Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 25. April 2014 in einem Fall der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat gegen den Beschuldigten A. entschieden. A. wurde des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz und des Vergehens gegen das Ausländergesetz schuldig befunden. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten, von denen bereits 117 Tage durch Haft verbüsst wurden. Der Vollzug der Strafe wurde teilweise aufgeschoben. Die Gerichtskosten betrugen insgesamt CHF 3'600.-. Die Staatsanwaltschaft hatte eine höhere Strafe von 42 Monaten beantragt, während die Verteidigung eine Strafe von 36 Monaten akzeptierte. Der Beschuldigte wurde als männlich identifiziert.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-07-81
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZF-07-81 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 12.11.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | örtliche Zuständigkeit |
Schlagwörter : | örde; Kreis; Vormundschaftsbehörde; Wohnsitz; Anstalt; Kantons; Kantonsgericht; Massnahmen; Sozialdienst; Suchtfragen; Verein; Aufsichtsbehörde; Person; Graubünden; Zivilkammer; Aufenthalt; Sozialdienstes; Betreuung; Absicht; Wohnsitzes; Entscheid; Bundesgericht |
Rechtsnorm: | Art. 23 ZGB ;Art. 24 ZGB ;Art. 26 ZGB ;Art. 26 ZPO ;Art. 373 ZGB ;Art. 376 ZGB ;Art. 396 ZGB ; |
Referenz BGE: | 127 V 237; 133 V 309; |
Kommentar: | -, Berner Kommentar Band II.3.1, Art. 376 ZGB ; Art. 396 ZGB, 1984 -, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, Art. 376 ZGB ; Art. 373 ZGB, 2006 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid des Kantongerichts ZF-07-81
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 12. November 2007
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 07 81
Urteil
Zivilkammer
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Heinz-Bommer,
Riesen-Bienz, Hubert und Zinsli
Aktuar Engler
——————
In Sachen
der V o r m u n d s c h a f t s b e h ö r d e K r e i s Y . , Gesuchstellerin,
gegen
die V o r m u n d s c h a f t s b e h ö r d e K r e i s X . , Gesuchsgegnerin,
betreffend örtliche Zuständigkeit
(negativer Kompetenzkonflikt; Z.),
hat sich ergeben:
2
A.
Nachdem Z. auf den 31. März 2004 ihre Einzimmerwohnung in W.
gekündigt worden war, die ihr dort seit dem 01. Oktober 2001 zur Verfügung ge-
standen hatte, übersiedelte sie nach Y.. Sie fand allerdings keine neue Wohnung
mehr, sondern blieb vorerst obdachlos und wurde wie bereits zuvor vom Sozial-
dienst für Suchtfragen beraten.
Auf Antrag des Sozialdienstes für Suchtfragen vom 19. April 2004 traf die
Vormundschaftsbehörde Kreis X. Abklärungen, ob gegenüber Z. vormundschaft-
liche Massnahmen zu ergreifen seien. Hiervon konnte indessen abgesehen wer-
den. Z. fand nämlich ab dem 20. Mai 2005 beim Verein V. in Y. im Rahmen des
von ihm angebotenen begleiteten Wohnens Unterkunft und Betreuung. Auf den
31. März 2007 wurde dieses Vertragsverhältnis indessen wieder aufgelöst, durch
Kündigung vonseiten des Anbieters.
Anschliessend blieb Z. weiterhin in Y. ansässig. Sie lebt seither als Ob-
dachlose teils auf der Gasse und teils bei Bekannten, benützt hier aber auch die
Tagesstruktur und die Notschlafstelle des Vereins V..
Laut den Auskünften der zuständigen Einwohnerkontrollen hat sich Z. per
31. März 2007 in W. (Gemeinde U.) abund am 18. April 2007 rückwirkend auf
den 01. April 2007 in Y. angemeldet.
B.
Mit Eingabe vom 04. April 2007 vertrat der Sozialdienst für Sucht-
fragen gegenüber der Vormundschaftsbehörde Kreis Y. die Auffassung, dass Z.
nicht in der Lage sein dürfte, ein eigenständiges Leben zu führen. Sie drohe zu
verwahrlosen, wenn ihr nicht in Form vormundschaftlicher Massnahmen Hilfe
zuteil werde.
Eine Kopie dieses Schreibens ging an die Vormundschaftsbehörde Kreis
X..
Beide Vormundschaftsbehörden erklärten sich in der Folge als örtlich
nicht zuständig, um gegenüber Z. die sich möglicherweise aufdrängenden Mass-
nahmen zu ergreifen; die eine, weil sie annimmt, dass die Betroffene in Y. gar
keinen Wohnsitz habe, die andere, weil sie gerade vom Gegenteil ausgeht.
C.
Am 11. September 2007 wandte sich die Vormundschaftsbehörde
Kreis Y. an das Kantonsgericht von Graubünden mit dem Begehren, es sei in der
3
genannten Angelegenheit die Vormundschaftsbehörde Kreis X. als örtlich zu-
ständig zu erklären.
In ihrer Vernehmlassung hierzu vom 09. Oktober 2007 stellte die Vor-
mundschaftsbehörde Kreis X. demgegenüber den Antrag, es sei gegenteilig zu
entscheiden.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung:
1.
Art. 42 EG zum ZGB enthält für den Vormundschaftsbereich vorab
einmal eine funktionelle Kompetenzausscheidung zwischen dem Bezirksge-
richtsausschuss als erster und dem Kantonsgericht als zweiter Aufsichtsbehörde,
wobei die in Abs. 1 genannten Zustimmungsund Entscheidungszuständigkeiten
der unteren Aufsichtsbehörde lediglich beispielhafter Natur sind. Darüber hinaus
wird gemäss Abs. 2 dem Kantonsgericht als zweiter Aufsichtsbehörde zusätzlich
die Oberaufsicht über das Vormundschaftswesen übertragen. Gestützt darauf
obliegen ihm jene Aufgaben, welche vernünftigerweise nur von einer einzigen
Instanz wahrgenommen werden können (vgl. PKG 1995-4-24 E. 2.b S. 25).
Sowohl die Vormundschaftsbehörde Kreis Y. wie die Vormundschaftsbe-
hörde Kreis X. erachten sich als örtlich unzuständig, um gegenüber Z. geeignete
vormundschaftliche Massnahmen zu treffen, wie sie vom Sozialdienst für Sucht-
fragen empfohlen werden. Da die beiden in die Angelegenheit einbezogenen
Vormundschaftsbehörden unterschiedlichen erstinstanzlichen Aufsichtsbehörden
unterstellt sind, die eine dem Bezirksgerichtsausschuss T., die andere dem Be-
zirksgerichtsausschuss W., drängt es sich auf, solche negativen Kompetenzkon-
flikte durch das Kantonsgericht im Rahmen seiner Oberaufsicht über das Vor-
mundschaftswesen entscheiden zu lassen; andernfalls bestände Gefahr, dass es
zu widersprüchlichen Urteilen kommen könnte (vgl. hierzu auch ZVW 52 [1997]
185 Nr. 22 E. 1 S. 187).
Auf die in der Anzeige vom 11. September 2007 sowie in der Vernehm-
lassung vom 08. Oktober 2007 enthaltenen Anträge ist deshalb einzutreten.
2.
Die in Fällen wie dem vorliegenden in Frage kommenden vormund-
schaftlichen Massnahmen sind von den Behörden am Wohnsitz der schutzbe-
dürftigen Person zu ergreifen (vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Grundriss des Vor-
4
mundschaftsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, § 4 N. 59, § 5 N. 8 sowie § 6 N. 38 und
N. 40). Massgebend ist dabei der Wohnsitz nach Art. 23 ff. ZGB (vgl. SCHNY-
DER/MURER, Berner Kommentar Band II.3.1, 3. Aufl., Bern 1984, Art. 376 ZGB N.
28, Art. 396 ZGB N. 37, 48, 52 und 53).
Der zivilrechtliche Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Ort, wo sie
sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB) und den
sie zum Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemacht hat (vgl. BGE 127 V 237 E.
1 S. 238). Für die Begründung des Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale
erfüllt sein; ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inne-
res, die Absicht dauernden Verbleibens. Bei Letzterem kommt es allerdings nicht
auf den inneren Willen, sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren
Umstände objektiv schliessen lassen. Der so erworbene Wohnsitz bleibt dann
am betreffenden Ort bestehen, solange nicht anderswo ein neuer begründet wird
(Art. 24 Abs. 1 ZGB). Nach Art. 26 ZPO sollen freilich der Aufenthalt an einem
Ort zum Zweck des Besuchs einer Lehranstalt und die Unterbringung einer Per-
son in einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heiloder Strafanstalt noch nicht zur
Begründung eines Wohnsitzes führen (vgl. BGE 133 V 309 E. 3.1 Abs. 1 S. 312).
Obwohl der Wortlauf nicht ohne weiteres darauf schliessen lässt, wird in
Art. 26 ZGB bloss eine widerlegbare Vermutung angestellt, wonach der Aufent-
halt am Studienort in einer Anstalt nicht bedeute, dass auch der Lebensmit-
telpunkt an den fraglichen Ort verlegt worden ist; Art. 26 ZGB umschreibt somit
im Ergebnis negativ, was Art. 23 Abs. 1 ZGB zum Wohnsitz in grundsätzlicher
Hinsicht positiv festhält. Bei der Unterbringung in einer Anstalt, der Anstaltsein-
weisung durch Dritte also, die nicht aus eigenem Willen erfolgt, wird man eine
Wohnsitznahme regelmässig von vornherein ausschliessen müssen. Abwei-
chendes gilt hingegen, wenn sich eine urteilsfähige mündige Person aus freien
Stücken zu einem Anstaltsaufenthalt unbeschränkter Dauer entschliesst und
hierfür die Anstalt und damit den Aufenthaltsort frei wählt. Sofern bei einem unter
solchen Begleitumständen erfolgenden Anstaltseintritt der Lebensmittelpunkt in
die Anstalt verlegt wird, wird am Anstaltsort ein neuer Wohnsitz begründet. Als
freiwillig und selbstbestimmt hat der Anstaltseintritt auch dann zu gelten, wenn er
vom Zwang der Umstände (etwa Angewiesensein auf Betreuung, finanzielle
Gründe) diktiert wird (BGE 133 V 309 E. 3.1 Abs. 2 S. 312).
Abzustellen ist bei all dem schliesslich auf den Zeitpunkt der Verfah-
renseinleitung, die dann als erfolgt anzusehen ist, wenn erstmals nach aussen
5
erkennbar wird, dass sich die für die Instruktion zuständige Behörde mit der
Möglichkeit befasst, gegen eine bestimmte Person vormundschaftliche Mass-
nahmen zu ergreifen (vgl. THOMAS GEISER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I,
3. Aufl., Basel 2006, Art. 376 ZGB N. 6 in Verbindung mit Art. 373 ZGB N. 10).
Da die in der Angelegenheit der Z. als Einzige in Frage kommenden Vormund-
schaftsbehörden Kreis Y. und Kreis X. ihre örtliche Zuständigkeit gerade vernei-
nen und damit gar nicht erst tätig werden wollen, muss für die Bestimmung des
Wohnsitzes der betroffenen Person der Zeitpunkt massgeblich sein, in welchem
die Aufsichtsbehörde durch ihren Entscheid den negativen Kompetenzkonflikt
beendet.
3.
Laut den Angaben des Sozialdienstes für Suchtfragen in einem
Schreiben vom 19. April 2004 sowie weiteren Unterlagen aus diesem Jahr wurde
Z. ihre Einzimmerwohnung in W., die sie dort seit dem 01. Oktober 2001 benüt-
zen konnte, auf den 31. März 2004 gekündigt. In der Folge sah sie davon ab, in
W. und Umgebung allenfalls mit behördlicher Hilfe eine neue Bleibe zu su-
chen. Vielmehr übersiedelte sie nach Y., wo sie wie bereits in den Jahren zuvor
vom Sozialdienst für Suchtfragen beraten wurde. Anfänglich war sie obdachlos.
Auf den 20. Mai 2005 gelang es ihr dann aber, beim Verein V. in Y. im Rahmen
des von ihm angebotenen begleiteten Wohnens Unterkunft und Betreuung zu
erhalten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie während dieses rund zwei Jahre
dauernden Aufenthalts persönliche Beziehungen zu ihrem früheren Umfeld un-
terhalten hat. Auch nach der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den
Verein V. auf Ende März 2007 kehrte sie nicht etwa in den Kreis X. zurück. Sie
blieb vielmehr bis heute, wie auch die hiesige Vormundschaftsbehörde aner-
kennt, in Y. ansässig, wo sie als Obdachlose teils auf der Gasse und teils bei
Bekannten lebt, daneben aber auch regelmässig die Tagesstruktur und die Not-
schlafstelle des Vereins V. benützt. Dass Z. ihre Zukunft ausschliesslich in Y.
sieht und dies den Angehörigen des Sozialdienstes für Suchtfragen gegenüber
denn auch unmissverständlich bekräftigte, räumt wiederum selbst die Vormund-
schaftsbehörde Kreis Y. ein. Die Ausrichtung auf Y. wird darüber hinaus noch
dadurch unterstrichen, dass die Schriften von Z. mit Wirkung ab 01. April 2007
hier hinterlegt wurden.
All dies erlaubt zwanglos den Schluss, dass Z. ihren Lebensmittelpunkt
seit längerer Zeit in Y. hat. Allfällige vormundschaftliche Massnahmen ihr gegen-
über müssen deshalb von der Vormundschaftsbehörde Kreis Y. ergriffen werden.
6
4.
In solchen Fällen werden den Beteiligten keine Gebühren in Rech-
nung gestellt.
7
Demnach erkennt die Zivilkammer:
1.
Für die Anordnung allfälliger vormundschaftlicher Massnahmen gegen-
über Z. wird die Vormundschaftsbehörde Kreis Y. als zuständig erklärt.
2.
Die Kosten dieses Verfahrens gehen zu Lasten des Kantons Graubünden.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 5 des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das
Schweizerische Bundesgericht geführt werden. Sie ist dem Bundesgericht
innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Ent-
scheidung schriftlich in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Wei-
se einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 72 ff. und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident
Der Aktuar
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