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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils ZF-03-47: Kantonsgericht Graubünden

Der Beschuldigte wurde für das unerlaubte Rechtsüberholen und das brüske Abbremsen verurteilt. Er muss eine Busse von Fr. 400.- zahlen. Bei Nichtzahlung droht eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 1'000.-. Der Beschuldigte, verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X., hat die Berufung verloren.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-03-47

Kanton:GR
Fallnummer:ZF-03-47
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid ZF-03-47 vom 01.12.2003 (GR)
Datum:01.12.2003
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung aus Arbeitsvertrag
Schlagwörter : Berufung; Überstunden; Berufungskläger; Ferien; Freizeit; Urteil; Plädoyer; Formular; Arbeitgeber; Berufungsbeklagte; Recht; Toller; Forderung; Arbeitgeberin; „Frei; Quinter; Klägers; Beklagten; Entschädigung; Ferienkontrolle; Arbeitsverhältnis; „Freizeit; Ferienkontrolle“; Formulare; Vorinstanz
Rechtsnorm:Art. 122 ZPO ;Art. 229 ZPO ;Art. 321c OR ;Art. 8 ZGB ;Art. 9 ArG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts ZF-03-47

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 1. Dezember 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 03 47

Urteil
Zivilkammer
Vorsitz Bochsler
RichterInnen Heinz-Bommer,
Lazzarini, Rehli und Sutter-Ambühl
Aktuar ad hoc
Berti
——————
In der zivilrechtlichen Berufung
des X., Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Diego
Quinter, Goldgasse 11, 7002 Chur,

gegen

das Urteil des Bezirksgerichts Surselva vom 7. Mai 2003, mitgeteilt am 29. August
2003, in Sachen des Klägers und Berufungsklägers gegen Y., Beklagte und Beru-
fungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. et lic. oec. Marco Toller, Post-
fach 627, Bahnhofstrasse 7, 7001 Chur,
betreffend Forderung aus Arbeitsvertrag,
hat sich ergeben:



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A.
X. trat am B. in den Dienst des A. (der heutigen Y.) als D.. Das unbe-
fristete Arbeitsverhältnis wurde mehrmals erneuert, letztmals mit Wirkung ab dem
C. (KB 3, letztes Blatt), und inzwischen hatte X. den Rang des E. erlangt. Am 26.
Januar 2000 kündigte er das Arbeitsverhältnis auf den 30. April 2000 (KB 8). Er
schied bereits am 31. März 2000 aus dem Betrieb aus.
B.
Nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses forderte X. eine Überstun-
denentschädigung von der Y.. Nachdem diesbezüglich keine Einigung erzielt wor-
den war, liess er im August 2001 eine Leistungsklage beim Kreisamt Lugnez an-
hängig machen. Nach fruchtloser Vermittlungsverhandlung bezog X. am 3. De-
zember 2000 den Leitschein mit folgenden Begehren:
„1. Verpflichtung auf Anerkennung und Leistung von Fr. 102'783.30 zuzüg-
lich 5% Zins seit 15. März 1998 (mittl. Verfall).
2. Unter vermittleramtlicher, gerichtlicher und aussergerichtlicher Kosten-
und Entschädigungsfolge zulasten der Beklagten.“
C.
Mit Prozesseingabe vom 9. Januar 2002 prosequierte X. die Streit-
sache an das Bezirksgericht Surselva unter Festhalten an den Begehren gemäss
Leitschein.
D.
Mit Urteil vom 7. Mai 2003, mitgeteilt am 29. August 2003, wies das
Bezirksgericht Surselva die Klage ab, auferlegte die Verfahrenskosten von insge-
samt Fr. 8'000.-- dem Kläger und verpflichtete diesen, die Beklagte ausseramtlich
mit Fr. 31'015.70 zu entschädigen.
E.
Das Bezirksgericht Surselva erwog, dass die behaupteten Forderun-
gen des Klägers insoweit nicht verjährt seien, als sie nach dem 25. Mai 1996 ent-
standen seien (angefochtenes Urteil, im folgenden „Urteil“, S. 5 E. 4 c). In der Sa-
che verneinte sie den Bestand solcher Forderungen. Vorab lehnte das Bezirksge-
richt bereits im Grundsatz einen Entschädigungsanspruch für geleistete Überstun-
den ab, weil der Kläger leitender Angestellter gewesen sei (Urteil S. 6 f. E. 5 b),
und die Parteien keine Ausnahmeregelung getroffen hätten, welche den Kläger
berechtigt hätte, eine Auszahlung geleisteter Überstunden zu fordern (Urteil S. 7 f.
E. 5c); vielmehr habe die Beklagte eine „Lohnund Arbeitszeitpolitik“ gehabt, die
in einem Kapitel des „Kaderhandbuchs“ festgehalten sei, wonach notwendige
Überstunden in der laufenden Saison durch Freizeit gleicher Dauer zu kompensie-



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ren seien. Gestützt auf eine Würdigung der Zeugenaussagen kam das Bezirksge-
richt zum Schluss, dass der Kläger diese Überstundenregelung gekannt haben
müsse, und dass sie als stillschweigend vereinbarter Vertragsbestandteil zwischen
den Parteien anzusehen sei (Urteil S. 8 f. E. 5 d). Sodann hielt das Bezirksgericht
die Klage auch deshalb für unbegründet, weil der Kläger seine Überstunden seiner
Arbeitgeberin nie gemeldet und auch nie eine Auszahlung derselben gefordert
habe. Es träfen beim Kläger mehrere Elemente zusammen, die nach Lehre und
Rechtsprechung eine Forderung nach Überstundenentschädigung als rechtsmiss-
bräuchlich erscheinen liessen: Als leitender Angestellter habe er seine Arbeitszeit
frei einteilen und Ferienund Feiertage sowie Überstunden selbständig kompen-
sieren können. Er habe nicht geltend gemacht, dass dies aus organisatorischen
personellen Gründen nicht möglich gewesen sei. Als Kadermitglied habe er
unter anderem die Aufgabe gehabt, die Arbeitszeiten des gesamten Serviceper-
sonals einschliesslich seiner eigenen Arbeitszeit einzuteilen und zu koordinieren;
dazu habe gemäss der ihm bekannten Arbeitszeitpolitik der Beklagten gehört,
dass möglichst keine Überstunden entstanden. Das habe auch für ihn selbst ge-
golten. Diese Aufgabe habe er offenbar während einer über 25 Jahre dauernden
Anstellungszeit ohne Beanstandungen erfüllt. Die nach so langer Zeit und erst im
nachhinein erhobene Forderung nach Entschädigung von Überstunden, von de-
nen die Arbeitgeberin keine Kenntnis hatte, sei deshalb als rechtsmissbräuchlich
zu betrachten (Urteil S. 9 ff. E. 5 e). Die weitere Forderung des Klägers auf eine
Entschädigung für nicht bezogene Ferien, Feierund Freitage wies das Bezirksge-
richt Surselva mit der Begründung ab, gemäss einem Bericht der Kontrollstelle für
den L-GAV vom 15. September 2000 sei der Kläger bei seinem Austritt unter dem
Titel „nicht bezogene Ferien, Feierund Freitage“ nicht nur vollständig abgegolten
worden, sondern habe darüber hinaus 37.6 Tage zuviel ausbezahlt bekommen
(Urteil S. 11 f. E. 6 a und b).
F.
X. liess am 17. September 2003 gegen das Urteil des Bezirksge-
richts Surselva Berufung an das Kantonsgericht erklären und folgende Anträge
stellen:
„1. Aufhebung des angefochtenen Urteils.
2. Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von CHF 102'783.30 zuzüglich
5% Zins seit 15. März 1998 (mittlerer Verfall).



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3. Unter vermittleramtlicher, gerichtlicher und aussergerichtlicher Kosten-
und Entschädigungsfolge für das vorinstanzliche sowie auch für das kan-
tonsgerichtliche Verfahren zu Lasten der Beklagten.“
H.
Zur Hauptverhandlung vor Kantonsgericht am 1. Dezember 2003 er-
schienen der Rechtsvertreter des Klägers und Berufungsklägers, Rechtsanwalt lic.
iur. Diego Quinter, und der Rechtsvertreter der Beklagten und Berufungsbeklag-
ten, Rechtsanwalt Dr. iur. et lic. oec. Marco Toller. Der Vorsitzende las die Beru-
fungsanträge vor. Auf das Verlesen des vorinstanzlichen Urteils wurde verzichtet,
weil die Parteien und das Gericht dieses Dokument bereits zur Kenntnis genom-
men hatten. Der Vorsitzende stellte fest, dass die Verströstungen rechtzeitig ge-
leistet worden seien. Er stellte ferner fest, dass die Vollmachten der Parteien und
ein Handelsregisterauszug der Berufungsbeklagten bei den Akten lägen. Gegen
Zusammensetzung und Zuständigkeit des Gerichtes wurden keine Einwendungen
erhoben. Nachdem keine Beweisanträge gestellt worden waren, erklärte der Vor-
sitzende das Beweisverfahren für geschlossen.
Die Berufungsbeklagte beantragte kostenfällige Abweisung der Berufung.
Beide Rechtsvertreter gaben schriftliche Erklärungen zu den Akten im Sin-
ne von Art. 51 Abs. 1 lit. b OG.
I.
Zur Begründung der Berufung liess der Kläger und Berufungskläger
im Wesentlichen vortragen, die Vorinstanz habe zu Unrecht Albert Anton als lei-
tenden Angestellten qualifiziert (Plädoyer RA Quinter S. 2); selbst wenn dieser
leitender Angestellter gewesen wäre, hätte er nach dem anwendbaren Gesamtar-
beitsvertrag grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung für Überstunden ge-
habt (Plädoyer RA Quinter S.2 ff.); der Inhalt des Kaderhandbuches sei nicht still-
schweigend vereinbarter Vertragsbestandteil geworden, zumal eine gegenüber
dem GAV abweichende Regelung der Entschädigung für Überstunden der Schrift-
form bedürfe (Plädoyer RA Quinter S.4); ferner sei die Geltendmachung einer Ent-
schädigungsforderung nicht rechtsmissbräuchlich, denn die Arbeitgeberin habe
anhand der Angaben auf der Rückseite der vom Arbeitnehmer eingereichten For-
mulare „Freizeitund Ferienkontrolle“ erkennen können, dass Überstunden geleis-
tet worden seien (Plädoyer RA Quinter S.5 f.) bzw. habe die Arbeitgeberin merken
müssen, dass Überstunden betriebsnotwendig gewesen seien (Plädoyer RA Quin-
ter S.6); die Arbeitnehmerin trage die Beweislast betreffend der geltend gemach-
ten Überstunden, weil sie es versäumt habe, die Arbeitszeit des Klägers und Beru-



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fungsklägers zu kontrollieren (Plädoyer RA Quinter S.7), zudem hätte die Vo-
rinstanz nicht „blindlings“ auf den Bericht der Kontrollstelle (BB 14) vertrauen sol-
len (Plädoyer RA Quinter S.7 mitte); der Arbeitnehmer habe nicht auf eine Ent-
schädigung für geleistete Überstunden verzichtet (Plädoyer RA Quinter S.8), und
schliesslich habe der Arbeitnehmer zwar in der Zwischensaison kompensieren
können, die dafür zur Verfügung stehende Zeit habe aber nicht ausgereicht (Plä-
doyer RA Quinter S.10). Aus diesen Gründen sei Berufung und Klage gutzuheis-
sen.
J.
In der Berufungsantwort liess die Beklagte und Berufungsbeklagte
kostenfällige Abweisung der Berufung beantragen und die Einrede der Verjährung
zurückziehen, so dass allfällige seit dem 25. Mai 1996 entstandenen Forderungen
als unverjährt zu betrachten seien.
Zur Begründung ihrer Anträge liess die Beklagte und Berufungsbeklagte im
Wesentlichen vortragen, der Kläger und Berufungskläger habe seine Forderungen
weder unter dem Titel „Freiund Ferientage sowie Ferien“ (Plädoyer RA Toller, S.
2 f. sub 2) noch unter dem Titel „Überstunden“ (Plädoyer RA Toller, S. 3 sub 3 und
S. 11 f. sub 12) gehörig substantiiert und bewiesen; der L-GAV 1992 sei bezüglich
der Frage der Überstunden nicht günstiger für den Arbeitnehmer als der L-GAV
1998 (Plädoyer RA Toller, S. 3 ff. sub 4); die Parteien seien während der ganzen
Dauer des Arbeitsverhältnisses davon ausgegangen, dass allfällige Überstunden
durch Kompensation in den Zwischensaisonen pauschal abgegolten seien (Plädo-
yer RA Toller, S. 5 f. sub 6), weshalb die Berufung auf die Nichterfüllung der
Schriftform rechtsmissbräuchlich sei (Plädoyer RA Toller, S. 6 f. sub 6); auch unter
dem L-GAV habe für Kaderleute der Grundsatz „Überstunden inbegriffen“ gegol-
ten (Plädoyer RA Toller, S. 7 sub 7); selbst wenn der Kläger und Berufungskläger
Überstunden im behaupteten Ausmass geleistet hätte, wären diese durch die ihm
während den Zwischensaisons gewährte und bezahlte Freizeit mehr als kompen-
siert worden (Plädoyer RA Toller, S. 7 sub 8); zudem habe der Kläger und Beru-
fungskläger während des Arbeitsverhältnisses seiner Arbeitgeberin nie Überstun-
den angemeldet (Plädoyer RA Toller, S. 8 f. sub 9), obwohl eine Meldepflicht be-
stehe, wenn ein Arbeitnehmer ohne Wissen der Arbeitgeberin Überstunden leiste
(Plädoyer RA Toller, S. 9 f. sub 10); schliesslich sei das Verhalten des Klägers
und Berufungsklägers insgesamt rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte und Be-
rufungsbeklagte in guten Treuen habe davon ausgehen und darauf vertrauen kön-
nen, dass der Kläger und Berufungskläger keine nicht kompensierten Überstun-
den geleistet habe (Plädoyer RA Toller, S. 10 sub 11).



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K.
In der Berufungsreplik beanstandete der Rechtsvertreter des Klägers
und Berufungsklägers, dass die Vorinstanz auf die Zeugenaussage der F. abge-
stellt habe. Diese Zeugin habe bei der Instruierung des Prozesses mitgewirkt und
sei deshalb befangen. Alsdann wies er den Vorwurf mangelnder Substantiierung
unter Hinweis auf KB 9 zurück.
In der Berufungsduplik hielt der Rechtsvertreter der Beklagten und Beru-
fungsbeklagten an seinen Anträgen fest.
Auf die weiteren Ausführungen der Rechtsvertreter zur Begründung ihrer
Anträge sowie auf das vorinstanzliche Urteil wird, soweit erforderlich, in den nach-
folgenden Erwägungen eingegangen.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung :
1.
Gegen Urteile der Bezirksgerichte in vermögensrechtlichen Streitig-
keiten mit einem Streitwert von über Fr. 8'000.-ist Berufung gegeben (Art. 218
Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Ziff. 1 ZPO). Sie ist innert der peremptorischen Frist von 20
Tagen seit der schriftlichen Mitteilung des Urteils zu erklären (Art. 219 Abs. 1, 1.
Satz ZPO). Die Erklärung hat die formulierten Anträge auf Abänderung des erst-
instanzlichen Urteils und der Beiurteile sowie neue Einreden, soweit solche noch
zulässig sind, zu enthalten (Art. 219 Abs. 1, 2. Satz ZPO). Der Berufungsstreitwert
ist im vorliegenden Fall erreicht, die Berufung wurde formund fristgerecht erklärt,
und der Berufungskläger ist beschwert. Es ist deshalb auf die Berufung einzutre-
ten.
2.
a. Im vorliegenden Fall einzig strittig ist die Frage, inwieweit die Be-
klagte und Berufungsbeklagte dem Kläger und Berufungskläger eine Entschädi-
gung für behauptete Überstunden schuldet. In der Berufungsantwort anerkannte
die Berufungsbeklagte, dass allfällige Forderungen unter diesem Titel nicht ver-
jährt seien, sofern sie in der Zeit nach dem 25. Mai 1996 entstanden wären.
b. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Kläger und Berufungs-
kläger vom B. bis 31. März 2000 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten im
Service war, über 20 Jahre als E.. Während den Jahren 1996 - 2000 bezog er ei-
nen Bruttolohn von Fr. 5'880.-- und erhielt zudem eine Gratisverpflegung im Wert
von Fr. 178.50 pro Monat (BB 4 - 8); dieser Lohn wurde ihm 13 mal jährlich aus-



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bezahlt, wobei das Hotel seiner Arbeitgeberin in den Zwischensaisons während
insgesamt ca. 3 Monate geschlossen war und er während dieser Zeit frei hatte.
3. Nach (dispositiver) Gesetzesregelung kann der Arbeitgeber im Einver-
ständnis mit dem Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit innert eines ange-
messenen Zeitraumes durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen.
Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts ande-
res schriftlich verabredet durch Normalarbeitsvertrag Gesamtarbeitsver-
trag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrich-
ten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem
Viertel bemisst (Art. 321c Abs. 2 OR).
a.
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dem Kläger und Berufungs-
kläger stehe grundsätzlich kein Anspruch auf Entschädigung für Überstunden zu,
weil es sich beim Arbeitnehmer um einen leitenden Angestellten gehandelt habe
(angefochtene Entscheidung S. 6 f. E. 5 b).
b.
Nach Art. 9 nArGV 1 (SR 822.111, in Kraft seit 1. August 2000) übt
eine höhere leitende Tätigkeit aus, wer auf Grund seiner Stellung und Verantwor-
tung sowie in Abhängigkeit von der Grösse des Betriebes über weitreichende Ent-
scheidungsbefugnisse verfügt Entscheide von grosser Tragweite massge-
blich beeinflussen und dadurch auf die Struktur, den Geschäftsgang und die Ent-
wicklung eines Betriebes Betriebsteils einen nachhaltigen Einfluss nehmen
kann.
c.
Ob es sich beim Kläger und Berufungskläger tatsächlich um einen
leitendenden Angestellten im Sinne der soeben zitierten Norm gehandelt hat,
muss zumindest angezweifelt werden. Dieser liess in der Berufungsbegründung
vorbringen, er habe weder Kompetenz bei Fragen der Anstellung seiner Unterge-
benen noch Entscheidungsbefugnisse in für seine Arbeitgeberin wesentlichen An-
gelegenheiten gehabt; bezüglich seiner Ferien und Freitage sei er an die Weisun-
gen der Arbeitgeberin gebunden und am Betriebsergebnis sei er nicht beteiligt
gewesen. Aus einem Arbeitszwischenzeugnis mit Datum vom 30. November 1995
(KB 4, 4. und 5. Blatt) sowie aus dem Schlusszeugnis vom März 2000 (KB 4, 6.
Blatt) geht hervor, dass der Kläger und Berufungskläger die Führung einer Ser-
vice-Brigade bestehend aus bis zu 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innehatte.
Zu seinen Aufgaben gehörten Arbeitsplanung; Gästebetreuung; Bankettplanung
sowie -abwicklung; Kassawesen, Tagesabrechnungen, Statistiken; Überwachung



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der Kaffeeküche/Buffetausgabe; Kleininventareinkauf und Kleininventarwesen;
Einkauf Getränke, insbesondere des Weinkellers; und schliesslich Angebotsge-
staltung und Mitarbeiterschulung.
d.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger und Berufungskläger zwar Ange-
stellter mit Vorgesetztenfunktion war und in der innerbetrieblichen Organisation
zum Kader gehörte, was im vorliegenden Fall durchaus von rechtlicher Bedeutung
ist. Jedoch war er wohl nicht leitender Angestellter im Sinne der bundesrechtlichen
Arbeitsgesetzgebung. Die Frage braucht indes nicht abschliessend beantwortet zu
werden, weil, wie im Folgenden begründet wird, die Berufung selbst bei Verwer-
fung eines grundsätzlichen Ausschlusses eines Anspruches auf Entschädigung für
geleistete Überstunden abzuweisen ist.
4.
Der Arbeitnehmer, der eine Entschädigung für Überstunden fordert,
trägt grundsätzlich die Darlegungs-, Substantiierungsund Beweislast dafür, dass
diese geleistet wurden und betriebsnotwendig waren (Art. 8 ZGB i.V.m. Art. 321c
Abs. 1 OR). Behauptet er eine Umkehr der Beweislast, so ist es darlegungsund
beweispflichtig für die Umstände, aus denen eine solche Umkehr ableitet wird (Art.
8 ZGB).
a.
Der Kläger liess in der Prozesseingabe (act. I/2 S. 3 sub 4) Folgen-
des vortragen:
„Auf der Rückseite eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Formu-
lars mit dem Titel „Freizeitund Ferienkontrolle“ führte der Kläger
jeweils für sich das tägliche Pensum, Überstunden, Ferien und Fei-
ertage etc. nach. Diese Zahlen stammten aus dem ebenfalls vom
Kläger geführten Formular „Arbeitsund Freizeitkontrolle“. Zwecks
Kontrolle wurden diese Angaben regelmässig, das heisst einmal
pro Monat von ihm der Direktion zur Visierung vorgelegt. Diese
zählte dann die Monatszahlen jeweils zusammen. Die Vorderseite
des besagten Formulars füllte am Saisonende die Direktion selber
aus und nahm gestützt darauf die entsprechenden Zahlungen vor.
Obwohl der Kläger die Überstunden in der oben beschriebenen
Weise nachführte und die Direktion seine Zahlen akzeptierte, kam
es nicht zur Auszahlung der Überstunden.“



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Zum Beweis reichte der Kläger „1 Ordner erhaltend sämtliche in casu rele-
vanten Kontrollblätter“ ein. Dieser Ordner enthält drei Arten von Formularen, näm-
lich (1) „Freizeitund Ferienkontrolle“, (2) „Kontrollblatt für die Arbeitszeit“, (3) „Ar-
beitsund Freitagekontrolle“. Auf S. 7 f. der Prozesseingabe liess der Kläger eine
Berechnung der von ihm geltend gemachten Forderung vornehmen. Diese nennt
zwar Zeiträume, Stunden und Frankenbeträge unter den Überschriften „Überstun-
den“, „Ferienund Feiertage“ und „Freitage“ und offeriert wiederum als Beweis
den Ordner KB 9 sowie 2 handschriftliche Aufstellungen des Klägers betr. Über-
stunden und Feiertage/Ferien (KB 13); weder letztere noch sonstige Ausführungen
im klägerischen Sachvertrag nehmen substantiierten Bezug auf die im Ordner (KB
9) enthaltenen Formulare.
Der Kläger liess ferner den Antrag stellen, aus Händen der Beklagten seien
„sämtliche den Kläger betreffende Lohnabrechnungen, Formulare ‚Freizeitund
Ferienkontrolle’ im Original seit Mai 1996 bis und mit März 2000“ zu edieren (act.
I/2 S. 4 sub 4). In der Prozessantwort widersetzte sich die Beklagte dem Editions-
antrag mit dem Einwand, der Kläger habe weder die Formulare „Arbeits - und Frei-
tagekontrolle“ (act. I/3 S. 5 sub 9) noch die Formulare „Kontrollblatt für die Arbeits-
zeit“ (act. I/3 S. 6 sub 11) während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Direkti-
on der Beklagten eingereicht. Der Kläger habe lediglich die Formulare „Freizeit-
und Ferienkontrolle“ jeweils am Ende der Saison der Direktion eingereicht. Diese
habe die Angaben des Klägers auf der Rückseite des Formulars stets akzeptiert
und gestützt hierauf die Schlussabrechnung erstellt (act. I/3 S. 6 sub 12).
b.
Die Vorinstanz hat gestützt auf eine Würdigung der Zeugenaussagen
festgestellt, dass der Kläger während des Arbeitsverhältnisses seiner Arbeitgebe-
rin lediglich die Formulare „Freizeitund Ferienkontrolle“ und keine Kontrollblätter
über die eigene Arbeitszeit eingereicht habe (angefochtene Entscheidung S. 10 E.
5 e, 2. Absatz).
c.
Gegen diese Feststellung als solche hat der Rechtsvertreter des
Klägers und Berufungsklägers in der Berufung nichts vorgetragen. Er machte aber
geltend, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte die Überstunden ihres Arbeit-
nehmers jederzeit anhand der Angaben auf der Rückseite der unbestrittenermas-
sen eingereichten Formulare „Freizeitund Ferienkontrolle“ hätte erkennen kön-
nen (Plädoyer RA Quinter, S. 5). Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar.
Auf der Rückseite der Formulare „Freizeitund Ferienkontrolle“, wie aus den im
ersten Fach des Ordners KB 9 vorhandenen Kopien ersichtlich, werden stets hal-



10


be ganze Arbeitstage vermerkt, welche der Kläger und Berufungskläger of-
fenbar als kompensationspflichtige Ferienund Freitage geltend macht. Angaben
zu einzelnen Überstunden fehlen dort gänzlich. Mithin hat es der Kläger und Beru-
fungskläger trotz entsprechender Rüge der Gegenpartei in der Prozessantwort -
versäumt, substantiert darzutun, weshalb ihm welche Überstunden, die nicht be-
reits durch die Erfassung im einzigen Formular („Freizeitund Ferienkontrolle“),
das er unbestrittenermassen seiner Arbeitgeberin eingereicht hat, zu entschädigen
seien. Damit ist der Vorwurf der mangelnden Substantiierung begründet und dem
Kläger und Berufungskläger zum vorneherein das Argument abgeschnitten, seine
Arbeitgeberin hätte erkennen müssen, dass er Überstunden in grossem Ausmass
geleistet habe, die nicht im erwähnten Formular angegeben seien. Einerseits be-
hielt der Kläger und Berufungskläger am Saisonende bei der Einreichung des
Formulars „Freizeitund Ferienkontrolle“ jeweils für sich, dass ihm seines Erach-
tens weitere Ansprüche aus Überstunden zustünden. Andererseits erklärte er
mehrmals, wie der Zeuge H. aussagte (act. IV/2 S. 2 ad Frage 5), dass Überstun-
den in seinem Bereich kein Thema seien. Im nachhinein das Gegenteil behaupten
zu wollen, ist ein venire contra factum proprium, das nicht zu hören ist (Art. 2 Abs.
2 ZGB).
5. Selbst wenn man die Behauptung einer Gesamtsumme von Überstunden
mit einem pauschalen Hinweis auf nicht weiter erläuterte Aufzeichnungen als ge-
nügend substantiiertes Vorbringen gelten lassen wollte, scheitert die Klage und die
Berufung daran, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte in guten Treuen davon
ausgehen durfte, dass der Kläger und Berufungskläger sämtliche allenfalls wäh-
rend der Saison geleisteten Überstunden mit bezahlter Freizeit während der Zwi-
schensaison habe pauschal kompensieren können. Zu diesem Schluss ist bereits
die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Würdigung der Zeugenaussagen ge-
langt (angefochtene Entscheidung S. 7 E. 5 b, worauf im Sinne von Art. 229 Abs.
3 ZPO verwiesen wird). Unbehelflich ist hierbei der Einwand, die Zeugin F. habe
bei der Instruierung des Prozesses mitgewirkt und sei deshalb befangen, wurde
doch die geschilderte Kompensationsregelung von der weiteren Zeugin G. (act.
IV/3 S. 2 ad Frage 6), welche seit 1986 als Direktionssekretärin bei der Beklagten
und Berufungsbeklagten arbeitet und deren Aussage vom Kläger und Berufungs-
kläger nicht in Frage gestellt worden ist, klar bestätigt. Ob diese Übung als still-
schweigend vereinbarter Vertragsbestandteil zwischen den Parteien qualifiziert
werden kann, wie die Vorinstanz annahm (angefochtene Entscheidung S. 8 f. E. 5
d), kann offen bleiben. Denn jedenfalls dadurch, dass der Kläger und Berufungs-
kläger während des ganzen (28-jährigen) Arbeitsverhältnisses seiner Arbeitgebe-



11


rin gegenüber unbestrittenermassen nie signalisiert hat, dass seine voll entlöhnte
Freizeit in den Zwischensaisons für die Kompensation seiner Überstunden nicht
ausreiche, schaffte er zugunsten der Beklagten und Berufungsbeklagten einen
Vertrauenstatbestand, auf den diese sich verlassen durfte.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat denn auch bereits in der Prozes-
santwort mit einer Aufstellung zur Freizeit des Klägers und Berufungsklägers wäh-
rend der Zwischensaisons für die prozessrelevante Zeitspanne dargelegt (BB 10),
dass insgesamt 357 Tage für die Kompensation von Überstunden zur Verfügung
gestanden haben. Der Kläger und Berufungskläger hat nirgends dargetan, wes-
halb dies nicht ausgereicht haben soll, sondern lediglich am Ende der Berufungs-
begründung ohne weitere Erläuterung behauptet, dass diese Zeit nicht ausge-
reicht habe. Damit ist der Kläger und Berufungskläger auch in dieser Hinsicht sei-
ner Substantiierungspflicht nicht nachgekommen.
6.
Bei dieser Sachlage könnte an sich offen bleiben, ob wie die Vo-
rinstanz angenommen hat - die Erhebung der eingeklagten Forderung auf Ent-
schädigung nicht während des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeberin gemeldeten
Überstunden als rechtsmissbräuchlich zu bezeichnen sei. Indes ist auch diesbe-
züglich der Vorinstanz zuzustimmen, dass beim Kläger und Berufungskläger ge-
rade meherere Elemente zusammentreffen, die nach Lehre und Rechtsprechung
eine Forderung nach Überstundenentschädigung als missbräuchlich erscheinen
lassen. Es wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen in der angefoch-
tenen Entscheidung S. 9 ff. in E. 5 e verwiesen (Art. 229 Abs. 3 ZPO). Die Vo-
rinstanz hat zu Recht die Klage abgewiesen.
7.
Der Kläger und Berufungskläger machte auch eine Forderung für ei-
ne zusätzliche Entschädigung gestützt auf die während des Arbeitsverhältnisses
jeweils zum Saisonende eingereichten Formulare „Freizeitund Ferienkontrolle“
geltend. Die Vorinstanz wies diesen Teil der Klage unter Bezugnahme auf Fest-
stellungen in einem Bericht der Kontrollstelle für den L-GAV vom 15. September
2000 (BB 14) ab. Der Bericht kommt zum Schluss, der Kläger sei bei seinem Aus-
tritt unter dem Titel „nicht bezogene Ferien, Feierund Freitage“ nicht nur vollstän-
dig abgegolten worden, sondern habe darüber hinaus 37.6 Tage zuviel ausbezahlt
bekommen (Urteil S. 11 f. E. 6 a und b).
Der Kläger und Berufungskläger wirft der Vorinstanz vor, „blindlings“ darauf
vertraut zu haben. Er verliert aber kein Wort darüber, weshalb die Festellungen



12


der Kontrollstelle, welche zwar der freien richterlichen Beweiswürdigung unterlie-
gen, aber im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände Beweiswert haben (vgl.
PKG 1989 Nr. 22), unzutreffend sein sollen. Die Berufung ist mithin auch in die-
sem Punkt abzuweisen.
8.
Damit erweist sich die Berufung insgesamt als unbegründet. Sie ist in
Bestätigung der angefochtenen Entscheidung vollumfänglich abzuweisen.
9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Berufungskläger die
Kosten des Verfahrens von Fr. 8’195.-- (Gerichtsgebühr Fr. 8'000.--, Schreibge-
bühr Fr. 195.--) zu tragen (Art. 122 Abs. 1 ZPO). Die Berufungsbeklagte hat er mit
Fr. 3'809.05 zu entschädigen (Art. 122 Abs. 2 ZPO).




13


Demnach erkennt die Zivilkammer :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 8’195.-- (Gerichtsgebühr Fr.
8'000.--, Schreibgebühr Fr. 195.--) gehen zu Lasten des Berufungsklägers,
der zudem die Berufungsbeklagte ausseramtlich mit Fr. 3'809.05 zu ent-
schädigen hat.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident:
Der Aktuar ad hoc:


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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