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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SKA-05-30: Kantonsgericht Graubünden

Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat in einem Urteil vom 2. November 2018 entschieden, dass eine stationäre therapeutische Massnahme im Fall einer schuldunfähigen Person angeordnet wird. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen, einschliesslich der Kosten der amtlichen Verteidigung. Die Gerichtsgebühr beträgt 3'000 CHF, und die Kosten der Verteidigung belaufen sich auf 6'200 CHF. Das Urteil wurde vom Oberrichter lic. iur. Spiess gefällt. Die unterlegene Partei ist eine Privatperson.

Urteilsdetails des Kantongerichts SKA-05-30

Kanton:GR
Fallnummer:SKA-05-30
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SKA-05-30 vom 07.12.2005 (GR)
Datum:07.12.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Fortsetzung der Betreibung (örtliche Zuständigkeit, Aufgabe des
Schlagwörter : Betreibung; Wohnsitz; SchKG; Schuldner; Betreibungsamt; Konkurs; Gläubiger; Schuldners; Aufenthalt; Oberengadin; Ausland; Gläubigerin; Pfändung; Sinne; Schuldbetreibung; Zahlung; Kantonsgericht; Verfügung; Betreibungsamtes; Italien; Kantonsgerichtsausschuss; Aufsichtsbehörde; Zustellung; Verbleib; Pfändungsankündigung; Aufenthaltsort; Vorinstanz; Fortsetzung; Wohnsitzes
Rechtsnorm:Art. 17 KG ;Art. 33 KG ;Art. 35 KG ;Art. 46 KG ;Art. 48 KG ;Art. 50 KG ;Art. 54 KG ;Art. 66 KG ;
Referenz BGE:116 II 503; 119 III 60; 57 III 44; 65 III 101;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SKA-05-30

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 07. Dezember 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
SKA 05 30


(Eine gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde in SchKG-Sachen
wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 06 März 2006 (7B.241/2005) abge-
wiesen.)

Entscheid
Kantonsgerichtsausschuss
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen
Riesen-Bienz und Hubert
Aktuar Conrad
——————
In der Schuldbetreibungsund Konkursbeschwerde
der B a n k Q . , Gläubigerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsan-
walt Dr. Gerhard Stoessel, Seestrasse 29, 8700 Küsnacht,
gegen
die Verfügung des Betreibungsamtes Oberengadin vom 12. September 2005, mit-
geteilt am 12. September 2005, in Sachen der Gläubigerin und Beschwerdeführe-
rin gegen X., Schuldner und Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
Arthur D. Ruckstuhl, Bachstrasse 8, 8280 Kreuzlingen,
betreffend Fortsetzung der Betreibung (örtliche Zuständigkeit, Aufgabe des
schweizerischen Wohnsitzes nach eingeleiteter Betreibung, Flucht (Art. 54
SchKG)),



2


hat sich ergeben:
A.1. Am 4. Juli 2003 betrieb die Bank Q., Düsseldorf, X., Ot., aus zwei
Bürgschaften, die dieser zur Besicherung von Krediten eingegangen war, welche
die Gläubigerin an früher vom Schuldner beherrschte Unternehmen gewährt hatte,
auf Zahlung von Fr. 7'885'381.34 nebst 6.22 % Zins auf Fr. 7'861'359.81 seit 5.
Juli 2003. Der in der Betreibung Nr. 2031754 des Betreibungsamtes Oberengadin
ausgestellte Zahlungsbefehl wurde X. am 14. Juli 2003 persönlich, an der von der
Gläubigerin angegebenen Adresse Chesa Ta. in Ot., zugestellt. X. erhob anläss-
lich der Zustellung Rechtsvorschlag.
2.
Am 25. August 2003 wurde der Gläubigerin die provisorische
Rechtsöffnung erteilt, worauf sie am 16. September 2003 erstmals das Fortset-
zungsbegehren stellte. Diesem konnte zunächst keine Folge gegeben werden, da
der Schuldner Aberkennungsklage erhoben hatte. Eine auf den 6. November 2003
angesetzte Sühneverhandlung wurde auf Begehren des Schuldners auf den 1.
Dezember 2003 verschoben. Als im November 2003 der Konkurs über X. eröffnet
wurde, fiel die Vermittlungsverhandlung dahin. Am 11. Dezember 2003 wurde der
Konkurs mangels Aktiven eingestellt und in der Folge ein neuer Termin für die
Vermittlungsverhandlung auf den 1. April 2004 angesetzt. Diese fiel wiederum da-
hin, weil am 11. Dezember 2003 ein anderer Gläubiger gegen die Einstellung des
Konkurses mit Erfolg Beschwerde erhoben hatte. Der Konkursrichter hielt unter
anderem fest, dass es nicht an Aktiven für das Konkursverfahren mangle, sondern
dass der Schuldner den Verbleib seiner Aktiven verdunkle. Ferner wurde im Kon-
kurserkenntnis festgestellt, dass X. seiner Lebensgefährtin eine Liegenschaft im
Wert von mehreren Millionen Franken zu einem Preis weit unter deren tatsächli-
chen Belehnung mit Grundpfändern übertragen hatte. Der Konkurs wurde in der
Folge dennoch am 30. September 2004 mangels Aktiven erneut eingestellt. Da X.
das Vermittlungsverfahren nach erfolgter Konkurseinstellung nicht wieder auf-
nahm, fiel seine Aberkennungsklage dahin und die Beschwerdeführerin erhielt mit
der entsprechenden Abschreibungsverfügung des Vermittlers vom 4. März 2005 in
der Betreibung Nr. 2031754 die definitive Rechtsöffnung.
3.
Auf Anfrage vom 23. März 2005 teilte die Einwohnerkontrolle Ot. der
Gläubigerin mit, X. sei per 15. November 2004 ohne Adressangabe ins Ausland
gezogen; man habe nur eine Postfachadresse in Fn..



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B.1. Am 6. April 2005 stellte die Gläubigerin dem Betreibungsamt
Oberengadin erneut das Begehren um Fortsetzung der Betreibung Nr. 2031754,
mit dem Hinweis, dass der Betreibungsort Ot. trotz Wegzug des Schuldners be-
stehen bleibe. Die Postfachadresse in Fn. vermöge kein Spezialdomizil im Sinne
von Art. 50 Abs. 2 SchKG zu begründen. Eine Betreibung am letzten schweizeri-
schen Wohnort sei möglich, wenn der Schuldner diesen Wohnsitz aufgebe und ins
Ausland ziehe ohne neuen Wohnsitz Aufenthalt zu begründen. Die Gläubige-
rin habe durch die Bestätigung der Einwohnerkontrolle Ot. nachgewiesen, dass ihr
kein neuer Wohnsitz Aufenthalt des Schuldners bekannt gegeben worden
sei, womit es Sache des Schuldners sei, den Beweis für seinen neuen Wohnsitz
zu erbringen. Angesichts der Tatsachen, dass der Konkursrichter festgestellt ha-
be, Vermögenswerte von X. seien auf unerklärliche Weise verschwunden und der
Schuldner anschliessend ohne Angabe eines neuen Aufenthaltsorts ins Ausland
weggezogen sei, lägen im Übrigen genügend Anzeichen für Zahlungsflucht im
Sinne von Art. 54 SchKG vor.
Mit Schreiben vom 12. September 2005 lehnte es das Betreibungsamt
Oberengadin ab, das Betreibungsverfahren durch Pfändung fortzusetzen, mit fol-
gender Begründung:
" Sämtliche Zustellversuche der Pfändungsankündigung waren erfolglos, weil
der Schuldner an der erwähnten Adresse keinen Wohnsitz mehr hat. Er wurde von
der Gemeinde Ot. per 15. November 2004 ins Ausland abgemeldet. Unsere inten-
siven weiteren Nachforschungen haben nun ergeben, dass der Schuldner sich an
folgender Adresse aufhält: X., Via Ri. 19c I-32034 Vp.. Eine Ausnahme macht Art.
48 SchKG, der eine Betreibung am Aufenthaltsort des Schuldners zulässt, wenn
dieser keinen festen Wohnsitz hat. Die Betreibung am Aufenthaltsort findet nach
der bundesgerichtlichen Rechtssprechung zu Art. 48 dann statt, wenn der Schuld-
ner sich vom bisherigen Wohnsitz in der Absicht entfernt, hier nicht mehr dauernd
zu verbleiben, jedoch ohne die Absicht, am neuen Ort dauernd zu verbleiben
(BGE 57 III 44). Am Aufenthaltsort kann nur betrieben werden, wer seine Wohn-
verhältnisse in offensichtlicher Weise verschleiert. Dies dürfte nach unseren Er-
kenntnissen nicht mehr der Fall sein."
2.
Mit Schreiben vom 14. September 2005 insistierte die Gläubigerin.
Gestützt auf Art. 54 SchKG bleibe das Betreibungsamt Oberengadin zuständig
und das Amt habe die Pfändungsankündigung mittels öffentlicher Bekanntma-
chung im Sinne von Art. 35 SchKG zu veranlassen.



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Das Betreibungsamt entschied am 20. September 2005 abschlägig. Entge-
gen der Gläubigerin könne es nicht Aufgabe des Betreibungsbeamten sein, eine
neue Anschrift des Schuldners ausfindig zu machen. Im Gegenteil verlange Art. 67
Abs. 1 Ziff. 2 SchKG deren Beibringung durch den Gläubiger. Vorliegend habe das
Betreibungsamt der Gläubigerin die neue Anschrift des Schuldners in Italien mit-
geteilt. Es obliege nun ihr, vor der beantragten Publizierung der Pfändungsankün-
digung zu beweisen, dass die dem Betreibungsamt vorliegende neue Anschrift
nicht dem aktuellen Wohnsitz des Schuldners entspreche.
C.1. Mit Schriftsatz vom 23. September 2005 liess die Bank Q. Be-
schwerde gegen die Verfügungen vom 12./20. September 2005 an den Kantons-
gerichtsausschuss als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssa-
chen führen. Sie stellt folgende Anträge:
"1. Die angefochtene Verfügung des Betreibungsamts Oberengadin sei
aufzuheben.
2. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, dem Schuldner die Pfändung
durch öffentliche Bekanntmachung anzuzeigen und die Betreibung
fortzusetzen.

3. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerde-
gegnerin."
2.
In seiner Vernehmlassung vom 5. Oktober 2005 schliesst das Betrei-
bungsamt Oberengadin auf Abweisung der Beschwerde.
Zur Begründung wurde ausgeführt, das SchKG definiere den Wohnsitz
nicht selbst. Solange nicht eine Betreibung nach Art. 48 SchKG in Frage stehe, sei
auf Art. 23-26 ZGB über den zivilrechtlichen Wohnsitz abzustellen. Zur Bestim-
mung des Wohnsitzes und damit des ordentlichen Betreibungsstandes einer na-
türlichen Person sei der Ort festzustellen, wo sich diese in objektiver und für Dritte
erkennbarer Weise mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhalte und den sie
zum Mittelpunkt ihrer persönlichen Lebensbeziehungen und Interessen gemacht
habe. Im Normalfall befinde sich der Wohnsitz am Ort, wo man schlafe, die Frei-
zeit verbringe und sich die persönlichen Effekten befänden. Angesichts des
Zwecks des Wohnsitzes als Anknüpfungspunkt für Drittpersonen und Behörden
sei bei der Wohnsitzbestimmung nicht auf den inneren Willen des Betreffenden
abzustellen, sondern worauf die von aussen erkennbaren Umstände objektiv
schliessen liessen. Einen eindeutigen, massgeblichen Beweis des Wohnsitzes in
dem Sinne, dass eine bestimmte Tatsache alle anderen einschlägigen Anhalts-
punkte verdränge, gäbe es ebenso wenig wie eine bestimmte Rangfolge unter



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allen möglichen Indizien für die Wohnsitzbestimmung. Entscheidend sei der objek-
tive Gesamteindruck. Indizien für die Wohnsitzbestimmung könnten im Ort liegen,
wo die Schriften hinterlegt seien, eine polizeiliche Niederlassungsoder Aufent-
haltsbewilligung erteilt sei (BGE 116 II 503 E. 4c), die Steuern bezahlt werden,
Sozialversicherung bestehe, das Stimmrecht ausgeübt werde, Wohnung genom-
men werde, eine Bankverbindung bestehe, ein Telefonanschluss bestehe, die
Post zugesandt werde und dergleichen.
X. habe sich per 15. November 2004 von Ot. ins Ausland abgemeldet. Ei-
nen publizierten Telefonanschluss habe er in Ot. nicht mehr. Seine Anschrift laute
nun Via Ri. 19c, IT-32034 Vp.. Er halte sich in objektiver und für Dritte erkennbarer
Weise mit der Absicht dauernden Verbleibens am genannten Ort in Italien auf. In
Ot. habe er vom Betreibungsamt trotz intensiver Bemühungen nicht mehr ange-
troffen werden können. Sämtliche Pfändungsankündigungen seien an das Amt
retourniert worden, mit dem Vermerk der Post, dass der Empfänger unter der an-
gegebenen Adresse nicht habe ermittelt werden können.
Nach Aufforderung durch die Aufsichtsbehörde hat das Betreibungsamt die
Kopie eines Schriftstücks der italienischen Immigrationsbehörden zu den Akten
gegeben. Daraus geht hervor, dass X. am 7. Februar 2005 eine befristete Aufent-
haltsgenehmigung (permesso di soggiorno per stranieri per motivi commercia-
li/lavoro autonomo) in Italien (Comune di Vp., Adresse: Via G. Ri. Nr. 19) erteilt
worden ist.
3.
Gemäss Zustellbescheinigung der italienischen Rechtshilfebehörde
ist die prozessleitende Verfügung, womit dem Beschwerdegegner X. Gelegenheit
zur Vernehmlassung eingeräumt wurde, am 28. Oktober 2005 an der angegebe-
nen Adresse in Vp./Italien, in Empfang genommen worden. Eine Beschwerdeant-
wort hat X. innert Frist nicht erstattet. Die vom nachträglich bestellten Rechtsver-
treter am 29. November 2005 eingereichte Vernehmlassung kann deshalb nicht
berücksichtigt werden.
4.
Auf die Beschwerdebegründung, die vorinstanzliche Vernehmlas-
sung sowie die Betreibungsakten ist, soweit sachdienlich, nachfolgend einzuge-
hen.



6


Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1. Die
Beschwerdeführerin hat in der von ihr eingeleiteten Betreibung
Nr. 2031754 am 6. April 2005 das Begehren um Fortsetzung gestellt. Das Betrei-
bungsamt Oberengadin, welches den Zahlungsbefehl ausund zugestellt hatte,
lehnte die Vornahme der weiteren, gesetzlich vorgesehenen Betreibungshandlun-
gen mit Verfügungen vom 12. und 20. September 2005 ab. Dagegen kann Be-
schwerde im Sinne von Art. 17 SchKG geführt werden. Auf die im Übrigen recht-
zeitig (gegen beide Verfügungen) und formgerecht bei der zuständigen Instanz
eingelegte, einen Antrag und eine Begründung enthaltende Beschwerde der be-
schwerten Bank Q. vom 23. September 2005 ist einzutreten.
2.
Das Betreibungsamt Oberengadin hat seine Ablehnungsverfügungen
im Wesentlichen damit begründet, der Schuldner halte sich an bekannter Adresse
in Italien auf. In der Schweiz bestehe mittlerweile weder ein Betreibungsstand auf-
grund von Wohnsitz (Art. 46 SchKG) noch aufgrund von Aufenthalt (Art. 48
SchKG). Es obliege nun der Gläubigerin, zu beweisen, dass der Aufenthaltsort,
welcher ihr das Betreibungsamt bekannt gegeben habe, nicht der Wohnsitz des
Schuldners sei. Im Beschwerdeverfahren machte die Vorinstanz geltend, der im
Sinne von Art. 46 SchKG massgebliche Wohnsitz und Betreibungsstand des
Schuldners befinde sich nun in Vp./Italien.
a.
Die Rechtsmeinung des Betreibungsamt Oberengadin in seiner Ver-
fügung vom 20. September 2005, es obliege der Gläubigerin, vor der beantragten
Publizierung der Pfändungsankündigung zu beweisen, dass die dem Betreibungs-
amt vorliegende neue Anschrift in Italien nicht dem aktuellen Wohnsitz des
Schuldners entspreche, ist irrig. Mit der erfolgten Zustellung des Zahlungsbefehls
an dem damals allseits anerkannten Wohnsitz in Ot. war und ist ein Betreibungsort
manifest. Das Betreibungsamt ist jedenfalls ab diesem Zeitpunkt von Amtes we-
gen in einer gewissen Überwachungsund Abklärungspflicht, da allenfalls seine
örtliche Zuständigkeit, welche es zuvor selbst und zutreffend bejaht hat, in Frage
gestellt ist. Im Übrigen liegt es, bei einem schuldnerischen Wohnsitzwechsel, wel-
cher nach der Einleitung der Betreibung an einem unbestrittenermassen zutref-
fenden Ort erfolgt ist, nicht am Gläubiger sondern am Schuldner, die neue Tatsa-
che des Wohnsitzwechsels hinreichend zu behaupten und zu beweisen (BGE 120
III 110 E. 1=Pra 84 Nr. 148 E. 1; Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses als
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen vom 30. August
2000, i.S. R.S. vs. Betreibungsamt Oberengadin und H.S. AG, SKA 00 22/23, E.



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2b; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Kon-
kurs, 4. A. Zürich 1997, N 15 zu Art. 46 SchKG). Insbesondere kann dem Gläubi-
ger durch blosse Behauptung des Betreibungsamtes und/oder des Schuldners
diesbezüglich keinerlei Beweislast zugeschoben werden. Für den Wohn-
sitz/Aufenthalt im Sinne des SchKG reicht irgendein Verweilen an einem bestimm-
ten Ort nicht aus. Es müssen objektiv feststellbare enge Beziehungen zum Ort
geschaffen sein. Es ist weder die Aufgabe des Betreibungsamtes, intensiv nach
dem Aufenthalt des Schuldners zu forschen, noch an dessen Stelle zu beweisen,
dass ein Ort die für seine rechtliche Qualifikation als Wohnsitz notwendigen
Merkmale aufweist. Da es bei der gegenständlichen Konstellation (Wegzug an
einen unbekannten Ort im Ausland nach Zustellung des Zahlungsbefehls) die Auf-
gabe des Schuldners ist, die objektiv enge Beziehung zum neuen Ort zu beweisen
und damit die örtliche Unzuständigkeit des Betreibungsamtes für die Fortsetzung
darzutun und der Schuldner damit säumig ist, ist das Verfahren am letzten Woh-
nort und bisherigen Betreibungsstand weiter zu führen. X. hat, damals wie heute,
keinen abweichenden Wohnsitz behauptet; im Beschwerdeverfahren ist er seiner
Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Feststellung eines allfälligen neuen Wohnsit-
zes nicht nachgekommen.
b.
Die Vorinstanz übersieht ferner, dass Fragen im Zusammenhang mit
der Rechtsanwendung der Art. 46/48 und 67 SchKG und insbesondere, welcher
der Beteiligten (Gläubiger, Schuldner Betreibungsamt) welche tatsächlichen Um-
stände in Bezug auf den schuldnerischen Wohnsitz/Aufenthalt zu behaupten und
zu beweisen habe, im vorliegenden Fall allesamt offen bleiben können, denn X. ist
flüchtig im Sinne von Art. 54 SchKG. Gegen einen flüchtigen Schuldner wird der
Konkurs an dessen letztem Wohnsitz eröffnet. Hat der Schuldner seinen festen
Wohnsitz aufgegeben, um sich seinen Verbindlichkeiten zu entziehen, und keinen
neuen festen Wohnsitz begründet, kann die Betreibung gegen ihn am letzten
Wohnsitz in der Schweiz durchgeführt werden. Diese Norm findet praxisgemäss
auch im Pfändungsverfahren Anwendung (Pra 84 Nr. 148 E. 1b; BGE 65 III 101;
Ernst F. Schmid, Basler Kommentar, Basel 1998, N 50 zu Art. 46, N 2 zu Art. 54
SchKG; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N 15 zu Art. 46).
c.
Die Beschwerdeführerin hat das Betreibungsamt vorgängig darauf
aufmerksam gemacht, dass nach ihrer Auffassung Art. 54 SchKG zur Anwendung
gelangt, und dafür insbesondere mit Schreiben vom 14. September 2005 eine ein-
lässliche Begründung geliefert. Auf diese Argumentation ist die Vorinstanz weder
in der vorausgegangenen Korrespondenz noch in den Anfechtungsobjekten mit



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einem Wort eingegangen; insoweit kann ihr der Vorwurf der Gehörsverweigerung
nicht erspart bleiben.
d.
Gemäss Art. 54 SchKG muss der Schuldner "flüchtig" sein. Die
Tragweite dieses unbestimmten Rechtsbegriffs deckt sich mit der Flucht, wie sie
die Bestimmungen von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG (Konkurseröffnung ohne vor-
gängige Betreibung) und Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG (Arrestgrund) verstehen.
Gemeint ist Zahlungsflucht, das heisst physisches Entfernen von Person und/oder
Vermögenswerten, welches darauf ausgerichtet ist, diese dem Zugriff der
Zwangsvollstreckung zu entziehen letztlich also, um sich vor der Erfüllung eige-
ner Verbindlichkeiten zu drücken.
Im Rahmen der Korrespondenzen vor Einleitung von Zwangsvollstre-
ckungsmassnahmen zeigte X. der Beschwerdeführerin am 16. Juli 2002 an, dass
er neu bei seiner Freundin in Zürich wohne, nannte indessen gleichzeitig und wi-
dersprüchlich eine Adresse in Fn. (Gemeinde Mn.), wo er aber nicht gemeldet war.
Sein Briefkopf lautete nach wie vor auf seine Adresse in Ot. und trug in der Fuss-
zeile eine Adresse in Fn. an der Rainstrasse 381. Hier war er aber ebenfalls nicht
bekannt. Auf dem so dargestellten Briefpapier nannte er als neue Korrespondenz-
adresse jene seiner Freundin in Zürich (act. 01.1.2, 5). In einem Schreiben an die
Beschwerdeführerin vom 25. Februar 2003 stand im Briefkopf dennoch erneut die
Adresse des Schuldners in Ot. (act. 01.1.3). Am 5. Juni 2003 bestätigte die Ge-
meindeverwaltung Ot., dass X. noch dort Wohnsitz hatte (act. 01.1.4). Gemäss
Rechtsöffnungsentscheid und Aberkennungsklage vom 18. August 2003 und 15.
September 2003 gab X. seinen Wohnsitz in Ot. an (act. 04.1.6, 9). Das Vermittler-
amt Oberengadin hatte gemäss vorläufiger Konkursanzeige vom 26. November
2003 als Adressangabe ebenfalls Ot. (act. 01.1.6). Im Konkursentscheid des Be-
zirksgerichtspräsidenten Maloja vom 7. Juni 2004 ist die Adresse Ot. angegeben
(act. 01.1.8). Die Abschreibungsverfügung vom 4. März 2005 des Vermittlers wur-
de an die Adresse der Freundin von X. in Mn. geschickt, allerdings nicht an ihre
bisherige Adresse an der Rainstrasse 381, sondern neu an die General-Wille-
Strasse 304, wo die Freundin gemäss Telefonbuch noch heute wohnt (act. 01.1.9,
18). Am 23. März 2005 bestätigte die Gemeindeverwaltung von Ot., dass X. seit
dem 15. November 2004 ohne Adressangabe ins Ausland gezogen sei, man habe
nur eine Postfachadresse in Fn. (act. 01.1.7). Es bleibt die Feststellung, dass der
Beschwerdegegner seit 2002 ein eigentliches Verwirrspiel um seinen jeweiligen
persönlichen Verbleib betrieb und betreibt, was bereits als Anhaltspunkt für Flucht
zu werten ist. Die Abmeldung in Ot. ist per 15. November 2004 erfolgt. Dieser



9


Zeitpunkt ist kaum ein Zufall, nachdem die Rechtsöffnung im März 2004 definitiv
geworden und das Fortsetzungsbegehren demnächst zu erwarten war. Die dro-
hende effektive Vollstreckung durch persönliche Einvernahme und Pfändung ist
augenscheinlich der Grund dafür, dass sich X. ohne Angabe über seinen weiteren
Verbleib ins Ausland abgesetzt hat. Seither hat er sich bei den schweizerischen
Behörden weder gemeldet, noch hat er seinen neuen Aufenthaltsort bekannt ge-
geben. Die Gläubiger sollten nicht wissen, wo er sich aufhielt. All diese Indizien
zusammen verdichten sich zur Gewissheit, dass X. sein Verhalten bewusst auf die
Hintertreibung der Zwangsvollstreckung ausgerichtet hat und damit vor der
zwangsweisen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten geflüchtet ist. Art. 54 SchKG be-
trifft den Schuldner, welcher mit seiner Flucht bezweckt, sich seinen Verbindlich-
keiten zu entziehen; das darf ohne weiteres bei jedem Flüchtigen angenommen
werden, der Schulden hinterlässt (Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N 2 zu
Art. 54). Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines rechtskräftigen Vollstre-
ckungstitels gegen X. über rund 9 Millionen Franken.
e.
Art. 54 SchKG ist auch anwendbar auf einen von der Schweiz abwe-
senden Schuldner, dessen neuer Wohnsitz unbekannt ist und der nicht der Kon-
kursbetreibung unterliegt (Pra 84 Nr. 148 E. 2b). Zu ergänzen ist, dass dies bei
unbekanntem schweizerischem Wohnsitz gilt, mit anderen Worten: Bei Zah-
lungsflucht vermag ein neuer ausländischer Aufenthalt Wohnsitz die Anwen-
dung von Art. 54 SchKG nicht zu hindern. Ist die Zahlungsflucht -wie vorliegend-
offenkundig, kann Art. 54 SchKG auch Anwendung finden, wenn der Aufenthalts-
ort des Schuldners der neue Wohnsitz im Ausland bekannt sind. Die Wahl
eines neuen Wohnsitzes im Ausland genügt nicht. (Schmid, a.a.O., N 4 zu Art. 54;
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N 9 zu Art. 190, N 2 zu Art. 46; Ernst Blu-
menstein, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern 1911,
S. 181). Ob die Vorinstanz Nachforschungen über Ort und Art des Verbleibs von
X. anstellen musste durfte ist folglich nicht von Interesse, und das Ergebnis
dieser Abklärungen in Form der nunmehr vom Betreibungsamt zu den Akten ein-
gelegten italienischen Aufenthaltsgenehmigung (act. 08.1), ist in der Sache uner-
spriesslich. Selbst wenn X. mittlerweile in Vp. gewöhnlichen Aufenthalt dort
gar seinen neuen Lebensmittelpunkt im Sinne von Wohnsitz begründet haben soll-
te, bleibt dies im Speziellen unbeachtlich.
f.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerde im Haupt-
punkt gutzuheissen ist, die angefochtenen Verfügungen aufzuheben sind und die
Vorinstanz anzuweisen ist, das Betreibungsverfahren in Ot. fortzusetzen.



10


3. Die
Beschwerdeführerin
beantragt,
das Betreibungsamt sei anzuwei-
sen, die Pfändungsankündigung in der Form der öffentlichen Bekanntmachung
gemäss Art. 35, Art. 66 Abs. 4 Ziff. 1 2 SchKG vorzunehmen. Betreibungsort
und Zustelladresse für Betreibungsurkunden und betreibungsamtliche Mitteilungen
können einerseits auseinander fallen. Andererseits ist im vorliegenden Fall die
Möglichkeit der Zustellung ins Ausland gemäss Art. 66 Abs. 3 SchKG in Betracht
zu ziehen, wobei dem Betreibungsamt die Kompetenz zukommt, die Fristen für
Beteiligte im Ausland zu verlängern (vgl. Art. 33 Abs. 2 SchKG). Auf die Auslands-
zustellung ist zu Gunsten der als ultima ratio gedachten Ediktalzitation erst dann
zu verzichten, falls die Zustellung ins Ausland nicht innert angemessener Frist
möglich ist (Art. 66 Abs. 4 Ziff. 3 SchKG; BGE 119 III 60 E. 2a, 112 III 7 E. 4, 64 III
43 E. 2). Diese Aspekte sind bislang nicht geklärt strittig. Der Frage der Form
der Zustellung der Pfändungsankündigung hat die Aufsichtsbehörde daher nicht
vorzugreifen.
4.
Der Antrag der im Hauptpunkt obsiegenden Beschwerdeführerin, es
seien Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Betreibungsamtes
Oberengadin zu verfügen, widerspricht dem Gesetz. Im Beschwerdeverfahren
nach Art. 17 ff. SchKG dürfen nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift weder
Kosten erhoben -vorbehältlich mutwilliger und trölerischer Beschwerdeführung
(Art. 20a Abs. 1 Satz 2 SchKG)- noch Verfahrensentschädigungen zugesprochen
werden (Art. 20a Abs. 1 Satz 1 SchKG, Art. 61 Abs. 2 lit. a und Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG in Verbindung mit Art. 26 der kantonalen Vollziehungsverordnung
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, GVV zum SchKG). Dies
gilt sowohl unter den Parteien als auch im Verhältnis zur Vorinstanz.



11


Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Beschwerde der Bank Q. wird teilweise gutgeheissen und die Verfü-
gungen des Betreibungsamtes Oberengadin vom 12. und 20. September
2005 in der Betreibung Nr. 2031754 werden aufgehoben.
2. Das
Betreibungsamt
Oberengadin wird angewiesen, die Betreibung Nr.
2031754 am Betreibungsort Ot. fortzusetzen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Verfahrensentschädigungen
zugesprochen.
4.
Gegen diesen Entscheid kann innert zehn Tagen seit seiner schriftlichen
Mitteilung beim Schweizerischen Bundesgericht Beschwerde geführt wer-
den, sofern Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden will. Die
Beschwerde ist schriftlich im Doppel beim Kantonsgerichtsausschuss einzu-
reichen.
5. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Der Präsident:
Der Aktuar:


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