht ein.
D. Mit prozessleitender Verfügung vom 21. April 2023 beauftragte die Vorsitzende der I. Zivilkammer Dr. med. C.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, mit der Erstellung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und über die Notwendigkeit der Behandlung ohne Zustimmung.
E. Am 28. April 2023 fand die Hauptverhandlung statt, zu welcher mit Verfügung vom 26. April 2023 vorgeladen worden war. Die Beschwerdeführerin nahm an der Hauptverhandlung persönlich teil und wurde befragt. Nach durchgeführter Urteilsberatung wurde das vorzeitige Entscheiddispositiv der Beschwerdeführerin sowie der Psychiatrischen Klinik B.___ noch gleichentags zugestellt.
Erwägungen
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet die Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung vom 3. April 2023 (Art. 434 ZGB; act. 03.4). Für die Beurteilung der dagegen erhobenen Beschwerde ist das Kantonsgericht von Graubünden einzige kantonale Beschwerdeinstanz (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EGzZGB [BR 210.100]).
2. Gemäss Art. 439 Abs. 2 ZGB beträgt die Frist zur Anrufung des Gerichts zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids. Die Frist für die Beschwerde ist eine gesetzliche, daher nicht erstreckbar und auch einer Verlängerung durch eine Nachfrist nicht zugänglich. Für die Beschwerdefrist gilt der Fristenstillstand nicht, worauf die Verfahrensbeteiligten gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung hinzuweisen sind (Art. 60 Abs. 4 EGzZGB i.V.m. Art. 145 ZPO). Dieser Hinweis fehlt in der vorerwähnten Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung, was zur Folge hat, dass die Beschwerdefrist ausnahmsweise vom Fristenstillstand erfasst wird (OGer ZH PQ170032 v. 29.6.2017 E. 5.1 mit Verweis auf BGE 139 III 78 E. 5.4.3). Der Entscheid zur Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung wurde der Beschwerdeführerin am 3. April 2023 mitgeteilt (act. 03.4). Während der Dauer der (Oster-)Gerichtsferien stand die Beschwerdefrist bis und mit Sonntag, 16. April 2023, still (Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO) und begann am 17. April 2023 zu laufen (Art. 142 Abs. 1 ZPO). Die am 18. April 2023 versandte (und am Folgetag beim Kantonsgericht eingegangene) Beschwerde erfolgte unter Berücksichtigung der Gerichtsferien fristwie auch formgerecht (act. 01), weshalb darauf einzutreten ist.
3. Bei der Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung richtet sich das Verfahren gemäss Art. 439 Abs. 1 Ziff. 4 und Abs. 3 ZGB sinngemäss nach den Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (Art. 450 ff. ZGB). Einschlägig ist ausserdem Art. 60 EGzZGB. In Beschwerdeverfahren betreffend fürsorgerische Unterbringungen muss bei psychischen Störungen gestützt auf das Gutachten einer sachverständigen Person entschieden werden (vgl. Art. 450e Abs. 3 ZGB). Dem Gericht liegt das Kurzgutachten von Dr. med. C.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 25. April 2022 vor (act. 05). Art. 450e Abs. 4 ZGB statuiert, dass die gerichtliche Beschwerdeinstanz die betroffene Person in der Regel als Kollegium anhört. Diesem Erfordernis wurde mit der Anhörung der Beschwerdeführerin im Rahmen der Hauptverhandlung Genüge getan. Aus Art. 450a ZGB ergibt sich schliesslich, dass das Gericht Tat- und Rechtsfragen wie auch die Angemessenheit frei überprüft (vgl. Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 39 zu Art. 439 ZGB).
4.1. Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan (Art. 433 Abs. 1 ZGB). Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet (Art. 433 Abs. 3 ZGB). Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person zur Behandlung, kann die Chefärztin der Chefarzt der Abteilung die im Behandlungsplan vorgesehenen medizinischen Massnahmen unter bestimmten, im Gesetz wiedergegebenen Voraussetzungen (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1–3 ZGB) schriftlich anordnen. Die Anordnung wird der betroffenen Person und ihrer Vertrauensperson verbunden mit einer Rechtsmittelbelehrung schriftlich mitgeteilt (Art. 434 Abs. 2 ZGB).
4.2. Damit die Anordnung zur Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung der betroffenen Person gemäss Art. 434 ZGB rechtmässig ist, müssen folgende allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein: (1.) Die betroffene Person muss fürsorgerisch in einer Einrichtung untergebracht worden sein (Art. 426 ZGB); (2.) die Unterbringung muss zur Behandlung einer psychischen Störung erfolgt sein; (3.) die betroffene Person hat der Behandlung nicht zugestimmt und (4.) die angeordnete Behandlung muss im Behandlungsplan vorgesehen sein (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 13 ff. zu Art. 434 ZGB).
4.3. Die Beschwerdeführerin wurde zur Behandlung einer bipolaren affektiven Störung, gegenwärtig manische Episode mit psychotischen Symptomen (ICD-10: F31.2) und damit einer psychischen Störung fürsorgerisch untergebracht (vgl. act. 03.1, 03.2). Dr. med. C.___ kommt in seinem Gutachten ebenfalls zum Schluss, bei der Beschwerdeführerin liege eine psychische Störung vor und bestätigte die Diagnose der B.___ (act. 05). Der Behandlungsplan vom 29. März 2023, welchem die Beschwerdeführerin nicht zustimmte, sieht eine psychopharmakologische Therapie mit Zyprexa von 20-40 mg und/oder Haldol bis zu 30 mg/d sowie Valium/Psychopax bis zu 30 mg/d oral, alternativ die letzteren beiden genannten Substanzen jeweils bis zu 2x 10 mg/d Clopixol acutard bis zu 150 mg alle drei Tage vor (act. 03.3). Nachdem die Beschwerdeführerin die Medikation verweigerte, ordnete die Klinik B.___ am 3. April 2023 eine Behandlung ohne Zustimmung an. Die darin vorgesehene Behandlung deckt sich mit der im Behandlungsplan vom 29. März 2023 festgelegten Medikation, wobei der im Rahmen der Behandlung ohne Zustimmung verabreichte Wirkstoff Olanzapin im Arzneimittel Zyprexa enthalten ist. Die Anordnung trägt die Unterschrift von Dr. med. D.___, welche als Leitende Ärztin und Stv. Chefärztin die Chefärztin der Klinik B.___ während deren Abwesenheit gemäss interner Kompetenzregelung vertritt (act. 03.4). Die allgemeinen Voraussetzungen für die Behandlung ohne Zustimmung sind nach dem Gesagten vorliegend erfüllt.
5.1. Damit die medikamentöse Behandlung ohne Zustimmung zulässig ist, müssen zusätzlich zu den vorstehend (E. 4.2) genannten allgemeinen Bedingungen die in Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1–3 ZGB aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sein, und zwar kumulativ (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 17 zu Art. 434 ZGB). Demnach muss der betroffenen Person ohne Behandlung ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden drohen das Leben die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet sein (Ziffer 1), die betroffene Person muss bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig sein (Ziffer 2) und es darf keine angemessene, weniger einschneidende Massnahme zur Verfügung stehen (Ziffer 3).
5.2. Laut der angefochtenen Verfügung erachtete die stellvertretende Chefärztin im Zeitpunkt der Anordnung sämtliche Voraussetzungen gemäss Art. 434 Abs. 1 ZGB als erfüllt (act. 03.4). Dieser Einschätzung schloss sich die ärztliche Leitung der Klinik in ihrem Bericht vom 20. April 2023 (act. 03) an. Darin wurde ergänzend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in den B.___ bereits in den Jahren 2004-2006 mit der Diagnose einer bipolaren Störung und seit 2021 weitere fünf Mal stationär behandelt worden sei, letztmals vom 1. bis 7. März 2023. Nach der erneuten ärztlichen Einweisung vom 29. März 2023 sei die Beschwerdeführerin in manisch-psychotischem Zustand eingetreten und habe sich logorrhoisch, herablassend, beleidigend und distanzlos präsentiert. Sie habe weder Krankheitsgefühl noch Krankheits- und Behandlungseinsicht gezeigt, weshalb am 3. April 2023 die Behandlung ohne Zustimmung habe angeordnet werden müssen. Darunter sei es zu einer allmählichen Stabilisierung gekommen, worauf mit begleitetem Arealausgang begonnen worden sei, aus dem die Beschwerdeführerin am 9. April 2023 entwichen sei. Nach Rückführung durch die Polizei am 12. April 2023 sei wieder eine deutliche Verschlechterung ihres Zustandes festzustellen gewesen. Die Beschwerdeführerin sei manisch-psychotisch angetrieben gewesen, mit fremdbedrohlichem Verhalten, so dass zeitweise Isolationen notwendig geworden seien; sie habe auf den Boden uriniert und das Zimmer mit Stuhlgang verschmiert. Zum weiteren Verlauf wird im Bericht festgehalten, dass seit einer Woche wieder eine regelmässige Einnahme der Medikation erfolge, worunter ein Rückgang der Angetriebenheit, der Fremdaggressivität und der psychotischen Symptome zu beobachten sei. Nach wie vor seien weniger einschneidende Massnahmen als die Unterbringung in der Akutpsychiatrie mit kontinuierlicher Einnahme der Medikation jedoch nicht ersichtlich.
5.3. Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde gegen die Anordnung der Zwangsbehandlung – zulässigerweise – ohne nähere Begründung eingereicht (act. 01). Anlässlich der Hauptverhandlung bestätigte sie, dass sie die angeordneten Medikamente (Zyprexa und Valium) in den letzten zwei Wochen regelmässig eingenommen habe, nach anfänglicher Verabreichung von Spritzen auch in oraler Form (act. 08, S. 2 f.). Dennoch erklärte sie auf Nachfrage, an ihrer Beschwerde festhalten zu wollen (act. 08, S. 7 f.), wobei sie die Ablehnung der angeordneten Medikation hauptsächlich mit deren unerwünschten Nebenwirkungen begründete. Zwar räumte sie ein, dass sie dank der Medikamente ruhiger geworden sei, sie habe aber weiterhin Schlafstörungen gehabt. Negativ sei, dass man immer 'belämmert' sei und sie nicht mehr an das herankomme, was sie wirklich ausmache. Als weitere Nebenwirkung nannte die Beschwerdeführerin den durch das Medikament Zyprexa ausgelösten Heisshunger, weswegen sie innert 10 Tagen neun Kilogramm zugenommen habe. Ergänzend führte sie aus, dass sie während fünfzehn Jahren 5 mg Zyprexa eingenommen habe, wobei sie dank ihrer Ausbildung als Ernährungsberaterin ihr Gewicht einigermassen im Griff gehabt habe. In einer Patientenverfügung, welche sie während ihrer Tätigkeit als 'Peer' in der Klinik E.___ ausgefüllt habe, habe sie der Einnahme von 2 x 20 mg Zyprexa denn auch zugestimmt. Nachträglich habe sie aber festgestellt, dass es sich dabei um einen 'totalen Blödsinn' handle; heute würde sie dies definitiv nicht mehr wollen (act. 08, S. 3 f.). Angesprochen auf eine alternative Behandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie Lamotrin (einen Phasenstabilisator, den sie seit etwa fünfzehn Jahren nehme) sowie Quetiapin einnehmen wolle. Das letztgenannte Medikament habe ihr damaliger Psychiater im letzten Juni, als sie nach einem depressiven Schub aus der Klinik gekommen sei, empfohlen; seither habe sie davon 25 mg, einmalig auch 50 mg, eingenommen und damit gute Erfahrungen gemacht. In der Klinik habe man sich nun auf eine Verabreichung von Quetiapin eingelassen, man wolle aber die Dosis auf 600 mg erhöhen. Diese Dosis habe sie am Vorabend zum ersten Mal erhalten und fühle sich damit gar nicht gut; sie habe einen schweren Kopf, es sei ihr schwindlig und sie habe seit Tagen einen sehr hohen Puls. Über die Dosis müsse daher noch verhandelt werden (act. 08, S. 5). Abschliessend erhielt die Beschwerdeführerin Gelegenheit, sich zum Gutachten von Dr. med. C.___ zu äussern. Dabei stellte sie dessen Beurteilung sowohl hinsichtlich der Diagnose als auch in Bezug auf den daraus resultierenden Behandlungsbedarf und die Folgen einer ausbleibenden bzw. unzureichenden Medikation in Frage und bestritt sinngemäss das Vorliegen der Voraussetzungen für die Behandlung ohne Zustimmung (act. 08, S. 8 ff.).
5.4.1. Die Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung setzt zunächst eine ernsthafte Selbstoder Fremdgefährdung im Sinne von Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB voraus. Die Selbstgefährdung ist dann ausreichend, wenn ohne die Behandlung ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht. Ernstlich ist ein gesundheitlicher Schaden dann, wenn er zu einer langen Beeinträchtigung wichtiger körperlicher psychischer Funktionen führt. Genügende Fremdgefährdung liegt vor, wenn das Leben die körperliche Integrität Dritter ernstlich gefährdet ist. Die Drittgefährdung ist regelmässig bereits durch die blosse Unterbringung der betroffenen Person in einer Anstalt abgewendet. Die Behandlung ohne Zustimmung soll hier jedoch eine reine Verwahrung des Patienten verhindern und ermöglichen, dass die betroffene Person aufgrund der Behandlung wieder in der Lage ist, ausserhalb der Anstalt ein (wenigstens teil-) autonomes Leben zu führen. Die Anordnung einer Behandlung rechtfertigt sich dann, wenn diese die Möglichkeit einer Entlassung aus der Klinik erheblich erhöht und beschleunigt, wenn es darum geht, andere Personen innerhalb der Klinik zu schützen (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 19 ff. zu Art. 434/435 ZGB; Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 [zitiert Botschaft], S. 7069 f.).
5.4.2. Aus der angefochtenen Anordnung der Klinik B.___ ergeht, dass bei Unterbleiben der Behandlung mit einer Verschlechterung der bestehenden Psychose sowie der Gefahr von selbst- und fremdgefährdenden Handlungen sowie mit einer Verschlechterung der Prognose zu rechnen ist (act. 03.4). Laut dem Gutachter droht bei Unterbleiben der Behandlung der Beschwerdeführerin insofern ein gesundheitlicher Schaden, als dass davon auszugehen sei, dass es erneut zu einem akuten Schub der manischen Episode mit psychotischen Symptomen komme, was in den letzten Jahren zu Verwirrtheit, aggressivem Verhalten, Gefahr der Schädigung des Vermögens und Belastung der bestehenden Beziehungen geführt habe; diesbezüglich sei am 13. März 2023 bei der KESB eine Gefährdungsmeldung eingereicht worden (act. 05, S. 5 Frage 3; vgl. dazu auch act. 03.5). In Bezug auf eine allfällige Fremdgefährdung hält der Gutachter fest, dass das Leben Dritter nicht gefährdet sei; in der akuten Manie sei aber fremdbedrohliches Verhalten und ein einmaliger körperlicher Angriff auf eine Pflegeperson (Schlagen ins Gesicht) beschrieben worden (act. 05, S. 5 Frage 4). Begründend führt der Gutachter aus, dass die Beschwerdeführerin seit 2021 insgesamt fünf Mal in stationärer Behandlung gewesen sei, wobei es sich vier Mal um Manien mit psychotischen Symptomen und einmal um eine schwere depressive Episode gehandelt habe. Jedes Mal hätten ausgeprägte Zustände vorgelegen, die zur Unfähigkeit der Beschwerdeführerin, den Alltag zu bewältigen und für sich selbst zu sorgen, geführt hätten. Auch Störungen der Affektregulation im Sinne von Aggressivität und Gereiztheit sowie würdelose Situationen wie Kotschmieren seien mit den Akutphasen verbunden gewesen (act. 05, S. 4 f.). Während der aktuellen Hospitalisation habe beobachtet werden können, dass bei Absetzen der Medikation in kurzer Zeit eine deutliche Verschlechterung eingetreten sei; anderseits sei nach kontrollierter Medikamentengabe in ausreichender Dosis eine kontinuierliche Verbesserung des Zustandes zu beobachten. Die Vorschläge der Beschwerdeführerin für eine von ihr akzeptierte Medikation sei weit unter der aus fachlicher Sicht notwendigen Dosis geblieben. Auch eine überlappende Umstellung auf eine durchaus vorstellbare Medikation mit Quetiapin habe sie ausgeschlagen und stattdessen das sofortige Absetzen der aktuellen Medikation mit Zyprexa und Valium verlangt, was mit dem Risiko einer sofortigen Verschlechterung der Symptomatik, aber auch mit gefährlichen Nebenwirkungen (Krampfanfälle, verzögertes Entzugsdelir bei abruptem Absetzen von Valium) verbunden wäre. Die Entwicklung der letzten Jahre habe zu einer zunehmenden Drehtürpsychiatrie mit einer Zunahme der Hospitalisationen geführt, wobei das Absetzen der Medikation eine ungenügende Psychopharmakatherapie jeweils zu heftigen Rückfällen geführt habe (act. 05, S. 4 f.).
5.4.3. Das Kantonsgericht hat die Beschwerdeführerin anlässlich der Hauptverhandlung persönlich befragt. Nach den vom Kantonsgericht gewonnenen Eindrücken scheint sich der Zustand der Beschwerdeführerin im Vergleich zur letzten Verhandlung (rund zweieinhalb Wochen zuvor) deutlich verbessert zu haben. Während die Beschwerdeführerin sich bei der letzten Verhandlung zunehmend manisch präsentierte und sich die Kommunikation mit ihr als schwierig erwies, machte die Beschwerdeführerin an der Hauptverhandlung vom 28. April 2023 einen ruhigen und kontrollierten Eindruck. Die ihr gestellten Fragen konnte sie in einer gepflegten Sprache beantworten und schweifte nur noch teilweise ab. Aufgrund des Gutachtens ist erstellt, dass diese, als positiv zu wertende Veränderung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin auf die Wirkung der von ihr wieder regelmässig eingenommenen Medikamente zurückzuführen ist. Letzteres wird denn auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt. Aufgrund des Gesagten ist für das Kantonsgericht offensichtlich, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Behandlung bei der Beschwerdeführerin tatsächlich ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden – im Sinne einer Verschlechterung der bestehenden Psychose und der damit einhergehenden Gefahr einer Chronifizierung – drohte und ein solcher Schaden weiterhin droht, wenn eine weitere medikamentöse Behandlung unterbleibt.
5.5.1. Als weitere Voraussetzung für die Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung verlangt das Gesetz die Urteilsunfähigkeit der betroffenen Person (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). In diesem Zusammenhang gilt es hervorzuheben, dass das Vorliegen einer psychischen Störung an sich nicht Urteilsunfähigkeit der betroffenen Person bedeutet, sondern mit der konkret zu beurteilenden Handlung in Beziehung zu setzen ist. Wie die höchstrichterliche Rechtsprechung festgehalten hat, ist eine Person nicht allein deswegen urteilsunfähig, weil sie ihre Meinung ändert eine medizinisch angezeigte Behandlung verweigert (BGE 127 I 6 E. 7b). Erfüllt daher die betroffene Person die Voraussetzungen der Urteilsfähigkeit und verweigert sie die beabsichtigte Behandlung, ist ihr Wille zu respektieren, selbst wenn er objektiv schwer nachvollziehbar ist (siehe Olivier Guillod, in: Büchler et al. [Hrsg.], FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, N 21 zu Art. 434 ZGB m.w.H.). Da die Urteilsfähigkeit immer bezüglich des konkreten Rechtsgeschäftes zu beurteilen ist, kann die Urteilsfähigkeit nicht für jede Behandlung gleich beurteilt werden. Es kann der betroffenen Person als Folge ihrer Krankheit an den notwendigen kognitiven Fähigkeiten fehlen, um in eine Behandlung einwilligen sie ablehnen zu können. Denkbar ist aber auch, dass die Krankheit die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt die Entschlussfähigkeit lähmt, so dass die betroffene Person zwar merkt, worum es geht, einer angepassten Behandlung aber nicht zustimmen kann, weil sie in ihrer die ganze Persönlichkeit erfassenden Schwäche ihre Situation nicht vernunftgemäss einschätzen kann. Erfasst werden von daher auch Personen, die einen Willen ausdrücken können, dieser aber nicht, wie in Art. 16 ZGB gefordert, auf einem Mindestmass an Rationalität beruht (Botschaft, a.a.O., S. 7069; Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 18 zu Art. 434/435 ZGB).
5.5.2. Die Klinik B.___ hielt in der Anordnung zur Behandlung ohne Zustimmung fest, die Beschwerdeführerin sei in Bezug auf dieselbe urteilsunfähig und lehne die Behandlung trotz intensiver Aufklärung über die Notwendigkeit aus krankheitsbedingten Gründen ab. Sie weise keinerlei Krankheitsgefühl, Krankheitseinsicht Behandlungseinsicht auf (act. 03.4). Auch gemäss dem Gutachter ist die Urteilsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Behandlungsbedürftigkeit eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin verfüge nur über eine mangelnde Einsicht in die Auswirkungen ihrer Erkrankung und schätze die eigenen Fähigkeiten realitätsfern ein (Grössenwahn) (act. 05, S. 5 Frage 5). Keinen anderen Schluss lassen auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin an der Hauptverhandlung zu. Sie zeigte sich gegenüber dem Kantonsgericht zwar insofern krankheits- und behandlungseinsichtig, als sie zugestand, an einer psychischen Krankheit zu leiden, welcher einer Behandlung, auch mit gewissen Medikamenten, bedarf. Die bereits von verschiedenen Gutachtern gestellte Diagnose der bipolaren Störung stellte sie jedoch vehement in Abrede; sie leide vielmehr an einer posttraumatischen Belastungsstörung (act. 08, S. 8 f.). Ihre Bereitschaft zur Einnahme von Medikamenten knüpfte sie zudem an die Bedingung, dass diese so eingestellt würden, dass sie ein normales Leben führen könne. Ihre eigenen Vorstellungen zur Medikation blieben nach der gutachterlichen Beurteilung – wie bereits erwähnt – aber weit unter den aus fachlicher Sicht notwendigen Dosisvorschlägen (act. 05, S. 5). Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz Einnahme der von ihr vorgeschlagenen Medikation (25-50 mg Quetiapin) wiederholt fürsorgerisch in die Klinik eingewiesen werden musste. Bezeichnend ist auch, dass die Beschwerdeführerin äusserte, mit einer Maltherapie beginnen zu wollen und sich bei einer Ärztin, welche als Homöopathin tätig sei, in Behandlung begeben zu wollen. Es zeigte sich, dass die Beschwerdeführerin das Ausmass der bei ihr vorliegenden psychischen Erkrankung und das daraus resultierende Behandlungsbedürfnis selbst nach deutlicher Abmilderung des manischen Zustandes nicht erkennt. Erst recht ist daher davon auszugehen, dass ihre Fähigkeit zur vernunftgemässen Einschätzung ihrer Situation im Zeitpunkt der Anordnung der Behandlung – während der Akutphase der Manie – aufgehoben war, was das Kantonsgericht im Übrigen anlässlich der Verhandlung betreffend fürsorgerische Unterbringung auch selber hat feststellen können. Damit ist erstellt, dass die Urteilsfähigkeit der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Behandlungsbedarf fehlt.
5.6.1. Das Gesetz verlangt schliesslich, dass die vorgesehene Massnahme verhältnismässig ist. Für die Zulässigkeit der Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung darf somit keine andere, weniger einschneidende, angemessene Massnahme zur Verfügung stehen (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; vgl. auch Art. 389 Abs. 2 ZGB). Weniger einschneidend sind Massnahmen, die dem tatsächlichen mutmasslichen Willen des Patienten mehr entsprechen als die vorgeschlagene. Die Beurteilung, welche Massnahme angemessen ist, muss nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erfolgen. Damit eine alternative Behandlung in Frage kommt, muss diese selbstverständlich wirksam und zweckmässig sein (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 22 und N 24 zu Art. 434/435 ZGB; Botschaft, a.a.O., S. 7069 f.).
5.6.2. Die Klinik B.___ kam in ihrer Anordnung zum Schluss, dass ein reiner Aufenthalt in der Klinik ohne entsprechende Behandlung zu einer deutlichen gesundheitlichen Verschlechterung der Beschwerdeführerin führen würde (act. 03.4). Auch der Gutachter vermag keine milderen Behandlungsmöglichkeiten zu nennen. Die am 3. April 2023 angeordnete Behandlung ohne Zustimmung sei notwendig, da sich die Beschwerdeführerin nicht auf eine Kooperation mit den Behandelnden einlasse und keine zur Behandlung des aktuellen Gesundheitszustandes ausreichende medikamentöse Therapie akzeptiere (act. 05, S. 6 Frage 6). Das vorgesehene Medikament Zyprexa entspreche einer leitliniengerechten Behandlung der akuten Manie. Wegen der Heftigkeit und aggressiven Ausformung der bei ihr diagnostizierten Manie mit psychotischen Symptomen sei die hohe Dosierung notwendig, könne aber bei weiterem guten Ansprechen in der nächsten Zeit reduziert werden (act. 05, S. 6 Frage 7). Was sodann die von der Beschwerdeführerin gewünschte Umstellung der Medikation auf Quetiapin und Lamotrin anbelangt, hält der Gutachter fest, eine solche könne nach einer Stabilisierung des psychischen Zustandsbildes (im Sinne einer ebenfalls leitliniengerechten Rezidivprophylaxe) diskutiert werden, wobei allerdings die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Dosierung des Quetiapin nach der Vorgeschichte der letzten Jahre mit grösster Wahrscheinilchkeit nicht ausreichend sei (act. 05, S. 6 Frage 7). Abschliessend betont der Gutachter, dass die Behandlung psychischer Störungen immer auf einem multimodalen therapeutischen Ansatz beruhe, welcher neben der Psychopharmakatherapie vor allem das psychotherapeutische Gespräch, die Stärkung des Patienten durch verschiedene nichtmedikamentöse Therapieansätze (Ergo-, Bewegungs-, Entspannungs-, Achtsamkeitstherapien u.a.), Psychoedukation (wenn möglich unter Einbezug des sozialen Umfelds), und später das Aufgleisen einer ambulanten Therapie und eines ambulanten Therapie- und Beziehungsnetzwerkes beinhalte. Für all das sei die Kooperation der Beschwerdeführerin notwendig, welche im vorliegenden Fall ohne medikamentöse Hilfe, insbesondere wegen der wahnhaften Anteile, nicht habe erreicht werden können. Alternative Behandlungsmöglichkeiten im Sinne einer Phytotherapie o.ä. seien beim vorliegenden Krankheitsbild nicht empfohlen und könnten höchstens ergänzend eingesetzt werden (act. 05, S. 6 Frage 8). Daraus folgt einerseits, dass ein reiner Aufenthalt in der Klinik B.___ ohne die angeordnete Behandlung als mildere Massnahme nicht gleichermassen wirksam wäre, um die Gefahr eines gesundheitlichen Schadens der Beschwerdeführerin abzuwenden. Anderseits steht eine alternative Medikation erst zur Verfügung, wenn der Zustand der Beschwerdeführerin ausreichend stabilisiert ist und ihrerseits eine ausreichende Dosierung akzeptiert wird. Solange bei der Beschwerdeführerin keine Einsicht in die Notwendigkeit einer höheren Dosierung des Quetiapin besteht, sind auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Behandlung ohne Zustimmung nicht gegeben. Für das Kantonsgericht ist mithin keine mildere Massnahme ersichtlich als die zwangsweise Anordnung der medikamentösen Behandlung gemäss Behandlungsplan.
6. Im Ergebnis sind sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung erfüllt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
7. Da die Beschwerdeführerin vollumfänglich unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestehend aus der Gerichtsgebühr in der Höhe von CHF 1'500.00 (Art. 10 VGZ [BR 320.210]) und den Gutachterkosten von CHF 1'875.00, aufzuerlegen (Art. 63 EGzZGB i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZPO).
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von insgesamt CHF 3'375.00 (CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr und CHF 1'875.00 Gutachterkosten) gehen zu Lasten von A.___.
3. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG
4. Mitteilung an: