Der Text handelt von einem Verfahren vor dem Kantonsgericht von Graubünden, bei dem es um die Aberkennung des ausländischen Führerausweises eines Arztes namens X. geht. X. wurde beschuldigt, grob gegen Verkehrsregeln verstossen zu haben, indem er ein riskantes Überholmanöver auf der Autobahn durchführte. Er wurde zu einer Geldstrafe und einem Fahrverbot verurteilt. X. legte Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde. Daraufhin reichte er Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht ein. Das Departement für Justiz wies die Beschwerde gegen die Aberkennung des Führerausweises ab, was X. erneut anfechtete. Das Gericht entschied schliesslich zugunsten von X., die Kosten des Verfahrens trägt der Kanton Graubünden.
Urteilsdetails des Kantongerichts VB-08-6
Kanton: | GR |
Fallnummer: | VB-08-6 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 10.12.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Aberkennung des ausländischen Führerausweises |
Schlagwörter : | Gericht; Kantons; Departement; Urteil; Berufung; Kantonsgericht; Recht; Strassenverkehr; Verfahren; Graubünden; Kantonsgerichtsausschuss; Strassenverkehrsamt; Bundesgericht; Verfügung; Verfahren; Kantonsgerichtsausschusses; Urteil; Führerausweis; Sachverhalt; Berufungskläger; Justiz; Administrativverfahren; ängig |
Rechtsnorm: | Art. 35 SVG ; |
Referenz BGE: | BGE 119 Ib E.; BGE 125 II E. 1b; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts VB-08-6
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 10. Dezember 2008
Schriftlich mitgeteilt am:
VB 08 6
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen Rehli und Hubert
Aktuarin ad hoc
Thoma
——————
In der verwaltungs(straf)rechtlichen Berufung
des Dr. med. X., Berufungskläger,
gegen
die Verfügung des Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit vom 10.
Oktober 2008, mitgeteilt am 21. Oktober 2008,
betreffend Aberkennung des ausländischen Führerausweises,
hat sich ergeben:
2
A.
Am 26. September 2007 verfügte das Strassenverkehrsamt des Kan-
tons Graubünden, dass X. das Recht aberkannt werden, für die Dauer von 3. Mo-
naten ab 26. November 2007 bis und mit 25. Februar 2008 mit ausländischen und
internationalen Führerausweisen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein
ein Motorfahrzeug zu lenken.
Zur Begründung führte das Strassenverkehrsamt an, X. sei am 29. Juli
2007 um 11.25 Uhr mit seinem Personenwagen _ auf der Autostrasse A13 in
Richtung San Bernardino gefahren. Bei Zillis, in einer unübersichtlichen Kurve,
habe er ein Wohnmobil überholt. Um eine Kollision zu verhindern, habe ein entge-
genkommender Fahrzeuglenker nach rechts auf den Pannenstreifen ausweichen
und leicht abbremsen müssen. Eine folgenschwere Kollision sei nur dank guter
Aufmerksamkeit und Reaktion des entgegenkommenden Lenkers ausgeblieben.
X. habe somit gegen Art. 35 Abs. 2 und 4 SVG verstossen. Es handle sich dabei
um eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sin-
ne von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG. Nach einer schweren Widerhandlung müsse der
Führerausweis für mindestens drei Monate entzogen werden (Art. 16c Abs. 2 lit. a
SVG). Unter Ziffer 2 mit dem Titel „Wichtige Hinweise“ vermerkte das Strassen-
verkehrsamt, dieses Administrativverfahren werde unabhängig von einem allfälli-
gen Strafverfahren durchgeführt.
B.
Mit Strafmandat vom 12. Oktober 2007 sprach der Kreispräsident Schams
X. schuldig der groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 35 Abs. 2 und
4 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 2 SVG und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe
von 15 Tagessätzen zu je CHF 110.00, bedingt auf 2 Jahre, sowie einer Busse
von CHF 1'000.00, ersatzweise bei schuldhafter Nichtbezahlung zu einer Frei-
heitsstrafe von 15 Tagen. Dieses Strafmandat erwuchs nicht in Rechtskraft (siehe
nachfolgend lit. D).
C.
Gegen die Verfügung des Strassenverkehrsamtes vom 26. September
2007 erhob X. am 23. Oktober 2007 Beschwerde an das Departement für Justiz,
Sicherheit und Gesundheit Graubünden und beantragte, die angefochtene Verfü-
gung sei aufzuheben und somit das Recht nicht abzuerkennen, in der Schweiz
und Liechtenstein ein Motorfahrzeug zu lenken.
Seine Beschwerde begründete X. im Wesentlichen damit, dass das Straf-
verfahren noch anhängig sei. Ohne Verurteilung sei ein Führerausweisentzug je-
doch rechtswidrig. Das Strassenverkehrsamt habe nicht über seine Schuld zu ent-
scheiden. In materieller Hinsicht brachte X. vor, sein Überholmanöver stelle keine
schwere Widerhandlung dar, weil ansonsten der entgegenkommende Fahrzeug-
lenker nicht nur leicht hätte abbremsen müssen.
3
D.
Gegen das Strafmandat vom 12. Oktober 2007 erhob X. Einsprache, wo-
rauf das ordentliche Verfahren zur Durchführung gelangte. Nach ergänzter Unter-
suchung und Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Graubünden erkann-
te der Bezirksgerichtsausschuss Hinterrhein mit Urteil vom 20. Mai 2008 X. schul-
dig der groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 35 Abs. 2 und Abs. 4
SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 2 SVG. Dafür wurde er zu einer Geldstrafe von
15 Tagessätzen zu je CHF 110.00 bedingt auf zwei Jahre sowie zu einer Busse
von CHF 1'000.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 10 Tagen verurteilt.
Die von X. dagegen erhobene Berufung wies der Kantonsgerichtsaus-
schuss von Graubünden mit Urteil vom 17. September 2008, mitgeteilt am 1. Ok-
tober 2008, ab.
Am 5. November 2008 legte X. gegen das Urteil des Kantonsgerichtsaus-
schusses von Graubünden Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht ein.
Das Verfahren ist dort zurzeit noch hängig.
E.
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2008, mitgeteilt am 21. Oktober 2008, wies
das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit die von X. gegen die Ver-
fügung des Strassenverkehrsamtes erhobene Beschwerde ab.
F.
Dagegen erhob X. am 18. November 2008 Berufung an den Kantonsge-
richtsausschuss von Graubünden mit dem Antrag, die angefochtene Departe-
mentsverfügung sei ersatzlos aufzuheben und somit keine Aberkennung des Füh-
rerscheins für 3 Monate zu verfügen.
G.
Das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit beantragt in seiner
Vernehmlassung vom 3. Dezember 2008 die kostenfällige Abweisung der Beru-
fung.
Auf die Ausführungen in den Rechtsschriften sowie die Erwägungen im an-
gefochtenen Entscheid wird soweit erforderlich - nachstehend eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Auf die fristund formgerecht eingelegte Berufung ist gestützt auf Art.
19 Abs. 2 der grossrätlichen Ausführungsverordnung zum Bundesgesetz über den
Strassenverkehr (BR 870.100) in Verbindung mit Art. 142 der Strafprozessord-
nung des Kantons Graubünden (StPO; BR 350.000) einzutreten.
2. a) Der Berufungskläger macht geltend, die Aberkennung des Führe-
rausweises widerspreche dem Doppelbestrafungsund Doppelverfolgungsverbot.
4
Die Aberkennung sei nicht als Nebenstrafe vom Strafgericht gleichzeitig mit den
Geldstrafen verhängt worden, sondern in einem eigenen Verfahren von einer an-
deren Behörde.
b)
Der Berufungskläger verkennt, dass für die Beurteilung von Ver-
kehrsregelverletzungen der Strafrichter zuständig ist, während die Anordnung ei-
nes Führerausweisentzugs in die Zuständigkeit der Administrativbehörde fällt. Der
Strafrichter ist daher nicht befugt, über einen Führerausweisentzug zu befinden,
und der Administrativbehörde fällt nicht die Kompetenz zu, die Strafbestimmungen
des SVG (Art. 90 ff.) anzuwenden. Diese Zweiteilung in Strafverfahren einerseits
und Administrativverfahren andererseits verstösst nach konstanter Rechtspre-
chung des Bundesgerichts weder gegen den Grundsatz „ne bis in indem“, wonach
niemand wegen der gleichen Tat zweimal verfolgt werden darf, noch gegen die
EMRK (vgl. BGE 125 II E. 1b S. 404 f.; Urteil des Bundesgerichts 6A.87/2002 vom
10.02.2003, E. 2.5). Die Berufung erweist sich somit insoweit als unbegründet.
3.
In der Hauptsache trägt der Berufungskläger vor, in der angefochte-
nen Departementsverfügung werde zutreffend die Bindungswirkung an ein Urteil
betont. Das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden sei jedoch
noch nicht rechtskräftig, weil er dagegen Beschwerde beim Bundesgericht erho-
ben habe. Eigene Feststellungen habe das Departement nicht getroffen. Jeden-
falls sei das dreimonatige Fahrverbot verfrüht. Damit macht der Berufungskläger
sinngemäss und wie bereits vor Vorinstanz geltend, der Führerausweis dürfe ihm
nicht ohne strafrechtliche Verurteilung entzogen werden. - Wie es sich damit ver-
hält und wie die Vorinstanzen vorliegend verfahren sind, ist somit einer näheren
Prüfung zu unterziehen.
a)
Dem Verhältnis zwischen Verwaltungsbehörde und Strafrichter liegt
eine lange und wechselvolle Rechtsprechung des Bundesgerichts vor. In Weiter-
führung seiner bisherigen Praxis betonte es in einem Urteil vom 27. Juni 1990 i.S.
R.P. gegen Consiglio die Stato del Cantone Ticino, dass die Verwaltungsbehörde
in aller Regel den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten habe. Kurze Zeit spä-
ter präzisierte es diese Rechtsprechung und führte aus, im Interesse von Rechts-
einheit und Rechtssicherheit gelte es zu vermeiden, dass derselbe Lebensvorgang
zu voneinander abweichenden Sachverhaltsfeststellungen von Verwaltungsund
Justizbehörden führe und die erhobenen Beweise abweichend gewürdigt und
rechtlich beurteilt würden. Die Verwaltungsbehörde habe daher sofern eine An-
zeige an den Strafrichter bereits erfolgt mit einer solchen zu rechnen sei -
grundsätzlich mit ihrem Entscheid zuzuwarten, bis ein rechtskräftiges Strafurteil
vorliege, soweit der Sachverhalt die rechtliche Qualifikation des in Frage ste-
5
henden Verhaltens für das Verwaltungsverfahren von Bedeutung sei. Dies sei et-
wa dann nicht der Fall, wenn nur die Frage des bedingten Strafvollzugs streitig sei
wenn klar sei, dass ein Rückfall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG gege-
ben sei. Ausnahmen seien indessen nur dann zuzulassen, wenn in Bezug auf den
Schuldpunkt der in Frage stehenden SVG-Widerhandlung keinerlei Zweifel be-
stünden (z.B. Beweis des Fahrens in angetrunkenem Zustand aufgrund einer
Blutprobe, deren Ergebnis anerkannt sei). Das Verfahren sei formell nicht einzu-
stellen, sondern auszusetzen zu sistieren (BGE 119 Ib E. 2c/bb S. 162). Die-
se Rechtsprechung wurde in der Folge wiederholt bestätigt (vgl. etwa Urteil des
Bundesgerichts 6A.87/2002 vom 10.02.2003, E. 2.3).
b)
Das Strassenverkehrsamt hielt in seiner Verfügung vom 26. Septem-
ber 2007 fest, dieses Administrativverfahren werde unabhängig von einem allfälli-
gen Strafverfahren durchgeführt. Eine Begründung dazu unterblieb. Dem Stras-
senverkehrsamt musste zu diesem Zeitpunkt aufgrund der X. vorgeworfenen Wi-
derhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz klar sein, dass gegen ihn nebst
dem Administrativverfahren auch eine Anzeige an den Strafrichter erfolgt ist
jedenfalls mit einer solchen gerechnet werden muss. Rund drei Wochen nach der
vom Strassenverkehrsamt erlassenen Verfügung, d.h. am 12. Oktober 2000,
erging denn auch bereits ein Strafmandat des Kreispräsidenten Schams. Das
Vorgehen des Strassenverkehrsamtes widerspricht offenkundig der unter E. 3a
dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichts. Möglicherweise liess sich das
Strassenverkehrsamt davon leiten, dass X. in der polizeilichen Einvernahme sein
Überholmanöver eingestand und er auf eine Vernehmlassung verzichtete. Allein
damit waren die Voraussetzungen, um ausnahmsweise losgelöst von einem (all-
fälligen) Strafverfahren eine Administrativmassnahme zu verfügen, jedoch nicht
gegeben. So konnten bereits im Polizeirapport und in der polizeilichen Einvernah-
me von X. teils abweichende Sachverhaltsdarstellungen entnommen werden. So
ist im Polizeirapport von einer unübersichtlichen Kurve die Rede und dass sich X.
mit seinem Fahrzeug mit der ganzen Fahrzeugbreite auf der Gegenfahrbahn be-
funden habe. Um eine folgenschwere Kollision zu verhindern, habe der Lenker
des Gegenfahrzeuges nach rechts auf den Pannenstreifen ausweichen und leicht
abbremsen müssen. X. sagte demgegenüber aus, aus seiner Sicht sei die Kurve
teilweise übersichtlich gewesen. Er sei auch der Meinung, dass er nur mit der hal-
ben Fahrzeugbreite auf der Gegenfahrbahn gewesen sei. Dass der Lenker des
Polizeifahrzeuges habe ausweichen müssen, habe er nicht bemerkt. Insofern lag
somit keine übereinstimmende Sachverhaltsdarstellung vor. Dass für die Beurtei-
lung eines Führerausweisentzugs der (massgebliche) Sachverhalt von Bedeutung
ist, dürfte wohl unbestritten sein. Ebenso klar ist, dass hierfür auch der rechtlichen
6
Qualifikation des in Frage stehenden Verhaltens, also ob es sich um eine einfache
eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln handelt, erhebliches Gewicht zu-
kommt. Das Strassenverkehrsamt durfte daher das Administrativverfahren nicht
unabhängig eines allfälligen Strafverfahrens durchführen.
c)
Das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit erwog, im
vorliegenden Fall liege ein Urteil des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden
vom 17. September 2008 vor und es gebe für die verfügende Behörde keine er-
sichtlichen Gründe, weshalb aufgrund der vorgebrachten Argumentation des Be-
schwerdeführers von dem im Urteil des Kantonsgerichtsausschusses festgehalte-
nen Sachverhalt abgewichen werden sollte. Dessen Behauptung, er habe keine
schwere Verletzung von Verkehrsregeln begangen, ansonsten der entgegenkom-
mende Fahrzeuglenker nicht nur leicht hätte abbremsen müssen, vermöge nicht
zu überzeugen. In diesem Zusammenhang könne ohne weiteres auf die diesbe-
züglichen Ausführungen im Urteil des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden
vom 17. September 2008 verwiesen werden. Einleitend zu diesen Erwägungen
legte das Departement dar, unter welchen Voraussetzungen nach der bundesge-
richtlichen Rechtsprechung ein Abweichen von den tatsächlichen Feststellungen
im Strafurteil gerechtfertigt ist.
Das Departement hat mit seiner Argumentation ausser Acht gelas-
sen, dass das vorerwähnte Urteil des Kantonsgerichtsausschusses noch gar nicht
in Rechtskraft erwachsen ist. Dieses wurde am 1. Oktober 2008 mitgeteilt, wobei
das Departement am 7. Oktober 2008 mit einem Exemplar bedient wurde. Im Ent-
scheiddispositiv wurde auf die 30-tägige Rechtsmittelfrist an das Schweizerische
Bundesgericht hingewiesen. Die hieramts angefochtene Verfügung, in der sich
das Departement auf das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses beruft, datiert
vom 10. Oktober 2008 und wurde am 21. Oktober 2008 mitgeteilt. Sowohl die Ent-
scheidfällung durch das Departement als auch die Zustellung der Verfügung er-
folgten mithin vor Ablauf der für eine Beschwerde an das Bundesgericht geltenden
Rechtsmittelfrist. Da X. am 5. November 2008 gegen das Urteil des Kantonsge-
richtsausschusses Beschwerde an das Bundesgericht erhob, ist dieses Urteil
(noch) nicht in Rechtskraft erwachsen. Es liegt demnach noch kein rechtskräftiges
Strafurteil vor. Das Departement hat sich demnach zu Unrecht auf das Urteil des
Kantonsgerichtsausschusses abgestützt.
d)
Das Departement argumentiert in seiner Vernehmlassung, sowohl der Be-
zirksgerichtsausschuss Hinterrhein als auch der Kantonsgerichtsausschuss Grau-
bünden hätten in ihren Urteilen festgestellt, dass X. gegen Art. 35 Abs. 2 und 4
SVG verstossen und daher den Verkehrsvorschriften in grober Weise im Sinne
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von Art. 90 Ziff. 2 SVG zuwider gehandelt habe. Es habe somit für seine Beurtei-
lung ohne weiteres von diesem Sachverhalt ausgehen und von eigenen Feststel-
lungen absehen dürfen. Die eingereichte Beschwerde in Strafsachen beim Bun-
desgericht vermöge an der in der angefochtenen Verfügung vorgenommenen Be-
urteilung nichts zu ändern.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, steht sie doch in klarem Wi-
derspruch zu dem vom Bundesgericht beim Zusammentreffen von Strafund Ad-
ministrativverfahren aufgezeigten Verfahrensablauf. Wie dargelegt, hat die Admi-
nistrativbehörde mit ihrem Entscheid grundsätzlich bis zum Vorliegen eines
rechtskräftigen Strafurteils zuzuwarten (vgl. E. 3a hiervor). Gründe, die aus-
nahmsweise ein Abweichen von diesem Grundsatz zulassen, sind vorliegend nicht
gegeben und werden von den Vorinstanzen denn auch nicht substantiiert vorge-
bracht. Ist das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses noch nicht rechtkräftig,
durfte sich das Departement daher auf dieses weder in tatsächlicher noch rechtli-
cher Hinsicht abstützen.
e)
Wären Gründe vorgelegen, die ausnahmsweise berechtigt hätten, ein Ad-
ministrativverfahren unabhängig eines allfälligen Strafverfahrens durchzuführen,
so hätten die Vorinstanzen eigene Sachverhaltserhebungen vornehmen müssen.
Dies haben sie jedoch nicht getan. Das Departement hat aber auch die Strafakten
nur in sehr beschränktem Umfang beigezogen. So findet sich diesbezüglich in den
Editionsakten einzig der Erhebungsbericht der Kantonspolizei Graubünden vom
30. Juli 2007 mit einer dort angehefteten Abschrift der polizeilichen Befragung von
X.. Dem Urteil des Kantonsgerichtsausschusses vom 17. September 2008 ist in-
dessen zu entnehmen, dass die Strafakten wesentlich mehr Urkunden umfassen,
insbesondere auch ein Fotoblatt der Kantonspolizei, eine Vernehmung von X.
durch das Bezirksgericht Mödling und die Zeugeneinvernahme des Polizisten,
welcher das entgegenfahrende Polizeifahrzeug lenkte (vgl. 5c S. 9 f.).
5. a) Nach dem Gesagten ist die Aberkennung des ausländischen Führeraus-
weises, wie der Berufungskläger zu Recht rügt, jedenfalls zu früh erfolgt. Die Vo-
rinstanzen hätten mit dem Administrativverfahren bis zum Vorliegen eines rechts-
kräftigen Strafurteils zuwarten und bis zu diesem Zeitpunkt ihr Verfahren sistieren
müssen. Insoweit erweist sich die Berufung somit als begründet, so dass die an-
gefochtene Departementsverfügung aufzuheben ist. Infolge des Devolutiveffekts
gilt mit der Berufung gegen die Departementsverfügung auch die ihr vorangegan-
gene Verfügung des Strassenverkehrsamtes als mit angefochten. Die Aufhebung
der Departementsverfügung bewirkt daher auch ohne ausdrückliche Erwähnung
die Aufhebung der Verfügung des Strassenverkehrsamtes.
8
b)
Mit Aufhebung der Verfügung der beiden Vorinstanzen wird das Administra-
tivverfahren wieder in den Zustand der Verfahrenseinleitung durch das Strassen-
verkehrsamt zurückversetzt. Dabei hat dieses mittels Verfügung die Verfahrens-
fortsetzung bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Strafurteils zu sistieren. Die
Akten sind daher zu diesem Zweck vom Departement an das Strassenverkehrs-
amt weiterzuleiten.
6. Bei
diesem
Verfahrensausgang gehen die Kosten des Berufungsverfahrens
zu Lasten des Kantons Graubünden. Von einer ausseramtlichen Entschädigung
an den Berufungskläger ist praxisgemäss abzusehen, da er nicht anwaltlich vertre-
ten war und sich zudem der Aufwand für die Berufungsschrift in engen Grenzen
hielt.
9
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird im Sinne der Erwägung gutgeheissen, die angefochtene
Departementsverfügung aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zu-
handen des Strassenverkehrsamtes Graubünden zurückgewiesen.
2. a) Die Kosten des Berufungsverfahrens gehen zu Lasten des Kantons Grau-
bünden.
b) Eine ausseramtliche Entschädigung wird nicht ausgerichtet.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 82 des Bundesgerichts-
gesetzes (BGG) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an
das Schweizerische Bundesgericht geführt werden. Diese ist dem Bundes-
gericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausferti-
gung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen
Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 82 ff. und 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident:
Die Aktuarin ad hoc:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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