Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt ein Strafverfahren gegen A. wegen Gewalt gegen seine Ehefrau. Es gibt unterschiedliche Gutachten zur Frage der Lebensgefahr für die Geschädigte. A. stellt ein Ausstandsgesuch gegen einen Verfahrensbeteiligten, welches abgelehnt wird. Es wird festgestellt, dass keine Befangenheit vorliegt. Der Gesuchsteller muss die Kosten tragen.
Urteilsdetails des Kantongerichts VB-03-15
Kanton: | GR |
Fallnummer: | VB-03-15 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 03.12.2003 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entzug des Führerausweises |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Führer; Führerausweis; Polizei; Recht; Fahrzeug; Entscheid; Geschwindigkeit; Kantons; Strassenverkehr; Entzug; Verfahren; Justiz-; Verfügung; Behörde; Sanitätsdepartement; Kantonsgericht; Führerausweises; Strassenverkehrsamt; Richter; Verkehr; Graubünden; Kantonsgerichtsausschuss; Strassenverhältnisse; Sachverhalt; Aquaplaning |
Rechtsnorm: | Art. 142 StPO ;Art. 16 SVG ;Art. 31 SVG ; |
Referenz BGE: | 118 Ib 229; 120 Ib 312; 121 II 127; 124 II 103; 126 II 358; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts VB-03-15
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 03. Dezember 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
VB 03 15
(nicht mündlich eröffnet)
(Auf die gegen diese Entscheidung erhobene Bundesverwaltungsgerichts-
beschwerde wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 04. Mai 2004
(6A.18/2004) nicht eingetreten.)
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen
Heinz-Bommer und Rehli
Aktuarin Duff
Walser
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In der verwaltungsrechtlichen Berufung
der X., Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. HSG Hermann
Just, Postfach 414, Masanserstrasse 35, 7001 Chur,
gegen
die Verfügung des Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartements Graubünden vom
26. September 2003, mitgeteilt am 30. September 2003, in Sachen gegen die Be-
rufungsklägerin,
betreffend Entzug des Führerausweises,
hat sich ergeben:
2
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A.
Am 23. Oktober 2002 fuhr X. bei Regen von A. kommend auf der A3
Richtung B.. Bei C. geriet ihr Fahrzeug auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern
und prallte gegen die Mittelleitplanke. Der Wagen wurde von der Leitplanke zu-
rückgeschleudert, überquerte die ganze Fahrbahn und kam neben dem angren-
zenden Wiesenbord auf dem Pannenstreifen zum Stillstand.
Gestützt auf die Sachverhaltsfeststellungen im Polizeirapport der Kantons-
polizei A. vom 23. Oktober 2002 wurde X. in der Folge mit Strafverfügung des Be-
zirksamts D. wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs sowie Nichtanpassung der
Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG und Art.
32 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig gesprochen und mit
einer Busse von Fr. 400.-bestraft. Diese Strafverfügung ist unangefochten in
Rechtskraft erwachsen.
B.
Mit Verfügung vom 30. April 2003 stellte das Strassenverkehrsamt
des Kantons Graubünden auf die Sachverhaltsfeststellungen der Strafbehörde ab
und entzog X. den Führerausweis gestützt auf Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG in Ver-
bindung mit Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG für einen Monat.
C.
Eine von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Justiz-, Poli-
zeiund Sanitätsdepartement Graubünden mit Verfügung vom 26. September
2003, mitgeteilt am 30. September 2003, ab.
D.
Gegen diesen Entscheid liess X. am 27. Oktober 2003 Berufung
beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden erheben. Ihre Rechtsbegehren
lauten:
„1. Die angefochtene Departementsverfügung sei aufzuheben.
2. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sa-
che zur neuen Entscheidfällung an das Strassenverkehrsamt, sub-
eventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.
Unter voller Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Staates.“
Unter Hinweis auf die Erwägungen in der angefochtenen Verfügung und die
Vorakten beantragt das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement Graubünden in
seiner Vernehmlassung vom 11. November 2003 die Abweisung der Berufung
unter Kostenfolge zu Lasten von X..
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Auf die Begründung der Anträge in den Rechtsschriften sowie auf die Er-
wägungen im angefochtenen Entscheid wird, soweit erforderlich, im folgenden
eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gegen Entscheide des Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartements
über Administrativmassnahmen im Strassenverkehr kann der Betroffene beim
Kantonsgerichtsausschuss Berufung gemäss Art. 141 ff. StPO einlegen (Art. 19
Abs. 2 der Ausführungsverordnung zum Bundesgesetz über den Strassenverkehr;
GAV zum SVG). Die Berufung ist innert 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung
der Verfügung beim Kantonsgerichtsausschuss einzureichen. Sie ist zu begründen
und hat darzutun, welche Mängel des vorinstanzlichen Entscheides Verfah-
rens gerügt werden (Art. 142 Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen vermag die
vorliegende Berufung zu genügen. Auf sie ist daher einzutreten.
2.
Die Berufungsklägerin macht zunächst geltend, die Administrativbe-
hörden hätten zu Unrecht auf die Sachverhaltsfeststellungen der Strafbehörde
abgestellt. Sie wendet ein, die Verwaltungsbehörden seien nicht an die Feststel-
lungen des Strafrichters gebunden gewesen, und bestreitet, dass der Unfall auf
das Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse zurückzufüh-
ren sei. Im folgenden gilt es somit abzuklären, ob die Vorinstanz die Tatsachen-
feststellungen gemäss Strafentscheid des Bezirksamts D. zu Recht für den eige-
nen Entscheid als verbindlich betrachtet hat oder, ob sie davon hätte abweichen
müssen.
a) Die für den Führerausweisentzug zuständige Verwaltungsbehörde ist
grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil gebunden und darf
nur in Ausnahmefällen davon abweichen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtspre-
chung ist die Administrativbehörde auch an einen Strafentscheid gebunden, der im
Strafbefehlsverfahren ergangen ist, wenn die Strafbehörde auf einen Polizeibericht
abstellt, der auf Wahrnehmungen der Polizeibeamten an Ort und Stelle beruht und
sich auf unmittelbar nach dem für den Führerausweisentzug massgeblichen Vor-
fall eingeholte Aussagen von Beteiligten stützt. Dies gilt insbesondere, wenn der
Angeschuldigte weiss angesichts der Schwere der ihm angelasteten Übertre-
tung davon ausgehen muss, dass ihm gegenüber neben dem Strafverfahren auch
ein Verfahren betreffend den Entzug des Führerausweises eingeleitet wird, er
darüber informiert worden ist. Ist dies der Fall, so muss der Betroffene entspre-
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chend dem Grundsatz von Treu und Glauben allfällige Verteidigungsrechte und
Beweisanträge im Strafverfahren vorbringen und dort gegebenenfalls alle
Rechtsmittel ausschöpfen. Eine Abweichung von den Tatsachenfeststellungen im
Strafentscheid ist nur dann zulässig, wenn klare Anhaltspunkte für die Unrichtig-
keit der getroffenen Feststellungen bestehen, wenn die Administrativbehörde ih-
rem Entscheid Tatsachen zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren,
wenn sie zusätzliche Beweise erhebt wenn der Strafrichter nicht alle sich mit
dem Sachverhalt stellenden Rechtsfragen abgeklärt hat (vgl. BGE 124 II 103, Erw.
1c/aa; 123 II 97 Erw. 3c/aa; 121 II 214 Erw. 3a = Pra. 85 [1996] Nr. 204, S.
785/786 sowie nicht amtl. publ. BGE vom 6. Juni 2003 [6A.29/2003], Erw. 2.2).
b) Im konkreten Fall liegt eine im Strafbefehlsverfahren ergangene rechts-
kräftige Strafverfügung des Bezirksamts D. vor. Zwar enthält dieser Strafentscheid
keine Ausführungen zum Unfallhergang. Er beruht jedoch auf dem Polizeirapport
der Kantonspolizei A. vom 23. Oktober 2002. Darin sind nebst den Witterungs-
und Strassenverhältnissen zum Unfallzeitpunkt und den polizeilichen Ermittlungs-
ergebnissen auch die Aussagen der Berufungsklägerin wiedergegeben. Ebenso
wird darin festgehalten, dass gestützt auf die Schilderung von X., wonach ein vor
ihr auf der Normalspur fahrender Wagen plötzlich nach links ausgeschert sei, ein
Zeugenaufruf erfolgt sei. Dieser sei jedoch ohne Ergebnis geblieben. Der Ent-
scheid der Strafrichterin stützt sich auf die Feststellungen im Polizeibericht ab,
wobei in der Strafverfügung entgegen dem Einwand von X. nicht bloss die anzu-
wendenden Gesetzesartikel ausgeführt sind. Vielmehr wird darin klar gesagt, dass
die Verurteilung wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges sowie Nichtanpassens
der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse erfolgte. Die Strafrichterin hat
also ihren Entscheid entgegen der Beanstandung der Berufungsklägerin begrün-
det. Davon geht offenbar auch der Rechtsvertreter von X. selbst aus, führt er doch
in der Berufungsschrift aus (vgl. act. 01, S. 7), dass die Strafrichterin den Vorwurf
der Nichtanpassung der Geschwindigkeit an die konkreten Strassenverhältnisse
und des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs begründet habe, wenn auch nicht, wie
er darlegt, mit Aquaplaning. Die Berufungsklägerin konnte also auch als juristi-
scher Laie aus dem Strafmandat ersehen, was ihr konkret vorgeworfen wird.
Dabei musste die Berufungsklägerin angesichts der ihr mit dem Strafman-
dat zur Last gelegten Vorwürfe damit rechnen, dass gegen sie ein Verfahren be-
treffend Entzug des Führerausweises eingeleitet würde. Zwar kann, wie der
Rechtsvertreter der Berufungsklägerin zutreffend ausführt, seiner Mandantin nicht
entgegengehalten werden, dass sie vom Strassenverkehrsamt schriftlich auf die
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Bedeutung des Strafurteils für das Administrativverfahren aufmerksam gemacht
worden sei. Obwohl ein Schreiben des Strassenverkehrsamts vom 5. Dezember
2002 bei den Akten liegt (vgl. act. 2), worin X. darauf hingewiesen wird, dass sie
mit dem Entzug des Führerausweises einer Verwarnung rechnen müsse und
die Beurteilung des Falls durch die Strafbehörde auf das Administrativverfahren
einen wesentlichen Einfluss habe, bestreitet die Berufungsklägerin ausdrücklich,
ein solches Schreiben erhalten zu haben. Das Gegenteil ist aufgrund der Akten
nicht nachzuweisen, zumal der erwähnte Brief bei der Versendung offenbar nicht
eingeschrieben wurde. Aber auch wenn die Berufungsklägerin über die Bedeutung
des Strafentscheids für das Massnahmeverfahren nicht informiert wurde, musste
sie unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, dass ein Administrativver-
fahren gegen sie eingeleitet wird. Gemäss dem der Strafverfügung zugrundelie-
genden Polizeirapport fuhr X. mit ihrem Personenwagen von A. herkommend auf
dem Überholstreifen der A3 in Richtung B.. Es regnete und die Fahrbahn war nass
(vgl. act. 1, S. 3 und Skizzenblatt). Nach eigenen Angaben war die Berufungsklä-
gerin mit der Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h unterwegs. Bei der Tatbe-
standsaufnahme wurde zudem festgestellt, dass die hinteren beiden Pneus des
von der Berufungsklägerin gelenkten Personenwagens mit einer Profiltiefe von 2,5
mm bis 3 mm nur noch knapp die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllten
und somit aufgrund der erheblichen Breite bei den herrschenden misslichen Witte-
rungsverhältnissen erfahrungsgemäss eine schlechte Haftung aufwiesen (vgl. act.
1, S. 4 und Skizzenblatt). Wer bei Regen auf der nassen Autobahn mit breiten nur
noch eine knappe Profiltiefe aufweisenden und somit bei diesen Verhältnissen
schlecht haftenden Reifen mit der Maximalgeschwindigkeit fährt, einen Unfall ver-
ursacht und dafür wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges sowie Nichtanpas-
sens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse verurteilt wird, muss -auch
wenn sein Fehlverhalten lediglich als einfache Verkehrsregelverletzung qualifiziert
wirddamit rechnen, dass ein Administrativverfahren gegen ihn eröffnet wird. X.
hätte also wissen müssen, dass ihr ein Verfahren betreffend Entzug des Führe-
rausweises droht. Entsprechend hätte sie allfällige Rügen bereits im Rahmen des
Strafmandatsverfahrens vorbringen und nötigenfalls Einsprache gegen die Straf-
verfügung erheben müssen. Darauf hat sie aber verzichtet, und das Strafmandat
des Bezirksamts D. ist in Rechtskraft erwachsen. Gründe für ein ausnahmsweises
Abweichen von den Tatsachenfeststellungen im Strafmandat sind keine gegeben.
Das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement hat bei seinem Entscheid über den
Entzug des Führerausweises weder Tatsachen festgestellt, die dem Bezirksamt D.
unbekannt waren, noch hat es zusätzliche Beweise erhoben. Es bestehen auch
keinerlei Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Sachverhaltsdarstellung gemäss
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Polizeirapport und Strafverfügung. Die Vorinstanz war folglich bei der Beurteilung
der Frage nach dem Führerausweisentzug an die Sachverhaltsfeststellungen der
Strafrichterin gebunden.
c) Der Rechtsvertreter der Berufungsklägerin wendet ein, das Strassenver-
kehrsamt und das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement hätten in ihrem Ent-
scheid auf Aquaplaning abgestellt, obwohl sich diese Feststellung weder auf den
Polizeirapport noch auf die Strafverfügung stütze. Da ein Aquaplaning als unwahr-
scheinlich zu betrachten sei, könne der Berufungsklägerin nicht vorgeworfen wer-
den, sie habe ihre Geschwindigkeit nicht herabgesetzt. Es würden daher offen-
sichtliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Sachverhaltsdarstellung betref-
fend übersetzte Geschwindigkeit vorliegen, weshalb die Verwaltungsbehörde aus
den vorliegenden Akten ihre eigenen Schlüsse zu ziehen habe und nicht an die
Feststellung der Strafrichterin gebunden sei.
Es ist richtig, dass das Strassenverkehrsamt seinem Entscheid über den
Entzug des Führerausweises das Vorliegen von Aquaplaning zugrundegelegt hat,
obschon weder im Polizeirapport noch in der Strafverfügung ein Hinweis darauf zu
finden ist. Das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement -und es sind dessen Aus-
führungen, die für das vorliegende Verfahren massgeblich sindist jedoch in sei-
nem Entscheid im Gegensatz zum Strassenverkehrsamt nicht davon ausgegan-
gen, dass der Unfall auf Aquaplaning zurückzuführen sei. Die Vorinstanz hat viel-
mehr erwogen, dass im konkreten Fall insbesondere aufgrund der wetterund
fahrzeugbedingten Umstände, wie unter anderem der nassen Fahrbahn und der
breiten Pneus, eine erhebliche Schleudergefahr bestanden habe. Entsprechend
hätte die Berufungsklägerin ihre Geschwindigkeit anpassen müssen. Der Unfall
sei darauf zurückzuführen, dass die Berufungsklägerin dies nicht getan habe,
sondern trotz der Witterungsund Strassenverhältnisse sowie der Fahrzeugeigen-
schaften gemäss eigenen Angaben mit 120 km/h gefahren sei. Das Justiz-, Poli-
zeiund Sanitätsdepartement hat also auf die Sachverhaltsfeststellungen im Poli-
zeirapport und der darauf beruhenden Strafverfügung abgestellt. Es hat die Aus-
führungen des Strassenverkehrsamts betreffend Aquaplaning nicht übernommen.
Die von der Berufungsklägerin im Zusammenhang mit dem Aquaplaning aufge-
worfenen Fragen erweisen sich somit als nicht mehr relevant, weshalb auf die ent-
sprechenden Ausführungen in der Berufungsschrift nicht weiter einzugehen ist.
Im Ergebnis steht demnach fest, dass die Vorinstanz die Tatsachenfeststel-
lungen im Strafentscheid des Bezirksamts D. beziehungsweise in dem diesem
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zugrundeliegenden Polizeibericht zu Recht für den eigenen Entscheid über den
Entzug des Führerausweises als verbindlich betrachtet hat.
3. Zu prüfen bleibt, ob der verfügte Führerausweisentzug gerechtfertigt ist
ob, wie die Berufungsklägerin geltend macht, bloss eine Verwarnung auszu-
sprechen gewesen wäre.
a) Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führerausweis entzogen werden,
wenn der Fahrzeugführer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr ge-
fährdet andere belästigt hat. In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausge-
sprochen werden. Der Ausweis muss entzogen werden, wenn der Führer den
Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat (Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG). Das Gesetz
unterscheidet mithin den leichten, den mittelschweren und den schweren Fall.
Nach der Rechtsprechung kann auf den Führerausweisentzug grundsätzlich nur
verzichtet werden, wenn der Fall leicht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG ist.
Bei einem mittelschweren Fall kommt ein Verzicht nur in Frage, wenn besondere
Umstände vorliegen. Ob ein leichter Fall vorliegt beurteilt sich nach dem Verschul-
den des Fahrzeuglenkers und seinem automobilistischen Leumund; die Schwere
der konkreten Verkehrsgefährdung ist jedoch nach der neueren Rechtsprechung
des Bundesgerichts für die Frage, ob der Führerausweis zu entziehen ist, nicht
unmittelbar entscheidend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob sich die Anordnung
einer Massnahme mit dem Ziel der Ermahnung und Besserung angesichts des
Verschuldens des Lenkers überhaupt rechtfertigen lässt und ob die Massnahme
geeignet ist, im Einzelfall das Ziel zu erreichen (vgl. BGE 126 II 358, Erw. 1 a; 125
II 561, Erw. 2 b; nicht amtl. publ. BGE vom 23. Januar 2001 [6A.106/2000], Erw. 3
b sowie nicht amtl. publ. BGE vom 6. Juni 2003 [6A.29/2003], Erw. 1.1 und 3.5).
b) Der Berufungsklägerin wird vorgeworfen, sie habe ihre Geschwindigkeit
nicht den Umständen angepasst. Nach den verbindlichen Feststellungen der Straf-
richterin sowie der Vorinstanz ist sie bei Regen auf der nassen Autobahn mit einer
Geschwindigkeit von 120 km/h gefahren und ins Schleudern geraten, wobei hinzu
kommt, dass die hinteren Reifen ihres Personenwagens bei einer erheblichen
Breite nur noch ein Minimalprofil aufwiesen und somit unter den gegebenen Ver-
hältnissen entsprechend schlecht hafteten. Angesichts dieser Umstände musste
die Lenkerin damit rechnen, ins Schleudern zu geraten. Entsprechend hätte sie
ihre Geschwindigkeit den Witterungsbedingungen und den erwähnten Fahrzeug-
eigenschaften anpassen müssen. Je weniger die Geschwindigkeit den Verhältnis-
sen angepasst ist, desto schwerer wiegt das Verschulden. Bei der Beurteilung
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können allgemeine Empfehlungen berücksichtigt werden, welche den Lenkern für
gewisse Situationen (zum Beispiel Witterungsbedingungen) die Einhaltung be-
stimmter Tempolimiten anraten. So verwies das Bundesgericht in BGE 120 Ib 312
auf die Empfehlung, bei starkem Regen auf Autobahnen 80 km/h nicht zu über-
schreiten (vgl. auch nicht amtl. publ. BGE vom 26. Januar 2001 [6A.106/2000],
Erw. 3 b aa). In jenem Fall war ein Autolenker bei Regen auf der Überholspur der
nassen Autobahn bei geltender Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h mit 100-
110 km/h gefahren und ins Schleudern geraten. Das Bundesgericht bestätigte die
Auffassung der Vorinstanz und ging von einem recht erheblichen Verschulden des
Fahrzeuglenkers wegen nicht angepasstem Fahrverhalten aus. Zwar lag diesem
Entscheid im Unterschied zur vorliegenden Situation ein Fall von Aquaplaning zu
Grunde. Unabhängig davon ist aber auch im konkreten Fall vom Grundsatz aus-
zugehen, dass die signalisierte Höchstgeschwindigkeit nicht unter allen Umstän-
den ausgefahren werden darf, sondern nur bei günstigen Verhältnissen gilt (vgl.
BGE 121 II 127, Erw. 4a mit Hinweisen sowie BGE 120 Ib 312, Erw. 4c und nicht
amtl. publ. BGE vom 26. Januar 2001 [6A.106/2000], Erw. 3 b aa).
Günstige Verhältnisse waren vorliegend nicht gegeben. Es regnete und die
Fahrbahn war nass, als die Berufungsklägerin mit ihrem Fahrzeug auf der Über-
holspur der Autobahn unterwegs war. Es kann somit auch hier auf die Empfehlung
des Bundesgerichts abgestellt werden, die Geschwindigkeit bei Regen auf der
Autobahn auf 80 km/h zu begrenzen. Dies um so mehr, als die aufgrund der nas-
sen Fahrbahn bestehende Schleudergefahr im konkreten Fall noch erhöht war,
weil das von der Berufungsklägerin gelenkte Fahrzeug mit relativ breiten Reifen
bestückt war, welche hinten nur noch ein knappes Profil aufwiesen. Dabei ist we-
sentlich, dass hier nicht von einer falschen Reaktion der Berufungsklägerin auszu-
gehen ist, welche aus der Situation heraus erfolgte. Die Sachlage ist vielmehr der-
art, dass X. auf der Autobahn ungeachtet der nassen Farbahn und trotz der brei-
ten, nur noch minimal profilierten Pneus einfach die Höchstgeschwindigkeit von
120 km/h ausgefahren und ihr Fahrverhalten somit nicht an die Verhältnisse an-
gepasst hat. Das Fehlverhalten von X. stellt mithin entgegen der Auffassung ihres
Rechtsvertreters nicht bloss eine geringfügige Unaufmerksamkeit dar, aufgrund
derer der Berufungsklägerin ein entsprechend geringes Verschulden vorgeworfen
werden kann. Die Berufungsklägerin hat vielmehr mit dem Nichtanpassen der Ge-
schwindigkeit an die Strassenverhältnisse und die Fahrzeugeigenschaften unter
Verletzung ihrer elementarsten Pflichten schuldhaft gegen eine Verkehrsregel
verstossen, welche für die Sicherheit im Strassenverkehr von grundlegender Be-
deutung ist. Das Ausschöpfen der nur unter günstigen Verhältnissen auf Autobah-
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nen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, das zu einem Schleuderun-
fall führte, stellt mithin unter den gegeben Umständen -unabhängig davon, ob ein
Fahrzeug von der Normalspur plötzlich nach links vor die Berufungsklägerin aus-
geschert ist und diese behindert hatein mittelschweres Verschulden dar (vgl.
nicht amtl. publ. BGE vom 6. Juni 2003 [6A.29/2003], Erw. 3.1.2). Daran vermag
nichts zu ändern, dass die Strafrichterin das Fehlverhalten von X. nicht als grobe,
sondern lediglich als einfache Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG
qualifiziert hat. Aus der Verurteilung nach Art. 90 Ziff. 1 SVG folgt nämlich nicht
zwingend, dass es sich um einen leichten Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2
SVG handeln muss. Die einfache Verletzung von Verkehrsregeln umfasst sowohl
den leichten wie den mittelschweren Fall nach Art. 16 Abs. 2 SVG (vgl. nicht amtl.
publ. BGE vom 23. Januar 2001 [6A.106/2000], Erw. 3 a sowie nicht amtl. publ.
BGE vom 6. Juni 2003 [6A.29/2003], Erw. 3.1.2).
c) Nach dem Gesagten ist von einem mittelschweren Verschulden der Be-
rufungsklägerin auszugehen. Auch wenn der automobilistische Leumund von X.
ungetrübt ist, fällt somit die Annahme eines leichten Falls und damit das Ausspre-
chen einer blossen Verwarnung anstelle des Führerausweisentzugs ausser Be-
tracht (vgl. BGE 126 II 358, Erw 1 c). Dass hier besondere Umstände vorliegen,
wie sie in BGE 118 Ib 229 genannt werden und gegebenenfalls auch bei einem
mittelschweren Fall zum Verzicht auf den Ausweisentzug führen könnten, ist nicht
ersichtlich und wird von der Berufungsklägerin denn auch nicht geltend gemacht.
Ein Entzug des Führerausweises rechtfertigt sich zudem auch unter Berücksichti-
gung von Art. 30 Abs. 2 VZV. Von einem korrekten Verhalten der Berufungskläge-
rin beziehungsweise von einer sich aus der Situation ergebenden geringfügigen
Unaufmerksamkeit kann entgegen den Behauptungen in der Berufungsschrift
nicht die Rede sein. Vielmehr steht fest, dass X. trotz der nicht optimalen Verhält-
nisse mit der Höchstgeschwindigkeit gefahren ist und ihr Fahrverhalten somit
schuldhaft nicht an die Umstände angepasst hat, worauf sie ins Schleudern gera-
ten ist. Entsprechend ist davon auszugehen, dass der von den Verwaltungsbehör-
den verfügte Ausweisentzug durchaus geeignet ist, auf die Berufungsklägerin eine
warnende und bessernde Wirkung auszuüben.
Zusammenfassend erweist sich der seitens des Strassenverkehrsamtes
ausgesprochene und durch das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement bestätig-
te Führerausweisentzug somit als verhältnismässig. Die Feststellung des Stras-
senverkehrsamtes, die von X. begangenen Verkehrsregelverletzungen erfüllten
die Voraussetzungen von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG, lässt sich in keiner Weise
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beanstanden. Die Dauer des Entzugs haben die Administrativbehörden auf das
gesetzliche Mindestmass festgesetzt (Art 17 Abs. 1 lit. a SVG). Im Ergebnis steht
somit fest, dass das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement die Beschwerde von
X. gegen den vom Strassenverkehrsamt Graubünden ihr gegenüber gestützt auf
Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG verfügten
Entzug des Führerausweises für die Dauer von einem Monat zu Recht abgewie-
sen hat. Die dagegen erhobene Berufung ist demnach unbegründet und muss ab-
gewiesen werden.
4.
Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Berufungsverfahrens vor
Kantonsgerichtsausschuss zu Lasten der Berufungsklägerin (Art. 160 Abs. 1
StPO).
12
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 800.-gehen zu Lasten der
Berufungsklägerin.
3.
Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit erhaltener schriftlicher Mittei-
lung beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 97
ff. OG eingereicht werden.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident
Die Aktuarin
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