In dem Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, ging es um eine Beschwerde gegen die Anordnung von Sicherheitshaft für einen Beschwerdeführer, der einer Vergewaltigung beschuldigt wurde. Die Staatsanwaltschaft führte eine Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer durch und beantragte eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren sowie die Anordnung von Sicherheitshaft. Der Beschwerdeführer wurde in Untersuchungshaft genommen und später in Sicherheitshaft überführt. Er erhob Beschwerde gegen die Sicherheitshaft, die jedoch abgewiesen wurde, da sowohl ein dringender Tatverdacht als auch Fluchtgefahr bestanden. Der Beschluss wurde am 17. Oktober 2013 gefällt.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZB-08-31
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZB-08-31 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 08.12.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsvertretung |
Schlagwörter : | Recht; Verfahren; Kantons; Kantonsgericht; Ehemann; Gesuch; Einkommen; Verfügung; Vormundschaftsbehörde; Rechtspflege; Verfahren; Betrag; Existenzminimum; Kantonsgerichtsausschuss; /Bergell; Vorinstanz; Urteil; Oberengadin/Bergell; Rechtsvertreter; Graubünden; Prozessführung; Bedürftigkeit; Liegenschaft; Beschwerdeverfahren; EGzZGB |
Rechtsnorm: | Art. 122 ZPO ;Art. 235 ZPO ;Art. 308 ZGB ;Art. 42 ZPO ;Art. 43 ZPO ;Art. 45 ZPO ;Art. 46 ZPO ;Art. 47a ZPO ;Art. 59 ZPO ; |
Referenz BGE: | 118 Ia 370; 119 Ia 11; 124 I 1; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZB-08-31
Kantonsgericht
von Graubünden
Dretgira
chantunala
dal
Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
____
Ref.:
Chur, 08. Dezember 2008
Schriftlich mitgeteilt am:
ZB 08 31
(Eine gegen dieses Urteil beim Bundesgericht erhobene Beschwerde ist mit Urteil
vom 09. April 2009 abgewiesen worden soweit darauf einzutreten war).
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Riesen-Bienz und Zinsli
Aktuarin ad hoc Thoma
__
In der zivilrechtlichen Beschwerde
der A., Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
iur. Thomas Schütt, Postfach 342, Via Stredas 4, 7500 St. Moritz,
gegen
die Verfügung der Vormundschaftsbehörde Oberengadin/Bergell vom 09. Sep-
tember 2008, mitgeteilt am 15. September 2008,
betreffend unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsvertretung,
hat sich ergeben:
A.
Am 21. Februar 2008 beschloss die Vormundschaftsbehörde der Kreise
Oberengandin/Bergell, A. die elterliche Obhut über ihre Tochter B. (geb. 28. Juni
2000) gestützt auf Art. 310 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) zu ent-
ziehen und das Mädchen im Sinne einer vorsorglichen Massnahme in die Kinder-
klinik _ einzuweisen. Anlass dazu waren zahlreiche blaue Flecken und Hautverlet-
zungen, welche gleichentags vom Kinderarzt bei B. festgestellt worden waren. Im
Anschluss an den Aufenthalt in der Kinderklinik wurde das Mädchen bis am
28. Juni 2008 in einer Pflegefamilie untergebracht. Die im Verlaufe des Verfahrens
errichtete Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB wurde auch nach der
Rückkehr des Mädchens zur Mutter aufrechterhalten und weitere begleitende
Massnahmen angeordnet. Während der Dauer des vormundschaftlichen Verfah-
rens ergingen seitens der Vormundschaftsbehörde drei Beschlüsse der Gesamt-
behörde (Beschlüsse vom 21. Februar, 2. April und 3. Juni 2008) sowie ein Präsi-
dialbeschluss (Verfügung vom 6. März 2008). Gegen den Ehemann der Mutter
wurde ein Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung eröffnet.
B.
Am 2. Mai 2008 liess A. durch ihren Rechtsvertreter bei der Vormund-
schaftsbehörde Oberengadin/Bergell ein Gesuch um unentgeltliche Prozessfüh-
rung und Rechtsvertretung mit Wirkung ab dem 16. April 2008 einreichen. Darin
beantragte sie die Kostenübernahme für das vormundschaftliche Verfahren betref-
fend Obhutsentzug durch die Gemeinde Y.. Mit Eingabe vom 9. Mai, 6. Juni und
31. Juli 2008 liess die Gesuchstellerin weitere Unterlagen nachreichen. Am 17.
Juni 2008 beantragte die Wohnsitzgemeinde die Ablehnung des Gesuchs mit dem
Hinweis, dass die eingereichten Unterlagen widersprüchlich und unvollständig sei-
en.
C.
Am 9. September 2008, mitgeteilt am 15. September 2008, verfügte die
Vormundschaftsbehörde Oberengadin/Bergell über das Gesuch wie folgt:
„1. Auf das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung vom 02. Mai 2008
wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters vom
02. Mai 2008 wird abgewiesen.
3. Die Amtskosten dieser Verfügung von CHF 200.gehen zulasten der
Gesuchstellerin A..
4. (Rechtsmittelbelehrung.)
5. (Mitteilung.)“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bedürftigkeit der Gesuch-
stellerin sei nicht gegeben. Ihr Ehemann besitze eine Liegenschaft in Z., welche
ihm mindestens zur Hälfte gehöre. Dieses Grundeigentum im Betrag von Fr.
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47'000.-müsse sich die Gesuchstellerin anrechnen lassen, da nicht rechtsgenüg-
lich erstellt sei, dass eine hypothekarische Belastung der Liegenschaft eine
allfällige Vermietung deren Verkauf nicht möglich sei. Die Bedürftigkeit sei
auch aus einem weiteren Grund nicht gegeben: Der familienrechtliche Grundbe-
darf belaufe sich auf Fr. 4'500.-pro Monat. Die Einnahmen würden seit Eintritt der
Bedürftigkeit Mitte April 2008 Fr. 5'500.-pro Monat betragen. Damit resultiere ab
Mitte April 2008 ein monatlicher Überschuss von Fr. 1'050.--. Die Anwaltskosten
würden sich ungekürzt auf rund Fr. 6'800.-belaufen. Mit dem Einkommensfreibe-
trag von mehr als Fr. 1'000.-pro Monat seien diese Anwaltskosten innert sechs
bis sieben Monaten zu begleichen. Darüber hinaus müsste, auch wenn das Ge-
such um Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes gutgeheissen würde,
die Honorarnote des Rechtsvertreters um 8 Stunden auf Fr. 5'200.-gekürzt wer-
den. Die Bezahlung dieses Betrages sei der Gesuchstellerin angesichts des mo-
natlichen Einkommensüberschusses von Fr. 1'050.-zweifellos zumutbar.
D.
Dagegen erhob A. am 6. Oktober 2008 Beschwerde beim Kantonsgerichts-
ausschuss von Graubünden mit folgenden Anträgen:
„1. In Aufhebung von Ziff. 2 der Verfügung der Präsidentin der Vormund-
schaftsbehörde Oberengadin/Bergell vom 9. September 2008 sei der
Beschwerdeführerin in der Person des Unterzeichneten ein unentgeltli-
cher Rechtsvertreter zu bestellen auf Kosten der Gemeinde Y. für das
Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde Oberengadin/Bergell betref-
fend Obhutsentzug.
2. Eventualiter sei das Beschwerdeverfahren zu sistieren, bis ein rechts-
kräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts von Graubünden des Bun-
desgerichts betreffend Pflegekosten vorliegt.
3. Es sei eine angemessene Entschädigung für das Verfahren vor der
Vormundschaftsbehörde Oberengadin/Bergell festzusetzen.
4. Unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.
5. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren sei der Beschwerdeführerin
die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen, und es sei ihr in der
Person des Unterzeichneten ein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu be-
stellen, je auf Kosten der Gemeinde Y..“
Zur Begründung liess sie vorbringen, die Berechnungen der Vorinstanz betreffend
das Existenzminimum, das Einkommen und das Vermögen seien fehlerhaft.
E.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 reichte die Gemeinde Y. eine Ver-
nehmlassung ein und beantragte:
„1. Die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen.
2. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdeführe-
rin.“
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Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das von der Beschwerdeführerin
geltend gemachte Einkommen von ihr und ihrem Ehemann sei zu tief und das Exi-
stenzminimum zu hoch angegeben worden. Die im Strafverfahren gegen den Ehe-
mann der Beschwerdeführerin angefallenen Anwaltskosten seien vorliegend nicht
zu berücksichtigen. Auf den Beizug eines Rechtsvertreters hätte aufgrund des
sehr einfachen Verfahrens ohnehin verzichtet werden können.
F.
Am 18. November 2008 reichte die Vormundschaftsbehörde der Kreise
Oberengadin/Bergell ihre Stellungnahme mit folgenden Anträgen ein:
„1. Die Beschwerde betreffend unentgeltlicher Prozessführung und Rechts-
vertretung sei abzuweisen.
2. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdeführe-
rin, wobei die Beschwerdegegnerin angemessen ausseramtlich zu ent-
schädigen sei.“
In der Begründung wurde vollumfänglich auf die Ausführungen in der angefochte-
nen Verfügung verwiesen und im Übrigen geltend gemacht, die Beilagen B und C
(Schreiben des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin an die Bank und Ant-
wortschreiben der Bank) würden neue Beweismittel darstellen, die der Vorinstanz
nicht vorgelegen hätten. Sie seien infolge Verspätung unbeachtlich und aus dem
Recht zu weisen. Sowohl die Vermietung als auch ein allfälliger Verkauf der Feri-
enwohnung in Z. sei realistisch und zumutbar. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege sei ausdrücklich mit Wirkung ab dem 16. April und nicht ab dem 17.
März 2008 gestellt worden. In der Honorarrechnung seien jedoch anwaltliche Auf-
wendungen ab dem 22. Februar 2008 aufgelistet.
Auf die weiteren Ausführungen in der angefochtenen Verfügung sowie in den
Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen ein-
gegangen.
Der Kantongsgerichtsausschuss zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 47a der Zivilprozessordnung des Kantons Graubünden (ZPO;
BR 320.000) in Verbindung mit Art. 232 Ziff. 8 ZPO können Entscheide über die
unentgeltliche Rechtspflege mit zivilrechtlicher Beschwerde beim Kantonsge-
richtsausschuss angefochten werden. Beim vorliegenden Anfechtungsobjekt han-
delt es sich um eine Verfügung der Präsidentin der Vormundschaftsbehörde be-
treffend die unentgeltliche Rechtspflege für das vormundschaftliche Verfahren.
Nach Art. 58 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (EGzZGB; BR
210.100) richten sich die Voraussetzungen, Bestellung und Kostenfolge des un-
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entgeltlichen Rechtsbeistandes im vormundschaftlichen Verfahren nach den Best-
immungen der ZPO. Der Begriff „Bestellung“ verweist auf Art. 43 ZPO. Darunter
fallen alle Bestimmungen über die Zuständigkeiten und das Verfahren. Die Glo-
balverweisung in Art. 58 Abs. 2 EGzZGB erfasst damit auch den Rechtsmittelweg,
so dass Art. 47a ZPO und damit die zivilrechtliche Beschwerde an den Kantonsge-
richtsausschuss gemäss Art. 232 ff. ZPO zum Tragen kommt (PKG 2002 Nr. 16).
Die Beschwerde ist schriftlich innert der peremptorischen Frist von 20 Tagen seit
der Mitteilung des angefochtenen Entscheids beim Kantonsgerichtsausschuss
einzureichen, wobei mit kurzer Begründung anzugeben ist, welche Punkte des
Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden; neue
Rechtsbegehren und neue Beweismittel werden nicht berücksichtigt (Art. 233
Abs. 2 ZPO). Mit der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 6. Oktober 2008 ist die
20-tägige Beschwerdefrist (Art. 59 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit Art. 233 Abs. 1
ZPO) gegen die ablehnende Verfügung der Vormundschaftsbehörde vom 9. Sep-
tember 2008, mitgeteilt am 15. September 2008, eingehalten. Auf die im Übrigen
fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
2. Der
Kantonsgerichtsausschuss
prüft im Rahmen der Beschwerdeanträge,
ob der angefochtene Entscheid das vorausgehende Verfahren Gesetzesbe-
stimmungen verletzt haben, welche für die Beurteilung der Streitfrage wesentlich
sind (Art. 235 Abs. 1 ZPO). Im zivilrechtlichen Beschwerdeverfahren ist die Kogni-
tion des Kantonsgerichtsausschusses auf Rechtsverletzungen und willkürliche
Tatsachenfeststellungen beschränkt (Art. 235 Abs. 1 und 2 ZPO). Gleiches gilt
grundsätzlich auch dort, wo dem Richter ein Ermessensspielraum eingeräumt
wird; eine Rechtsverletzung liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn sich der
Gebrauch des Ermessens als rechtsmissbräuchlich erweist wenn es über-
schritten wird, das heisst, wenn sich ein Ermessensentscheid auf keine sachlich
vertretbaren Gründe abstützen lässt dem Gerechtigkeitsempfinden in stos-
sender Weise zuwiderläuft (PKG 1987 Nr. 17, E. 1). Die Beschwerde ist somit un-
ter dieser beschränkten Kognitionsbefugnis zu überprüfen.
3. a) Die unentgeltliche Rechtspflege will zum Nutzen des Ansprechers finanziel-
le Hindernisse auf dem Weg zum Recht beseitigen. Sie soll einen Prozess ermög-
lichen, ohne dass die ersuchende Person deswegen das Notwendige entbehren
muss (ZBJV 2000, S. 596). So gewährleistet sie einerseits die Gerichtskostenbe-
freiung (Art. 45 Abs. 1 ZPO) sowie andererseits die Bestellung eines Rechtsbei-
standes auf Kosten des Gemeinwesens (Art. 46 ZPO). Im vormundschaftlichen
Verfahren regeln die Art. 46, 58 und 63 EGzZGB die Bewilligung der unentgeltli-
chen Rechtspflege. Art. 58 Abs. 2 EGzZGB verweist für die Bestellung eines un-
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entgeltlichen Rechtsbeistandes und deren Folgen für alle Verfahren vor vormund-
schaftlichen Instanzen (Art. 58 Abs. 4 EGzZGB) auf die Bestimmungen von
Art. 42 ff. ZPO. Demgemäss haben Personen, die öffentliche Sozialhilfe beziehen
sonst nicht in der Lage sind, neben dem notwendigen Lebensunterhalt für
sich und ihre Angehörigen für die erforderlichen Prozesskosten aufzukommen,
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Zudem darf die beabsichtigte Prozess-
führung nicht offensichtlich mutwillig aussichtslos sein (Art. 42 Abs. 2 ZPO).
Nach der Praxis des Kantonsgerichtsauschusses betrifft die Verweisung in Art. 58
Abs. 2 EGzZGB nur den unentgeltlichen Rechtsbeistand als den einen Aspekt der
unentgeltlichen Rechtspflege, nicht jedoch die Kosten des vormundschaftlichen
Verfahrens, über welche regelmässig erst mit dem Erledigungsentscheid zu befin-
den ist. Anders ausgedrückt geht es im vorliegenden Verfahren einzig um die Kos-
ten der Rechtsvertretung (PKG 2002 Nr. 16).
b)
Da weder Mutwilligkeit noch Aussichtslosigkeit der Beschwerde ersichtlich
sind, ist zu prüfen, ob im konkreten Fall die so genannte Prozessarmut gegeben
ist. Dies beurteilt sich aufgrund der finanziellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Ge-
suchstellung. In casu erfolgte die Gesuchstellung am 2. Mai 2008, wobei die un-
entgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung rückwirkend ab dem 16. April
2008 beantragt wurde. Grundsätzlich ist eine rückwirkende Gewährung der unent-
geltlichen Rechtspflege abzulehnen. Daneben stellen veränderte Verhältnisse al-
lenfalls einen Grund für die Einreichung eines neuen Gesuches mit Wirkung ab
diesem Datum dar (Brunner, Die unentgeltliche Rechtspflege nach bündnerischer
Zivilprozessordnung - unter besonderer Berücksichtigung der neueren Praxis des
Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden, ZGRG 04/03, S. 160). Da vorlie-
gend wie im Folgenden aufzuzeigen ist - die Bedürftigkeit der Gesuchstellerin
verneint werden muss, erübrigen sich weitere Ausführungen zur rückwirkenden
Gesuchstellung.
4. a) Zur Überprüfung der prozessualen Bedürftigkeit ist vorliegend das betrei-
bungsrechtliche Existenzminimum als Referenzgrösse heranzuziehen. Allerdings
gilt es auch auf die individuellen Verhältnisse und die gesamte wirtschaftliche Si-
tuation des konkreten Einzelfalles abzustellen und nicht schematisch auf das Exis-
tenzminimum zu verweisen (BG-Urteil vom 4. Oktober 2005, 5P.295/2005, E. 2.2
und 2.3.2). Der notwendige Lebensunterhalt im Sinne von Art. 42 Abs. 1 ZPO
setzt sich nach neuerer Praxis des Kantonsgerichtsausschusses (prozessualer
Notbedarf; vgl. Urteil KGA vom 10. Februar 2003, ZB 02 14, E. 3-5, S. 5-16) zu-
sammen aus dem betreibungsrechtlichen Notbedarf gemäss dem aktuellen
Kreissschreiben des Kantonsgerichtsausschusses betreffend die Änderung der
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Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums
(Notbedarf) nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs
(SchKG; SR 281.1), erweitert um die laufenden Steuern sowie einem Zuschlag
von 20% - nicht wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht 25% auf dem
betreibungsrechtlichen Grundbetrag.
b)
Der Grundbetrag für ein Ehepaar liegt bei Fr. 1'550.-pro Monat. Da die
Tochter lediglich zwischenzeitlich (von März bis Juni 2008) bei Pflegeeltern unter-
gebracht wurde und sie im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung
zu Hause wohnte, ist für sie ein Unterhaltsbeitrag von Fr. 350.-aufzurechnen.
Dazu kommt ein Zuschlag von 20% im Betrag von Fr. 380.--, was zu einem mo-
natlichen Grundbetrag von insgesamt Fr. 2'280.-führt. Entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin ist für das ungeborene Kind nicht ein zusätzlicher Unter-
haltsbeitrag zu berücksichtigen, weil die finanzielle Lage im Zeitpunkt der Gesuch-
stellung massgebend ist. Gemäss Kreissschreiben gilt es jedoch, den erhöhten
Nahrungsbedarf bei Schwerarbeit anzurechnen. Da der Ehemann der Beschwer-
deführerin als Bauarbeiter tätig ist, rechtfertigt es sich, einen Betrag von Fr. 105.--
hierfür einzusetzen. Der Mietzins beträgt gemäss Mietvertrag Fr. 1300.-inkl. Ne-
benkosten. Die Krankenkassenprämien im Umfang von Fr. 449.-sind ebenfalls
zum Grundbetrag zu rechnen. Anzumerken ist, dass grundsätzlich nur der obliga-
torische Teil zum betreibungsrechtlichen Notbedarf zählt, nicht jedoch die freiwilli-
gen Versicherungsprämien gemäss Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR
221.229.1). Da die Gesuchstellerin vorliegend lediglich Gesamt-Monatsprämien-
rechnungen eingereicht hat, ist davon auszugehen, dass darin auch ein bestimm-
ter Betrag für die freiwillige Versicherung enthalten ist. Die geltend gemachten
Franchisenkosten von Fr. 50.-wurden von der Vorinstanz unter dem Titel „Arzt-
rechnungen“ zum Existenzminimum gezählt. Dies entspricht der bundesgerichtli-
chen Praxis, wonach die Beteiligung an den Gesundheitskosten in Form der Er-
bringung der Jahresfranchise nicht im pauschalen Grundbetrag enthalten ist (BGE
129 III 242, E. 4.2). Da diesbezüglich keine Einwände vorliegen, ist der Betrag in
diesem Umfang anzurechnen, auch wenn er nicht detailliert ausgewiesen ist. Eine
allfällige Prämienverbilligung lässt sich den eingereichten Unterlagen nicht ent-
nehmen. Weiter anerkannte die Vorinstanz zu Recht einen Unterhaltsbeitrag von
Fr. 136.--, welchen der Ehemann für sein in Z. lebendes Kind zu leisten hat. Da-
neben akzeptierte die Vorinstanz einen Zuschlag von Fr. 350.-für das Fahrzeug.
Dieser Betrag stimmt in etwa überein mit den sonst zu berücksichtigenden Kosten
für die Fahrt zum Arbeitsort mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und für die aus-
wärtige Verpflegung, weshalb er in dieser Höhe zu belassen ist. Weiter macht die
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Beschwerdeführerin einen Zuschlag von Fr. 100.-für die Miete des Garagenplat-
zes geltend. Dieser Zinsaufwand wäre lediglich zu berücksichtigen, wenn die Ge-
suchstellerin bzw. ihr Ehemann auf das Auto angewiesen wären (Bühler, Die Pro-
zessarmut, in: Schöbi (Hrsg.), Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, un-
entgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 163). Ob die Berücksichtigung dieses
Kostenpunktes dem Effektivitätsgrundsatz entspricht, wonach zum notwendigen
Bedarf nur diejenigen Schulden zu zählen sind, welche auch tatsächlich benötigt
werden, kann vorliegend offen bleiben. Wie sich noch zeigen wird, ändert dieser
Betrag am Ergebnis nämlich nichts. Der von der Beschwerdeführerin geltend ge-
machte Betrag von Fr. 50.-- dafür, dass sie keiner Arbeit mehr nachgeht, um mehr
Zeit für ihre Tochter zu haben, entbehrt jeglicher Grundlage und ist daher nicht zu
berücksichtigen. Bezüglich der Steuern erscheint die aufgrund einseitiger Belege
über die Gemeindeund Kantonssteuer von der Vorinstanz vorgenommene
Schätzung von Fr. 150.-pro Monat nicht als willkürlich, sondern als angemessen.
Nicht zu berücksichtigen sind die geltend gemachten Pflegekosten im Umfang von
Fr. 100.--, welche der Pflegefamilie zugesprochen wurden. Diese Kosten wurden -
trotz hängigem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorläufig von der Gemein-
de Y. beglichen. Bei einem allfälligen Unterliegen vor dem Verwaltungsgericht
würden sie zur Schuld der Familie. Da aber Schulden bei der Berechnung des
Existenzminimums grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (Brunner, a.a.O., S.
172; Bühler, Betreibungsund prozessrechtliches Existenzminimum, AJP 6/2002,
S. 654), sind diese Pflegekosten auch vorliegend nicht dazuzuschlagen. Dem Be-
gehren um Sistierung des Verfahrens bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Ur-
teils des Verwaltungsbzw. Bundesgerichts ist daher nicht zu entsprechen.
Aus dem eben Dargelegten ergibt sich für das Existenzminimum somit Folgendes:
Grundbetrag Fr.
1’550.--
Unterhalt Kind
Fr. 350.--
Zuschlag 20%
Fr. 380.--
Zwischentotal Fr.
2'280.--
Erhöhter Nahrungsbedarf
Fr. 105.--
Wohnungskosten Fr.
1'300.--
Krankenkassenprämien
Fr. 449.--
Jahresfranchise
Fr. 50.--
Unterhalt für Kind in Z.
Fr. 136.--
Kosten Arbeitsweg
Fr. 350.--
Steuern
Fr. 150.--
Seite 8 — 12
Existenzminimum Total
Fr. 4'820.--
c)
Die Gesuchstellerin behauptet, nicht ohne Beeinträchtigung des für sie und
ihre Familie notwendigen Lebensunterhaltes die Prozesskosten tragen zu können.
Zur Klärung, ob die erforderlichen Mittel tatsächlich fehlen, sind dem eben ermittel-
ten Existenzminimum die Einnahmen und das Vermögen gegenüberzustellen
(BGE 124 I 1 E. 2a). Die Beschwerdeführerin anerkannte Fr. 500.-als ihr eigenes
Einkommen. Demgegenüber rechnete ihr die Vorinstanz ein hypothetisches Ein-
kommen von zusätzlich Fr. 500.-an, da sie bis Mitte April 2008 stets zu 100%
gearbeitet und netto rund Fr. 3'000.-pro Monat verdient habe. Diese Anrechnung
wird von der Beschwerdeführerin zu Recht kritisiert. Angesichts ihrer Schwanger-
schaft kann ihr nicht vorgeworfen werden, nicht die ihr möglichen Einkünfte zu ge-
nerieren (Brunner, a.a.O., S. 171 f.). Von dieser Anrechnung ist folglich abzuse-
hen. Zur Bestimmung des durch ihren Ehemann erwirtschafteten Einkommens
befindet sich ein Arbeitsvertrag in den eingereichten Unterlagen. Demgemäss ar-
beitete der Ehemann vom 8. Januar bis 19. Dezember 2008 in einem befristeten
Arbeitsverhältnis im Stundenlohn bei der Bauunternehmung. Die Vorinstanz ging
von einem Einkommen von Fr. 4'550.-aus. Es ist anzunehmen, dass es sich da-
bei um einen unregelmässigen Stundenlohn handelt. In den Unterlagen befindet
sich lediglich die Lohnabrechnung für den Monat April 2008, welche neben dem
Monatslohn auch eine Ferienentschädigung sowie den 13. Monatslohn enthält. Da
keine Gründe ersichtlich sind, weshalb die Beschwerdeführerin nicht sämtliche
Lohnabrechnungen ihres Ehegatten einreichen liess, hat sie ihre Mitwirkungs-
pflicht verletzt. Mangels weiterer Angaben ist das vorinstanzlich angenommene
Einkommen von Fr. 4'550.-massgebend. Wenn die Beschwerdeführerin vor-
bringt, der 13. Monatslohn sei nicht zu berücksichtigen, ist ihr nicht beizupflichten.
Zum Nettoeinkommen gehören alle Lohnbestandteile soweit diese nicht Auslagen-
Spesenersatz darstellen (Bühler, Die Prozessarmut, a.a.O., S. 138). Eben-
falls anzurechnen ist der Gesuchstellerin das Einkommen ihres Ehemannes, wel-
ches dieser anlässlich seiner Nebenerwerbstätigkeit bei der X. AG verdiente. Ein
Nebenerwerbseinkommen ist nur dann unbeachtlich, wenn es erwiesenermassen
in Zukunft gar nicht nicht mehr in der bisherigen Höhe erzielt wird (Bühler,
Die Prozessarmut, a.a.O., S. 139). Eine solche Bestätigung liegt nicht vor. Ge-
mäss den Abrechnungen von Februar bis Mai 2008 sind daher durchschnittlich Fr.
875.-pro Monat anzurechnen. Damit resultiert ein Familieneinkommen von ins-
gesamt Fr. 5'925.--. Bei einem Existenzminimum von Fr. 4'820.-bleibt somit ein
Überschuss von über Fr. 1'000.-pro Monat, wobei dieser Betrag eine Reserve für
Krankenkassenkosten enthält, abzüglich welcher gar ein Überschuss von rund Fr.
1’150.-ausgewiesen wäre. Selbst wenn die Kosten für einen Parkplatz zu veran-
Seite 9 — 12
schlagen wären, ergäbe sich gleichwohl ein Überschuss von Fr. 1'000.--. Setzt
man diesen Überschuss in Beziehung zu den ausgewiesenen Anwaltskosten in
der Höhe von rund Fr. 6'800.--, ergibt sich eine Zeitdauer von weniger als einem
Jahr, innert welcher die Honorarrechnung ohne weiteres beglichen werden kann.
Nach der Praxis ist die unentgeltliche Prozessführung zu verweigern, wenn die
Prozesskosten aus dem Einkommensüberschuss innert Monaten bestritten wer-
den können, wobei die Dauer für relativ einfache Verfahren bei 1 Jahr und jene für
aufwändigere Verfahren bei 2 Jahren liegt. (BGE 118 Ia 370 E. 4a; VPB 64 (2000),
N 28 E. 2b/3; PKG 2003 Nr. 12 E. 6; Bühler, a.a.O., S. 185). Nicht zu berücksichti-
gen ist eine allfällige Honorarrechnung des Strafverfahrens, da diese weder aus-
gewiesen noch ungefähr beziffert ist. Unklar ist auch, ob die Voraussetzungen der
amtlichen Verteidigung gegeben sind. Darüber hinaus geht die Beschwerdeführe-
rin von einem Freispruch aus, was zur Folge hätte, dass die Kosten durch den
Staat übernommen würden.
5.
Aus dem eben Dargelegten folgt somit, dass für die Gewährung eines un-
entgeltlichen Rechtsbeistandes die erforderliche Bedürftigkeit nicht ausgewiesen
und die Beschwerde aus diesem Grund vollumfänglich abzuweisen ist. An dieser
Stelle kann überdies festgehalten werden, dass der Liegenschaft des Ehemannes
in Z. der Charakter einer Ferienwohnung zukommt. Dies wird auch seitens der
Gesuchstellerin nicht in Abrede gestellt. Der Wert der Liegenschaft liegt zweifels-
ohne über dem eines „Notgroschens“, welcher in Form eines Freibetrages zu be-
lassen ist, ohne dass er für die Bezahlung von Prozesskosten beigezogen werden
müsste (Brunner, a.a.O., S. 172). Verfügt eine Person über Vermögen, welches
den üblichen „Notgroschen“ übersteigt, ist ihr grundsätzlich zuzumuten, in erster
Linie dieses für die Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen. Vorliegend wur-
de seitens der Gesuchstellerin und ihres Ehemannes nicht einmal versucht, die
Wohnung zu vermieten allenfalls gar zu verkaufen. Angesichts des oben be-
rechneten Einkommensüberschusses wäre ihnen ferner zumutbar gewesen, in Z.
einen kleinen Kredit in Form einer Hypothek auf der Liegenschaft zu beantragen
(BGE 119 Ia 11 E. 5; Urteil KGA vom 7. Juli 2008, ZB 08 16, E. 5d; PKG 2002 Nr.
9 E. 3a und 3b). Die neu eingereichte pauschale Bestätigung der Bank, wonach
eine hypothekarische Belastung der Liegenschaft in Z. nicht finanziert werden
könnte, genügt nicht, um die Zumutbarkeit zu verneinen. Abgesehen davon sind
im vorliegenden Beschwerdeverfahren keine neuen Beweismittel zugelassen (Art.
233 Abs. 2 ZPO). Auch in diesem Punkt erweist sich die Beschwerde daher als
unbegründet. Die angefochtene Verfügung der Vormundschaftsbehörde Oberen-
Seite 10 — 12
gadin/Bergell ist insgesamt rechtmässig und willkürfrei, weshalb die dagegen ge-
richtete Beschwerde abzuweisen ist.
6.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestehend aus einer auf Fr. 300.--
festzusetzenden, in solchen Fällen stets verminderten Gerichtsgebühr gemäss Art.
5 lit. b des Kostentarifs im Zivilverfahren (KT; BR 320.075) und einer Schreibge-
bühr von Fr. 192.-- (Art. 8 Abs. 1 KT), gehen gemäss Art. 122 Abs. 1 ZPO vollum-
fänglich zu Lasten der unterliegenden Beschwerdeführerin; bei diesem Verfahren-
sausgang steht ihr auch keine aussergerichtliche Entschädigung zu (Art. 122 Abs.
2 ZPO).
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Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss:
1. Die
Beschwerde
wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 300.-zuzüglich Fr. 192.--
Schreibgebühren, total somit Fr. 492.--, gehen zu Lasten der Beschwerde-
führerin.
3.
Gegen diese, einen Streitwert von weniger als 30'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 2 lit. a des Bundesge-
richtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden, wenn sich eine Rechts-
frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fäl-
len ist das Rechtsmittel dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss
Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit,
die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfah-
ren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Präsident
Die Aktuarin ad hoc
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